Sarah Kuttner - Mängelexemplar
erschienen 2oo9 bei S.Fischer, Softcover - 272 Seiten
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Kurzbeschreibung
Sie ist klug, kokett, unnahbar und - fällt in einen Abgrund. Verzweifelt und mit wütendem Humor tritt Karo ihrer Depression entgegen. Mit bodenloser Leichtigkeit, selbstironisch und überschwänglich erzählt dieser Roman von der Verlorenheit, die manches Leben heute aushalten muss.
[hr]
Meine Rezension
Nachdem 2oo6 und 2oo7 bereits zwei Kolumnensammlungen von Sarah Kuttner erschienen sind, hat sie sich bei ihrem nächsten literarischen Projekt an ihren ersten Roman gewagt, der als solcher ganz sicher nicht als „Mängelexemplar“ zu deklarieren ist.
Vielmehr trifft diese Bezeichnung auf Karo, die 27jährige Hauptfigur des Romans zu, die der Leser durch ein emotional höchst aufwühlendes Jahr begleitet. Vom anfänglichen Absturz bis zum ansatzweise hoffnungsvollen Neubeginn.
Vorne raus ist Karo clever, selbstbewusst und hat stets einen feschen Spruch auf den Lippen, doch innerlich ist sie zerrissen, traurig und unsicher. Als sie ihren Job in einer Eventmanagementagentur verliert und sich mehr oder weniger freiwillig aus einer völlig unnützen Beziehung löst, fällt Karo in ein tiefes Loch aus Tränen und Panikattacken. Ausführliche Selbstanalysen und gut gemeinte Ratschläge von Freunden und Familie reichen da nicht. Karo muss sich eingestehen, dass sie krank ist. So krank, dass sie psychologische Hilfe benötigt, um ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen.
Ob das Wort nun gesprochen oder geschrieben ist – bei Sarah Kuttner geht viel in kurzer Zeit. So bekommt man erwartungsgemäß wenig Handlung und dafür ein Mehr an Worten. Wahre, ehrliche und treffende Worte in lauten wie auch leisen Tönen, wie sie der TV-Ulknudel vielleicht nicht jeder zugetraut hätte. Manche Wortkreationen im Stile von „geabendbrotet“ mögen albern sein und auch die unzähligen, teils hanebüchenen Metaphern wirken – ähnlich wie Karo – manchmal eher anstrengend und gezwungen lustig. Hier rettet sich die Autorin allerdings mit kluger Selbstironie und beeindruckender Beobachtungsgabe.
Lebensnah, eindringlich und nachfühlbar beschreibt sie Karo’s Zusammenbrüche und Ängste. Ängste, die viele Leser auch selbst kennen dürften. Ich zumindest konnte mich in ihren Ausführungen über seelische Stolpersteine und deren Auswirkungen auch auf zwischenmenschliche Beziehungen Seite um Seite wieder finden. Auch wenn mir das manchmal gar nicht so recht war, denn wer will sich schon mit einer Figur identifizieren können, die zum Nervenarzt muss?
Vielleicht zeigt aber gerade das, dass Sarah Kuttner ein sehr realistisches Bild der heutigen Generation gezeichnet hat. Immerhin ist in Deutschland jeder Zehnte wegen einer Depression in Behandlung. Nicht selten wird die vermeintlich erforderliche öffentliche Selbstdarstellung der Erfüllung von persönlichen Wünschen im Wege stehen.
Eine Lösung für das Problem bietet Sarah Kuttner natürlich nicht, dafür aber gute Unterhaltung und den Impuls, sich in die eine oder andere Richtung vielleicht mal ein paar Gedanken zu machen.
FAZIT: Lohnt sich. Und das sage ich nicht aus Angst vor der Karmapolizei.
Meine Wertung: