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Inhalt:
Der 27-jährige Japaner Bird gerät in eine Lebenskrise, als seine Frau ein Kind mit einer Gehirnhernie zur Welt bringt. Er ist entscheidend für die Zukunft des Kindes - darf es leben? Oder ist sein Traum von Freiheit und Afrika wichtiger? Er wirft sich seiner alten Freundin Himiko und seinem alten Feind Alkohol an den Hals und gleitet langsam und schneller die Stufen der Schams hinab.
Autor
Der japanische Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Kenzaburo Oe hat französische Literatur studiert und schreibt seit 1957 Romane und Geschichten. Er hat einen Sohn namens Hikari, der sich in Japan einen Namen als Komponist gemacht hat. In dem Buch "Kinder fragen, Nobelpreisträger antworten" schreibt Oe übrigens zu der Frage "warum wir zur Schule gehen müssen".
Rezension
Ich habe das Buch bei Freunden entdeckt und gegen deren Rat ("das ist echt harte Kost") die ersten dreißig Seiten gelesen. Danach wusste ich: Das willst du haben. Ich habe es bekommen und in den letzten Tagen (endlich!) verschlungen. Ich habe die Suhrkamp-Ausgabe ("Romane des 20. Jahrhunderts") der deutschen Übersetzung von Siegfried Schaarschmidt. Das ist erwähnenswert, weil der Sprachstil so gewählt ist, das ich immer wieder über Sätze stolperte, sie mehrfach lesen musste, um zu verstehen, was sie sagten, worauf sie sich bezogen. Ansonsten ist der Roman aber leicht zu lesen (im Sinne von: man kommt gut durch). Die Sprache steckt voller Bilder - manche unglaublich stark und eindrücklich, andere fremd und seltsam.
Das Thema des Romanes ist über vierzig Jahre nach seinem Erscheinen (1964) hochaktuell: Wie gehen wir mit Behinderung um, wie mit Kindern überhaupt? Was ist ein lebenswertes Leben? Wieviel opfern wir unserem Egoismus und wieviel von uns und unseren Träumen sind wir bereit, anderen zuliebe aufzugeben? Dazu Birds Akoholproblem und sein Umgang damit, oder wie auch im Zeitalter der Kommunikation wir Menschen gesprächsunfähig sind. Solches bringt der Roman zur Sprache, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu erheben.
Neben der Problematik um das behinderte Kind ist das zweite große Thema des Romanes die Scham. Was im ersten Moment noch seltsam klingt, wird beim Lesen schlüssig - auch, gerade in unserer oft als "schmalos" bezeichneten Zeit ist dies wirklich ein großes, wichtiges Thema, von Oe meisterhaft aufbereitet. Da wirken selbst drastische S.e.x.uelle Schilderungen nicht fehl am Platz.
Von diesem Buch strahlt eine eigenartige Faszination aus, die ich kaum in Worte zu fassen vermag. Es ist wie ein Parfum mit Moschus - es zieht an, auch wenn es abstößt. Es nimmt mit und geht mit uns Lesern durch ein finsteres Tal, wo nur noch eine Art Gottvertrauen helfen kann ("und ob ich schon wandelte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück" - Religion ist übrigens kein Thema des Buches!). Interessierten in allen Lebenslagen (egal ob fröhlich, friedlich, aggressiv oder sterbensunglücklich) rate ich, (wie ich) die ersten 20, 30 Seiten zu lesen und dann zu entscheiden, ob sie weiterlesen wollen. Wer aufhören, aber das Ende erfahren möchte, werfe einen Blick in eine beliebige Kurzbiographie des Autors - der Roman ist teilweise autobiographisch, die entscheidende Information habe ich hier weggelassen, sie müsste aber überall sonst enthalten sein.
Ich gebe dem Buch fünf "Leseratten" abzüglich einer, weil ich noch immer nicht sicher bin, ob die Übersetzung von Schaarschmidt genial oder genial daneben ist. Als ich schon fast von ersterem überzeugt war, brachte mich ein Grammatikfehler wieder ins Wanken... Nun denn:
Liebe Grüße
Nightfever
[size=1]EDIT: Betreff angepasst. LG, Saltanah[/size]