Stephen Baxter – Die letzte Flut

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 4.424 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kiba.

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    Inhalt: Barcelona im Jahr 2016. Fünf Geiseln werden nach jahrelanger Verschleppung aus der Hand christlicher Fundamentalisten befreit. Das heißt: Für einen von ihnen kam die Rettungsaktion zu spät, die übrigen werden zunächst nach London gebracht. Und schnell stellen sie fest, daß sich die Welt in den letzten Jahren sehr verändert hat. Vor allem scheint man sich mit ausdauernden Regenfällen und ständigen Überschwemmungen arrangiert zu haben. Der Unternehmer Nathan Lammockson glaubt nicht an Zufälle und plant bereits für eine nassere Zukunft, denn alle Daten zeigen, daß die alten Klimamodelle nicht mehr taugen. Und er ist besonders an den Ex-Geiseln interessiert, da sein Sicherheitsdienst sie befreit hat. So geraten Lily Brooke, Hubschrauberpilotin der US Air Force, aber Halb-Engländerin, Gary Boyle, ein amerikanischer Klimatologe, Piers Michaelmas, Offizier der britischen Armee, und Helen Gray, Engländerin und Sprachlehrerin, in den Einzugsbereich des Magnaten. Noch während ihres Aufenthaltes in London erlebt die Stadt eine beispiellose Sturmflut, der das Themsesperrwerk nichts entgegenzusetzen hat. Die Menschen versuchen anschließend, sich in der verwüsteten Stadt wieder einzurichten, Lily sucht ihre Schwester Amanda und deren Kinder Benj und Kristie auf. Man arrangiert sich, aber der Meeresspiegel steigt offensichtlich, und das schneller und weiter als die dramatischsten Berechnungen der Klimawissenschaftler je vorausgesagt haben. Eine alte Freundin von Gary, Thandie Jones, hat eine Theorie über die Herkunft dieser Wassermengen, aber niemand glaubt ihr, zumal ihre Daten auch mit Unsicherheiten behaftet sind.


    Nathan Lammockson sponsort Tiefseetauchfahrten zur Erforschung, vor allem aber entwickelt er immer wieder Pläne, wie er nicht nur sein Unternehmen AxysCorp profitabel hält, sondern auch sich selbst und ihm nahestehenden Menschen Sicherheit und Komfort bieten kann. Höher gelegene Landstriche müssen bald schon viele Flüchtlinge aufnehmen, und Geld zu haben, ist dabei eindeutig ein Vorteil. Der ständig steigende Meeresspiegel frißt immer mehr Land, drängt die Menschen in immer kleinere Gebiete zusammen. In Nordamerika ist das angesichts der Weite des Kontinent zunächst nicht so problematisch, in Europa schon. Lammockson landet mit seiner Truppe schließlich in Peru, aber ein selbsternannte Quechua-Führer hat ganz andere Ansichten von Revision der Kolonialgeschichte, zumal die wirtschaftliche Ausbeutung des Hochlandes nach dem Wegfall aller staatlichen Kontrollen auch nicht gerade zu mehr Lebensqualität für die Indios führt. Für Benj und Kristie erfüllt sich in Peru auf sehr unterschiedliche Weise ihr Schicksal. Und immer noch steigt der Meerespiegel an, ohne daß ein Ende in Sicht wäre ...



    Meine Meinung: Die Grundidee fand ich sehr interessant, die Ausführung dagegen weniger. Gegliedert ist der Roman in fünf Teile, die jeweils einen benannten Zeitraum von mehreren Jahren und einen bestimmten Anstieg des Meeresspiegels umfassen. Dagegen ist nichts zu sagen, aber die Gewichtung der einzelnen Teile zueinander und ihre Schwerpunkte waren doch eher unglücklich gewählt. Die Beschreibung der Flut in London im ersten Teil war derart ausführlich, daß ich das Gefühl hatte, von jeder Mülltonne zu erfahren, wie hoch im Wasser sie schwamm. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Ganz so ausführlich geht es später z. B. in New York nicht mehr zu, aber dafür habe ich mich dann manches Mal gefragt, ob Baxter die Höhenmeter durcheinander geraten sind. Da wird ein Schiff, wie mehrfach betont wird, in halber Andenhöhe gebaut (was ja in Ordnung ist, wenn man davon ausgehen muß, daß das Wasser schon bis dorthin kommen und der Stapellauf mithin kein Problem sein wird), aber der genannte Ort liegt an sich – jedenfalls nach gegenwärtigen Karten – so nah an Lima, daß er zu der Zeit schon längst überflutet sein müßte und zudem so weit weg von Cuzco, wo sich Lammockson sein Project City errichtet hat, daß man in der betreffenden Situation gar nicht so schnell zum Schiff kommen konnte. Sollte der Ort aber doch so hoch gelegen sein, daß das mit der „halben Andenhöhe“ stimmt, dann dürfte das Schiff noch nicht schwimmen, wenn kurz danach erst Jerusalem untergeht. Solcher Art Logikbrüche gab es doch einige, auch bei den Entscheidungen und Motiven der Hauptpersonen.


    Nun kann man sich sicher gut vorstellen, daß Leute mit Geld, und erst recht solche mit richtig viel Geld, in einer Ausnahmesituation auch mehr Möglichkeiten haben, sich und andere zu retten, weil sie sich Sicherheit bis zu einem gewissen Grad kaufen können. Das ging daher völlig in Ordnung. Allerdings ist mir bis zum Ende nicht richtig klar geworden, warum Nathan einen solchen Narren an den Ex-Geiseln gefressen hat. Und gerade weil die Erzählperspektive den gesamten Roman über diese Luxusgruppe nicht verläßt, man also alle technischen Spielereien zur Verfügung hat, die die Welt zu bieten hat, hat die Erzählung lange eher etwas von purem Katastrophentourismus als von echter Bedrohung. Im übrigen habe ich auch das Gefühl, jetzt genau zu wissen, wie man einen Hubschrauber fliegt, im Hinblick auf solche Aspekte wiederholte sich ein bißchen arg viel.


    So frage ich mich, was eigentlich Baxters Absicht hier war. Für einen Wissenschaftsthriller war es (mir jedenfalls) doch zu wenig Wissenschaft. Das kommt zwar vor, weil schließlich genügend Klimaforscher, Ozeanographen, Meteorologen und ähnliche Wissenschaftler durch das Buch stapfen, aber als roter Faden taugte es nicht. Interessant hätten die Konflikte sein können, die sich aus der sich vermindernden Landfläche ergeben, egal ob es nun um pure Verteilungskämpfe über Ressourcen geht oder um die Veränderungen, die dergleichen zwangsläufig im menschlichen Charakter und in der Moral anrichtet. Da wird zwar einiges angedeutet, aber bleibt doch eher im Ungefähren. Dafür ist die gewählte Erzählperspektive auch nicht geeignet, denn Lammockson und seine Leute haben lange Zeit im Vergleich zum Rest der Welt doch eher exklusive Sorgen, wenn man sich immer noch über gekühlten Champagner Gedanken machen kann.


    So bleibt im wesentlichen festzuhalten, daß man es schon zügig runterlesen kann, vor allem, wenn man keine zu hohen Ansprüche an die Sprache stellt, die hier doch über weite Strecken recht schlicht daherkommt. Immerhin vermitteln die beigegebenen Karten vorne und hinten einen Eindruck davon, was bei den jeweiligen Meereshöhen von unserer bekannten Welt noch als festes Land zur Verfügung steht, was auf jeden Fall eindrücklicher als die puren Beschreibungen im Text ist.


    2ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Für mich gliederte sich dieses Buch in zwei Teile, nämlich eine Hälfte, die die vielen Auswirkungen der Flut so erschöpfend schildert und die man gut und gerne auf ein Drittel hätte kürzen können, und die zweite Hälfte, in der endlich so etwas Nähe zu den Protagonisten aufkam.


    Gerade die endlosen Beschreibungen der Flut waren eine Geduldsprobe und (passend zum Thema) so ausufernd, dass man von Seite zu Seite mehr abstumpft. Wenn Baxters Absicht war, einen emotionslosen Thriller zu schreiben, so ist ihm das gut gelungen. Dazu passt auch, dass er einige Figuren ganz beiläufig hops gehen lässt, als wären die Menschen nur schmückendes Beiwerk. Was in und mit ihnen vorgeht, vor allem bei den Flüchtlingen, bleibt völlig auf der Strecke und hätte doch einige interessante Ansätze gegeben. Die Entwicklung der Bevölkerung, Überlebensstrategien, Nahrungsbeschaffung oder zwischenmenschliche Konflikte sind nur einige Schlagworte, die mir dazu einfallen.


    In der zweiten Hälfte wurde zwar mehr über die Personen erzählt, dafür blieben andere Dinge unerwähnt. Dem weiteren Randgeschehen wurde kaum Platz eingeräumt und die wissenschaftlichen Exkurse waren eher unbefriedigend. Alles in allem blieb das Machwerk durchgehend oberflächlich.


    Auffallend fand ich die vielen Frauen in gehobenen Stellungen oder Machtpositionen, so z. B. eine amerikanische Präsidentin im Jahr 2018.


    Warum ich es dann doch gelesen habe? Weil ich unbedingt wissen wollte, ob noch von irgendwoher eine Lösung kommt und weil es doch relativ schnell zu lesen war.


    2ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Da sind wir ja in unseren Einschätzungen recht nahe beieinander, würde ich sagen :five:

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    "Die letzte Flut" von Stephen Baxter
    Originaltitel: "Flood"


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    Die Menschheit vor ihrer größten Herausforderung


    Die nahe Zukunft: Der Meeresspiegel steigt rasant an. Städte werden überflutet, Millionen von Menschen sind auf der Flucht. Was ist die Ursache für diese verheerende Flut? Der Klimawandel? Oder ein anderes, bisher unbekanntes Phänomen? Als die Wissenschaftlerin Thandie Jones eine sensationelle Entdeckung macht, beginnt ein gnadenloser Wettlauf mit der Zeit. Denn die Flut bedroht das Überleben der ganzen menschlichen Zivilisation…


    Meine Meinung:


    Die Pilotin Lily Brooke wird zusammen mit einigen Leidensgenossen aus der mehrjährigen Geiselhaft religiöser Fanatiker gerettet. Nach all der Zeit der Isolation kommt ihr die Welt stark verändert vor. Politik, Technik und sogar das Wetter sind ihr und ihren Kameraden fremd. Letzteres stellt sich als besonders unberechenbar heraus. Während im Internet vom Ansteigen des Meerespiegels um einen ganzen Meter zu lesen ist, wird dies von Politikern und Wissenschaftlern strickt abgestritten. Für sie ist es nur schlechtes Wetter, kommt eben vor. Klimawandel und so weiter.
    Als immer mehr Städte überschwemmt und unbewohnbar werden, wird klar, dass es nicht bloß der Klimawandel ist.


    Es fällt mir schwer, dieses Buch zu beschreiben. Es besteht aus mehreren Episoden und umfasst mehrere Jahrzehnte. Die Figuren sind kaum mehr als Beobachter und haben keine große Funktion, außer zu verhindern, dass das Buch in die Kategorie Sachbuch abdriftet.
    Durch die episodenhafte Erzählweise wird auch verhindert, dass der Leser irgendeine Beziehung zu den Figuren aufbaut.


    Ganz vorne im Buch befinden sich einige Karten, die zeigen, wie stark sich das Antlitz des Planeten verändert, wenn der Meeresspiegel ansteigt. Die Karten haben bei mir ein beklemmendes Gefühl ausgelöst, in Verbindung mit der Handlung verstören sie einen geradezu.
    Das ist dann auch das Hauptgefühl, das ich beim Lesen hatte.
    Baxter schreibt nicht bloß über das steigende Meer, sondern auch über die Reaktionen der Menschen, den verzweifelten Überlebenskampf, den Verlust jahrtausendealter menschlicher Kultur sowie der Menschlichkeit.
    Schnell wird klar, dass es keine Hoffnung für die Welt, wie wir sie kennen, gibt, keine Zukunft. Kleine Teile der Menschheit überleben auf dem Meer, die neuen Generationen kennen nichts anderes als Wasser und können mit Geschichten über die Vergangenheit nicht das geringste anfangen.


    Fazit: Ein verstörender, aber verdammt realistischer Roman über das Ende der uns bekannten Welt.


    4ratten


    ***
    Aeria


  • Im Wesentlichen kann ich deine Leseeindrücke unterschreiben. Realistisch ist allerdings nur, welche Reaktionweisen Baxter den Politikern und der übrigen Menschheit unterstellt und die zivilisatorischen Folgen. Die Idee mit dem Wasser aus dem Erdinneren ist allerdings hanebüchen. Uns wird der Meeresanstieg durch den Klimawandel schon stark genug treffen, aber einen Wasserplaneten müssen wir wohl kaum befürchten.

  • finsbury
    Angeblich gibt es im Erdmantel jede Menge Wasser, dreimal soviel wie in unseren Ozeanen. Ob an dieser Theorie was dran ist oder nicht, hat für mich beim Lesen keine Rolle gespielt.
    Der Autor behauptet hier, dass die Erde sich sozusagen selbst erneuert, ein natürlicher Vorgang also. Sei's drum, mich haben nur die Folgen interessiert.
    Ich habe vor vielen Jahren mal ein Buch gelesen, das eine ähnliche Katastrophe zum Thema hatte, nur dass dort uralte Wesen aus den Tiefen der Erde, denen die Menschen ein Dorn im Auge ist, das Wasser aus dem Tiefengestein hochgedrückt haben. Baxters Buch fand ich aber besser.


    ***
    Aeria

  • Man hat in diesem Jahr einiges zu dem Thema veröffentlicht, weil man in dem Mineral Ringwoodit aus dem Erdinneren einen größeren Anteil gebundenen Wassers gefunden hat. Aber dieses Wasser liegt sehr tief im Erdinneren, soll den Umfang aller unserer Ozeane (nicht dreimal soviel) haben und ist eben nicht flüssig, sondern gebunden (Schau hier). Also fußt Baxters Szenario auf wissenschaftlichen Vermutungen, aber die Schlussfolgerungen sind doch weit hergeholt.

  • Das Buch hat mich aufgrund seines Themas sofort angesprochen. Bücher über apokalyptische Szenarien wie z.B. auch bei dem Buch „Der Schwarm“ von Frank Schätzing finde ich faszinierend.
    Leider wurde „Die letzte Flut“ meinen Erwartungen nicht gerecht. Ich hätte gerne mehr über die Ursachen des Anstiegs des Meeresspiegels erfahren (die Erklärung des Autors überzeugt mich nicht). Stattdessen lernt man im Buch viele einzelne, persönliche Schicksalsgeschichten kennen. Das große Ganze kommt mir zu kurz, auch wenn immer wieder erwähnt wird, welches Land denn nun gerade im Meer versinkt, so dass es schon sehr ermüdend wird. Vorne im Buch befinden sich Weltkarten, die den Anstieg des Meeresspiegels zeigen, das hat mir sehr gut gefallen.
    Nachdem ich das Buch vor einigen Jahren schon einmal angefangen hatte, wollte ich ihm nun eine zweite Chance geben. Leider habe ich es wieder nur etwa bis zur Hälfte geschafft.
    Das Buch ist mit seinen über 700 Seiten sehr umfangreich, so dass ich mich nicht weiter durchschlagen wollte, denn die Handlung konnte mich einfach nicht fesseln. Zudem gibt es noch einen zweiten Teil, die Geschichte ist damit also noch nicht abgeschlossen.

  • Zank, wenn du etwas ähnliches suchst, kann ich dir Die Flutwelle von Mikael Niemi empfehlen. Der Grund für die Flutwelle ist hier offensichtlich; das Buch ist nur halb so dick und die Handlung daher viel straffer. Ich fand es sehr spannend.

  • Stephen Baxter


    Die letzte Flut


    Flood

    Teil 1


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    Die Geschichte beginnt 2016 mit starken Regenfällen. Lily und vier weitere Engländer bzw. Amerikaner sind Geiseln einer Terroristengruppe in Spanien. Die schrecklichen Jahre dort schweißen die Gruppe zusammen, man bleibt auch Jahre später noch in Kontakt.


    Als Lily zu ihrer Familie in England zurückkehren kann, muss sie feststellen, dass sich während ihrer Gefangenschaft vieles geändert hat. Als ehemalige Pilotin hat sie Schwierigkeiten, die technischen Fortschritte kurzfristig aufzuarbeiten. Ihre Mutter ist gestorben, das Verhältnis zu ihrer Schwester und deren Kinder ist und bleibt problematisch. Aber Lily ist den ihren treu, und sie tut alles, um ihre Leute vor den steigenden Wassermassen, den überall drohenden Überschwemmungen zu retten.


    Das Wasser steigt immer weiter, die Menschen müssen sich die restlichen Landmassen und Ressourcen teilen. Ein riesiges Artensterben setzt ein. Gut 30 Jahre später gibt es kein Land mehr, die letzten Überlebenden dümpeln auf fragwürdigen Flößen über das Weltmeer und versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen.


    3ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.