Margaret Atwood - Der Report der Magd

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  • Mein Gott, da fühle ich mich ja bald wie eine Mittäterin :sauer:


    Oh, das geht mir auch so. Ich komme mir vor wie eine dieser japanischen Touristen.... :sauer: Einerseits würde ich am liebsten nicht weiterlesen, aber andererseits kann ich nur weiterlesen und hoffen, dass alles ein gutes Ende nimmt.


    Aber das schlimmste (wie ich finde) kommt in Kapitel 21. Ich habe das soeben gelesen und ich bin so schockiert, so etwas ekelhaftes und grausames habe ich noch nie nie nie gelesen.


    Mir ist gerade richtig schlecht und kann gar nicht weiterlesen weil ich mich so aufregen muss. :grmpf:


    bane

  • Ich habe jetzt auch ein bisschen was in meiner Mittagspause gelesen - leider noch nicht so viel ich bin bis IV 9 gekommen.


    Ich finde es von Anfang an schon ziemlich beklemmend das Buch, sämtliche Beschreibungen des (wie mir scheint) "Lagers" und eben nicht "ihr" Zimmer. Alles so kahl und kalt um sie auch davon abzuhalten sich das Leben zu nehmen (was nicht verwunderlich wäre nach dieser Beschreibung).
    Diese Einteilung der Frauen in Farben und somit einer bestimmten "Klasse" zugehörig erinnert mich an Dinge an die ich nicht wirklich gerne denke.


    Dann der Neid der einzelnen auf die Dinge die die anderen dürfen.


    Der Stil erscheint mir sehr angebracht - gerade für die Beschreibung dieser Szenen - gefällt mir sehr gut und das Buch will wirklich weitergelesen werden.


    An sich ist in diesem Staat nicht wirklich einer zu beneiden jeder muss wohl etwas entbehren wie es mir scheint, aber ich bin ja noch nicht so weit vorgedrungen.


    Es interessiert mich auch sehr mehr von Desfred zu erfahren - ihrem Leben vorher - wie es scheint war sie ja verheiratet und evtl. noch mehr.


    Freue mich auf heute Abend - da hab ich endlich mal Zeit mich hinzusetzen und gemütlich zu lesen.


    Bis dahin.

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane


  • Stimmt das finde ich auch ziemlich arg.

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Endlich kann ich mich hier auch mal zu Wort melden! Leider waren die letzten Tage sehr anstrengend, deshalb konnte ich erst gestern richtig mit dem Buch anfangen.


    Gelesen habe ich jetzt bis Kapitel 7. Bisher gefällt mir das Buch sehr gut, die klare Sprache passt sehr gut und ich hatte auch keine Schwierigkeiten in das Buch reinzukommen. Sprachlich kommt es mir sehr entgegen, es ist das erste Buch seit mehreren Wochen, das ich auf Englisch lese und bisher gab es keine Verständnisprobleme.


    Das Thema ist natürlich sehr bedrückend, das ganze Leben scheint in Gilead sehr eintönig und "beschränkt" zu verlaufen.


    Stimmt das finde ich auch ziemlich arg.


    Hier muss ich mich anschließen, ich fand das auch sehr krass, dass man so im Nachhinein bestraft wird!


    Sehr schön und gleichzeitig auch sehr traurig finde ich die Erinnerungen von Offred an ihre Vergangenheit, an Luke und das Leben, das in unserer Zeit stattgefunden zu haben scheint.


    Viele eurer Beiträge konnte ich jetzt leider noch nicht lesen, da ich noch nicht so weit bin, werde mich aber hoffentlich bald mehr an der Diskussion beteiligen können.


    LG, Stefanie

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Ich bin inzwischen bis Ende IX gekommen.



    Aber das schlimmste (wie ich finde) kommt in Kapitel 21. Ich habe das soeben gelesen und ich bin so schockiert, so etwas ekelhaftes und grausames habe ich noch nie nie nie gelesen.


    Das kann ich so unterschreiben. :rollen: Vor allem, als

    ist mir ein richtiger Schauer über den Rücken gelaufen. Ich konnte mir die Szene so sehr bildlich vorstellen, diese ganze Absurdität. Ohne Worte.
    Janine tat mir in dieser Situation unendlich leid, auch wenn sie bisher als eine eher unsympathische Frau geschildert wurde. Nach allem, was die Mägde erleiden müssen, ist ihr höchstes Ziel, ihr höchster Gewinn - ein Baby - der Gipfel der seelischen Grausamkeit.


    Der Kommandant erscheint mir ebenfalls immer mysteriöser. Er scheint ein ziemlich unglücklicher Mann zu sein, der die "alte Welt" vermisst. Jedenfalls deutet es sein Wunsch nach einem Scrabble-Spiel mit Desfred an.
    Warum tut er es nicht mit seiner Frau? Anscheinend traut er ihr nicht. Auch der Wunsch nach

    deutet darauf hin, dass er von Serena nicht das bekommt, was er will. Die Magd hingegen, deren Wort sowieso nicht zählen würde, ist dafür geeignet.



    Ich werde nun ersteinmal ein anderes Buch beginnen und morgen weiterlesen. Ich brauche etwas Abstand zu der Geschichte.

    &quot;Eine Welt ohne Magie ist unmöglich. Magie ist das, woran die Menschen glauben, und an irgendetwas werden sie immer glauben.&quot;

    Einmal editiert, zuletzt von Grotesque ()

  • Eine Frage am Anfang: Sind diese vielen Spoiler wirklich nötig? Es schreiben doch alle auf, bis wo sie gekommen sind, so dass die Späteren die jeweiligen Posts (noch) vermeiden können. Ich find's ein bisschen 'unflüssig' zu lesen.


    Ich bin jetzt ebenfalls bei Ende IX. Meine Eindrücke diesmal nur in kurzen Stichworten:


    [li]Sendet Ofglen wirklich ein 'Mayday'? Irgendwie glaube ich: ja. Übrigens das erste Mal, dass ich etwas über den Ursprung des Wortes gehört habe.[/li]
    [li]Ein Satz, der mich eine Weile beschäftigt hat: "Woher hätten wir wissen sollen, dass wir glücklich waren?"[/li]
    [li]Die einschneidende Veränderung scheint erst drei Jahre zuvor stattgefunden zu haben - zu dieser Zeit ist Offred von ihrer fünfjährigen Tochter getrennt worden. Für mich waren der Rettungsversuch und die Trennung von ihr übrigens die schlimmste Stelle bisher - wenn das vielzitierte Kapitel 21 auch (auf andere Art) reichlich pervers ist.[/li]
    [li]Sehr überzeugend fand ich die Darstellung der Beschäftigungslosigkeit als schlimmstem Teil der Gefangenschaft.[/li]
    [li]Moira ist eine interessante Figur. Vielleicht ein wenig klischeehaft rebellisch, da wo die Erzählerin eher 'realistisch' abwartend reagiert.

    hat ja schon etwas Heldenhaftes und hat mir durchaus ein schadenfrohes Grinsen entlockt.[/li]
    [li]Offreds Vorstellungen von Luke enthüllen einiges über ihren Charakter. Sie schmiedet keine eigenen Pläne, sondern wartet ab, dass sie von jemandem, der aktiver und stärker ist als sie, gerettet wird.[/li]
    [li]Ebenso wie Moira scheint Offreds Mutter eine Kämpferin zu sein, kämpferisch, unabhängig, aber nicht ganz glücklich. Gefallen hat mir hier, wie der Generationenkonflikt unter einem ganz bestimmten Aspekt dargestellt wird: wie selbstverständlich Dinge werden, für die die ein wenig Älteren noch kämpfen mussten, und wie lächerlich diese Kämpfe manchmal aus der unbeteiligten Rückschau aussehen.[/li]

  • Hallo liebe Atwood-Mitlesende,


    endlich bin ich auch zum Lesen gekommen, war gar nicht so leicht in den letzten Tagen.


    Ich habe bis VI/14 gelesen.


    Mir gefällt die Sprache, in der das Buch geschrieben ist sehr gut. Sie kommt ohne überflüssige Wörter aus, Gefühlsbeschreibungen kommen nicht vor - so spiegelt die Sprache genau die Umstände und die beklemmende Atmosphäre der Handlung.


    Zufällligerweise habe ich mich in den letzten Tagen mit dem Werk eines französischen Anthropologen beschäftigt, der in den 80-er Jahren auf Papua Neu-Guinea eine ethnische Gruppe untersucht hat, die streng hierarchisch aufgebaut ist (es gibt Hierarchien zwischen den Männern, die Big Men stehen über den "normalen" Männern und generell stehen alle Männer über den Frauen). Es wird der Frage nachgegangen, warum Unterdrückung so oft scheinbar keiner Gewalt bedarf, warum sich die Unterdrückten wie die Komplizen der Herrschenden verhalten und ihre Ausbeutung als legitim akzeptieren, sie nicht hinterfragen und sich nicht auflehnen. Er sagt, damit eine Herrschaft lange aufrecht erhalten werden kann, enthält sie zwei Elemente: die Gewalt der Herrschenden über die Beherrschten und die Zustimmung der Beherrschten zu ihrer Beherrschung, wobei das zweite Element viel wichtiger sei. Die Beherrschten stimmen ihrer Unterdrückung und Ausbeutung demnach zu, weil sie die Ideen der Herrschenden teilen und ihnen das Unterdrückungsverhältnis aus Austausch von Diensten zwischen Herrscher und Beherrschten dargestellt wird. Sie legitimieren somit den Status Quo.
    Vielleicht kann man das auf das Buch auch umsetzen? Hier sind auch ein paar Mal Bemerkungen gefallen, früher schützte man die Frauen nicht, die Kriminalitätsrate war sehr hoch usw, jetzt werden die Frauen geschützt, niemand pfeift oder stellt ihnen nach und die Mägde dienen ja der Gesellschaft, indem sie Kinder gebären. (Übrigens glaubte man bei der Gruppe auf Papua Neu Guinea auch nicht daran, ein Mann könne steril sein - wenn kein Nachwuchs da war, war die Frau daran schuld). Das Einzige, was mich an diesem Konzept stört, ist der Begriff Zustimmung, denn der impliziert auch die Möglichkeit des Nicht-Zustimmens, einer Fähigkeit zur Wahl.


    Eine Alternative scheinen die Frauen nicht zu haben - einmal wurden die Kolonien mit den Unfrauen erwähnt, was nicht so wirklich verführerisch klingt. Ich bin sehr gespannt, was das für ein Ort ist. Und frei sind die Männer in dieser Gesellschaft auch nicht.
    Interessant ist wirklich diese Unterscheidung in Freiheit zu (die einen aktiven Beigeschmackt hat, Freiheit zu haben, etwas zu tun, Selbstbestimmen können, Autonomie haben) und Freiheit von (mit einem eher passiven Beigeschmack, befreit zu werden von etwas, Fremdbestimmung).


    Alles in allem, ein sehr spannendes, beklemmendes Buch.


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

    Einmal editiert, zuletzt von nikki ()

  • Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Hallo, :winken:


    ich bin durch und froh diese Scheinwelt zu verlassen, die ich wirklich sehr bedrückend und erschreckend fand.


    Kapitel 23:


    Kapitel 25:


    Kapitel 26


    Kapitel 27:


    Kapitel 28:


    Kapitel 31:


    Kapitel 33:


    Kapitel 36-38:


    Kapitel 40-41:


    Kapitel 42-43:


    Kapitel 44:


    Kapitel 45:


    lg
    bane

  • Ich bin jetzt bis Kapitel 23 gekommen. was mich manchmal genauso entsetzt sind diese Wörter "Unbabys" - ich will mir nicht vorstellen was damit gemacht wird bzw. dann auch mit Unfrauen.


    Ich finde auch das Ritual der Kommandantenfrauen schlimm:


    So jetzt wird etwas weitergelesen.

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Hallo,


    bin jetzt bis XII, 32 gekommen.


    Der Roman ist wirklich schwere Kost. An vielen Stellen musste ich mich überwinden weiterzulesen, obwohl die Handlung spannend und Sprache und Struktur leicht verständlich sind.
    Mir fällt es immer schwer, über Entwürdigungen zu lesen, die mehr oder weniger kampflos hingenommen werden (müssen).
    Besonders das Kapitel 28, in dem


    Was mich an dem Roman irritiert, ist das Zeitfenster.
    Irgendwann am Anfang wird angedeutet, dass die Hauptzeitebene der Erlebnisse "Desfreds" Ende des 20. Jahrhunderts spielen. Dann wird in einem der Kapitel des ersten Drittels berichtet, wie sie sich an Bilder ihrer jungen Mutter bei einer feministischen Demo mit Latzhose und lila Kopftuch erinnert. Das kann nach den Modeattributen frühestens in den Siebzigern gewesen sein. Später heißt es, ihre Mutter habe sie erst mit 37 Jahren bekommen und als der Umsturz eintrat, war die Mutter um die sechzig, "Desfred" ist zum Zeitpunkt der Haupthandlung
    33, ihre Tochter acht Jahre alt. Rechnet mal nach, das kommt alles überhaupt nicht hin. Desfred müsste, wenn die Handlung wirklich Ende des 20. Jahrhunderts spielt, in den Sechzigern zur Welt gekommen sein; Ihre Mutter hat aber als junge Frau, also weit vor dem Alter von 37, an Demos der Endsiebziger teilgenommen :rollen:? Kann jemand das aufklären, oder muss man das einfach so hinnehmen?


    Dieses Wochenende hoffe ich den Roman beenden zu können: eine lohnende, wenn auch beängstigende Lektüre!


    HG
    finsbury

  • Ich habe den "Report der Magd" gestern Abend beendet.




    ich bin durch und froh diese Scheinwelt zu verlassen, die ich wirklich sehr bedrückend und erschreckend fand.


    Das geht mir ebenfalls so. Es war ein ziemlich mitreißendes Buch, teilweise konnte ich es nicht erwarten, mehr über die Vergangenheit von Desfred, ihre Erlebnisse und die Gesellschaft zu erfahren, andererseits konnte ich das Buch auch nicht "hintereinanderweg" lesen und musste zwischendurch zu etwas anderem greifen, weil die beschriebenen Ereignisse manchmal so grausam an die Seele griffen, dass es mir nicht möglich war weiterzulesen. Und so etwas ist mir bisher noch bei keinem Buch passiert.




    Kapitel 23:


    Naja... wenn ich mich daran erinnere, wie der Kommandant mit Desfred

    geht, und wie er sie dort behandelt, habe ich in Sachen "Liebe benötigen" da schon meine Zweifel. Er scheint letztendlich auch nicht anders als die anderen höher gestellten Personen dort zu sein.




    Kapitel 26


    Ich frage mich vor allem, wie es zu dieser "kommenden Generation" kommen sollte. Die wenigen Kinder, die geboren werden - jedenfalls die der Mägde - gehören den Ehefrauen und damit den höheren Kreisen an, sie werden daher wohl kaum als Mägde eingesetzt. Haben die Ökono-Frauen eigentlich Kinder, bzw. können sie welche bekommen? Soweit ich weiß, wird es im Buch nicht deutlich gemacht. Falls es so wäre, könnten höchstens diese Kinder Mägde werden. Aber da die Geburtenrate dermaßen niedrig ist, dürfte man daher kaum von einer ganzen Generation sprechen können.




    Kapitel 31:


    Leider erfährt man ihn ja nie...




    Kapitel 36-38:


    Und mit diesem Kapitel wurde endgültig deutlich gemacht, dass es aus dieser Welt, wenn man einmal in ihr gefangen war, keinen Ausweg gab. Am Ende ist sogar Moira gebrochen, sie, die dieser Geschichte einen Hauch von Hoffnung auf Freiheit gegeben hat.




    Kapitel 44:


    Ich frage mich, was genau zu ihrem Tod geführt hat. Sind ihre Untergrundaktivitäten bekannt geworden? Wurde sie verraten? Schade, dass auch die Einzelheiten ihres Endes, ebenso wie ihr Widerstand, unbeleuchtet bleiben.




    Im Nachwort steht, was vermutlich mit Desfred passiert ist. Zunächst war sie in Sicherheit, also waren die Männer von der Widerstandsgruppe. Immerhin erfährt man auch, warum bestimmte Frauen als Mägde ausgewählt wurden. Dieses Nachwort wirkte für mich fast als der Gipfel der Surrealität, einerseits diese nüchternen Auseinandersetzungen mit dem Gilead'schen System, andererseits das Lachen und "Stöhnen" (Warum stöhnten sie?) der Zuschauer.


    Sehr berührend fande ich auch die Situation, als Serena Desfred das Foto ihrer kleinen Tochter gezeigt hat - welche anscheind glücklich ist und ihre Mutter vergessen hat... Alles in allem war "Der Report der Magd" ein erschreckendes und sehr nachdenklich machendes Buch. Ich werde es auf jeden Fall in nächster Zeit noch einmal lesen, da beim ersten Durchlesen viele Fakten uneinsehbar und ungeklärt waren, welche mit dem Nachwort und dem Ende der Geschichte mehr Sinn ergeben werden. Ich habe noch nicht viele gute Bücher gelesen, aber dieses hier zählt hiermit dazu. Atwood's Erzähl- und Schreibstil gefiel mir sehr gut, ich habe von ihr noch "Die Räuberbraut" ungelesen aus der Bibliothek und bin gespannt, inwieweit das auch auf andere Bücher von ihr zutrifft. Übrigens habe ich heute von ihr ein "neues Buch" bei Thalia gesehen - "alias Grace". Es ist zwar nur eine Neuauflage, allerdings klingt die Inhaltsangabe schon recht vielversprechend. Ich werde ihre Bücher erstmal im Auge behalten. :zwinker:

    &quot;Eine Welt ohne Magie ist unmöglich. Magie ist das, woran die Menschen glauben, und an irgendetwas werden sie immer glauben.&quot;

  • Stand: Ende


    Ein zentrales Thema im Report scheint der Zusammenhang von Macht und Kommunikation zu sein. In der Theokratie Gilead kommt alle Macht von oben, Interessenvertretung gegen die Herrschenden ist innerhalb des Systems nicht möglich. Desfred findet jedoch heraus, dass es Möglichkeiten im Kleinen gibt: sie manipuliert, bringt Männer zum Nachdenken, spricht mit den Wächtern unter den Augen der Engel. Die Selbsttötung ist die ultimative Form der Verweigerung, über die auch Desfred wiederholt nachdenkt. Durch ihre Beziehung zum Commander eröffnen sich ihr Möglichkeiten, die sie jedoch nur zaghaft nutzt. Am Ende muss sie erfahren, dass der Commander sich nicht für sie gegenüber seiner Frau einsetzt, was im Grunde schon vorher klar war.


    Gilead kontrolliert die Sexualität der Menschen, beseitigt Schwule, Lesben und Abtreibungsärzte, zerstört Pornographie. Aber es kann nicht verhindern, dass sich eine Art sexueller Untergrund herausbildet, durch den die sexuelle Ideologie Gileads unterminiert wird. Commander haben Affären mit Mägden, sexuelle Privatheit entfaltet sich andernorts.


    Bei der Lösung seines Fertilitätsproblems verhält sich Gilead inkonsequent und unlogisch. Zwar werden fruchtbare Frauen gezielt Vertretern der herrschenden Gruppierung zugeführt. Aber aus ideologischen Gründen sind Männer nicht unfruchtbar, mit der Folge, dass bei jedem unfruchtbaren Commander der Einsatz einer Magd, einer nationalen Ressource, dem Systemziel entgegensteht.


    Atwoods Report ist durchgehend eine Satire und in Momenten grotesk. Dadurch liest sich das Buch mitunter sehr komisch (Geburtsmobile; Befruchtungsrituale; Entbindungsakt unter Beteiligung im Geiste Mitgebärender, die physische Symptome spüren; und viele Dinge mehr). Das Drehbuch zum Film hätte vielleicht statt Harold Pinter doch besser John Cleese schreiben sollen.

    Einmal editiert, zuletzt von mohan ()


  • Übrigens habe ich heute von ihr ein "neues Buch" bei Thalia gesehen - "alias Grace". Es ist zwar nur eine Neuauflage, allerdings klingt die Inhaltsangabe schon recht vielversprechend. Ich werde ihre Bücher erstmal im Auge behalten. :zwinker:


    "alias Grace" war mein erstes Buch von Margaret Atwood und es hat mir sehr sehr gut gefallen. Ebenso "Der blinde Mörder". Ich mag ihren Schreibstil sehr sehr gerne. Die anderen Bücher von ihr sind zwar auch bewegend, aber lange nicht so schockierend wie "Der Report der Magd". Die beiden anderen haben mir auch besser gefallen. Dieses ist schon sehr grotesk und beängstigend.


    lg
    bane

  • Hallo,


    nun bin ich auch durch.


    Das Ende, die "historischen Anmerkungen", bricht das ganze Geschehen noch einmal ironisch, ein, bei aller Gnadenlosigkeit, durchgehendes
    Darstellungselement, wie du, mohan, ja auch herausstellst.


    Am Ende nämlich erfahren wir, dass sich die Gesellschaft des ausgehenden 22. Jahrhunderts keineswegs als gerechte, demokratische, beide Geschlechter gleich schätzende, entpuppt. Das "Gelächter und Stöhnen", das du, @ Grotesque erwähnst, tritt während des Vortrags des männlichen Experten immer dann auf, wenn er frauenfeindliche Bemerkungen macht, etwa die Bezeichnung des Frauen-Rettungsweges als "Frauenstrich" oder wenn er die Bildung der Frauen der Achtziger ins Lächerliche zieht. Auch das Stöhnen muss man wohl als Zustimmung (Ach ja, wie Recht er hat ...), nicht als Ablehnung betrachten. Aus seinen Ausführungen wird unmissverständlich klar, dass er im Grunde das Gileadische System bewundert (sinngemäß: "wir müssen verstehen, nicht tadeln"; "Sie taten nur das, was sie aus der Geschichte entnehmen konnten"). Auch die beiden möglichen "Freds" würdigt er durchaus für ihre Ideen. "Desfred" dagegen tadelt er, weil sie nur ihr Privates berichtet und nicht dem Kommandanten und dessen Unterlagen nachspioniert hat.


    Dass die ganze Konferenz der Historiker von einer Frau geleitet wird, deren Amt es ausschließlich zu sein scheint, auf banale Entspannungsausflüge für die Kongressteilnehmer hinzuweisen, bricht ihre Stellung innerhalb der dieser und wirft ebenfalls ein sarkastisches Licht auf die Stellung der Frau in dieser angenommenen Zukunftsgesellschaft.
    Erst durch dieses Nachwort wird dieses Buch so richtig rund und gewinnt noch zusätzlich an Qualität. Böse, aber sehr sehr gut!
    Dank euch für die Leserunde!


    HG
    finsbury


  • Ich bin inzwischen bis Ende IX gekommen.
    Der Kommandant erscheint mir ebenfalls immer mysteriöser. Er scheint ein ziemlich unglücklicher Mann zu sein, der die "alte Welt" vermisst. Jedenfalls deutet es sein Wunsch nach einem Scrabble-Spiel mit Desfred an.


    Ich vermute, die Figuren im Roman sind fast alle unglücklich und vermissen ihr altes Leben. Wie sollte es auch anders sein? Das dürfte nur auf die Profiteure dieses Systems nicht zutreffen, die Herrschenden, die es herbeigeführt haben. Wohl auch auf einen Teil der vielen Handlanger, von denen wir manche kennenlernen.




    Zufällligerweise habe ich mich in den letzten Tagen mit dem Werk eines französischen Anthropologen beschäftigt, der in den 80-er Jahren auf Papua Neu-Guinea eine ethnische Gruppe untersucht hat, die streng hierarchisch aufgebaut ist (es gibt Hierarchien zwischen den Männern, die Big Men stehen über den "normalen" Männern und generell stehen alle Männer über den Frauen). Es wird der Frage nachgegangen, warum Unterdrückung so oft scheinbar keiner Gewalt bedarf, warum sich die Unterdrückten wie die Komplizen der Herrschenden verhalten und ihre Ausbeutung als legitim akzeptieren, sie nicht hinterfragen und sich nicht auflehnen. Er sagt, damit eine Herrschaft lange aufrecht erhalten werden kann, enthält sie zwei Elemente: die Gewalt der Herrschenden über die Beherrschten und die Zustimmung der Beherrschten zu ihrer Beherrschung, wobei das zweite Element viel wichtiger sei. Die Beherrschten stimmen ihrer Unterdrückung und Ausbeutung demnach zu, weil sie die Ideen der Herrschenden teilen und ihnen das Unterdrückungsverhältnis aus Austausch von Diensten zwischen Herrscher und Beherrschten dargestellt wird. Sie legitimieren somit den Status Quo.
    Vielleicht kann man das auf das Buch auch umsetzen?


    Da stimme ich dir zu. Im Extrem haben die Menschen Gileads ja sogar eine Alternative. Atwood argumentiert nicht so platt, von einer absoluten Zwangslage auszugehen. Es bleiben z.B. noch die Kolonien, über die wir so gut wie nichts erfahren. Aber da wäre das Leben härter. Deine Ausführungen zeigen die Tendenz bei Menschen, möglichst die Alternative zu wählen, die als am komfortabelsten eingeschätzt wird. Und dies ist auch im Report der Magd zu beobachten. Die Mägde, wird einmal gesagt, unterschreiben Verträge. An anderer Stelle erfahren wir von den Vorteilen, die es mit sich bringt, für den Commander und seine Frau ein Kind auf die Welt zu bringen. Wie weit weg ist das von der heutigen Leihmutterschaft? Können wir hier Ähnlichkeiten erkennen?


    Liebe Grüße,
    mohan

  • Hmmmmmm, ihr seid ja schon fast alle fertig mit dem Buch.
    ( Ich glaube ich mach irgendwas falsch. Irgendwie stecke ich im Moment fest und kann mich einfach nicht aufraffen weiterzulesen :sauer: )
    Aber beenden werde ich das Buch auf jeden Fall. Auch auf die Gefahr hin, das ich dann hier den Alleinunterhalter spiele :breitgrins: :lachen:

    :leserin:Kendare Blake - Der schwarze Thron ( Die Schwestern 1 )

  • Ich komme grade auch nicht weiter, weil ich nebenbei noch so viel "Pflichtbücher" lese :sauer: Da ich das Buch ja aber schon mal gelesen habe, mache ich mir nun auch nicht so einen Stress, aber finde eure Kommentare wieder einmal sehr interessant!

    ~ The world is quiet here ~

  • Ich stecke auch noch mitten im Buch und werde jetzt auch bis Mittwoch nicht mehr online sein, aber danach werde ich mich sicher mal wieder melden und ein paar Gedanken zum Buch aufschreiben! :winken:

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de


  • Hallo, :winken:


    ich bin durch und froh diese Scheinwelt zu verlassen, die ich wirklich sehr bedrückend und erschreckend fand


    Dem kann ich mich nur anschließen. Nachdem ich ja mit voller Elan gestartet bin, habe ich doch sehr schnell einen Dämpfer bekommen. Zeitweise mußte ich mich wirklich überwinden das Buch nochmal zur Hand zur nehmen.Wie schon gesagt: Es muß nicht immer die heile Welt sein, aber dieses Buch war mir für meinen Geschmack doch ein bissel zu viel. Aber dank der Aufmunterung von JaneEyre habe ich es letztendlich doch hinter mich gebracht :zwinker: Danke dafür :bussi: Und vorallem vielen lieben Dank an alle Mitleser dieser Runde. Gerne und immer wieder..... Auch wenn das Buch nicht meinem Geschmack entsprach hat mir meine erste Leserunde trotzdem riesen Spaß gemacht.Freu mich schon auf die Nächsten.


    Nun möchte ich aber zum Schluß doch noch ein kleines Statement zum Buch abgeben:


    Unter dem Deckmantel hehrer Ziele wie der 'Erhaltung der Rasse' und 'Erfüllung einer biblischen Pflicht' dehnen die ideologisch verblendeten Herrscher [des Staates Gilead] ihre Macht aus.
    Der biblische Mythos von Rahel und Lea sowie die mythische Vorstellung davon, fruchtbar zu sein und sich zu vermehren, um damit Gottes Willen zu erfüllen, bilden das Grundgerüst welches helfen soll, die gesellschaftlichen Verhältnisse in Gilead zu stabilisieren.
    Margaret Atwood hat sich in der Wahl ihrer Perspektiven nicht nur auf eine Frau, sondern zugleich auf eine einfache Frau beschränkt. Keine Heldin. Statt um die Rebellion sorgt sich Desfred um Mann und Kind und um die eigene glatte Haut. Keineswegs bewährt sich - wie sonst oft in der sogenannten Frauenliteratur - die Gewalt des Patriarchats letztendlich als Mittel zur Förderung des protestierenden feministischen Geistes. Die Macht wirkt vielmehr vernichtend, sie reduziert ihr Opfer auf das ursprünglichste Bedürfnis, auf die Sehnsucht nach Leben und Liebe.
    Die erzählerische Zusammenraffung in die Perspektive der Magd bedingt ( zumindest bei mir ) daß meine Neugier in Bezug auf Gilead ähnlich unbefriedigt bleibt wie die Lebenslust der Heldin.


    Ich werde dieses Buch erst noch ein wenig " sacken " lassen und mich dann mal an eine Rezi werfen.....

    :leserin:Kendare Blake - Der schwarze Thron ( Die Schwestern 1 )