Da ich hierzu noch keinen Thread gefunden habe, bin ich mal so frei (ich hoffe mal, die Einordnung unter Gegenwartsliteratur ist in Ordnung - ich hatte auch überlegt, es unter Unterhaltungsliteratur zu eröffnen, aber das passte irgendwie weniger - wenn ich mich irre, wird sich ja bestimmt ein freundlicher Mod finden, der den Thread verschiebt )
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Theresia Enzensberger - Auf See
"'Auf See"' erzählt die Geschichte von Yada, die auf einer Seestatt lebt, die ursprünglich als nachhaltige, autonome Siedlung in der Ostsee gedacht war, heute jedoch nur ein Schatten der früheren Ideen ist. Ihr Vater, den sie kaum zu Gesicht bekommt, hat einen fast sektenartigen Kult um sich herum geschart, ihre Mutter ist vor Jahren an ihrem Wahnsinn (den Yada geerbt hat und deshalb diverse Medikamente und Therapien verordnet bekommt) gestorben. Doch eines Tages hat Yada genug vom immer gleichen Leben auf der verfallenden Seestatt und versucht, hinter die Fassade zu blicken - der Seestatt, ihres Vaters, ihrer selbst.
Der formale Aufbau des Buches an sich ist recht ungewöhnlich - Yada erzählt ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive, aber Kapitel, in denen die Geschichte anderer handelnder Personen erzählt werden, sind komplett in der dritten Person geschrieben. Das irritiert anfangs etwas, hat aber seinen Charme und trägt zur Identifikation mit Yada bei. Zwischenzeitlich gibt es immer wieder "Archiv"-Kapitel, die reale Ereignisse der Vergangenheit erzählen, die jedoch (zunächst) keinen Bezug zur Handlung zu haben scheinen. Der Erzählstil des Buches ist eher ruhig, die Handlung baut sich gemütlich und langsam auf - das muss man mögen, um Gefallen am Buch zu finden, auch Spannung baut sich nur wenig auf - mir fehlt hier allgemein der große Knall, eine Art Finale, auf die alles zusteuert. Gerade eine Szene des Wiedersehens könnte so viel umfassender, aufregender beschrieben werden - und dann wird das Thema recht nebensächlich abgehandelt. Hmpf. Alles ist durchzogen von Kapitalismuskritik - teilweise recht offensichtlich, manchmal auch etwas subtiler, auch die Klimakatastrophe ist hier ein stiller Begleiter, der bereits zugeschlagen hat und in dessen Auswirkungen sich Menschen nun zurechtzufinden versuchen.
Ich scheitere offen gesagt etwas daran, herauszufinden, was das Buch mit mir anfangen will - ist hier Yadas Geschichte der Mittelpunkt oder soll das Buch eine Warnung sein, zu was uns Tech-Bros, Bankster und ungehemmter Kapitalismus führen können? Meh. 3/5 Ratten.