William Boyd - Einfache Gewitter

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    William Boyd - Einfache Gewitter


    Bvt Berliner Taschenbuch Verlag


    Originaltitel: Ordinary Thunderstorms


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    Kurzbeschreibung (lt. Amazon.de):


    Eine scheinbar unbedeutende Entscheidung, und nichts ist mehr, wie es einmal war - in einer Millisekunde entgleitet ein ganzes Leben. Virtuos erzählt William Boyd davon, was es heißt, alles zu verlieren - und neue Wege zu beschreiten. Ein Roman so packend und so mitreißend wie Ruhelos, mit dem Boyd vor drei Jahren das deutsche Lesepublikum eroberte (über 100 000 verkaufte Exemplare). Ein Mann. Eine Zufallsbekanntschaft. Ein Aktenordner. Ein Toter. Von einer Sekunde auf die andere muss Adam Kindred, angesehener Klimatologe auf Durchreise in London, untertauchen. Jeder Weg zu seinem früheren Leben ist versperrt. Kontakt zur Familie nicht möglich, Kreditkarte und Mobiltelefon nicht zu benutzen, das Hotelzimmer außer Reichweite. Nur Stunden zuvor hatte er in einem kleinen italienischen Restaurant in Chelsea Philip Wang kennengelernt, Chef-Entwickler des Pharmakonzerns Calenture-Deutz. Als er ihn wenig später in seinem Apartment aufsucht, um einen vergessenen Ordner vorbeizubringen, findet er einen sterbenden Mann vor. In Panik flieht Adam, alle Indizien weisen auf ihn. Er versteckt sich auf Brachland nahe der Themse und muss nun, wie tausend andere in London, im Untergrund, im Verborgenen leben. Schnell hofft er, seine Unschuld zu beweisen, doch ahnt er nicht, welchen Mächten er gegenübersteht. William Boyd erzählt die Geschichte eines Mannes, dem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Er erzählt, welche Kräfte jemand entwickelt, dem alles genommen ist, und welch unerwartete Wege sich in düsterer Stunde auftun. Ein Roman über die Zerbrechlichkeit unserer Identität, in dem Boyd einmal mehr sein großes Können entfaltet. Und wie bei Ruhelos fasziniert er auch hier durch glänzend recherchierte Hintergründe, Glaubwürdigkeit und ein hohes Maß an Authentizität.



    Meine Eindrücke:


    Vorab muss ich anmerken, dass ich hier die nächstens erst noch erscheinende - im Oktober, um genau zu sein - TB-Ausgabe dieses Werkes verlinkt habe, wobei ich also die HC-Ausgabe gelesen habe. Allerdings gefällt mir das Cover des Taschenbuches deutlich besser - interessanterweise weist dieses Cover, welches für mich auf einen kurzweiligen, klassischen Spionageroman hindeutet, auch auf das, in meinen Augen, größte Manko hin.
    Die Kurzbeschreibung in Verbindung mit der Kenntnis eines anderen, wohl des bekanntesten Boyd-Romans, Ruhelos, hat meine Erwartungen nämlich recht eindeutig in ziemlich dieselbe Richtung gehen lassen - leider nur wird dieser Richtung in Einfache Gewitter keineswegs entsprochen. Der Anfang der Geschichte scheint zwar noch genau in dieses Schema zu münden, durch eine Aneinanderreihung von Begebenheiten und Zufällen steht der Protagonist plötzlich in der Misere der klassischen Art: der verheerenden und nicht selbst verschuldeten.
    Vielmehr ist es der Werdegang von Adam Kindred, der ab hier nicht nur nichts mehr mit einem herrlich-spannenden Spionageroman zu tun hat, sondern stattdessen unbefriedigende, weil merkwürdig konstruierte und oft nicht zuende gegangene Abzweigungen in scheinbar gänzlich andere Genres nimmt. So könnte man zwischendurch den Eindruck gewinnen, Boyd wolle den Alltag in Londons Unterschicht schildern, etwa im Sinne eines Hanif Kureishi in Das sag ich dir - das vorübergehende Abtauchen in den Untergrund, wie Kindred es vormals selbst nannte, hat hier gar nichts der eigentlich in diesem Vorhaben mitschwingenden Spannung. Kindred schließt sich so manch merkwürdiger, vom Autor eher nervtötend gezeichneter Gestalt an und verstrickt sich nebenher in völlig wirre Gruppierungen und Verhältnisse, die er irgendwann auf eine Art und Weise löst, die eigentlich gar nicht mehr zum anfangs kennengelernten Protagonisten passt.
    Das Verlangen, sein eigenes, altes Leben zurückzuerlangen ist in Kindred indes beinahe nicht zu erkennen, manchmal denkt er daran, doch sind diese Gedanken in der Schnelligkeit ihres Auftretens nur von der ihres Verschwindens sowie ihrer bagatellhaften Unbedeutsamkeit übertroffen.
    Vor allem aber wirken diese beinahe unmerklich aufflackernden Sehnsüchte der Hauptfigur wie eine lasche Vertröstung des Lesers seitens des Autors, dass, nur Geduld, die Spannung der Handlung schon noch kommen, der Roman schon noch Fahrt aufnehmen werde.


    Ohne jetzt weitere Details zu nennen, die das Ausbleiben dieser erläutern würden, da das zu Spoilern führte, muss ich somit sagen, dass dies einer der schlechtesten Boyds war, die ich bisher gelesen habe, absolut kein Vergleich mit Ruhelos und Eines Menschen Herz, die hielten, was sie versprachen und noch viel, viel mehr und sogar seichter und unbefriedigender als Stars & Bars, der in diesen beiden Charakteristika es zwar durchaus mit Einfache Gewitter aufnehmen kann, aber wenigstens niemals versucht (hat), etwas anderes zu sein.


    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • So unterschiedlich können Meinungen sein! Hier ist meine:


    Dieser Roman war mein erster von William Boyd, aber es wird nicht der letzte gewesen sein. Ich bin schwer beeindruckt von der Intensität des Leseerlebnisses. Adam, ein relativ erfolgreicher Mann im besten Alter muss erfahren, was es bedeutet, wenn einem binnen Minuten das ganze Leben sozusagen abhanden kommt. Er gerät in eine scheinbar alltägliche und unbedeutende Situation und sehr kurze Zeit später ist er der Hauptverdächtige in einem Mordfall. Sehr prägnant beschreibt Boyd die instinktiven Handlungen Adams und ich verfolgte gespannt, wie dieser blitzgescheite Mann sich auf die Grundbedürfnisse eines Menschen besinnen muss. Eine Nacht zuvor machte er sich noch über seinen nächsten Karriereschritt Gedanken, die Nacht darauf verbringt er frierend in einem schmutzigen Versteck unter freiem Himmel. Adam akzeptiert seine Lager allerdings nicht und arbeitet in kleinen Schritten an einem neuen Leben. Dabei begegnet er verschiedenen sehr interessanten Menschen, denen er in seinem früheren Leben ganz sicher nie über den Weg gelaufen wäre.
    Für mich wurde das Buch mit jeder Seite spannender. Es war ein Krimi, eine Gesellschaftsstudie, ein Roman und ein Wirtschaftsthriller in einem. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel mach dieses Buch liest, kann es für jeden etwas anderes sein. Gelungen fand ich auch, dass jemand der offenbar nur ein paar Brocken Englisch spricht, auch genauso im Buch in der wörtlichen Rede dargestellt wurde. Boyd passte die Sprache dem jeweiligen Protagonisten an.


    Fazit:Anhand dieses Buchs können Interessierte die Maslow-Pyramide wunderbar am "praktischen" Beispiel nachempfinden. :breitgrins:


    In Ratten macht das Ganze das Folgende: 4ratten


    Viele Grüße,
    Muertia


    P.S. Danke Hildegunst, mein nächster Boyd wird dann wohl eines der beiden von dir erwähnten Bücher, um einen direkten Vergleich zu haben. Wer weiß, vielleicht ändere ich meine Meinung zu diesem Buch dann evtl. noch. :winken:

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

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    OT: Ordinary Thunderstorms
    OA: 2009
    445 Seiten
    ISBN: 978-3833307010


    Inhalt:


    Adam Kindred muss untertauchen, sofort. Nur Stunden zuvor hat er in einem kleinen italienischen Restaurant in London Philip Wang kennengelernt, Chef-Entwickler eines großen Pharmakonzerns. Als er ihn wenig später in seinem Apartment aufsucht, findet er einen sterbenden Mann vor. In Panik flieht Adam, alle Indizien weisen auf ihn. Er versteckt sich auf Brachland nahe der Themse und muss nun im Untergrund, im Verborgenen leben.Kontakt zur Familie ist nicht möglich, Kreditkarte und Handy darf er nicht benutzen, wenn er unerkannt bleiben will. Mit einem Mal erfährt Adam, wie zerbrechlich seine so sicher geglaubte Identität ist, aber auch, welche Kräfte jemand entwickelt, dem allesgenommen ist.
    (Quelle: Amazon)


    Eigene Meinung:


    Der Klappentext des Buches hörte sich sehr spannend und vielversprechend an und umso größer war meine Enttäuschung, als ich es dann letztendlich las.
    Relativ schnell erahnt man, wie die Zusammenhänge beschaffen sind und nach der Hälfte ist man sich sicher. Der Protagonist ist absolut unglaubwürdig, hinsichtlich der Akzeptanz seiner Situation und der Reaktion auf nachfolgende Ereignisse. Ein promovierter Wissenschaftler, der Zeit seines Lebens in einer heilen Welt lebte, wird sich niemals so schnell mit solchen extrem veränderten Lebensumständen abfinden. Ansonsten empfand ich Story als ausgesprochen langatmig und auch langweilig für ein Buch, welches als Thriller beschrieben wird.


    2ratten


    Tina

  • Meine Meinung
    Kann man untertauchen und sein altes Leben hinter sich lassen? Adam Kindred scheint es geschafft zu haben. Als Hauptverdächtiger bei einem Mord muss er nicht nur vor der Polizei fliehen, sondern auch vor den Tätern. Zuerst lebt er in einem Park, dann arbeitet er sich Stück für Stück in ein normales Leben zurück. Aber seine Verfolger sind ihm immer auf den Fersen.


    Die Schilderungen von Adams Leben auf der Straße und wie er versucht, trotz allem seine Würde nicht zu verlieren, haben mich berührt. Auch seine Zeit mit Mhouse und Ly-on fand ich sehr eindrucksvoll geschrieben.


    Trotzdem ist Ordinary thunderstorms kein Buch, das mich nach dem Lesen und dem Schreiben der Rezi noch lange beschäftigen wird. Das Verbrechen, das Adam aus seinem alten Leben gerissen hat, war am Anfang sehr präsent und hat die Geschichte sehr spannend gemacht. Trotzdem war mir nie ganz klar, warum der Mord passierte und wer hinter dem Ganzen stand. Irgendwann verschwand dieser Teil der Geschichte einfach im Hintergrund. Dabei kam es nie wirklich zu einer Aufklärung, da blieb zu vieles dem Leser überlassen.


    Das gleiche gilt auch für Adams Geschichte. Als ich die letzte Seite gelesen hatte, dachte ich "war es das jetzt?". Für mich war ein eher unbefriedigendes Ende. Trotz des guten Anfangs konnte mich das Buch nicht überzeugen.
    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • "Einfache Gewitter" beginnt wie ein klassischer Schwarz-Weiß-Kino-Thriller: Mann (fremd in der Stadt) trifft zufällig anderen Mann, der vergisst wichtige Unterlagen, er will sie ihm wiederbringen, findet aber nur die Leiche vor und wird dann als Mordverdächtiger von der Polizei aber auch vom wahren Mörder gesucht.


    In Boyds Buch ist dieser Mann Adam Kindred, ein Wetterforscher, der zu einem Vorstellungsgespräch aus den USA in seine alte Heimat London gereist ist. Das zwar etwas Seltsame, aber doch interessant zu Lesende an diesem Buch ist, wie schnell Adam sich mit seinem neuen Leben als Mann ohne Papiere und ohne Geld abfindet und zu einem geschickten Obdachlosen wird. Er ist zwar entschlossen, die Umstände um den Mord (gewinnbringende Medizinforschung) aufzuklären, hat aber kein wirkliches Interesse daran, in sein altes Leben zurückzukehren. Boyd beachtet dabei all die Gefahren für einen Untergetauchten in unserer digitalisierten Welt, wo es darauf zu achten gilt, keine Spuren zu hinterlassen.


    Das pseudoromantische Ende gefiel mir allerdings nicht so sehr und das für meine deutschen Augen dabei vorhandene Logikloch störte mich auch. Dass es für einen Engländer normal ist keinen Pass o.ä. zu haben, macht Adams neue Identität inkl. italienischem Pass zwar etwas zukunftssicherer – er wird ihn vermutlich nicht mal bei seiner (im Raum stehenden) Hochzeit vorzeigen müssen…. , aber für mich klingt das dann doch unlogisch.


    „Einfache Gewitter“ ist nicht der bisher beste Boyd, den ich gelesen habe, aber allemal gute Unterhaltung und hat mich dazu motiviert, mir das nächste Buch des Autors anzuschaffen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: