Disclaimer: Dieses Buch hat einen Preis (Locus Award) als beste "SF novel" gewonnen und deswegen schreibe ich meine Rezension unter Protest in diesem Bereich.
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Connie Willis läuft im Allgemeinen unter der Überschrift Science Fiction, „Passage“ kann ich aber eindeutig nicht darunter einordnen, da es nicht in die Utopie/Dystopie Richtung geht, es zeitlich im „Jetzt“ spielt und auch nicht irgendwelche Wissenschaft existiert, die der real existierenden deutlich voraus wäre. Und trotz des übersinnlich wirkenden Themas „Nahtoderfahrungen“ wird im Buch jegliche Übersinnlichkeit zunächst einmal in Frage gestellt.
Joanna arbeitet an einem Forschungsprojekt zur Erforschung von Nahtoderfahrungen. Aufgeschlossen und vorurteilsfrei interviewt sie Menschen die eine solche hatten, als sich ihr eine unglaubliche Chance bietet. Ein Neurologe hat eine Substanz gefunden, mit Hilfe derer sich exakt die gleichen Hirnwellenmuster simulieren lassen, wie bei einem Menschen, der soeben kurz vor dem Tod ein solches Erlebnis hat und möchte, dass Joanna seine Versuchspersonen interviewt, umso die individuellen Wahrnehmungen der Patienten bzw. Probanden während solcher Erlebnisses zu vergleichen. Da sie fürchterlich unter der Arbeitsweise eines konkurrierenden Forschers leidet, Dr. Mandrake, der seinen Interviewpartnern solange gut zuredet, bis sie außer dem Licht am Ende des Tunnels dann auch noch die Engel sehen, die oben an der Treppe vor dem goldenen Tor stehen, ist sie begeistert von der Idee, noch nicht von Dr. Mandrake beeinflusste Personen zu befragen.
Der Stil ist außerordentlich amüsant und bietet einiges an wiederkehrenden Elementen, die man schon fast als Running Gags bezeichnen könnte.
Ständig erklärt eine Person einer anderen den Weg: mit dem Fahrstuhl hoch in den 7. Stock, dann durch die Brandopferabteilung und die Treppe vor der Inneren runter in den 5. Stock…. Und ich dachte damals schon meine Uni wäre kompliziert aufgebaut. Dazu besteht noch das Problem, dass Joanna bei ihren Gängen durch das Krankenhaus stets versucht bestimmten Personen wie z.B. Dr. Mandrake oder auch aufdringlichen Patienten auszuweichen, was das Krankenhaus noch mehr zu einem Irrgarten macht.
Die Kapitel sind auf morbid faszinierende Weise mit den letzten Worten der verschiedensten Personen überschrieben und man beginnt tatsächlich darüber nachzudenken, was man selbst denn gerne als letzte Worte von sich geben würde, auch wenn „Passage“ deutlich macht, dass der Tod nicht planbar ist. Ein Buch, welches einen tatsächlich über den Tod und was danach kommt nachdenken lässt. Und auch wenn Joanna das ganze Buch hindurch versucht hinter die Bedeutung der Nahtoderlebnisse zu kommen, stellt sich die Autorin ganz eindeutig auf die Position, dass niemand weiss, was danach kommt, außer denen, die nicht mehr davon berichten können. In einem großen Gesamtzusammenhang könnte man auf dieses Buch selbst die Kriterien anlegen die medizinisch gesehen Nahtoderfahrungen ausmachen. All die Running Gags sind nur sich wiederholende Passagen, aus denen das überforderte Hirn versucht einen Sinn zu erstellen. Leider schwächelt der Roman nach 3/4 ein ganz klein wenig, ein dort aufgenommener Erzählstrang war mir dann doch etwas zu metaphysisch und widersprach meiner Meinung nach dem, was ich als „die große innere Bedeutung“ ausgemacht habe. Denn auch wenn es im ersten Augenblick nur ein mitreißender Roman ist, lädt er doch zum philosophieren ein.
Ein wunderbares Buch, das auf faszinierende Weise Tiefgründiges höchst amüsant und leichtfüßig zusammenfügt.
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Ich hoffe, dass sich bald ein Übersetzer dieses Buches annimmt und es noch mehr Lesern zugänglich macht.