Das Dekameron - Zweiter Tag

Es gibt 28 Antworten in diesem Thema, welches 11.319 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von foenig.

  • Der zweite Tag verläuft ähnlich dem ersten. Man geht spazieren, tanzt, hält Mittagsruhe und kommt am späten Nachmittag zusammen um sich Geschichten zu erzählen. Die Sitzordnung bestimmt die Reihenfolge, bis auf Dioneus, der ja eine Sonderstellung hat.


    Die erste Geschichte war wieder zum Schmunzeln. Mit einer List schaffen es die drei Freunde/Weggefährten, die gerade nach Treviso gekommen sind, sich den Weg durch die Menge bis zum Leichnam des Heinrich zu ebnen.
    Erstaunlich, wie schnell damals anscheinend die Heiligkeit eines Menschen festgestellt wurde. :zwinker: Damals gab es nicht so viel Ablenkung, so dass der tote "Heilige" für einen Riesenandrang sorgte. Ich muss gestehen, ich hätte nicht erwartet, dass man die drei so schnell durchlassen würde. Da habe ich die Leute für selbstsüchtiger gehalten, als sie wohl waren. Und Martellino muss ein wahrer Könner in seinem Fach gewesen sein. Allein die Beschreibung seiner Verwandlung brachte mich schon zum Lachen.
    Pech für ihn, dass ein Mann in der Menge war, der ihn enttarnte. Trotz der dramatischen Zuspitzung seiner Lage schaffte er es mit Hilfe seiner Freunde und der Bürokratie wieder auf freien Fuß zu kommen. Manchmal hat dieser ganze Papierkram ja doch sein Gutes. Ich war mir gar nicht klar darüber, dass man sich bereits zu dieser Zeit in einer Stadt anmelden musste, wenn man ankam. Das geschah dann sicher am Stadttor, oder? Mit Name, Heimatort und Zweck des Besuches - und Abmeldung wenn man die Stadt wieder verließ?


    In der zweiten Geschichte begegnen wir Rinaldo, der auf seine Gebete schwört. Leider hat er mit seiner Reisebegleitung nicht so viel Glück und wird abends von den Herren beraubt und in der Einöde zurückgelassen. In eisiger Kälte erreicht er das Stadttor zu spät, es ist bereits geschlossen. Da kommt ihm das Glück zu Hilfe. Dass die Witwe sich seiner annahm, war eine barmherzige Tat und nachdem ihr Besucher nicht kommen konnte, war schnell klar, worauf sie aus war. Erstaunlich, wie entschlussfreudig die Damen/Mädchen zu damaliger Zeit gewesen sein sollen. :breitgrins: Und wieder las ich zu meiner Erheiterung, wie schon beim Abt im Kloster, dass die betreffende Person die Umstände als von Gott gesandt betrachtet. Wieder ein Seitenhieb auf die Kirche und den Klerus?
    Wie erwartet, wendet sich alles zum Guten. Rinaldo erhält fast alles zurück. Was mit dem Diener geschieht wird nicht berichtet. Meiner wäre er die längste Zeit gewesen, dieser Feigling, mich einfach zurück zu lassen. :grmpf:


    Ah, die dritte Geschichte muss doch Balsam auf die Herzen der jungen Damen sein. Endlich mal eine Geschichte, die mit Heirat aufwartet. Der gute Alessandro, der so lange in England ausharrt um seiner Familie zu helfen und dann auf der Heimreise das große Glück findet. Er wär auch ein Narr gewesen das Angebot des "Abtes" abzulehnen. Verwundert hat mich, dass die junge Frau keine beschützende Begleitung hatte. Immerhin war sie ja von einer Menge Menschen umgeben, die scheinbar ihr Geheimnis kannten. Auf alle Fälle fand alles ein gutes Ende. Ja der junge Ehemann soll sogar König von Schottland geworden sein. Welcher soll das denn sein?
    Ach, bevor ich es vergesse. Wie schon in einer anderen Geschichte tauchte ein Wort auf, bei dem ich stutze. Ein gängiges Wort in der heutigen Zeit, für diese Zeit kam es mir etwas deplatziert vor. Urlaub. Welche Bedeutung hatte Urlaub denn in jener Zeit? Einfach eine Reise ohne bestimmten Zweck? Wobei es mich wirklich interessieren würde, wovon sich dieses Wort ableitet. Von Erlaubnis? Hieß es früher vielleicht Erlaub und ist im Laufe der Jahre in seiner Schreibweise abgeändert worden?

  • Die Geschichten des zweiten Tages sind länger als die des ersten, und das tut ihnen, finde ich, gut.


    Erste Geschichte:
    Tja, sich für etwas ausgeben, das man nicht ist, kann üble Folgen haben.
    Martellino hat wirklich Glück, dass er in einer Geschichte auftaucht, die laut Motto des Tages ein glückliches Ende nehmen muss, ansonsten wäre er wohl nicht mit dem Leben davon gekommen.
    Denn der Richter, und das hat mich doch etwas schockiert, war ja weniger an der Wahrheit interessiert, als vielmehr daran, einem der verhassten Florentiner etwas heimzuzahlen. Die Aussage des Torbeamten (in meiner Übersetzung ein Zöllner) gab er ja nichts. Da musste höhere Gewalt in Gestalt des Stadtoberhauptes auftauchen, um Martellino zu retten.
    Die Geschichte illustriert schön, wie sehr die Menschen Herdentiere sind. Erst müssen sie alle unbedingt die Leiche des "Heiligen" sehen und dann stellen sie sich alle als Raubopfer dar. - Eigentlich übrigens ein guter Trick des Freundes, mit einer Lüge die Wache dazu zu bringen, Martellino aus den Händen der aufgebrachten Menge (Herde) zu befreien. Nur mit den längerfristigen Folgen hatte er nicht gerechtet.


    Zweite Geschichte:
    An dieser Geschichte störte mich eine Kleinigkeit, nämlich eine Information, die nicht rechtzeitig kam:
    In meiner Vorstellung ritten Rinaldo und die Räuber nämlich durch eine idyllische Frühlingslandschaft, als es plötzlich heißt, dass er im Schneetreiben stehe. Ein Hinweis auf Jahreszeit oder Wetterlage hätte ich mir schon vorher gewünscht.
    Gewundert hat mich auch die Tatsache, dass sich in der Stadtmauer noch ein unbewachtes Türchen findet, dessen Schlüssel sich noch dazu in den Händen einer Privatperson befindet. Ist das nicht ein ziemliches Sicherheitsrisiko im Kriegsfalle? Mich würde interesseiren, ob die Tür nur aus erzähltechnischen Gründen da war, oder ob es solche in mittelalterlichen Stadtmauern wirklich gab.
    Rinaldos Retterin gefiel mir in ihrer schnellen Ausnutzung der Lage gut. Sie wusste, was sie wollte und sie sorgte dafür, dass sie es bekam. Eine schöne Erinnerung daran, dass zu Boccaccios Zeiten auch Frauen Fleischeslust fühlten; erst in späteren Jahrhunderten änderte sich das ("offiziell" also).
    Haben die fehlenden Kniebänder eigentlich eine symbolische Bedeutung?


    Dritte Geschichte:
    Die nimmt eine überraschenden Perspektivwechsel vor. Eigentlich dachte ich, die Hauptpersonen wären die drei sehr wenig lernbegabten Brüder, die auch nach ihrem ersten Ruin weiterhin ihr Geld sinnlos verprassen.
    Dass plötzlich deren Neffe im Zentrum der Geschichte steht, war verblüffend, noch verblüffender natürlich dessen Erlebnisse mit dem "Abt".


    Verwundert hat mich, dass die junge Frau keine beschützende Begleitung hatte. Immerhin war sie ja von einer Menge Menschen umgeben, die scheinbar ihr Geheimnis kannten.


    Fehlt dir eine "Anstandsdame", die die Königstochter begleitet? Die hätte ja nicht in das Gefolge eines "Abtes" gepasst; Außenstehende hätten Verdacht schöpfen können, dass mit dem nicht alles stimmt. (Wenn man allerdings die sexuellen Gepflogenheiten von Boccaccios Kirchenleuten in Betracht zieht, hätte eine weibliche Begleitung gut gepasst. :rollen: )


    Ein gängiges Wort in der heutigen Zeit, für diese Zeit kam es mir etwas deplatziert vor. Urlaub. Welche Bedeutung hatte Urlaub denn in jener Zeit? Einfach eine Reise ohne bestimmten Zweck? Wobei es mich wirklich interessieren würde, wovon sich dieses Wort ableitet. Von Erlaubnis? Hieß es früher vielleicht Erlaub und ist im Laufe der Jahre in seiner Schreibweise abgeändert worden?


    Kannst du die genaue Stelle angeben? Bei mir findet sich das Wort nicht. Laut Wikipedia stimmt deine Herleitung:

    Zitat

    Der Begriff Urlaub leitet sich vom alt- bzw. mittelhochdeutschen Wort für „erlauben“ her. So fragten im Hochmittelalter Ritter ihren Lehnsherren um urloup, also „Urlaub“, um in eine Schlacht zu ziehen.

    Das Wort ist also schon so alt, dass es kein Stilbruch der Übersetzung bedeutet. (Als "Urlaubs"beschäftigung Krieg führen? :angst: Nein danke!)


    Vierte Geschichte:
    Noch ein Mann, der nicht genug bekommen kann! Ist schon unendlich reich, will aber unbedingt noch mehr haben. Ich habe ihm ehrlich gesagt seine Verluste gegönnt! Auch die Art seiner Beschäftigung fand ich etwas bedenklich: Seeräuberei - selbst wenn sie sich hauptsächlich gegen Türken wendet - ist doch nicht nett. Da geschieht es ihm recht, dass er selbst anderen Piraten zum Opfer fällt. (Hört ihr mein schadenfrohes Kichern?)
    Gut dann die Beschreibung als Schiffbrüchiger. Seine Qualen auf dem Meer wurden mit einigen realistischen Details geschmückt, die bisher in den Geschichten fehlten. Vorher wünscht er sich den Tod herbei, aber dann klammert er sich in Todesangst an die Planke, später die Kiste, ohne etwas zu essen, "aber bei häufigerem Trunk, als er gewünscht hätte" (eine schöne Formulierung).
    Ein wenig sauer war ich, als er sich einfach so mitsamt seinen Edelsteinen von seiner Retterin fort macht, aber immerhin schickt er ihr später eine ordentliche Summe. Und er scheint tatsächlich etwas gelernt zu haben:
    "Den Rest aber behielt er für sich und lebte damit ehrenvoll bis an sein Ende, ohne sich weiter auf Handelsunternehmungen einzulassen."
    Da tat er gut dran!


    Fünfte Geschichte:
    Andreuccio ist ein junger Mann mit mehr Geld als Verstand. Müsste doch eigentlich jeder wissen, dass man seine wohlgefüllten Geldbeutel nicht so öffentlich zur Schau stellt! (Was mich mal wieder daran erinnerte, dass sich gewisse Dinge über die Jahrhunderte immer gleich bleiben.)
    In dieser Geschichte hat mich die Beschreibung des "Klos" am meisten beeindruckt. Das Gässchen, über dem es sich befindet, möchte ich nicht freiwillig betreten! Gerade solche Kleinigkeiten, die uns einen Eindruck von den damaligen Lebensbedingungen verschaffen, gefallen mir immer sehr gut.
    Aber dass er dann in einen Brunnen (Trinkwasser!) klettert, um sich zu waschen :grmpf: !
    Bei der Vorstellung, wie er dann später im Sarkophag des Bischofs eingesperrt ist, wurde mir ganz anders :angst: , ich musste dann aber gleich wieder kichern, als die zweite Leichenräubergruppe von einem Pfaffen angeführt wird. Selbst die Geistlichkeit bestiehlt Leichen! Das sollte mich nach doch mittlerweile einigen Schilderungen des "ach so christlichen" Lebenswandels der Geistlichen bei Boccaccio eigentlich nicht mehr wundern, aber irgendwie setzt Boccaccio immer wieder noch eins drauf. Schön!

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Fehlt dir eine "Anstandsdame", die die Königstochter begleitet? Die hätte ja nicht in das Gefolge eines "Abtes" gepasst; Außenstehende hätten Verdacht schöpfen können, dass mit dem nicht alles stimmt. (Wenn man allerdings die sexuellen Gepflogenheiten von Boccaccios Kirchenleuten in Betracht zieht, hätte eine weibliche Begleitung gut gepasst. :rollen: )


    Nicht so sehr eine Anstandsdame, die wäre ja doch recht aufgefallen, vielmehr so etwas wie ein Aufpasser in Form eines väterlichen Freundes.



    Kannst du die genaue Stelle angeben? Bei mir findet sich das Wort nicht. Laut [url=http://de.wikipedia.org/wiki/Urlaub]Wikipedia


    Bei meiner Ausgabe ist es Seite 115 - somit die dritte Seite der dritten Geschichte. Die Stelle, als die drei Brüder nach England aufbrechen.
    Und so taten sie denn auch wirklich; sie verließen, ohne von jemand Urlaub zu nehmen, Florenz in aller Stille und ruhten nicht eher, als bis sie in England waren.


  • Nicht so sehr eine Anstandsdame, die wäre ja doch recht aufgefallen, vielmehr so etwas wie ein Aufpasser in Form eines väterlichen Freundes.


    "Aufpasser", Beschützer hat sie ja: "Hinter dem Abt folgten zwei Edelleute aus altem, dem König verwandten Geschlecht", eben jene Adlige, die am Ende der Geschichte so sauer darüber sind, dass ihr Schützling sich mit einem einfachen Geldverleiher vermählt hat.
    Apropos Geldverleiher - ich dachte, es wäre Christen verboten gewesen, diesen Beruf auszuüben. Wurde das nicht so streng gesehen, oder kam das Verbot erst später?



    Die Stelle, als die drei Brüder nach England aufbrechen.
    Und so taten sie denn auch wirklich; sie verließen, ohne von jemand Urlaub zu nehmen, Florenz in aller Stille und ruhten nicht eher, als bis sie in England waren.


    Aha. Bei mir steht da, sie verließen Florenz "utan ceremonier", also ohne Zeremonien, und in dem Online-Text bei [url=http://www.zeno.org/Literatur/M/Boccaccio,+Giovanni/Novellensammlung/Das+Dekameron]Zeno.org[/url], nach dem ich auf Deutsch zitiere heißt es: "Sie verließen, ohne von jemand Abschied zu nehmen, Florenz in aller Stille".
    Auf Italienisch heißt es: "E, senza commiato chiedere o fare alcuna pompa, di Firenze usciti", aber wegen mangelnder Italienischkenntnisse kann ich nicht beurteilen, ob sich in dem Satz irgendwo ein "Urlaub" versteckt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Filomena ist die Königin des Tages und sie wünscht sich Erzählungen mit einem Happy End, mit einem unerwartet glücklichen Ende nach Unglücksfällen.


    Auch in der ersten Geschichte des zweiten Tages macht Boccaccio sich über den Heiligenkult lustig. Neifile erzählt, wie beim Tod Arrigos, eines armen Arbeiters, die Glocken der Kathedrale von selbst erklingen. Bei Bedarf findet sich schon ein Zeichen…, wie die Bevölkerung zeigt.


    Filostrato erzählt die zweite Geschichte, in der Rinaldo von Asti von einer Witwe über Gebühr umsorgt wird. Erst nimmt sie ein Bad, dann steigt er in das noch warme Wasser. Danach wärmen sie sich gemeinsam am Feuer und schließlich aneinander. Aber dem göttlichen Wollen soll man nichts entgegensetzen. Gott und der heilige Julianus haben ihm in seiner größten Not beigestanden, wie die Mädchen nach der Erzählung feststellen.


    Pampinea erzählt die dritte Geschichte, die zwar mit einer Heirat endet, aber den Charakter eines Handels hat. Der Abt ist die Tochter des Königs! Als dies aber noch nicht bekannt ist, ruft er Alessandro zu sich ins Bett und liebkost seine Brust. Mit Blick auf ihr Vermögen stimmt er einem überstürzten Heiratsantrag der holden Jungfer zu.


    Lauretta erzählt in Geschichte vier von einem Händler, der zum Piraten und dann vom Schicksal gerettet wird. Sie besingt fleißig die männliche Dominanz. Einmal mehr die Geschichte einer Frau, die einen Mann aus einer kritischen Situation rettet.


    Fiammetta erzählt in Geschichte fünf von Andreuccio, der wiederholt hereingelegt wird bzw. werden soll, so von seiner angeblichen Schwester. Tja, wenn der Vater dermaßen sexuell umherschweift, dass der Sohn später zu seinem großen Nachteil die tatsächlichen Folgen nicht von vorgeblichen unterscheiden kann, dann hilft nur noch die katholische Institution der Ehe, am besten in Verbindung mit einem lückenlosen bürokratischen Aktivitätsnachweis. Oder dann schadet sich das Patriarchat selbst, wobei jedoch Nutznießer und Geschädigter durchaus verschiedene Personen sein können (Vater - Sohn).
    Außerdem wird aus dieser Geschichte ersichtlich, wie es zu Seuchen kommen kann - groteske und gleichzeitig alltägliche Beispiele für zeitgemäße Hygiene. Saltanah hat hierauf schon hingewiesen.


    Emilia erzählt in Geschichte sechs von Madonna Beritola, die ihre Familie durch eine Reihung unschöner Ereignisse verliert und sie am Ende - einmal mehr - durch das Schicksal zurückerhält. Im Umfeld der anderen Geschichten dieses Tages eine eher uninteressante, wie ich finde.


    Panfilo erzählt in Geschichte sieben von Alatiel, dem schönsten Mädchen auf Erden, das auf dem Weg zu ihrem Verlobten für vier Jahre vom Radar des Sultans von Babylon, ihres Vaters, verschwindet, in einen Sturm gerät, an die Küste von Majorca verschlagen wird, von einem Adligen gefunden und ob ihrer entschlossenen Keuschheit betrunken gemacht wird und ihrer Jungfräulichkeit verlustig geht. Es folgen noch einige Männer mehr. Antigonus bestätigt nach ihrer Rückkehr zum Vater ihre Geschichte, die wichtige Details auslässt, und führt zudem die Edelleute, die Alatiel auf ihrer Odyssee begegnet sind, als weitere Zeugen ihrer Keuschheit an. Was ist der Gehalt dieser Geschichte, die es so oder ähnlich vielfach in der Antike gegeben hat? Dass es immer mehr gibt, als das Auge des Betrachters wahrnimmt? Am Ende wird sie ihrem Verlobten als Jungfrau zugeführt.


    Elissa erzählt in der achten Geschichte über den Grafen von Antwerpen, der fälschlich beschuldigt wird und nach langer Zeit im Exil seinen Ruf wiederherstellen kann. Am Ende geht es ihm besser als zuvor.


    Filomena erzählt die neunte Geschichte, in der zwei Vertreter der Gruppe „edelste unter den sterblichen Wesen“, Bernabo und Ambrogiuolo, aneinandergeraten, nachdem Bernabo geprahlt hat, seine Frau Ginevra sei die tugendhafteste unter der Sonne. Ambrogiuolo legt Bernabo daraufhin herein, der sein Geld verliert und den Tod seiner Frau anordnet. Die kann jedoch fliehen, verkleidet als Mann, und tritt unter dem Namen Sicurano in den Dienst eines Sultans. Sie deckt die Intrige Ambrogiuolos auf und lockt ihn nach Alexandrien, wo er seine vielleicht gerechte, jedenfalls aber sehr ekelhafte Strafe bekommt. Ginevra vereint sich wieder mit Bernabo, und beide gehen zurück nach Genua, reich ausgestattet. Eine literarische Aufbereitung des Sprichwortes: „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“


    Dioneo ist Erzähler der zehnten Geschichte. Seeräuber Paganino von Monaco raubt Bartolomea, die Frau des Richters Ricciardo von Chinzica. Der sucht Paganino auf und fordert sie zurück. Paganino stimmt zu, aber nur unter der Bedingung, dass sie freiwillig zu ihrem Mann zurückkehrt. Sie lehnt ab und heiratet nach Ricciardos Tod Paganino. Obwohl, wie Dioneo sagt, Männer wissen, wonach es ihren Frauen verlangt, verdrängen sie dies und halten sie für tugendhaft, während sie selbst in der Welt umherreisen und sich mit anderen Frauen vergnügen. Nicht so der sexuell überforderte Richter, der nach mit Mühen vollzogener Hochzeitsnacht einen Heiligenkalender bemüht, um viele entsagungsfreie Tage zu rechtfertigen. Die knackigen Naturburschen, die im 19. und 20. Jahrhundert bemüht wurden, waren wohl in weiter zurückliegenden Zeiten oft Seeräuber.
    Dioneo, auf dessen humorvollen Charakter Doris schon im Thread zum ersten Tag hingewiesen hat, erweist sich auch hier wieder als sehr komisch. Auffällig wird nach zwei Tagen, dass Dioneo der Erzähler ist, der gerne Komik und Sex verbindet. Er folgt dem Lustprinzip und setzt einen ehrwürdigen Richter gegen einen Piraten. Hat das etwas von Anarchismus an sich?


    Wie die Vorrede zum zweiten Tag schon andeutet, steht in den Geschichten verstärkt das Schicksal im Zentrum. Dadurch wirken der Aufstieg und der Fall von Figuren eher zufällig, als zurückführbar auf gezieltes Handeln. Die Geschichten des zweiten Tages gefallen mir nicht zuletzt deshalb, weil sie in der knappen Form sehr gut erzählt und teils recht spöttisch und frivol sind.


    Neifile wird Königin des nächsten Tages und fände „es denn recht und schicklich, wenn wir uns lieber mit Gedanken an Gott und mit Gebet als mit lustigen Geschichten beschäftigten“ und „wir von denen sprechen wollen, die durch Scharfsinn etwas Heißersehntes erlangten oder Verlorenes wiedergewannen.“

  • Leider war ich die letzten zwei Tage krankheitsbedingt aus dem Verkehr gezogen und konnte mich deshalb nicht melden. Soll nicht wieder vorkommen :zwinker:.


    Martellino in der 1. Geschichte hat wirklich mehr Glück als Verstand. Durch die Gruppendynamik hätte sein Scherz recht bald aus dem Ruder laufen können. Mein Buch ist mit Holzschnitten der Venediger Ausgabe von 1492 illustriert, und hier sieht man, dass der vermeintliche Krüppel schon ziemlich weit oben am Baum hängt und seinen Kopf buchstäblich erst in letzter Minute aus der Schlinge ziehen kann.


    Die 5. Geschichte gefiel mir sehr gut. Andreuccio scheint das Glück wirklich nicht gepachtet zu haben, dazu kommt, dass er ziemlich blauäugig ist, was ihn aber eher sympathisch macht. Dass er zum Schluss mit dem Ring für sein Pech entschädigt wurde, habe ich mit Genugtuung gelesen. An der Stelle, als ihn die Leichenräuber in dem öffentlichen Trinkwasserbrunnen waschen wollten, hat es mich geschüttelt, aber wenn man es genauer betrachtet, wird hier nur dargestellt, wie es damals eben gehandhabt wurde. An einer Stelle pinkeln die Leute in den Fluss und ein Stückchen weiter unten holen die anderen ihr Trinkwasser heraus.


    Die 6. Geschichte klingt von vorn bis hinten unglaubwürdig. Eine Frau verliert ihre Kinder an Freibeuter und säugt stattdessen Rehkitze. Das soll wohl ihr ausgeprägtes Muttergefühl und großes Leid zum Ausdruck bringen. Ihre Söhne werden zu Sklaven. Der eine flieht, kehrt nach einigen Jahren zurück und tritt in den Dienst des Mannes, der seine Mutter beherbergt, verliebt sich in die Tochter seines Dienstherren und heiratet sie. Irgendwie finden sich Mutter und Sohn wieder. Der zweite Sohn darf als Entschädigung für die Sklaverei die 11-jährige Tochter seines Sklavenherren heiraten. Zu guter Letzt taucht auch auch der Vater der Familie unerwartet und wohlhabend wieder auf. Das hört sich fast wie eine Seifenoper im Fernsehen an und gefiel mir entsprechend wenig. Es waren einige Zufälle zu viel.


    Was ist der Gehalt dieser Geschichte, die es so oder ähnlich vielfach in der Antike gegeben hat? Dass es immer mehr gibt, als das Auge des Betrachters wahrnimmt? Am Ende wird sie ihrem Verlobten als Jungfrau zugeführt.


    Der Gehalt dieser 7. Geschichte ist, dass eine Frau, die zahllose Männer hatte, trotzdem jedem Mann noch weismachen kann, er sei der Erste. Und dass eine Frau nicht immer ihre Schönheit herauskehren sollte, wenn sie der Aufmerksamkeit entgehen möchte. Wenn sich Alatiel ein wenig häßlich gemacht hätte, wäre sie diesen Problemen entgangen. Entweder war sie nicht sehr helle, oder sie hatte insgeheim ihren Spaß mit den Männern.


    In der 10. Geschichte lesen wir von der jungen Frau Ricciardos, die lieber bei ihrem Entführer bleibt, weil er sie sexuell befriedigen kann. Das dürfte ein Vorläufer des Stockholm-Syndroms sein. Sehr amüsant, wie sich Ricciardo alle möglichen Feiertage einfallen lässt, weil man dann enthaltsam leben muss.



    Mir fällt auf, dass die jungen Leute ihre Geschichten erzählen und belachen, aber kaum einmal ausführlich besprechen. Es scheint ihnen also entweder wirklich nur zum Zweck des Zeitvertreibs zu dienen oder solche Ereignisse waren damals präsenter, so dass man weiter kein Wort darüber verlieren musste.

  • Die sechste bis achte Geschichte fand ich ehrlich gesagt ziemlich langweilig und bei weitem zu lang.


    In der Sechsten Geschichte schockierte mich erst die sechzehnjährige Witwe, was dann aber von der elfjährigen Braut locker getoppt wurde.


    Die siebte Geschichte nervte durch die vielen Wiederholungen. Ein Mann sieht Alatiel, begehrt sie und bringt ihren gerade aktuellen Mann um, nur um bald dem nächsten Bewerber zum Opfer zu fallen. Nur der Name des Heiligen, in dessen Kloster sie angeblich die Jahre verbrachte, ließ mich grinsen. Der kommt aber in der deutschen [url=http://www.zeno.org/Literatur/M/Boccaccio,+Giovanni/Novellensammlung/Das+Dekameron]Online-Version[/url] nicht richtig zur Geltung: "während ich mit den Klosterfrauen den heiligen Crescentius im tiefen Tale, den die Weiber dortzulande sehr lieb haben, verehrte." Bei mir heißt der Heilige "Styv-i-dalen", also "Steif-im-Tal", ein leichter zu verstehender Hinweis darauf, womit sie die vergangene Zeit verbracht hat. Wie heißt der in euren Übersetzungen?


    Achte Geschichte:
    Auch diese Geschichte konnte mich nicht sonderlich faszinieren.


    Neunte Geschichte:
    Schöne Logik, die deutliche Spuren von Männerphantasien trägt: Frauen sind unbeständig und können daher einem Bewerber nicht widerstehen. Klar doch, das ist genau das, wovon jeder Mann (zumindest die in der Geschichte) träumt: Ich kriege jede Frau! Dass Bernabos Frau das Gegenteil beweist, lässt leider auch die Zuhörerschaft nicht gelten, die dies zu Beginn der nächsten Geschichte der Richtigkeit von Ambrogiuolos Behauptung zustimmt.
    Das Ende dieser Geschichte fiel mit seiner brutalen Beschreibung etwas aus der Reihe: Solche qualvollen Schilderungen hatten wir bisher noch nicht.


    Zehnte Geschichte:
    Die Schimpftiraden, die Bartolomea loslässt, waren wunderbar! Hier kommt Leben in die Geschichte, etwas, das ich bisher doch etwas vermisst habe.


    Die knackigen Naturburschen, die im 19. und 20. Jahrhundert bemüht wurden, waren wohl in weiter zurückliegenden Zeiten oft Seeräuber.


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    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Die siebte Geschichte nervte durch die vielen Wiederholungen. Ein Mann sieht Alatiel, begehrt sie und bringt ihren gerade aktuellen Mann um, nur um bald dem nächsten Bewerber zum Opfer zu fallen. Nur der Name des Heiligen, in dessen Kloster sie angeblich die Jahre verbrachte, ließ mich grinsen. Der kommt aber in der deutschen [url=http://www.zeno.org/Literatur/M/Boccaccio,+Giovanni/Novellensammlung/Das+Dekameron]Online-Version[/url] nicht richtig zur Geltung: "während ich mit den Klosterfrauen den heiligen Crescentius im tiefen Tale, den die Weiber dortzulande sehr lieb haben, verehrte." Bei mir heißt der Heilige "Styv-i-dalen", also "Steif-im-Tal", ein leichter zu verstehender Hinweis darauf, womit sie die vergangene Zeit verbracht hat. Wie heißt der in euren Übersetzungen?


    Kann mir jemand sagen, warum der heilige Crescentius, ein Schüler des Apostels Paulus, in die Übersetzung geraten ist, auch wenn sein Name, u.a., der Wachsende bedeutet? Vielleicht ein Hinweis auf die römischen Aristokraten dieses Namens, die im zehnten Jahrhundert gegen Rom opponierten?



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    Ach ja, der gute alte Fabio Lanzoni, das romantische Covermodel schlechthin. :herz: Ich bin schon gespannt auf deine Rezension des Buches. Für den speziellen Teil über Fabio kannst du seine Website besuchen:


    http://www.fabioinc.com/Fabio_bio.html


    Mal sehen, wie du ihn (den Titel und/oder Fabio) bewertest. Vielleicht setze ich ihn (den Titel) ja auf meine Anschaffungsliste. :zunge:


  • Mal sehen, wie du ihn (den Titel und/oder Fabio) bewertest.


    :angst: Nein danke! Aber natürlich hat Fabio mit seinem Piratenherz hier im Forum einen eigenen Thread. Da kannst du dich ja über das Buch informieren :breitgrins: .



    Kann mir jemand sagen, warum der heilige Crescentius, ein Schüler des Apostels Paulus, in die Übersetzung geraten ist, auch wenn sein Name, u.a., der Wachsende bedeutet?


    Auf Italienisch steht da

    Zitat

    san Cresci in Val Cava

    . Eine gleichnamige Pfarrei (?) gibt es übrigens wirklich!
    Ich denke mal, San Cresci/der Heilige Crescentius hat seinen Namen wirklich wegen der "wachsenden" Bedeutung bekommen.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • :angst: Nein danke! Aber natürlich hat Fabio mit seinem Piratenherz hier im Forum einen eigenen Thread. Da kannst du dich ja über das Buch informieren :breitgrins: .


    Au, drei Seiten über das Buch. Danke für den Hinweis. Da werde ich sicher genug erfahren, sodass ich es mir nicht auch noch kaufen muss. Sonst werde ich noch Fan. :bang:




    Kann mir jemand sagen, warum der heilige Crescentius, ein Schüler des Apostels Paulus, in die Übersetzung geraten ist, auch wenn sein Name, u.a., der Wachsende bedeutet?


    Auf Italienisch steht da

    Zitat

    san Cresci in Val Cava

    . Eine gleichnamige Pfarrei (?) gibt es übrigens wirklich!
    Ich denke mal, San Cresci/der Heilige Crescentius hat seinen Namen wirklich wegen der "wachsenden" Bedeutung bekommen.
    [/quote]


    :daumen: Auch hier Danke für den Hinweis.



    Es gab ein paar Fragen zum Urlaub:
    Die Übersetzungen von "senza commiato" sind alle drei korrekt. (1) ohne Urlaub, also ohne Freistellung von einer Dienstverpflichtung, (2) ohne Abschied, (3) ohne formelle Verabschiedung, oder, wie in der schwedischen Fassung - Zeremonie.

  • Die vierte Geschichte handelt von einem, der, wie so oft, nicht genug bekommen kann und trotz einiger Rückschläge wieder zu Besitz kommt. Mehr Glück als Verstand. Was mir daran gefiel, war, dass er sich am Ende seinen Helfern wenigstens erkenntlich zeigte.



    Andreuccio, der Naive der fünften, muss schon einiges aushalten. Interessant, dass in den Geschichten oft Männer diejenigen sind, die sich so an der Nase herumführen lassen.
    Nein, was muss es die Damen gegruselt haben, als die Stelle erzählt wurde, wie der junge Mann im Sarg gefangen war. :zwinker:



    Geschichte Nummer sechs, wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht! Es war damals wohl so, aber dieses übertrieben Standesdenken ging mir hier echt auf den Nerv. Gib dem Kerl einen Titel und alles ist eitel Sonnenschein. :rollen:



    Nummer sieben... war ja kaum auszuhalten. Alatiel, das sagenhaft schöne Betthäschen. Dieses ständige er sah, verfiel ihrer Schönheit, brachte den Rivalen um, vergnügte sich und wurde selber umgebracht, war sehr dick aufgetragen. Allerdings war da eine Stelle, die ich gleich zweimal gelesen habe und mich vor Lachen nicht halten konnte.
    Die Dame beklagte sich anfangs bitterlich, sowohl über ihr erstes Unglück, als über dieses zweite; Marato aber wußte sie mit dem heiligen Wachsinhandius, den uns Gott geschenkt hat, solchergestalt zu trösten, daß sie zahm gegen ihn wurde und Pericone vergaß.
    :totlach: Klar, dass die Geschichte von einem Mann erzählt wurde.



    Die achte war nun wirklich was für die Herzen der Damen. Ich kann mir die vielen "Ach"s und "Oh"s richtig vorstellen. Fasziniert war ich darüber, dass man so früher Liebeskummer diagnostizierte. :zwinker:
    Was mir bei dieser Geschichte auffiel, war das viele Geheule, besonders der Männer. Ob man früher echt so viel Tränen vergoss?



    Der Mann aus der neuenten Geschichte ist ein Depp. Und seine Frau kann ich gar nicht verstehen. Der hätte mir gestohlen bleiben können an ihrer Stelle. Übrigens hat sich die Gute nicht einmal nach ihrem Kind erkundigt.



    Die zehnte fand ich super! Bravo Bartolomea. :breitgrins: Dieser Dioneus gefällt mir. Seine Geschichten haben genau die richtige Mischung.




    Die siebte Geschichte nervte durch die vielen Wiederholungen. Ein Mann sieht Alatiel, begehrt sie und bringt ihren gerade aktuellen Mann um, nur um bald dem nächsten Bewerber zum Opfer zu fallen. Nur der Name des Heiligen, in dessen Kloster sie angeblich die Jahre verbrachte, ließ mich grinsen. Der kommt aber in der deutschen [url=http://www.zeno.org/Literatur/M/Boccaccio,+Giovanni/Novellensammlung/Das+Dekameron]Online-Version[/url] nicht richtig zur Geltung: "während ich mit den Klosterfrauen den heiligen Crescentius im tiefen Tale, den die Weiber dortzulande sehr lieb haben, verehrte." Bei mir heißt der Heilige "Styv-i-dalen", also "Steif-im-Tal", ein leichter zu verstehender Hinweis darauf, womit sie die vergangene Zeit verbracht hat. Wie heißt der in euren Übersetzungen?


    Bei mir steht es genau wie in deinem Zitat. Die andere Version gefällt mir aber besser. :breitgrins:


    Manche der Geschichten des zweiten Tages hätte eine Kürzung ganz gut getan, finde ich. Aber sicher war es damals sehr beliebt so ausschweifend zu erzählen.

  • Die erste Geschichte gefiel mir weniger. Zwar war es witzig zu lesen, wie schnell jemand zum Heiligen befördert wurde, doch als der Plan der drei Freunde, den sie ausgeheckt haben, um den angeblichen Heiligen zu sehen, aus dem Ruder lief, war mir schon etwas unwohl. Gerade die eigene Gruppendynamik hätte Martellino beinahe das Leben gekostet. Da war es im Vorfeld gut zu wissen, dass die Geschichte laut Tagesmotto glimpflich ausgehen musste.
    Was mich jedoch etwas geekelt hat, war die Vorstellung, sich auf einen Toten draufzulegen, nur um angebliche heilende Kräfte aufzusaugen. :entsetzt:


    Die zweite Geschichte fand ich köstlich. Die Räuber, die den armen Reisenden ausplündern wollen, machen sich im Vorfeld über seine Gewohnheit des morgendlichen Gebets lustig und sagen selbst, dass sie ohne Gebet besser dran wären. Wie sehr musste ich grinsen, als der Reisende nach dem Überfall die Nacht mit einer Frau im Warmen verbracht hat, während die Räuber gefangen genommen wurden. Da hat sich in der "Moral" der Geschichte gezeigt, welcher morgendlicher Ritus wirksamer war. :bang:


    Bei der dritten Geschichte hat mich gewundert, wie forsch und fordernd der angebliche Akt sich im Wirtshaus an Alessandro herangemacht hat. Von der vornehmen Zurückhaltung einer Königstochter war da nichts zu merken. :tststs: Dass die beiden Edelmänner, die die Königstochter begleitet haben, auf Alessandro wütend waren, ist verständlich, schließlich haben sie ihre Aufgabe verpatzt. Gut, dass der Papst die ganze Situation richtig eingeschätzt und seinen Segen zur Heirat gegeben hat.


    Gar nicht mein Fall war die vierte Geschichte.


    Noch ein Mann, der nicht genug bekommen kann! Ist schon unendlich reich, will aber unbedingt noch mehr haben. Ich habe ihm ehrlich gesagt seine Verluste gegönnt! Auch die Art seiner Beschäftigung fand ich etwas bedenklich: Seeräuberei - selbst wenn sie sich hauptsächlich gegen Türken wendet - ist doch nicht nett.


    So ging es mir auch. Mitleid konnte ich nicht wirklich mit dem Landolfo haben. Immerhin hat er sich aber am Ende eines besseren besonnen, sich bei seinen Rettern erkenntlich gezeigt und sein restliches Leben auf zweifelhafte Geschäfte verzichtet.


    Die fünfte Geschichte war stellenweise wieder ziemlich eklig. Erst die Szene, in der Andreuccio in die "Latrinen" fällt, dann als er sich im Trinkwasserbrunnen badet und schließlich als er dem toten Erzbischof in seinem Sarkophag Gesellschaft leistet. :angst:
    Trotz oder gerade weil er sich so unbedarft anstellt hatte ich Mitleid mit dem jungen Mann und habe es ihm auch gegönnt, dass er um den Rubin reicher aus der ganzen Sache wieder herauskam.



    Die 6. Geschichte klingt von vorn bis hinten unglaubwürdig. Eine Frau verliert ihre Kinder an Freibeuter und säugt stattdessen Rehkitze. Das soll wohl ihr ausgeprägtes Muttergefühl und großes Leid zum Ausdruck bringen. Ihre Söhne werden zu Sklaven. Der eine flieht, kehrt nach einigen Jahren zurück und tritt in den Dienst des Mannes, der seine Mutter beherbergt, verliebt sich in die Tochter seines Dienstherren und heiratet sie. Irgendwie finden sich Mutter und Sohn wieder. Der zweite Sohn darf als Entschädigung für die Sklaverei die 11-jährige Tochter seines Sklavenherren heiraten. Zu guter Letzt taucht auch auch der Vater der Familie unerwartet und wohlhabend wieder auf. Das hört sich fast wie eine Seifenoper im Fernsehen an und gefiel mir entsprechend wenig. Es waren einige Zufälle zu viel.


    Besser kann ich das auch nicht ausdrücken.


    Und für Nummer 7 hat Yanni die passende Formulierung geliefert:


    Nummer sieben... war ja kaum auszuhalten. Alatiel, das sagenhaft schöne Betthäschen.


    :totlach:
    Eure Kommentare zu dieser Geschichte sind viel amüsanter als die eigentliche Geschichte, die ich viel zu lang und abwechslungslos fand. Das Ende war dann die Krönung: Alatiel hat "zehntausend Mal" mit den Männern geschlafen, aber ihr Gatte nimmt ihr die Jungfrau ab? Nee, oder? :vogelzeigen:


    LG Myriel


  • Das Ende war dann die Krönung: Alatiel hat "zehntausend Mal" mit den Männern geschlafen, aber ihr Gatte nimmt ihr die Jungfrau ab? Nee, oder? :vogelzeigen:


    Der Gute war doch genauso geblendet von ihrer Schönheit, rasend vor Liebe zu ihr hat er doch gar nicht gemerkt, dass das Jungfernhäutchen frisch geflickt war. :breitgrins:


  • Alatiel hat "zehntausend Mal" mit den Männern geschlafen


    Laut Überschrift der Geschichte war sie 4 Jahre lang unterwegs. Habt ihr übrigens mal ausgerechnet, was für einen Tagesdurchschnitt das ergibt?


    365 x 4 = 1424. 10.000 / 1424 = :entsetzt:
    (Und wenn man dann noch bedenkt, dass da auch einige (wenn auch nicht sehr viele) enthaltsame Tage dabei waren... :breitgrins: )

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Laut Überschrift der Geschichte war sie 4 Jahre lang unterwegs. Habt ihr übrigens mal ausgerechnet, was für einen Tagesdurchschnitt das ergibt?


    365 x 4 = 1424. 10.000 / 1424 = :entsetzt:
    (Und wenn man dann noch bedenkt, dass da auch einige (wenn auch nicht sehr viele) enthaltsame Tage dabei waren... :breitgrins: )



    Immerhin, das ergibt grob 7, die Zahl der Vereinigung von Geist (3) und Weltlichem (4), die Zahl der Todsünden und Sakramente im Katholizismus. Dann gibt es noch die sieben Werke der Barmherzigkeit. Passt doch... :redface:


  • Immerhin, das ergibt grob 7, die Zahl der Vereinigung von Geist (3) und Weltlichem (4), die Zahl der Todsünden und Sakramente im Katholizismus. Dann gibt es noch die sieben Werke der Barmherzigkeit. Passt doch... :redface:


    Wieso fällt mir da gerade die Geschichte von Ricciardo von Chinizica und der feiertaggeplagten Bartolomea? :breitgrins:


    Übrigens fällt mir immer wieder auf, dass die Damen wie auch die Herren die sich bietende Gelegenheit sich ihrer Gelüste hingeben zu können als von Gott gesandt betrachten.

  • Was die Geschichte mit Alatiel angeht, musste ich bei folgender Bemerkung des "übergeordneten Erzählers" nochmals nachträglich grinsen:

    Zitat

    Die Damen hatten häufig geseufzt, als sie die mannigfachen Schicksale vernahmen, welche die schöne Alatiel betroffen. Wer weiß aber, was die Ursache jener Seufzer war? Vielleicht war die eine oder andere unter ihnen, die aus Verlangen nach ebenso zahlreichen Hochzeiten nicht minder als aus Mitleid seufzte. (Beginn der achten Geschichte)


    Das war übrigens wieder so eine Erzählung, bei der der Erzähler ein Mann sein musste, damit sie nicht als unschicklich angesehen würde.


    Die folgende achte Geschichte passte meiner Meinung am besten zum vorgegebenen Thema des Tages, auch wenn ich nicht genau begründen kann warum. Mit dem armen Grafen musste ich einfach Mitleid haben und dass er erst seine beiden Kinder gut unterbringen konnte und dann später sogar selbst seine Stellung wieder erlangt hat, war wirklich herzerwärmend. :herz:


    Bei der neunten Geschichte steht diesmal eine tatkräftige Frau im Mittelpunkt, die es schafft, dass ihr angetane Unglück aus eigenen Kräften zu sühnen. :klatschen: Allerdings geht das nur, weil sie sich selbst als Mann verkleidet. :rollen:
    Das Sprichwort, welches die Königin angeführt hat (Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.) finde ich hier etwas unpassend. So wie ich das Sprichwort bisher immer ausgelegt habe, meint es eher, dass die Pläne des Grubengräbers von Anfang an scheitern, allerdings hat der Gräber Ambrogiuolos hier zumindest einige Jahre lang Erfolg mit seinen Plänen ... bis er dann in Honig gehüllt in der Sonne die Aufmerksamkeit von Insekten entgegennehmen durfte. :autsch:


    Von der Abschlusserzählung des Dioneo hätte ich mir irgendwie mehr erhofft. Zwar musste ich bei der Rede, die Paganinos Frau dem guten Mann gehalten hat tierisch in mich hineingrinsen, aber der sang- und klanglose Abzug des Richters war irgendwie ziemlich erbärmlich und hat für mich die lustige Atmosphäre zunichte gemacht. Klar hat er die Abfuhr verdient, aber wahrscheinlich bin ich da zu weichherzig um sein Ende gut zu finden. nixweiss.gif


    Die Königin der nächsten Tage (Freitag und Samstag gibt es keine Geschichten, erst Sonntag wieder) ist Neifile - schon wieder eine Frau. Mal sehen, wann der erste König an die Reihe kommt. Das Motto für Sonntag ähnelt dem des zweiten Tages ein wenig, denn es soll durch Klugheit etwas (wieder)erlangt werden, so wie die Personen in den Geschichten dieses Tages ihr "Glück" nach einigem Unglück wiedererlangt haben. Vermutlich wird es aber am dritten Tag nicht ganz so tief in Kiste mit den traurigen Lebensgeschichten gegriffen werden wie bei der armen Alatiel. :breitgrins:


    LG Myriel


  • Was die Geschichte mit Alatiel angeht, musste ich bei folgender Bemerkung des "übergeordneten Erzählers" nochmals nachträglich grinsen:


    Das war übrigens wieder so eine Erzählung, bei der der Erzähler ein Mann sein musste, damit sie nicht als unschicklich angesehen würde.


    Bei der neunten Geschichte steht diesmal eine tatkräftige Frau im Mittelpunkt, die es schafft, dass ihr angetane Unglück aus eigenen Kräften zu sühnen. :klatschen: Allerdings geht das nur, weil sie sich selbst als Mann verkleidet. :rollen:


    Ja, das sind auch wieder zwei gute Beispiele für die Überlegungen, die wir zu Beginn angestellt haben. Es scheint sich doch durch das gesamte Buch zu ziehen. Außerdem fällt hier auf, dass die Problematik der Auswahl einer männlichen oder weiblichen Erzählperspektive sich in mehreren Geschichten spiegelt. Und auf beiden Ebenen ist die Begründung ähnlich.



    Das Sprichwort, welches die Königin angeführt hat (Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.) finde ich hier etwas unpassend. So wie ich das Sprichwort bisher immer ausgelegt habe, meint es eher, dass die Pläne des Grubengräbers von Anfang an scheitern, allerdings hat der Gräber Ambrogiuolos hier zumindest einige Jahre lang Erfolg mit seinen Plänen ... bis er dann in Honig gehüllt in der Sonne die Aufmerksamkeit von Insekten entgegennehmen durfte. :autsch:


    Ist das wirklich so? Vielleicht "musste" der Grubengräber sein Vorhaben länger verwirklichen, damit seine Strafe umso heftiger sein konnte, ohne bei den Lesern auf Widerstand zu stoßen.


    Liebe Grüße,
    mohan