Das Dekameron - Erster Tag

Es gibt 44 Antworten in diesem Thema, welches 19.562 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mohan.


  • Was genau meinst Du hiermit?


    Etwas Komplexes, was mir meine Freundin mal erklärt hat. Vereinfacht z.B.: Lehnen wir in patriarchalen Strukturen Inhalte ab, weil sie von Männern vermittelt werden, kann es dennoch sein, dass wir die gleichen Inhalte akzeptieren, wenn sie rhetorisch reformuliert und als weibliche Sicht vermittelt werden. Das müsste damit zusammenhängen, dass Menschen die Angewohnheit haben, das Leben durch bunte Brillen zu sehen, wie auch immer diese im Einzelfall konstruiert sind, und dass sie komplexe Strukturen vereinfachen, bewusst oder nicht, wobei sie sich nicht selten an äußeren Anhaltspunkten orientieren.


    Auch heute werden Frauen mitunter noch instrumentalisiert, wenn sie im öffentlichen Bereich etwas vermitteln sollen, was man, wenn es ein Mann sagt, nicht so einfach akzeptiert. Weil ich dies schreibe, könnte man es als Sexismus interpretieren. :zwinker:

    Einmal editiert, zuletzt von mohan ()


  • ist mir unverständlich. Was hat die Gleichheit der Frauen mit einer Abfuhr zu tun?



    mohan:
    Danke für deine Ausführungen zur fünften Geschichte. Nun verstehe ich zwar warum die Dame dem König nur Hühnchen serviert hat und was es mit seiner Frage nach dem Hahn auf sich hat. Damals war diese Art der Mitteilung sicher gebräuchlicher und auch den Menschen näher, als mir heute, denn ich hätte, trotz der Erkärung, weiter nicht verstanden, was sie mir mitteilen wollte. :rollen: Was die Symbolik betrifft, bin ich ziemlich unbedarft.



    Es geht nicht um „Gleichheit“ von Frauen, sondern um einen verkleideten Hinweis, der französische König solle gefälligst in seinem heimischen Revier jagen. In Genua werde ihn, trotz des Reizes des Anderen, auch nur erwarten, was er von zu Hause oder aus Frankreich kennt. Sie muss doch so verschlüsseln, allein aus Respekt vor dem König und um ihr Gesicht in dieser pikanten Situation zu wahren, die schnell prekär werden kann. Aus eben diesem Grund, der Wahrung des Gesichts, versteht der König die Anspielung natürlich auch sofort und lässt von seinem Vorhaben ab, ohne dass ihm direkt eine Abfuhr erteilt wird, was er nur als Affront werten würde.
    Es ist also eine Art Diplomatie.


    Liebe Grüße,
    mohan


  • Es geht nicht um „Gleichheit“ von Frauen, sondern um einen verkleideten Hinweis, der französische König solle gefälligst in seinem heimischen Revier jagen. In Genua werde ihn, trotz des Reizes des Anderen, auch nur erwarten, was er von zu Hause oder aus Frankreich kennt.


    :pling: Danke schön, jetzt habe ich auch verstanden, was sie dem König mit den Hühnern sagen wollte. :klatschen:



    Und bezüglich der Frauen als Erzähler: Du fragst dich also, ob manche der Frauen, die im Dekameron die Geschichten erzählen, nur deshalb vom Erzähler/Autor als Frauen angelegt wurden, damit ihre Geschichten anders/besser aufgenommen werden, als wenn Männer sie erzählt hätten? Interessanter Gedanke, ist mir bisher überhaupt noch nicht in den Sinn gekommen, entbehrt aber nicht einer gewissen Logik.
    Das könnte man allerdings auch umgekehrt anwenden. Manche Erzählungen können nur von Männern wiedergegeben werden (insbesondere die 4. Geschichte), da sie bei einer Frau als Erzählerin einfach unangebracht wären.


    LG Myriel

    Einmal editiert, zuletzt von Myriel ()


  • :pling: Danke schön, jetzt habe ich auch verstanden, was sie dem König mit den Hünnern sagen wollte. :klatschen:


    Dem kann ich mich nur anschließen!



    Und bezüglich der Frauen als Erzähler: Du fragst dich also, ob manche der Frauen, die im Dekameron die Geschichten erzählen, nur deshalb vom Erzähler/Autor als Frauen angelegt wurden, damit ihre Geschichten anders/besser aufgenommen werden, als wenn Männer sie erzählt hätten?


    Mmh, möglich wäre es. Ich kann allerdings von mir behaupten, dass ich das Geschlecht des/der Erzählenden sofort wieder vergesse. Ich lese zwar den Namen, aber da sie mir alle nur als nebelhafte Gestalten, nicht als Individuen präsent sind, weiß ich schon im nächsten Satz nicht mehr, wer denn nun das Wort führt.
    Aber den Gedanken im Hinterkopf zu behalten und vielleicht nach jedem Tag zu überlegen, welches Geschlecht nun welche Geschichten erzählt hat, ist sicher nicht falsch.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Danke, mohan! Nun sind die Hühner richtig verdaut.


    Deinen Gedankengang bezüglich der Frauen, die in ihrer Geschichte vielleicht eher männliche Inhalte weitererzählen, finde ich interessant. Ganz von der Hand zu weisen ist dies sicher nicht.
    Besonders wenn man bedenkt, wie ich vor kurzem gelesen habe, dass in die Figur der Fiammetta seine Geliebte, die Gattin eines Kaufmanns (?), von Boccaccio verarbeitet wurde.


    Mir geht es jedoch wie Saltanah. Sobald die Geschichte beginnt habe ich auch schon wieder vergessen, wer sie erzählt, oder welchen Geschlechts die Person ist. Das wird auch kaum besser werden, da die Reihenfolge an den nächsten Tagen, bis auf Dioneus, ständig geändert wird.


    Kann es übrigens sein, dass die Schreibweise der Namen in den Büchern unterschiedlich ist? Bei mir steht:
    Pampinea, Fiammetta, Philomela, Emilia, Lauretta, Neiphile, Elise, Pamphilus, Philostratus und Dioneus.

  • Kann es übrigens sein, dass die Schreibweise der Namen in den Büchern unterschiedlich ist? Bei mir steht:
    Pampinea, Fiammetta, Philomela, Emilia, Lauretta, Neiphile, Elise, Pamphilus, Philostratus und Dioneus.


    Pampinea, Fiammetta, Filomena, Emilia, Lauretta, Neifile, Eliza, Panfilo, Filostrato und Dioneo heißen sie in der Insel-Ausgabe. Es unterscheidet sich also vor allem in der Schreibweise.


    Danke, mohan, für die Aufklärung der Hühner-Geschichte. Mit diesen Kenntnisse gefällt sie mir gleich viel besser. Wahrscheinlich kann das nur ein Mann richtig interpretieren :zwinker:.


    Und bezüglich der Frauen als Erzähler: Du fragst dich also, ob manche der Frauen, die im Dekameron die Geschichten erzählen, nur deshalb vom Erzähler/Autor als Frauen angelegt wurden, damit ihre Geschichten anders/besser aufgenommen werden, als wenn Männer sie erzählt hätten? Interessanter Gedanke, ist mir bisher überhaupt noch nicht in den Sinn gekommen, entbehrt aber nicht einer gewissen Logik.


    Eine interessante These, die aber nicht ganz zu der Behauptung im Vorwort passt, dass die Figuren realen weiblichen bzw. männlichen Vorbildern nachempfunden sind. Vielleicht ist es eher so, dass Boccaccio ganz bewusst manche Geschichten von den Frauen erzählen lässt, damit der Inhalt entsprechend aufgenommen wird. Das wäre sehr hintergründig, wenn eigentlich ein Mann hinter der erzählenden Person stecken würde.


    Dann ist mir noch aufgefallen, dass die Damen, wenn sie eine Geschichte beginnen speziell ihresgleichen ansprechen. Liebe Damen oder so ist da ständig zu lesen, die Herren werden gar nicht miteinbezogen. Wurde das absichtlich so gehalten, weil das Buch ja für Damen geschrieben wurde? Wie seht ihr das?


    Das sehe ich ähnlich. Es war damals häufiger der Fall, dass der Leser direkt angesprochen wurde. Ich denke, dass gerade Damen diese Höflichkeit zu schätzen wussten. Übrigens haben auch die Herren am Beginn ihrer Erzählung die Gesellschaft mit "meine trefflichen/teuern Damen" angesprochen.


    Die zehnte Geschichte wird von der Königin Pampinea erzählt, die ihre Einleitung dazu nutzt, Frauen als eitel und hilflos darzustellen. Mit der Erzählung, wie sich der alte Mann in die junge Dame verliebt, sich mit weisen Worten erklärt und sie dadurch zurechtstutzt, möchte sie wohl zur Bescheidenheit aufrufen. Das passt gar nicht zu dem Eindruck, den sie am Anfang gemacht hat. Trotz aller Ehrfürchtigkeit erklärt sie aber trotzdem eine der Frauen zur nächsten Königin.

  • Ich bin mit dem ersten Tag auch durch. :klatschen:


    Die achte Geschichte hat mir nicht so gut gefallen. Wie schon zuvor in der fünften, sechsten und siebten Geschichte geht die Wandlung des geizigen Herrn Grimaldi einfach zu schnell vor sich, um realistisch zu wirken. Da steht wohl eher die moralische Botschaft im Vordergrund.
    Die neunte Geschichte fällt genau in das gleiche Schema: ein paar Worte einer bisher unbeteiligten Person und schon dreht die Einstellung des Königs von Zypern um 180°.


    Die zehnte Geschichte hat mir wieder gut gefallen. Die Art und Weise, wie der alte Mann das Vorhaben der junge Frau ihn zu necken gegen sie wendet, ohne sie dabei zurecht zu weisen - das hat Stil. :daumen:


    Am Ende des zehnten Tages bestimmt Pampinea Fiammetta zur nächsten Königin, die das Geschichtenerzählen vorsetzen will.


    Trotz aller Ehrfürchtigkeit erklärt sie aber trotzdem eine der Frauen zur nächsten Königin.


    Ich könnte mir vorstellen, dass die jeweiligen Männer und Frauen, die wie angedeutet heimlich ineinander verliebt seien, sich gegenseitig auswählen. Pampinea, die wohl mit keinem der drei Männer mehr als eine eventuelle verwandtschaftliche Beziehung hat, wählt wahrscheinlich deswegen eine ihre Freundinnen aus.



    Mir geht es jedoch wie Saltanah. Sobald die Geschichte beginnt habe ich auch schon wieder vergessen, wer sie erzählt, oder welchen Geschlechts die Person ist. Das wird auch kaum besser werden, da die Reihenfolge an den nächsten Tagen, bis auf Dioneus, ständig geändert wird.


    Genauso geht es mir auch. Von Dioneo verspreche ich mir aber einige lustige Geschichten und sein Vorhaben, durch seine Erzählungen mögliche Schwermut, die durch die Geschichten der anderen aufkam, zu bekämpfen, macht ihn mir sympathisch.


    Da ich am Wochenende nicht zu Hause bin und auch nicht zum Lesen kommen werde, kann ich mich erst am Montag wieder melden.


    LG Myriel :winken:


  • Das könnte man allerdings auch umgekehrt anwenden. Manche Erzählungen können nur von Männern wiedergegeben werden (insbesondere die 4. Geschichte), da sie bei einer Frau als Erzählerin einfach unangebracht wären.


    Ja, natürlich, das sehe ich auch so.




    Danke, mohan, für die Aufklärung der Hühner-Geschichte. Mit diesen Kenntnisse gefällt sie mir gleich viel besser. Wahrscheinlich kann das nur ein Mann richtig interpretieren :zwinker:.


    Da bin ich ja gerade noch mal an der Enttarnung vorbeigeschrammt. :schwitz: Es hat wohl nicht viel gefehlt, ein kleiner Schritt vielleicht, bis zu der Erkenntnis, nur ein Hahn hätte das richtig interpretieren können. :clown:


    Aber ernsthaft: Vielleicht gibt es in den Literatur- oder Sprachwissenschaften Untersuchungen über spezifisch männliche oder weibliche Codierungs- und Decodierungsmöglichkeiten von Text, die deine Vermutung stützen. Aber davon habe ich keine Ahnung. Kommt jemand von euch aus diesem Bereich und kann etwas dazu sagen?




    Eine interessante These, die aber nicht ganz zu der Behauptung im Vorwort passt, dass die Figuren realen weiblichen bzw. männlichen Vorbildern nachempfunden sind.


    So ganz verstehe ich es nicht. Boccaccio kann doch seine Figuren realen Vorbildern nachempfinden und sie gleichzeitig bestimmten erzählerischen Erfordernissen anpassen.




    Vielleicht ist es eher so, dass Boccaccio ganz bewusst manche Geschichten von den Frauen erzählen lässt, damit der Inhalt entsprechend aufgenommen wird.


    Wenn ich diese Überlegung richtig verstehe, deckt sie sich im Grunde doch mit der, die durch sie kritisiert werden soll.




    Die zehnte Geschichte wird von der Königin Pampinea erzählt, die ihre Einleitung dazu nutzt, Frauen als eitel und hilflos darzustellen. Mit der Erzählung, wie sich der alte Mann in die junge Dame verliebt, sich mit weisen Worten erklärt und sie dadurch zurechtstutzt, möchte sie wohl zur Bescheidenheit aufrufen. Das passt gar nicht zu dem Eindruck, den sie am Anfang gemacht hat. Trotz aller Ehrfürchtigkeit erklärt sie aber trotzdem eine der Frauen zur nächsten Königin.


    Am Ende des Buchs wird es wohl kaum eine Figur geben, die nicht widerspruchsfrei in ihrer Anlage ist. Das könnte damit zu tun haben, dass Boccaccio nach Überlegungen zur Zweckmäßigkeit bestimmte Merkmale von Figuren mit bestimmten Erzählungen verbinden wollte. Was zum Teil wieder auf die These zur Entscheidung für eine männliche oder weibliche Perspektive zurückführt. Vielleicht wollte er sogar das eine oder andere reale Vorbild durch solche Spielchen ein wenig pieksen, was für die damaligen Leser leicht verständlich war, für uns heute aber nicht.




    Ich könnte mir vorstellen, dass die jeweiligen Männer und Frauen, die wie angedeutet heimlich ineinander verliebt seien, sich gegenseitig auswählen. Pampinea, die wohl mit keinem der drei Männer mehr als eine eventuelle verwandtschaftliche Beziehung hat, wählt wahrscheinlich deswegen eine ihre Freundinnen aus.


    Das finde ich sehr interessant. Vielleicht lässt sich ja bis zum Ende eine Konsequenz in der Auswahl der erzählenden Personen aufzeigen, die diese Überlegung unterstützt. Mal sehen...


    Liebe Grüße,
    mohan

  • So, ich habe es auch endlich mal geschafft den ersten Tag zu lesen...
    Für mich war es zunächst eine Konzentrationsarbeit, weil ich nur sehr schlecht in den Schreibstil hinein gefunden habe. Nachdem ich mir aber die Zeit und Ruhe für dieses Buch genommen habe, habe ich mich zum Glück mit dem Schreibstil angefreundet und empfinde es nun nicht mehr als Arbeit dieses Buch zu lesen.
    Leider bin ich aber absolut kein Kurzgeschichtenleser, so dass mir doch der langsame Spannungsaufbau fehlt. Es wird unglaublich viel geredet ohne viel zu sagen, was mich an manchen Stellen doch schon etwas gelangweilt hat.


    Direkt bei der ersten Geschichte habe ich mich gefragt, ob es eine Moral oder einen Sinn gibt, den Boccaccio vermitteln möchte. Diese Frage habe ich mir auch immer wieder bei den folgenden Geschichten gestellt und bin mir immer noch nicht sicher, ob die Geschichten nur Zeitvertreib sein sollen oder ob hinter jeder Geschichte auch etwas steht.


    Auffällig fand ich, dass fast alle Geschichten Mönche als Hauptpersonen hatten und dass diese nicht gut dabei wegkommen. Zum einen habe ich mich gefragt, welcher Religion Boccaccio wohl angehört. Ich vermute mal, dass er Christ war. Aber scheinbar stand er der Institution Kirche oder besser ihren Vertretern nicht gerade wohlwollend gegenüber.
    Konnte Boccaccio sein Buch einfach so veröffentlichen ohne dass es Proteste von Seiten der Kirche gab?
    Ich bin nun neugierig, ob auch in den weiteren Geschichten die Kirchenvertreter nicht so gut wegkommen...


    Momentan finde ich es wesentlich interessanter diesen Thread zum Buch zu lesen, d.h. eure Gedankengänge, Interpretationen und Vermutungen als das Buch selber. Nur blöd, dass ich erst die Geschichten lesen muss um euer Beiträge zu verstehen :rollen:


  • Auffällig fand ich, dass fast alle Geschichten Mönche als Hauptpersonen hatten und dass diese nicht gut dabei wegkommen. Zum einen habe ich mich gefragt, welcher Religion Boccaccio wohl angehört. Ich vermute mal, dass er Christ war. Aber scheinbar stand er der Institution Kirche oder besser ihren Vertretern nicht gerade wohlwollend gegenüber.
    Konnte Boccaccio sein Buch einfach so veröffentlichen ohne dass es Proteste von Seiten der Kirche gab?


    Das ist eine Frage, die ich mir auch immer wieder gestellt habe und noch stelle.

  • So ganz verstehe ich es nicht. Boccaccio kann doch seine Figuren realen Vorbildern nachempfinden und sie gleichzeitig bestimmten erzählerischen Erfordernissen anpassen.


    Ja, das kann er natürlich und hat es wahrscheinlich auch so gemacht. Ich meinte damit Myriels Überlegung, "ob manche der Frauen ... nur deshalb vom Erzähler/Autor als Frauen angelegt wurden ...", die ich so verstand, dass Boccaccio die Figuren erfunden hat, was laut Vorwort nicht der Fall ist.


    Wenn ich diese Überlegung richtig verstehe, deckt sie sich im Grunde doch mit der, die durch sie kritisiert werden soll.


    Das ist richtig, aber auch wieder unter Berücksichtigung, dass es sich nicht um erfundene Personen handelt.


  • Das ist eine Frage, die ich mir auch immer wieder gestellt habe und noch stelle.


    Lange Zeit gab es keine Probleme, weil die abgebildete Gesellschaft vornehm ist, hauptsächlich aus Damen besteht und ein Vorbild an Harmonie und edler Gesittung ist. Der Widerspruch zwischen zölibatärem Anspruch und seinem lüsternen Nicht-Ausleben beim Klerus war öffentlich bekannt. Die zeitgenössischen Geistlichen tolerierten das Buch zumindest. Vielleicht haben sie es ja auch gerne gelesen, aber eine Aussage hierzu wäre hochspekulativ. Dass an den Freitagen und Samstagen zu Ehren Christi und der Mutter Maria keine Geschichten erzählt werden, mag die Toleranz noch erhöht haben.
    Nachdem der Vatikan sich eine der schönsten und frühesten handschriftlichen Ausgaben gesichert hatte, setzte er gemäß Tridentischem Konzil (1545-1563) das Decamerone auf den Index verbotener Bücher. Boccaccios sterbliche Überreste wurde zudem vier Jahrhunderte nach seinem Tod aus der Kirche San Iacopo verbannt.
    Ein Jahr nach Erscheinen in Italien gab es übrigens schon die erste deutsche Übersetzung. Das Tempo war vermutlich höchst unnormal zu der Zeit.


  • Nachdem der Vatikan sich eine der schönsten und frühesten handschriftlichen Ausgaben gesichert hatte, setzte er gemäß Tridentischem Konzil (1545-1563) das Decamerone auf den Index verbotener Bücher. Boccaccios sterbliche Überreste wurde zudem vier Jahrhunderte nach seinem Tod aus der Kirche San Iacopo verbannt.
    Ein Jahr nach Erscheinen in Italien gab es übrigens schon die erste deutsche Übersetzung. Das Tempo war vermutlich höchst unnormal zu der Zeit.


    Nun, das bringt ja schon etwas Licht ins Dunkel. Danke, mohan!
    Amüsiert habe ich mich darüber, dass man sich erst ein schönes Exemplar sicherte und dann allgemein auf den Index setzte.



    Dass an den Freitagen und Samstagen zu Ehren Christi und der Mutter Maria keine Geschichten erzählt werden, mag die Toleranz noch erhöht haben.


    Die Stelle mit dem Freitag und Samstag wurde, glaube ich, am zweiten Tag von einer der Damen, eventuell sogar von der Königin selbst, erwähnt. Ich hatte es jedoch so verstanden, dass diese Tage nicht so beliebt waren wegen der Speisen, die man genoss.
    Freitags Fisch und Samstag eher Fastentag. Das an jenen Tage auch keine Geschichten erzählt werden sollen, war mir bisher gar nicht bekannt. Worauf begründet sich dieser Brauch, weißt du das vielleicht, mohan?


  • Die Stelle mit dem Freitag und Samstag wurde, glaube ich, am zweiten Tag von einer der Damen, eventuell sogar von der Königin selbst, erwähnt. Ich hatte es jedoch so verstanden, dass diese Tage nicht so beliebt waren wegen der Speisen, die man genoss.
    Freitags Fisch und Samstag eher Fastentag. Das an jenen Tage auch keine Geschichten erzählt werden sollen, war mir bisher gar nicht bekannt. Worauf begründet sich dieser Brauch, weißt du das vielleicht, mohan?


    Die katholische kirchliche Bußordnung sieht vor: "Alle Freitage, ausgenommen die Hochfeste, sind in Gedenken an das Leiden und Sterben des Herrn kirchliche Bußtage, an denen der Christ zu einem Freitagsopfer verpflichtet ist." Der damit einhergehende Verzicht auf Vergnügungen wurde zu Zeiten Boccaccios vermutlich außerhalb des Klerus' restriktiver gehandhabt als heute. Für die "angemessene Verehrung an die Heilige Jungfrau Maria" galt Ähnliches auch am Samstag.

  • Ja, das kann er natürlich und hat es wahrscheinlich auch so gemacht. Ich meinte damit Myriels Überlegung, "ob manche der Frauen ... nur deshalb vom Erzähler/Autor als Frauen angelegt wurden ...", die ich so verstand, dass Boccaccio die Figuren erfunden hat, was laut Vorwort nicht der Fall ist.


    Ich meinte dass so, dass er die Geschichten bewusst auf die ErzählerInnen verteilt hat, so dass das Geschlecht des jeweiligen Erzählers zum Inhalt der Geschichte passt. Meine Überlegung ist, dass der Autor wohl zuerst die Geschichten im Kopf hatte und erst später die Erzähler "entworfen" hat und dabei je nach Art der Geschichten an bestimmte Vorbilder gedacht hat. Habe mich da wohl etwas verquer ausgedrückt. :redface:


    @ mohan:
    Danke für die Aufklärung bezüglich der Geschichte des Dekamerons unter der Kirche und bezüglich der Frei- und Samstage. Wieder was gelernt. :zwinker:
    Diesen Aspekt hier finde ich auch äußerst berede:


    Nachdem der Vatikan sich eine der schönsten und frühesten handschriftlichen Ausgaben gesichert hatte, setzte er gemäß Tridentischem Konzil (1545-1563) das Decamerone auf den Index verbotener Bücher.


    :breitgrins:


    LG Myriel

  • Amüsiert habe ich mich darüber, dass man sich erst ein schönes Exemplar sicherte und dann allgemein auf den Index setzte.


    So viel ich weiß, hat sich das indizierende Gremium von jedem fragwürdigen Buch ein Exemplar besorgt, um darüber ein Gutachten anfertigen zu lassen. Somit war zumindest ein guter Grund vorhanden, warum sie sich das Buch beschaffen mussten.



    Freitags Fisch und Samstag eher Fastentag. Das an jenen Tage auch keine Geschichten erzählt werden sollen, war mir bisher gar nicht bekannt.


    Ich kenne das in ähnlicher Form aus Franken und Niederbayern, wo am Tag vor einem bestimmten Feiertag - ich glaube, Allerheiligen - keine Tanzveranstaltungen stattfinden dürfen.


  • So viel ich weiß, hat sich das indizierende Gremium von jedem fragwürdigen Buch ein Exemplar besorgt, um darüber ein Gutachten anfertigen zu lassen. Somit war zumindest ein guter Grund vorhanden, warum sie sich das Buch beschaffen mussten.
    dürfen.


    Das dürfte wohl so gewesen sein, schon allein aus Legitimationsgründen. Heute verfahren Indizierungs- und Zensurinstitutionen ja auch (noch) so. Aber der "Beigeschmack" bleibt natürlich erhalten. Das erinnert mich u.a. an Ecos Der Name der Rose, in dem der Reiz verbotener Bücher und der exklusive Zugriff auf diese Bücher seitens des Klerus eins der Themen ist.


    Liebe Grüße,
    mohan

  • Ich war jetzt eine ganze Woche krank und konnte die meiste Zeit nicht mal lesen. In den letzten Tagen ging es dann wieder ein bisschen und ich hab jeden Tag ein paar Geschichten gelesen. Für das Forum und die Leserunde war ich trotzdem nicht fit genug, ich lese jetzt erst mal nach, was ihr hier schon geschrieben habt und werde vielleicht noch den ein oder anderen Kommentar abgeben, auch wenn schon ziemlich viel zu den Geschichten gesagt wurde.


    Mir gefällt das Buch insgesamt recht gut, ich hatte auch keine Probleme beim Lesen, als ich mich einmal an die Sprache gewöhnt hatte, ging es ab da ganz gut! Gegen Ende wurden die Geschichten dann immer ähnlicher, waren aber zum Glück auch alle recht kurz, so war das nicht weiter tragisch, Langweile kam eigentlich nicht auf.




    Zweite Geschichte:
    Die hat mir in ihrer verqueren Logik wirklich gut gefallen! So sonderbar der Gedankengang des Juden auch ist, so kann ich ihn doch nachvollziehen: An einer Religion, die blüht und gedeiht, obwohl ihre Führung durch und durch verderbt ist, muss "etwas dran" sein. Die muss einen festen Grund haben, ansonsten wäre sie schon längst in sich zusammen gefallen.


    Mir hat die Geschichte auch gut gefallen und ich hatte auch keine Probleme mit der etwas seltsamen Logik!




    Die dritte Geschichte diente offenbar Lessing als Inspiration für seine Ringparabel in "Nathan der Weise". Da wir Nathan als Schullektüre gelesen haben, kannte ich die Erzählung schon.


    Ich kannte die Geschichte auch schon aus der Schule, allerdings habe ich "Nathan der Weise" nicht gelesen, das kommt wohl auf meine To-Read-Liste...


    Dank mohans Erklärung verstehe ich die fünfte Geschichte jetzt auch besser und mit diesem Hintergrundwissen empfinde ich sie auch als eine der schönsten Geschichten des ersten Tages.

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