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Der dunkle Wächter
Originaltitel: Las Luces de Septiembre
Von Carlos Ruiz Zafón
Erschienen bei S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2009
ISBN 3596853885
Hardcover mit Lesebändchen, 352 Seiten, 17,95 € [D]
Empfohlen ab 12 Jahre
Inhalt
Frankreich im Jahr 1937: die verwitwete Simone zieht mit ihren beiden Kindern, der 14-jährigen Irene und dem jüngeren Dorian, von Paris aus an die Küste der Normandie, wo sie eine Stelle bei dem Spielzeugerfinder Lazarus Jann angenommen hat. Lazarus lebt vom nächsten Dorf abgelegen, auf seinem schlossartigen Anwesen Cravenmoore, das er sich mit seiner schwerkranken Frau teilt, die seit vielen Jahren niemand mehr zu Gesicht bekommen hat. Auch seiner neuen Angestellten und deren Kindern bläut der freundliche Mann ein, den Gebäudetrakt nie zu betreten, in dem seine Frau lebt. In der jungen, als Köchin bei Lazarus angestellten Hannah findet Irene bald eine Freundin, und in deren Bruder Ismael einen Freund, woraus schnell eine Liebesgeschichte wird. Mit seinem Segelboot erkundet das Pärchen die wildromantische Küstenregion, zu der auch die verlassene Leuchtturm-Insel gehört, um die sich eine tragische Liebesgeschichte rankt.
Ein plötzlicher Todesfall beendet die Idylle schlagartig. Düstere Geheimnisse rund um Cravenmoore werden lebendig und Irene findet sich in einem Abenteuer wieder, in dem es um ihr Überleben und das ihrer Lieben geht.
Kritik
Das Buch hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gepackt. Es beginnt mit einem wehmütigen Brief, in dem die traurigen Überreste vergangener Zeiten beklagt werden, Ruinen und Verfall eine düstere Herbstzeitstimmung erzeugen, und der Briefschreiber sich schmerzvoll an die glücklichen Tage des längst vergangenen Sommers 1937 zurück erinnert. So beginnt der Rückblick auf die Geschichte, die hauptsächlich aus der Sicht der jungen Irene erzählt wird (jedoch nicht aus der Ich-Perspektive). Typisch für einen Roman von Zafón, kann die Stimmung niemals wirklich heiter sein, und so beginnt der eigentlich schöne erste Teil mit einem traurigen Ereignis, nämlich dem Tod von Irenes Vater und dem Schuldenberg, mit dem sich seine Frau konfrontiert sieht und der sie schließlich dazu zwingt, eine Stelle außerhalb von Paris anzunehmen. So kommt die kleine Familie also in das Dorf Baie Bleue an der Küste der Normandie, wo es ihr den Umständen entsprechend erst mal sehr gut zu gehen scheint. Sie können in einem eigenen kleinen Haus mit Blick auf das Meer und den verlassenen Leuchtturm wohnen, und der Arbeitgeber Lazarus ist zwar etwas sonderbar, aber sehr nett. Das Schloss wirkt so düster wie sein Name: Cravenmoore. Bei ihrem ersten Besuch im Schloss begegnet die Familie den befremdlichen Geschöpfen von Lazarus, mechanischen Raben, und wird von dem Roboter namens Christian empfangen. Das Schloss ist voll mit weiteren mechanischen Figuren und Robotern, auf schaurige Weise phantasievollen Kreaturen, die eine schwarz-romantische Stimmung erzeugen, wie man sie in Gothic-Romanen findet. Für einen Jugendroman ganz schön düster, aber als 12-jährige hätte ich es geliebt (ich tue es jetzt noch)!
Die quirlige Hannah und die zarte Liebesgeschichte zwischen Irene und Ismael lockern die Stimmung erheblich auf und füllen die raue, düstere Szenerie mit Leben. Die poetische Sprache der Erzählung ist schön und eindrücklich, bleibt dem Altersniveau der anvisierten Leserschaft entsprechend aber auch einfach zu verstehen und ist flüssig lesbar. Ich bin wirklich sehr angetan davon, wie Zafón mit seinen Beschreibungen von Landschaften und kleinen Geschehnissen so viel Atmosphäre erzeugen kann. Das ist in diesem Buch nicht anders als in seinem Meisterwerk „Der Schatten des Windes“.
In der zweiten Hälfte des Romans kippt die zwar dunkle, aber idyllische Sommerferien-am-Meer-Stimmung in eine noch dunklere, neblige Grusel-Horror-Stimmung. Für die heutige Jugend ist das wahrscheinlich gar nichts (ich sag nur: Harry Potter!), aber ich war doch ganz schön erschüttert von dem Todesfall in der Mitte des Buches. Von hier ab erlebt man mit Irene eine spannende Gruselgeschichte mit Horrorelementen, die es wirklich in sich haben. Man fühlt die Angst um das eigene Leben, aber auch um das der geliebten Menschen, spürt das Grauen und auch das Leid, das mit dem Aufdecken lang vergrabener Geheimnisse erwacht. Ich will hier nicht zu viel verraten, deshalb belasse ich es dabei.
Was mich nur manchmal etwas gestört hat, hätte ich als 12-jährige wahrscheinlich gnädig ignoriert, aber als Erwachsene führte das leider zu einem Sternabzug, und zwar sind das manche kleine Ungereimtheiten in der Geschichte. Es ist mir zum Beispiel unvorstellbar, wie man so viele sportliche Abenteuer bestehen kann, ohne etwas zu essen oder zu trinken. Naja, die Energie der Jugend vielleicht. Manchmal handelten die Personen auch nicht so, wie ich es in der Situation plausibler gefunden hätte und insgesamt ist die Handlung sehr einfach. Und es wurden mir etwas zu viele stumme und durchdringende Blicke gewechselt, aber das könnte auch ein Übersetzungsproblem sein, oder ich bin vielleicht nur etwas überempfindlich. Diese kleinen Makel sollten jedoch niemanden davon abhalten, dieses Buch zu lesen, denn es ist wirklich schön!
Fazit
Ein toller, spannender Jugendroman mit wunderbar dichter Atmosphäre, prima für Liebhaber von Gruselgeschichten mit düsteren Geheimnissen, tragischromantischen Hintergründen und einer kräftigen Prise übernatürlicher Mystik. Absolut lesenswert auch für erwachsene Fans der Bücher von Carlos Ruiz Zafón, denn auch wenn die Horrorelemente aus diversen Gruselfilmen schon bekannt scheinen mögen, so ist die poetische Schreibweise und die dadurch erzeugte Stimmung doch wieder einzigartig und typisch für den Autor von „Der Schatten des Windes“. Man sollte aber nicht vergessen, dass es sich hier um einen Jugendroman handelt und die Handlung und die Figuren dadurch etwas flacher wirken, als man das von seinen anderen Romanen kennt. Bitte nicht als Gesamtwerk mit „Der Schatten des Windes“ vergleichen!
Ein paar Worte noch zur Aufmachung des Buches, denn das trägt doch auch zum Lesegenuss bei: diese Hardcover-Ausgabe mit schwarzem Lesebändchen (wie passend!), einem sich immer wiederholenden Drachenornament und einer Leseflussfördernden Typografie (großer Zeilenabstand) wirkt hochwertig und eignet sich damit auch sehr gut als Geschenk.
Zum Autor
Carlos Ruiz Zafón wurde 1964 in Barcelona geboren und wuchs in der phantasieanregenden Atmosphäre eines gotischen Schlosses auf, in dem die von ihm besuchte Jesuitenschule untergebracht war. In Barcelona war er als Texter in einer Werbeagentur tätig, bis er 1994 nach Los Angeles zog und mit dem Schreiben begann. Außer Romanen arbeitet er auch an Drehbüchern und als Journalist. Seine ersten vier Romane waren Jugendbücher. „Der dunkle Wächter“ ist der dritte Teil der „Nebel-Trilogie“ und erschien bereits 1995 in Spanien. Der erste Teil dieser Trilogie erschien zwar schon 1996 in Deutschland unter dem Titel „Der Fürst des Nebels“, wird aber im Februar 2010 im Fischer Verlag neu aufgelegt.
International bekannt wurde Zafón mit seinem Bestseller „Der Schatten des Windes“, der 2001 in Spanien und 2003 in Deutschland erschien.