[Comic] Marjane Satrapi - Persepolis: Eine Kindheit im Iran

Es gibt 27 Antworten in diesem Thema, welches 13.298 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Breña.

  • Die erste Hälfte von "Persepolis" hat mich begeistert. Wie aus Marjanes kindlicher Sicht persönliche Erlebnisse mit der politischen Entwicklung verknüpft werden, hat mir sehr gut gefallen. Auch der Zeichenstil gefiel mir ausgezeichnet, die Zeichnungen fand ich sehr einfach, aber auch überraschend ausdrucksstark.


    Mit der Auswanderung nach Österreich ging es für mich dann abwärts. Dieser Teil konnte mich nur anfangs noch mitreißen. Von dem Absturz in Wien habe ich nicht gern gelesen. Ich weiß nicht genau, woran es lag, denn schlecht erzählt, ist auch dieser Teil nicht. Jedoch fehlt hier der kindliche Charme der Marjane aus dem ersten Teil. Sie ist jetzt älter und desillusionierter. Teilweise wurde sie mir als Leserin regelrecht unsympathisch. Das ist zwar unfair von mir, da Marjane nicht nur mit den üblichen Pubertätsproblemen, sondern auch noch mit einer für sie fremden Kultur zurecht kommen und obendrein noch für sich selber sorgen musste. Vielleicht lag es auch daran dass dieser Teil nicht mehr im Iran spielt, jedenfalls mochte ich diesen Abschnitt nicht besonders.


    Nach Marjanes Rückkehr in den Iran wird es etwas besser, der Funke wollte jedoch nicht mehr so richtig überspringen. Beispielsweise gibt es eine Szene, in der sie Lippenstift trägt und um den Sittenwächtern zu entgehen, einen unschuldigen Mann beschuldigt, sie belästigt zu haben. Das sie das hinterher (zunächst!) auch noch witzig findet, hat mich dann doch etwas befremdet. Andererseits fand ich es auch mutig, sich selber so ehrlich darzustellen.


    Für die erste Hälfte, die Kindheit im Iran, würde ich 5 Ratten vergeben, so reicht es jedoch nur für insgesamt
    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Einmal editiert, zuletzt von Thanquola ()

  • Interessant, meine Empfindungen zum ersten und zweiten Teil sind genau umgekehrt wie deine. In unserer Meinung über die Zeichnungen sind wir uns aber einig :winken:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • In den Rezensionen, die ich so im Internet gelesen habe, scheint es oft so zu sein, dass man entweder die eine oder die andere Hälfte besser findet. Vielleicht auch ein bisschen davon abhängig, ob man sich vorher schonmal mit dem Iran beschäftigt hat. Ich glaube, bei mir war es auch so, dass in der zweiten Hälfte der Reiz des Neuen verflogen war. Vielleicht sollte ich nochmal in den Anfang reinlesen, gut möglich, dass ich den jetzt mit anderen Augen sehe.

  • Mir ist es am Anfang des zweiten Teils schwer gefallen, die reifere Marjane zu akzeptieren. Ich mochte sie als Kind irgendwie lieber, aber ich konnte mit den Erlebnissen der Älteren mehr anfangen.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Persepolis ist ein autobiografischer Comic, sowohl geschrieben als auch gezeichnet von Satrapi selbst. Und es ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie intensiv die Wirkung eines Comics sein kann.


    Ursprünglich erschien Persepolis in vier Teilen, wobei sich die ersten beiden mit ihrer Kindheit, die letzten beiden mit ihrer Jugend befassen. Auf ihr jeweiliges Alter geschaut, treffen diese Überschriften vielleicht nicht perfekt zu, jedoch wird während des Lesens deutlich, weshalb Satrapi sie gewählt hat. Sie erzählt ihre Geschichte in kurzen Kapiteln, die teilweise ohne Verbindung aufeinander folgen, teilweise eng miteinander verbunden sind. Wenn nötig, liefert sie eine konkrete zeitliche Einordnung. Die verschiedenen Phasen habe ich unterschiedlich gerne gelesen, jedoch fand ich alle auf ihre Weise stark.


    Satrapi stammt aus einer liberalen, politisch aktiven Familie und ist Urenkelin des letzten absolutistischen Schahs Persiens (Ende des 19. Jahrhunderts). Ihre Erziehung, ihre Erfahrungen sowie die Möglichkeiten, die ihr eröffnet wurden, heben sie ganz sicher von anderen Iranern ab, selbst wenn diese ebenfalls liberal aufwuchsen. Sie kann detaillierte Einblicke in die iranische Geschichte liefern, welche sie dennoch sehr persönlich mit ihren Erfahrungen verknüpft. Und diese Schilderungen habe ich als enorm ehrlich empfunden. Sie will keine Heldin sein, sondern steht zu ihren Fehlern, denn diese machen einen Teil ihrer Geschichte aus. Indem ich ihren Blickwinkel mit allen Vorurteilen und Erkenntnissen verfolgen kann, sogar ihre Wutausbrüche, Abstürze und Grenzüberschreitungen, lässt sie mich teilhaben. Und das intensiviert auch die Darstellung des alltäglichen Erlebens, das so weit von meinem eigenen Alltag entfernt ist. Viele der kurzen Episoden wirken stark nach.


    Stilistisch hat Satrapi sich für reduzierte schwarz/weiß Zeichnungen entschieden, die das Dargestellte teilweise sehr vereinfachen. Doch eben diese minimalistische Ausführung ist sehr kraftvoll, die Gestaltung mit Bedacht durchgeführt.


    5ratten


    Übrigens habe ich eine Ausgabe gelesen, die alle Teile beinhaltet. Leider ist so ein britisches Paperback zwar günstig, aber nicht unbedingt schön aufgemacht.


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    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Satrapi stammt aus einer liberalen, politisch aktiven Familie und ist Urenkelin des letzten absolutistischen Schahs Persiens (Ende des 19. Jahrhunderts).

    Das wusste ich auch noch nicht, interessant!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe das Buch auch dieses Jahr gelesen und fand es super. Gerade mit dem Blick auf die heutigen Ereignisse in Iran, eine fast schon spannende Hintergrund Lektüre.

  • Ich habe das Buch auch dieses Jahr gelesen und fand es super. Gerade mit dem Blick auf die heutigen Ereignisse in Iran, eine fast schon spannende Hintergrund Lektüre.

    Das ging mir ähnlich. Ich hatte vor Kurzem in einem Bericht gesehen, wie der Alltag von Frauen im Iran sich bis 1979 gestaltet hat. Die Bilder unterschieden sich in nichts von denen aus den Fotoalben meiner Familie. Ich fand es daher auch enorm spannend zu lesen, was in der Zwischenzeit passiert ist, um in der aktuellen Situation zu gipfeln.

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges