Beiträge von mondpilz

    Huhu,


    ich halte die Annahme, dass „Die Umarmung des Todes“ ein Krimi ist, für falsch. Nur weil ein Mord passiert, handelt es sich nicht automatisch um eine Kriminalgeschichte. Ich habe dieses Semester ja ein Seminar mit dem Thema „Detektiv- und Kriminalgeschichten“; über die Terminologie in diesem Bereich ist man sich nicht einig, aber Gerber trifft meines Erachtens die beste Unterscheidung zwischen den zwei Typen Literatur, die sich mit Verbrechen beschäftigen: Kriminalgeschichten (also „Krimis“) und Verbrechensdichtung. In ersterem gibt es meistens dasselbe Handlungsschema: Verbrechen (meistens Mord), Ermittlungen (im weitesten Sinne), Aufklärung (Finden/Überführen des Täters). Bei der Verbrechensdichtung jedoch steht nicht das Verbrechen an sich oder die Aufklärung, sondern die Auswirkungen der Tat, die Psyche des Täters, die Motive, sein Leben im Mittelpunkt. So wird zum Beispiel „Schuld und Sühne“/“Verbrechen und Strafe“ hier eingeordnet, wobei das wohl kaum jemand als Krimi bezeichnen würde. Ich will keineswegs „Die Umarmung des Todes“ mit Dostojewski vergleichen, aber mit dieser Unterscheidung wird vielleicht auch klar, wieso hier so viele Nicht-Krimileser ihren Spaß an diesem Roman hatten – weil sie schlicht keinen gelesen haben.


    Mir hat „Die Umarmung des Todes“ aus verschiedenen Gründen allerdings nicht besonders gefallen:
    Zum einen fand ich die Charakterzeichnung sehr flach und stereotyp; nur weil man die Figuren nicht sympathisch findet und sie einigermaßen realistische Leben führen, ist das für mich noch kein Beleg für charakterliche Tiefe. Es gibt die geheimnisvolle, strenge Masako, das Arbeitstier Yoshie, die lasterhafte, niveaulose Kuniko und die schöne, fleißige und naive Yayoi – die Persönlichkeiten der Figuren bestehen einzig aus diesen Eigenschaften, die dadurch völlig übertrieben und unrealistisch wirken; ich zumindest kenne nicht viele Leute, die ich mit einem einzigen Adjektiv als ausreichend beschrieben bezeichnen würde.
    Außerdem wurden meiner Meinung nach die Männer etwas zu einseitig konservativ beschrieben; sie wirken fast sexistisch und der Roman bekommt einen merkwürdig emanzipatorischen Beigeschmack.


    Auch der vorherrschend tristen und grauen Atmosphäre der japanischen Alltagswelt konnte ich nicht viel abgewinnen. Ich will keine Sicht durch eine rosa Sonnenbrille, aber dass es in diesem Umfeld gar keine einigermaßen zufriedenen Menschen gab, kann der Realität doch auch nicht besonders nahe kommen. Alle Figuren sind unglücklich oder resignieren, die Familien sind zerbrochen, der Alltag kaum erträglich.
    Am besten gefallen hat mir Kazuo, da er so ziemlich die einzige Person mit etwas Hoffnung war; ich finde es schade, dass seine Rolle am Ende so bedeutungslos war und verstehe eigentlich im Nachhinein nicht einmal, wieso er überhaupt eingeführt wird.


    Ziemlich genervt war ich zudem von den auktorialen Kommentaren in der eigentlich personalen Erzählweise; v.a. bei Kuniko wird des Öfteren erwähnt, was sie nicht denkt und was sie nicht in Erwägung zieht. Diese bevormundenden Einschübe zeugen nicht von großem Vertrauen in die Intelligenz der Leser.


    Außerdem haben mich noch zwei Aspekte sehr gestört, die bei einer sehr wohlwollenden Interpretation als typisch für japanische Literatur bezeichnet werden könnten.
    So zum einen die andauernden Perspektivenwechsel, die meiner Meinung nach unnötig und stillos und meiner Erfahrung nach Hinweis auf minderwertige Literatur sind (zum Beispiel Dan Brown). Andererseits entsteht dadurch eine gewisse Episodenartigkeit, die in der japanischen Literatur sehr häufig vorkommt. Die einzelnen Elemente sind nicht unbedingt voneinander abhängig. stehen für sich und sind nicht Teil eines großen Ganzen. Allerdings fürchte ich, dass es letztendlich doch nur eine plumpe Art ist, Charaktertiefe vorzutäuschen.


    Der zweite störende Punkt ist für mich das Ende. Für meinen Geschmack ist es viel zu losgelöst von der restlichen Geschichte (und natürlich auch von der Realität). Es scheint geradezu gewaltverherrlichend. Entfernt könnte man hier das ehemalige Ideal der Vollendung der Liebe im Tod erahnen, aber auch das halte ich für sehr unwahrscheinlich.


    Aber das hängt evtl. mit dem letzten und für mich wichtigsten Punkt, warum ich dieses Buch nicht für lesenswert halte, zusammen: Ich weiß nicht, was für eine Art Geschichte „Die Umarmung des Todes“ sein soll! Ein Krimi ist es nicht. Ist das Thema die Auswirkung von Leichenschändung auf die Psyche? Die Geschichte einer Perversion? Eine Liebesgeschichte? Eine Gesellschafts- oder Zeitkritik?
    Ich weiß es nicht und finde das äußerst frustrierend. Da ein übergeordneter Aspekt völlig fehlt, sind die Teile der Geschichte zu wenig verbunden, zu wahllos, zu planlos; eine bloße Aneinanderreihung von Episoden ist mir eindeutig zu wenig.



    Ich kann daher niemandem empfehlen, diesen mittelmäßigen Roman zu lesen. Schade, dabei hatte ich mir nach diesen Rezensionen so große Hoffnungen gemacht.


    Liebe Grüße,


    mondpilz


    Wieso?


    Im Original steht: "... das alle Schwellen des Ekels und der Peinlichkeit übertritt, die als Errungenschaften im Prozess der Zivilisation gelten." (Hervorhebung durch mich). Das ist doch sachlich korrekt. Egal wie man selber dazu steht.


    Auch wenn der Satz an sich sachlich korrekt ist, wird zumindest meiner Meinung nach im restlichen Artikel doch deutlich, dass der Autor hinter dieser Meinung steht (eben durch Ausdrücke wie "unhygienisches Monster").


    Bei den Feuchtgebieten kommt es mir so vor, als ob es nur um Lärm ginge. Das Konzept ist doch trivial. Das Buch wäre zudem nie veröffentlicht worden, wenn nicht Frau Roche dahinter gestanden hätte.


    Worauf stützt du diese Behauptung denn bitte? Auf deine Lektüre des Buches vielleicht?


    Natürlich wäre es nie so ein Erfolg geworden, nie so öffentlich diskutiert worden und als Skandalbuch hätte man es wohl auch nicht betitelt! Das wollte ich mit meiner Rezension auch sagen: Dass der Hype um das Buch die eigentlich nette Geschichte überlagert und sich alles nur um die Ekelszenen und die Hygiene dreht.
    Aber ich sehe wirklich keinen Grund, warum es nicht veröffentlicht hätte werden sollen. Da sind schon um Längen schlechtere Bücher erschienen.



    lg,


    mondpilz


    Wenn man nur den vom Verlag zur Verfügung gestellten Ausschnitt aus dem 1. Kapitel liest (auf libri.de), dann erscheint mir das Buch schon pornografisch. Die dort geschilderte Masturbationsgeschichte ist doch einem Hardcore-Porno entnommen.


    Hmm, würdest du dann z.B. Houellebecq auch als pornographischen Autor nennen? Schreiben alle Nackenbeißer-Autoren Pornos? Und was ist mit den historischen Romanen, in denen detaillierte Vergewaltigungen keine Seltenheit sind? Alles Porno?
    Und was verstehst du unter Hardcore-Porno?


    Ich denke einfach, dass jüngere Generationen mit solchen Dingen sehr viel einfacher umgehen können. Solche Masturbationsszenen habe ich hier nicht zum ersten Mal gelesen und zumindest für mich muss ein Buch schon etwas mehr auf diesen Bereich konzentriert sein, um als pornographisch zu gelten. Baise-moi - Fick mich von Virginie Despentes zum Beispiel ist für mich so ein Fall. Dagegen scheint die Bezeichnung von Feuchtgebiete als Jugendbuch durchaus gerechtfertigt.


    lg,


    mondpilz

    Hallo zusammen,


    normalerweise interessiere ich mich ja nicht so sehr für Neuerscheinungen, aber die Diskussion um Feuchtgebiete hat mich doch neugierig gemacht. Ich habe mir allerdings vor der Lektüre des Buches keine Interviews oder Rezensionen genauer angesehen, um es möglichst unvoreingenommen lesen zu können. Das habe ich soeben nachgeholt. Allerdings stellt Feuchtgebiete für mich weder Pornographie noch provokativen Feminismus dar, sondern schlicht gesagt - ein Jugendbuch. Denn darum geht es in Charlotte Roches Debutwerk meines Erachtens: um das Erwachsenwerden; um den Umgang mit dem eigenen Körper, den eigenen Körperflüssigkeiten, sexuelles Experimentieren, Neugier bzgl. dem eigenen und anderen Körpern; aber auch das Lösen von den Eltern, von romantischen Vorstellungen von Liebe und Familie und von eigenen inneren Zwängen und Rollen.
    Natürlich stellt es sämtliche oberflächlichen Normen bzgl. Hygiene und Sexualität in Frage und stellenweise stoßen die Themen schon auf Grenzen des Ekels, aber meist eher nicht, weil es so eklig ist, sondern (zumindest habe ich es so empfunden) weil ich noch nie solche Gedankengänge hatte, bzw. so etwas auch noch nie gelesen oder gehört habe. Eigentlich sind v.a. die ersten zwei Kapitel ziemlich hart zu lesen, aber man gewöhnt sich an die Gedanken und an die Vorstellungen. Ich denke, dass gewisse Szenen v.a. deshalb als so ekelhaft gelten, weil es eine Frau erzählt und nicht ein Mann. Bei Männern und auch bei von Männern geschriebenen Büchern werden solche Beschreibungen schon lange geduldet und gelten als geradezu normal. Dass Frauen auch so schreiben können, dass Frauen auch einen realen Intimbereich haben, dass Frauen auch so sind, das ist neu und das ist revolutionär und das ist natürlich auch provokativ. Ich hoffe, dass es in Zukunft noch mehr solcher Bücher geben wird.
    Charlotte Roche selbst würde die FSK bei 21 ansetzen; ich hingegen denke, dass es ideal für Jugendliche mit 16, 17 Jahren ist. In dieser Zeit ist man ja sehr offen für alles in diese Richtung, man rebelliert gegen gesellschaftliche Zwänge und kann sich wahrscheinlich sehr gut mit der Protagonistin identifizieren. Und so wird auch die Haupthandlung (Helens Versuch ihre Elter wieder zusammen zu bringen) also solche erkannt und nicht von persönlicher Empörung überlagert.


    Alles in allem ein tolles Buch, das Tabus anspricht und eine neue Richtung weist!


    :tipp:


    Liebe Grüße,


    mondpilz

    Kazuo Ishiguro - Als wir Waisen waren


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    Inhalt


    Christopher Banks wächst Anfang des 20. Jahrhunderts mit seinen Eltern in Shanghai auf. Sein Vater arbeitet für eine große Handelsgesellschaft, seine Mutter engagiert sich gegen den Opiumhandel, der viele Chinesen in die Drogensucht stürzt. Als Christopher zehn Jahre alt ist, verschwindet sein Vater und vier Wochen später auch seine Mutter; mit einem Schiff kommt er nach England zu seiner Verwandten. Christopher ist davon überzeugt, dass seine Eltern entführt wurden; sein großes Ziel ist es also, Detektiv zu werden und sie zu finden. Tatsächlich schlägt er nach dem Studium diese Laufbahn ein und löst einige bedeutende Fälle, bevor er nach Shanghai zurückkehrt, um die Suche nach seinen Eltern wieder aufzunehmen.



    Meine Meinung


    Die ersten zwei Drittel des Buches haben mir sehr gut gefallen: Viele Rückblenden zeigen die Erinnerungen Christophers an die Vergangenheit in Shanghai, auf die er seine Ermittlungen weitgehend stützt. Durch die Ich-Perspektive wird ein vielschichtiger Charakter sichtbar, der sich im Umgang mit den Menschen nicht immer als allzu einfach erweist. Sarah, der Christopher auf verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen begegnet, fasziniert sowohl ihn als auch den Leser durch ihr ungewöhnliches Wesen. Die Spannung spitzt sich immer mehr zu; in Shanghai erreicht sie schließlich ihren Höhepunkt.


    Allerdings hat mir das letzte Drittel bei weitem nicht so gut gefallen wie die ersten beiden. Der Charakter Sarahs wie auch die ganze Beziehung zwischen ihr und der Hauptfigur erreichen nicht das Maß an Tiefe, dass ich durch den Anfang erwartet und erhofft hätte. So bleibt sie im Ganzen doch etwas flach und mehr eigentümlich als faszinierend. Das fand ich schade.


    Christopher scheint zeitweise völlig übergeschnappt zu sein, so denkt er


    Prinzipiell hätte ich es nicht als schlimm empfunden, wenn er den Verstand verloren hätte, das hätte ich sogar begrüßt! Aber so sind diese Szenen nur verwirrend und wirken etwas unkoordiniert. Auch das Verhalten der Menschen ihm gegenüber in diesen Situationen ist äußerst merkwürdig;


    Auch die Auflösung empfand ich als eher enttäuschend und nicht gerade einfallsreich; das Ende mit Jennifer war mir persönlich etwas zu kitschig.


    Die Sprache hat mir dafür durchgehend sehr gut gefallen; der Stil ist klar, flüssig und elegant. Auch weil mich die ersten zwei Drittel wirklich überzeugt haben, werde ich mich bestimmt irgendwann wieder einem Buch von Kazuo Ishiguro versuchen (und dabei hoffentlich ein vollständig gutes erwischen).


    Es ist mir unbegreiflich, wieso dieses Buch als Kriminalroman betitelt wurde; meiner Meinung nach hat "Als wir Waisen waren" mit diesem Genre nur den Beruf des Protagonisten gemeinsam. Details über die Fälle, bzw. den Fall werden kaum erwähnt.



    Fazit


    Eine hervorragend geschriebener Roman über einen jungen Mann auf den Spuren seiner Vergangenheit, der in der ersten Hälfte glänzt, dann aber immer mehr nachlässt, um ein schwaches und (für mich) enttäuschendes Ende zu liefern. Schade.




    Liebe Grüße,


    mondpilz

    Hallo zusammen,


    ich habe auch zuerst den Film gesehen und das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich das Buch überhaupt noch zu Ende gelesen habe. Es gibt schon sehr amüsante Szenen ("Wir können hier nicht halten. Wir sind in Fledermausland."), die aber v.a. dadurch so amüsant wurden, dass ich Johnny Depp in meinem Kopf hatte (in diesem Fall mit Fliegenklatsche). Für meinen Geschmack ist die Aussage - wenn es eine solche überhaupt wirklich gibt - für ein Buch zu nichtssagend, bzw. nicht vorhanden; beim Film hingegen stört das nicht, man ist einfach nur beeindruckt von einem fabelhaften Johnny Depp und den schrägen Halluzinationen.
    Für mich ist das ein klassisches Beispiel, wo man mit mittelmäßigem Stoff (also dem Buch), aber brillanter Schauspielerei einen genialen Film gemacht hat.


    lg,


    mondpilz


    Ich habe mich in der Klasse dazu bereit erklärt eine Buchvorstellung darüber zu halten und habe erst später bemerkt das es gar nicht so einfach ist.


    Wäre er möglich das ihr mir ein paar Infos zur Personencharakteristik der Hauptpersonen zu geben? Und vielleicht noch ein paar Problem u. Konflikte die im Buch zu lesen sind?


    Es ist zwar schon ein paar Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe, aber mir erscheint eine Buchvorstellung dazu sehr einfach. Die Probleme und Konflikte sind ja nur allzu offensichtlich, und die Charaktere sind einem Jugendbuch entsprechend auch nicht unendlich vielschichtig und komplex.
    Hast du das Buch denn schon gelesen? Und was genau ist dein Problem? Kommst du bei etwas Bestimmtem nicht weiter?


    lg,


    mondpilz

    Huhu,


    meine Gefühle gegenüber diesem Buch gehen leider über Langeweile und ein gewisses Maß an Enttäuschung nicht hinaus. Ich hatte damit gerechnet, schockiert und entsetzt zu werden, aber diese Empfindungen wollten sich leider nicht einstellen. Eine mittelmäßig interessante Geschichte mit uninteressanten Charakteren in einer übertriebenen, aber nicht gerade geistreich konstruierten Welt. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich 1984 als Schullektüre gut eignet, wenn man sich über den Schrecken, den Diktaturen verbreiten, noch keine eigenen Gedanken gemacht hat.


    Auch konnte ich die Vorgehensweise der Partei nicht wirklich verstehen - wieso das lange Überwachen, wieso das ewige Foltern?

    Und warum werden die Menschen, die eines Gedankenverbrechens für schuldig befunden werden, so lange gefoltert, bis sie vollkommen gebrochen sind? Warum die Mühe? Wieso erst diese Prozedur, wenn sie zum Teil nach ihrem öffentlichen Geständnis ohnehin hingerichtet werden? Und wieso gebrochene Menschen wieder auf freien Fuß setzen, um sie später doch wieder verschwinden zu lassen? Soll diese irrationale Vorgehensweise nur verdeutlichen, dass alle Mitglieder der Inneren Parei schlicht wahnsinnig waren? Das halte ich für eine sehr einfache Lösung, die v.a. die Gesamtaussage, die das Buches wohl haben sollte, völlig verwischt.


    Für mich ein nicht lesenswerter Roman, der höchstens für Jugendliche interessant sein dürfte, und all zu viele Fragen offen lässt.


    lg,


    mondpilz

    [size=11pt]Albrecht Fölsing - Galileo Galilei. Prozeß ohne Ende. Eine Biographie.
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    Aufgrund des Threads zu dem Buch "Galileos Tochter" möchte ich hier auf eine hervorragende Biografie zu Galileo Galilei hinweisen. Der Autor Albrecht Fölsing ist Physiker und erzählt auf fast 500 Seiten die Geschichte des Galileo Galilei - seine Erfolge, seine Prozesse, sein Unglück. Galilei war ein brillanter Naturwissenschaftler, aber auch ein glänzender Redner und Schriftsteller. Man spürt deutlich die Aufregung des Autors beim Beschreiben des unfairen Prozesses und dennoch bleibt er immer sachlich und untermauert seine Thesen mit Zitaten aus Originalschriftstücken. Ich habe über dieses Thema meine Facharbeit verfasst und mich deshalb mit einigen Galilei-Biografien auseinandergesetzt; diese ist meines Erachtens mit Abstand am besten geschrieben und auch am glaubwürdigsten. Wer sich also für Galilei und seine Geschichte interessiert und sich fragt, wie die Sache mit dem "Und sie dreht sich doch" wirklich war, dem kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen.


    Liebe Grüße,


    mondpilz

    Huhu,


    also ich habe mir jetzt gekauft:


    - alle Kurgeschichten Miss Marple
    - alle Kurgeschichten Sherlock Holmes
    - The Big Sleep
    - Der Malteser Falke
    - Der Richter und sein Henker
    - einen Maigret-Band mit drei oder vier Geschichten (deren Namen ich gerade nicht weiß)
    - Mord im Orient-Express



    Gelesen habe ich:


    - die Kurgeschichten-Sammlung "Das Geheimnis des Plymouth-Express" mit Poirot (das hatte ich vom Wichteln schon zu Hause)
    --> Die Geschichten sind für meinen Geschmack ein bisschen zu kurz, aber Poirot gefällt mir; ich freue mich schon auf den Orient-Express.


    - Der Richter und sein Henker
    --> Dürrenmatt :klatschen: Er ist einfach gut. In der Mitte war ich zeitweise etwas irritiert und genervt, aber es hat sich ja dann alles aufgelöst.


    - The Big Sleep (wobei mir da noch 50 Seiten fehlen)
    --> Der Stil ist klasse. Bei der ganzen Erzählweise wird klar, dass das wohl ein Klassiker sein muss, auf dem viel anders aufbaut.



    --> Schön langsam gewöhne ich mich auch an das Genre; es gefällt mir imme besser! Danke noch einmal für die Tipps.


    lg,


    mondpilz

    Charles Dickens – Great Expectations (1860/61)


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    Inhalt:


    Der Waise Pip wächst bei seiner strengen Schwester und deren Mann Joe auf. Eines Tages wird er von Miss Havisham, der reichsten Frau der Gegend, eingeladen. Bei der alten, exzentrischen und ziemlich verrückten Dame lernt er Estella kennen; Estella ist die wunderschöne Adoptivtochter von Miss Havisham und wird von dieser als Rachewerkzeug gegen die Männerwelt erzogen. Obwohl Miss Havisham Pip warnt, dass Estella ihm eines Tages das Herz brechen würde, verliebt er sich in sie und träumt davon ein Gentleman zu werden. Später bekommt Pip unerwartet Besuch von dem Anwalt Jaggers, der ihn informiert, dass ein geheimer Gönner (sein Klient) Pip in London eine Ausbildung zum Gentleman finanziere. Pip, der hinter dieser Förderung Miss Havisham vermutet, die ihn und Estella zusammenbringen will, zieht also nach London, um seine Erziehung zu erhalten.



    Meine Meinung:


    Im Vordergrund steht (zumindest für mich) die v.a. charakterliche Entwicklung von Pip. Zu Anfang ist er ein lieber, gutgläubiger Junge, der unter der Strenge und den ständigen Vorwürfen seiner Schwester leidet, und den eine tiefe Freundschaft zu deren Mann Joe verbindet. Mit dem Auftreten Estellas und damit der Welt der Reichen in seinem Leben entsteht ein neuer Wesenszug: Pip beginnt, sich für seine Herkunft zu schämen und sein zu Hause und Joe mehr und mehr geringschätzig zu betrachten. Als er dann von seinem geheimen Gönner und seinen großen Erwartungen erfährt, scheint der Traum, das Dorf zu verlassen und durch die Ausbildung zum Gentleman würdig für Estella zu sein, wahr zu werden. Nach der Ankunft in London allerdings scheint er sich kaum weiterzuentwickeln; es verändert sich sein Lebenswandel (er wird zusehends verschwenderischer), aber charakterlich kann man keine großen (und eigentlich auch keine kleinen) Bewegungen entdecken. Vor allem in der Mitte des Werks wurde es mir dann etwas zu langatmig und zu langweilig. Das Ende allerdings hat mir wieder sehr gut gefallen.
    Die Sprache ist auch im Englischen gut verständlich, der Stil ist elegant und gewandt. Ich war überrascht, wie leicht sich das gesamte Buch lesen ließ, weil ich bei Dickens doch mit ein paar schwerverdaulichen Elementen gerechnet hätte. Auf welches Buch sich diese amazon-Beschreibung beziehen soll, ist mir allerdings schleierhaft:


    „In diesem Kindheits- und Jugendroman, in dem er seine eigenen bedrückenden Kindheitserlebnisse verarbeitete, thematisiert Charles Dickens das erbärmliche Leben der Menschen im England des 19. Jahrhunderts in außergewöhnlich verdichteter Atmosphäre. Er zeichnet ein lebendiges Gesellschaftsgemälde der Viktorianischen Zeit, in dem sich Charakteristika seiner Werke wie scharfe Beobachtungsgabe, psychologisches Feingefühl und Sozialkritik vereinen. Dickens kritisiert in diesem Spätwerk das Gentleman-Ideal der von Materialismus und Moralheuchelei geprägten viktorianischen Gesellschaft. Die geradezu surrealistisch anmutende Erzähltechnik kündigt eine Hinwendung zur Moderne an.“


    Das das erbärmliche Leben der Menschen im England des 19. Jahrhunderts thematisiert wurde, muss mir wohl entgangen sein; auch die Sozialkritik fand ich nicht allzu augenscheinlich. Ich weiß zwar nicht, was der Verfasser unter einer surrealistischen Erzähltechnik versteht, aber sie scheint sich grundlegend von meiner Auffassung zu unterscheiden.
    Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung der Nebenfiguren: Miss Havisham beispielsweise in ihrer ganzen Exzentik, oder Joe, der gutherzige, aber ungebildete Schmied.
    Ich empfand dieses Buch als nette Unterhaltungslektüre, die im Anfang und im Ende große Stärke, in der Mitte jedoch auch einige Schwächen aufweist. Zwar ist die Handlung interessant und gibt es wirklich berührende Passagen und ausgezeichnete Beschreibungen, insgesamt war mir „Great Expectations“aber ein wenig zu belanglos.



    Film:


    Dieser Verfilmung ist aus dem Jahr 1998 mit Gwyneth Paltrow und Ethan Hawke. Die gesamte Handlung wurde in das heutige Amerika adaptiert und dementsprechend abgeändert, was weitgehend auch gut gelungen ist. Allerdings kamen meines Erachtens einige Elemente des Buches bedeutend zu kurz, so zum Beispiel, dass die Figur des Herbert gestrichen wurde,


    Paltrow fand ich absolut fehlbesetzt; von ihr gespielt wirkte Estella immer, als würde sie die Kälte und all das schauspielern und nicht, als wäre sie wirklich so. Und zumindest meinem Empfinden nach musste die Estella aus dem Buch so etwas nicht heucheln. Auch wirkte sie im Film immer wie verliebt in Finn/Pip, was ich wiederum im Buch nicht so interpretiert hätte.
    Und was mich wirklich entsetzlich genervt hat – das Grün! Wie im Buch bei Miss Havisham alles weiß ist, ist im Buch alles grün. Das fand ich im Bezug auf Miss Havisham und Estella ja immer noch ganz charmant, aber ich halte es für absolut überflüssig und völlig übertrieben, dass auch Finn meistens irgendetwas Grünes anhatte. Das war dann doch zu viel des Guten.
    Also im Fazit kann ich sagen, dass ich die grundsätzliche Umsetzung des Stoffs gut gelungen finde, aber in der Ausführung in vielen Bereichen doch versagt.



    Liebe Grüße,


    mondpilz

    Vielen Dank! Vor allem du, christie, hast mir wirklich sehr geholfen. Jetzt weiß ich einigermaßen, was ich bestellen kann.


    Hier der Kommentar aus dem aktuellen Vorlesungsverzeichnis der LMU:


    'Krimis’ erfreuen sich anhaltender Beliebtheit: man denke an die Bestsellererfolge von zeitgenössischen Autoren wie E. George, A. Camilleri oder H. Mankell, aber auch an die Dominanz des Krimigenres im Fernsehen, die sich nicht zuletzt aus Verfilmungen dieser Autoren speist. Was macht dieses Genre so erfolgreich? Welche Rolle spielen dabei die stark kodifizierten Gattungsmerkmale (Handlungsstruktur, Figurenpersonal, erzählerische Vermittlung) sowie die Nähe zur Trivialliteratur? Wie unterscheidet sich Kriminal- von Detektivliteratur? Im Seminar werden wir diesen Fragen anhand der Geschichte des Genres nachgehen: Ausgehend von Vorläufern wie E.T.A. Hoffmanns „Das Fräulein von Scuderi“ (1819) beschäftigen wir uns mit dem amerikanischen ‚Vater’ der Detektivgeschichte E. A. Poe, dem Höhepunkt des Genres bei A. Conan Doyle sowie mit A. Christie als Vertreterin der british crime ladies der 1920er/30er Jahre. Außerdem werden als spezifische Ausprägungen die amerikanische hard-boiled detective fiction bei D. Hammett oder R. Chandler sowie die psychologische Variante des belgisch-französischen Schriftstellers G. Simenon von Interesse sein. Besonderes Augenmerk soll dann auf Variationen liegen, die sich am Rande des Genres bewegen oder mit den Gattungsregeln spielen, etwa bei J. L. Borges (Argentinien) oder beim ‚Anti-Klassiker’ F. Dürrenmatt (Schweiz). Außerdem sollen neueste Entwicklungen, etwa anhand der oben genannten Autoren, kritisch beleuchtet werden. Da fast alle Autoren auch Kurzkrimis verfasst haben, bietet sich eine Konzentration auf die Kurzform an; außerdem treten hier die jeweiligen Merkmale besonders deutlich zu Tage.


    Ich hoffe, das beantwortet eure Frage.


    Liebe Grüße,


    mondpilz

    Liebe Krimileser! :winken:


    Ich werde nächstes Semester höchstwahrscheinlich ein Seminar namens "Detektiv- und Kriminalgeschichten" besuchen. Allerdings bin ich in diesem Genre nicht sonderlich belesen und habe mir von der Dozentin etwas empfehlen lassen:


    - von Conan Doyle die Sherlock-Holmes-Romane/Erzählungen
    - von Agatha Christie die Miss Marple oder Hercule Poirot-Geschichten
    - von George Simenon die Maigret-Romane
    - von Chandler die Werke um Philip Marlowe
    - von Hammett sein wohl bekanntester Roman "Der Malteser Falken" um den
    Privatdetektiv Sam Spade oder die Op-Geschichten


    Allerdings habe ich hier wiederum das Problem, dass ich keine Ahnung habe, wo ich anfangen soll.
    Könntet ihr mir vielleicht ein paar Tipps geben, was ein guter Einstieg zu den jeweiligen Autoren wäre oder welche Geschichte besonders empfehlenswert oder repräsentativ ist?


    Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir helfen könntet!


    Liebe Grüße,


    mondpilz


    Was ich dir empfehlen kann is "die Vermessung der Welt" von Kehlmann. Dieses Hörbuch ist echt spitze .... das Buch ist schon super, aber das Hörbuch noch tausendmal besser!!!


    Dieses Hörbuch hab ich auch schon gehört (wieder nur gehört). Es war nicht schlecht, aber immer noch kein Vergleich mit einem Moers/Bach-Hörbuch :breitgrins: Ja, es kann schon sein, dass ich mich wiederhole. :rollen:


    lg,


    mondpilz


    @ mondpilz
    Das klingt ja wirklich toll. Hatte mir auch schonmal überlegt, das Buch zu lesen. Nun kann ich mich gar nicht entscheiden. Wie handhabt ihr das denn so?


    Also ich persönlich habe von Moers (gelesen von Dirk Bach) bisher gehört: Die Stadt der träumenden Bücher, Ensel und Krete und Rumo und die Wunder im Dunkeln; nichts davon habe ich gelesen und das werde ich auch nicht tun. Die Lesung von Dirk Bach ist m.E. nicht zu übertreffen! (Ich habe das von ihm in RUMO gesungene Blutlied als Klingelton in meinem Handy :breitgrins:)
    Im Buch-Thread zur Stadt der träumenden Bücher haben manche bemängelt, dass ein roter Faden fehle; im Hörbuch ist mir das nicht im Geringsten aufgefallen.
    Also ich kann es wirklich nur wärmstens empfehlen!


    lg,


    mondpilz