Michael Ondaatje - Anils Geist

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.486 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mondy.

  • Dieses Buch ist mein Beitrag für Sri Lanka (*) im Projekt 'Wir lesen uns rund um die Welt'


    * (JA! Ich weiss - Michael Ondaatje ist in England gross geworden und lebt in Kanada - ABER: geboren in Sri Lanka - und dieses Buch handelt ausserdem auch dort :smile:)



    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Kurzbeschreibung
    Jahrelang hat sie in fremden Ländern und unter fremden Menschen gelebt – jetzt kehrt Anil Tissera in ihre Heimat Sri Lanka zurück. Für eine Menschenrechtskommission soll sie Beweise finden, daß die Regierung des vom Bürgerkrieg zerrissenen Landes Menschen foltert, umbringt, verschwinden läßt. Unter Lebensgefahr will Anil, zusammen mit dem Archäologen Sarath, die Geschichte eines Opfers rekonstruieren, die den unwiderlegbaren Beweis erbringen könnte, den sie sucht.
    Mit im Bunde ist der Künstler Ananda, auch er ein Mensch, dem Wunden zugefügt wurden, die er nicht vergessen kann. In einem verlassenen Herrenhaus inmitten von grünen Teeplantagen entfaltet sich eine eigenartige Idylle auf Zeit, die jederzeit ein brutales Ende finden kann, wenn der Geheimdienst davon erfährt. Doch zunächst dringt die Außenwelt herein in Gestalt von Saraths jüngerem Bruder Gamini. Auch er ist Arzt, doch beschäftigt er sich nicht mit den Toten, sondern kümmert sich um die gerade noch Davongekommenen – und es ist ihm einerlei, zu welcher Seite sie gehören.
    Wo aber steht Sarath eigentlich?



    Meine Meinung


    Sicherlich darf man mir sagen, dass ich bei keinem Buch, das ich lese objektiv sein kann, aber in meinen Augen schaffe ich zu verschiedenen Themen, Autoren, Stilen die nötige Distanz um ‚neutral’ darüber zu schreiben.
    Bei Michael Ondaatje gestehe ich von vornherein – ich bin beeinflusst. Ich bin nicht objektiv - will es noch nicht einmal sein – Lesen hat für mich mit PASSION zu tun, etwas, das ich auf diesen Seiten so sehr vermisse, wo viel zu viel über Zahlen, Statistiken, Listen etc. geredet wird. Lesen hat mit Buchstaben zu tun, die einen glücklich machen, mit Geschichten, die einen wegreißen, Autoren die einen auf die Knie sinken lassen um ‚Danke’ zu sagen, weil man ihre Bücher lesen darf, ….
    Und Lesen hat auch mit Austausch über diese Freude zu tun. Meine Freude und mein Austausch sind hier immer recht einsam – aber was soll’s – ich habe dieses Buch dennoch gerne gelesen und will versuchen den Leuten, die Michael Ondaatje eine Chance geben wollen gerne verraten, was seine Faszination ausmacht.
    Als erstes sollte man bei ihm wissen, dass er sehr gute Gedichte schreibt – und von daher wird man bei ihm immer eine sehr poetische (in meinen Augen daher schöne Sprache) finden. Leser, die sich damit nicht anfreunden können, werden bei ihm keine Freude erleben.
    Dann liebt er Musik und Film – und so wie er es mit seinem Buch ‚Buddy Bolden Blues’ geschafft hat, Buchstaben eine Musik produzieren zu lassen, so gelingt ihm in diesem Buch eine ‚Schnittfolge’ wie ich sie bei einem Film erwarte – von einer Person zu anderen, lauscht in ihre Gedanken, Gefühle, Ängste. Erlebt mit ihnen ein paar Momente, Tage, Jahre und unterbricht mit wirren Abfolgen von Monologen oder Vergangenheitserlebnisse verschiedener Personen, schwenkt hinüber in Tagesabläufe Gerichtsmediziner und bringt uns das Sezieren von Leichen mit ähnlichen Worte nah wie Zeilen später die unglückliche Liebe Anils zu einem verheirateten Mann.
    Bei diesem Buch gibt es kein Anfang, kein Ende. Kein Gut und kein Böse – es gibt ein paar Einblicke in Realitäten unterschiedlichster Menschen in einer kriegsähnlichen Situation und vor allem gibt es kein Happy End mit Sonnenuntergang und Kuss zwischen der Heldin und dem Helden (wohl Grund dafür warum dieses so wunderbare Buch noch keinen Hollywoodregisseur gefunden hat um es zu verfilmen!).


    Für mich konnte das Buch nur ein Highlight sein weil ich Michael Ondaatje bisher in jedem seiner Bücher bedingungslos in jede Geschichte gefolgt bin. Wäre schön, wenn es dem einen oder anderen auch gefallen könnte.


    5ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Kenavo ()

  • Wow, was für eine enthuasiastische Rezension :klatschen: Von Ondaatje habe ich bisher nur "Der englische Patient" gelesen, hat mir sehr gut gefallen. Jetzt habe ich große Lust, es mit diesem Buch zu versuchen. Ich schätze, es ist eines der Bücher, die sehr geteilte Reaktionen hervorrufen...mal sehen! Ich werde auf jeden Fall berichten.


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Aus dem Englischen von Melanie Walz


    Meine Meinung
    Ich habe mich mit diesem Buch schwer getan. Dabei habe ich mich sogar auf das Lesen gefreut (soweit man sich auf so ein Thema freuen kann). Seit ich auf Sri Lanka im Urlaub war, interessiere ich mich für das Land, die Kultur und die Geschichte und so war ich wirklich bereit, mich voll und ganz auf dieses Buch einzulassen.


    Teilweise hat es mir auch richtig gut gefallen. Besonders die Beschreibungen Gaminis, ein Arzt mit Leib und Seele, haben mich in ihren Bann gezogen. Er kämpft Tag und Nacht darum, Leben zu retten, egal wen er vor sich hat. In einem so tief gespaltenen Land ist das nicht unbedingt selbstverständlich. Man erlebt seine Gefühle mit, seine Ängste, seine Gedanken. Wünsche hat er schon lange keine mehr, sogar sein Privatleben hat er für seine Arbeit aufgegeben. Diese Ausschnitte, so nah an der Realität und doch so persönlich beschrieben, habe ich besonders gerne gelesen.


    Dann gab es viele Szenen, die sich wie in einem Traum abspielten, z.B. als Anil und Sarath den Archäologen Palipana aufsuchen. Ondaatjes sowieso schon poetische Sprache wird dann noch verschachtelter, noch metaphorischer. Ich konnte damit nicht wirklich viel anfangen und im Nachhinein erinnere ich mich kaum noch an den Inhalt dieser Teile. An anderen Stellen passt dieser Schreibstil allerdings sehr gut, z.B. als Anil sich im Fieberwahn befindet.


    Ich weiß, dass Michael Ondaatje gerade für seine Sprache und für seinen Schreibstil bekannt ist. Teile des Buches haben mir auch gut gefallen, andere fand ich hingegen nur beschwerlich und langatmig. Gerne hätte ich mich mehr mit dem Inhalt beschäftigt anstatt mich durch den Schreibstil hindurchzuwinden. Dieses Buch sei jedem empfohlen, der damit etwas anfangen kann, für mich war es jedoch ein eher gemischtes Leseerlebnis.
    3ratten


    P.S.: Gehört das Buch nicht eher in die Kategorie "Gegenwartsliteratur"? :winken:

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

    Einmal editiert, zuletzt von mondy ()


  • P.S.: Gehört das Buch nicht eher in die Kategorie "Gegenwartsliteratur"? :winken:


    Doch, ich denke schon.


    Ich habe es schon zweimal mit dem "Englischen Patienten" versucht und mir jedesmal fürchterlich schwergetan mit Ondaatjes Stil :redface:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ich habe es schon zweimal mit dem "Englischen Patienten" versucht und mir jedesmal fürchterlich schwergetan mit Ondaatjes Stil :redface:


    Ja, ich denke, der Stil ist schon sehr speziell. Entweder mag man ihn oder nicht.

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)