Sorry, aber das ist jetzt echt Quatsch.
1. es wäre wünschenswert, wenn Weiße mehr Angst hätten, Rassismus zu verbreiten. Wirklich wünschenswert.
Kommt halt wirklich darauf an, wer Rassismus wie definiert.
Heißt Rassismus "nur", dass jemand bewusst bestimmten Menschen abwertend gegenüber steht, sie bewusst offen ausgrenzt, benachteiligt, hinter ihrem Rücken verhöhnt etc.?
Oder heißt Rassismus, wie das heute sehr oft definiert wird, dass GERADE die Menschen, die glauben, alle gleich zu behandeln, die sich bemühen, jedem freundlich und höflich gegenüber zu stehen, die (unter anderem) "good white people" rassistisch sind, weil sie manchmal Dinge sagen, die sie als Kind so gelernt haben, die aber heute von einigen Betroffenen als verletzend empfunden werden, bspw. den alten Namen des Balkanschnitzels verwenden?
Wenn nämlich von diesen Menschen mehr Angst hätten, sich versehenltich rassistisch zu verhalten - und nach einer Definition kann je jede PoC absolut jedes Verhalten spontan als rassistisch bezeichnen, also jederzeit von jedem (Weißen) eine Verhaltensänderung einfordern* - dann würde das halt bedeuten, dass mehr Menschen weniger mit anderen Menschen interagieren aus Angst vor Fehlern.
Es wird bei dieser * Definition immer davon ausgegangen, dass die Person of Color sehr bemüht um gerechtes Handeln ist, also niemandem einfach so Vorwürfe macht oder Verhaltensänderungen einfordert, aber für mich ist zumindest diese Idee die perfekte Steilvorlage für Mobber. Ich kann jederzeit alles dem anderen als rassistisch vorwerfen und der muss sich dann bemühen, sich zu ändern. Also wie beim Mobbing: Warum schaust du mich so an, warum redest du so komisch, diese blaue Bluse erinnert triggert mich, weil meine verstorbene Großmutter eine ähnliche hatte, ziehe die nie wieder an. Ja, die Beispiele sind überzogen, aber so würden Mobber agieren. Wer schließt aus, dass unter Menschen, die anderen Rassismus vorwerfen, nicht auch manchmal Mobber sind und diese Idee missbrauchen?
Schlimm finde ich persönlich die Idee, dass gerade diejenigen, die sich am meisten bemühen, sich am meisten vorwerfen lassen sollen, dass sie IMMER Rassisten bleiben werden, egal, wie sehr sie sich bemühen. Das wird bei einigen zu noch mehr Mühe, noch mehr "Unterwürfigkeit", vielleicht noch mehr Schweigen führen und bei anderen irgendwann zur Gleichgültigkeit. Wenn ich sowieso immer Rassist bleiben werde, warum sollte ich mich dann noch bemühen, könnten sie denken.
Das Ganze Konzept entfernt mMn Menschen voneinander. Man geht dem Konflikt aus dem Weg, bevor er entsteht, man vermeidet Fehler, bevor man weiß, was Fehler sind, man wird dabei aber auch immer verkrampfter und künstlicher im Verhalten bzw. in seiner Sprache.
Ich bin früher durch die Welt gegangen und dachte, alle Mesnchen sind im Herzen gut und jeder Erwachsene ist grundsätzlich erst mal höflich und freundlich. Dann fing ich an, über das Thema Rassismus zu lesen und jetzt frage ich mich manchmal, ob einige Menschen mich nur aufgrund meiner Hautfarbe schon für unverschämt, unterdrückerisch, vor allem ungleich halten, also niemals auf Augenhöhe und ehrlich mit mir kommunizieren würden, weil ich weiß bin. Und ja, das färbt dann teilweise meinen Umgang, der vorsichtiger und zurückhaltender wird.
Und dann ist da wieder dieses eine Erlebnis im Bus, nachdem es Übergriffe in einem Einkaufszentrum gab, in dem viele Flüchtlinge die Zeit totschlugen. Plötzlich hieß es, lächele niemanden an, das wird als Flirtverscuh verstanden und dann wirst du eventuell belästigt. Und dann saß ich also im Bus auf langer Strecke gegenüber 3 Männern, die möglicherweise Flüchtlinge hätten sein können und weil wir uns auf diesen Dreiersitzen gegenüber saßen und man ja im Bus eher Blickkontakt vermeidet, lächelte ich sie entschuldigend an, wie man das so macht, wenn man nicht weiß, wohin mit seinen Augen. Und sie taten das gleiche. Und dann schauten wir alle sehr schnell auf den Boden. Ich, weil mir diese vermeintliche Information eingefallen war und ich nichts provozieren wollte, sie vermutlich, weil man ihnen Ähnliches gesagt hatte. In der Situation wäre ich selbst ohne Sprachbarriere nicht zu einer Erklärung oder Auflösung der Lage fähig gewesen und mir wurde erst später klar, was da passiert war, nämlich dass eine vermeintliche Information eine hohe Barriere zwischen völlig Fremden aufgebaut hatte, weil jeder Angst hatte, Fehler zu machen.
Und genau das meine ich mit vorsichtigerem Umgang. Ohne diese Info hätte man sich einfach wie üblich verlegen angelächelt und vielleicht versucht, auf Englisch Kontakt aufzunehmen. Mit der Angst vor Fehlern vermeidet jeder die Interaktion.
Mit der Unterstellung von Rassismus wird individuelles Kennenlernen mMn ziemlich erschwer, man fragt nichts, aus Angst, das Falsche zu fragen, sagt nichts, aus Angst, das Falsche zu sagen und überlegt, welche Tabus es im Verhalten gibt, die man vermeiden sollte. Ggf. auf beiden Seiten.
Wenn dann noch ein Ungleichgewicht etabliert wird, bei dem einer Anschuldigungen machen kann oder Forderungen stellen und der andere sich nur entschuldigen und anpassen kann, wird die Barriere für eine unvoreingenommene, ehrliche Kommunikation noch höher, selbst wenn einzelne Menschen diese Situation gar nicht befürworten/ ausnutzen würden.
Ich nenne mal ein persönliches Beispiel.
Nach dem Tod meines Bruders sagte eine Kassiererin über ein Produkt, es sei "superlecker". Das war der Lieblingsausdruck meines Bruders. Mir schossen die Tränen in die Augen, aber natürlich hatte die Kassiererin nichts falsch gemacht. Nach einer gängigen Rassismusdefinition, nach der Betroffene selbst immer die Deutungshoheit über Rassismus haben, hätte ich jetzt als PoC in einer ähnlichen Situation der Frau einfach ein Fehlverhalten vorwerfen können, weil ICH mich schlecht fühlte, ohne anzuerkennen, dass SIE keinen Fehler gemacht hatte, weil sie ja gar nicht wissen konnte, was mich warum trifft. Nur weil ich mich schlecht fühlte, kann ich ja nicht von Fremden Anpassungen verlangen.
In der Rassismusdebatte wird aber genau das manchmal unterstellt bzw. gefordert. Und da keiner verhindern kann, dass andere sich mal aufgrund seiner Äußerungen, seines Verhaltens, seines Erscheinungsbilds (Dreadlocks etc.) schlecht fühlen, kann die Lösung ja nur Kontaktminimierung sein, was eigentlich ja das Gegenteil eines umsichtigen, höflichen Miteinanders ist.
Mir ist im Zuge meiner Recherche über das Thema schon einiges Seltsames und Besorgniserregendes passiert.
Da war der Text, der erklärte, warum es rassistisch sei, schwarze Menschen anzulächeln und die Situation, dass ich allein einen Weg entlang ging, auf dem mir ein schwarzer Mann allein entgegen kam, ich den anlächelte und dann unwillkürlich aufhörte.
Da war der Blog, den ich jeden Abend eine halbe Stunde las und der Texte sammelte, in denen PoC sich ziemlich drastisch über Weiße ausließen und danach der Gang über die Überführung zum EKZ, in der einige der Geflüchteten, die dort ihren Nachmittag verbrachten, immer auf dem Boden saßen und mein unbewusst schnelleres Gehen, Kopf gesenkt und der spontane Gedanke "diese Männer verachten dich jetzt für deine Hautfarbe" - und danach die Realisation, dass dieser Gedanke durch das Bloglesen ausgelöst wurde.
Und damit die Erkenntnis, dass mich diese Texte rassistischer machen, weil ich jetzt einen Unterschied unterstelle, den ich vorher nie angenommen hätte.
Ich versuche das zwar, bewusst zu verlernen, stoße aber immer wieder auf Diskussionen oder Texte, die das eher bestärken.
Ich habe mcih auch schon dabei erwischt, dass ich "white people" googelte mit dem (unwillkürlichen) Gedanken, "warum soll ich mich heute hassen". Also ehrlich. Weil es immer Texte/ Blogs/ Autoren gab, die ich anfangs unglaublich extrem fand, mich dann daran gewöhnte und die Ideen teilweise annahm und dann auf weitere, drastischere Texte stieß, bis zu dem Punkt, an dem es mir ernsthaft schwer fiel, zwischen Satire und ernst gemeinten Texten zu unterschieden, weil die sich teilweise sehr nahe kamen.
Was mir bei all dem extrem fehlt ist die Idee, dass wir alle erst mal Menschen sind und im Grunde alle nur friedlich leben wollen und Interesse aneinander und eine Kommunikation grundsätzlich möglich und gut sein sollte.
Dagegen steht z.B. die Idee, dass interessierte Nachfargen "geistige Arbeit" sind, die man vor allem People of Color "aufzwingt".
Demnach wäre derjenige am wenigsten rassistisch, der sich am wenigsten für seine Mitmenschen interessiert. Diese Idee kann ich zur Zeit nicht als sinnvoll annehmen.
Ich bin jetzt tatsächlich offener für bestimmte Beleidigungen, weil ich mir dann sage, ach, ich habe das verdient, weil ich ja weiß bin. Ein Gedanke, der mir vor 10 Jahren absurd vorgekommen wäre.
Sollte ich mal eine Workshop von Robin diAngelo mitmachen, würde ich mich vorbereiten, indem ich mir sehr bewusst mache, wie wenig ich wert bin, dass ich es verdiene, herablassend behandelt zu werden - würde ich dann im Workshop aufgefordert, zu erklären, dass meine bloße Existenz andere unterdrückt oder dass mir andere sagen sollen, was ich alles an Rassismen falsch mache oder dass ich halt in irgendeiner Weise verbal bedrängt würde, dann fiele mir dies nicht mehr schwer, weil ich nicht mehr die Haltung hätte, als gleichwertige Person dort zu sein die wie jeder andere auch Respekt verdient und ein Individuum ist. Sondern Teil der unterdrückerischen Rasse, die zurechtgestutzt werden muss.
Das sind alles Gedanken, die ich vor dieser Lektüre weit von mr gewiesen und auch als psychisch schädlich verstanden hätte, bis ich zig Texte mit genau diesem Tenor antraf.+
Offenbar wird heute die Idee, sich auch als Weißer gut und gleichwertig fühlen zu wollen schon als Anmaßung bzw. Gejammer verstanden.
Das alles mit dem Disclaimer, dass ich bei vielen dieser Texte wirklich nicht weiß, ob sie ernst gemeint oder satirisch sind.
LG von
Keshia