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Der preisgekrönte Irische Romanautor Kennedy Marr führt auf den ersten Blick ein traumhaftes Leben: Als Drehbuchautor in Hollywood verdient er ein Vermögen - gibt aber für Frauen, Alkohol und einen ausschweifenden, verschwenderischen Lebensstil mehr Geld aus, als er verdient. Denn neben Exfrauen die finanziert sein wollen, klopft auch noch die US-Steuerbehörde an seine Tür und verlangt ihren Anteil. Da erreicht ihn aus England die Nachricht, dass er für einen grossen literarischen Preis, der ihm 500'000 Pfund einbringt, auserkoren wurde - dafür muss er aber an der dortigen Universität ein Jahr kreatives Schreiben unterrichten ... und nichts verachtet er heutzutage mehr, als den literarischen Betrieb.
Als ich vor ein paar Jahren Nivens zweites Buch "Kill Your Friends" (eine gnadenlose Abrechnung mit dem Musikbusiness) regelrecht verschlungen habe, ging mir durch den Kopf: "Geil, Dieser Typ schreibt nicht nur für Männer, er weiss auch wie jedes einzelne Exemplar von Mann auf diesem Planeten tickt". In eine ähnliche Kerbe schlug sein dritter Streich, "Coma", in dem es um einen untalentierten Golfer geht, der aber durch einen Unfall zum Golf-Genie wird - sich aber gleichzeitig noch das Tourette-Syndrom einfängt. Wahrlich, sehr amüsante Kost.
Ach ja, nein, nicht nur Männer dürfen natürlich Nivens Bücher lesen - trotz der zum Teil derben Sprache (gemeint sind die Dialoge, nicht der Schreibstil - der ist hervorragend) auch Damen sind im Niven-Universum willkommen (ihr könnt es ja als eine Feldstudie über Männer ansehen - was ich mir im umgekehrten Fall mit "Feuchtgebiete" angetan habe. Aber lassen wir das ...).
"Straight White Male" (#6?) lebt von seinem - trotz Alk- Sex- und Geldverschleuder-Exzessen -, sympathischen und liebenswerten (narzisstischen) Hauptprotagonisten Kennedy Marr.
Er nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Sagt immer was er denkt - je mehr Alkohol er intus hat, je mehr denkt und sagt er aber auch. Er wirkt eigentlich nie unehrlich - okay, manchmal muss er ein wenig Schummeln - aber er verdient seine Brötchen schliesslich auch in einem Haifischbecken namens Hollywood, voller Regisseure, Produzenten, Schauspieler und Stars, oder solchen, die sich dafür halten. Und - er hat als Autor Talent, was spätestens im 2. Teil des Buches zum Burner wird, wenn er im guten alten England auf Literaturprofessoren trifft, die zum Teil gescheiterte Autoren sind, und die sich angesichts der Skandale (und Erfolge) des Autors, verzweifelt die Haare raufen.
Im letzten Viertel des Buches werden dann aber drei Gänge zurückgefahren: Kennedy muss sich den Geistern der Vergangenheit endlich stellen. Früher Tod des Vaters, Selbstmord der Schwester ... Hat er sich doch bis jetzt nur um sein eigenes Leben gekümmert. Sich stets vor Familienangelegenheiten gedrückt und nur für das Schreiben, Alkohol und den Sex gelebt. Nun liegt seine Mutter im sterben und lässt ihm über seinen Bruder mitteilen: "Ich kann erst gehen, wenn ich Kennedy nochmals gesehen habe". Nun kommt eine andere Facette von Niven ins Spiel, die er ebenso gut beherrscht wie die witzige, wilde und derbe: die der emotionalen. Und ich muss zugeben, sie hat mich zu Tränen gerührt.
Wer Bücher mag und gern liest (und ja, ich denke, das macht hier auf Literaturschock jeder gern ), sich nicht allzu sehr an Flüchen, gelegentlichem Sexismus und Saufereien anstösst - ja, der sogar hinter die Kulissen von Buch- und Filmbetrieb schauen möchte -, dem möchte ich "Straight White Male" von John Niven ans Herz legen.
Es lohnt sich!
10/10
EDIT: Amazonlink eingefügt. LG, Saltanah