Alexander Solschenizyn - Der erste Kreis der Hölle

Es gibt 20 Antworten in diesem Thema, welches 8.055 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tammy1982.

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich lese gerade an diesem Buch von Alexander Solschenizyn, da ich es mir bereits sehr lange von meinen Eltern ausgeliehen habe und es endlich mal lesen wollte (und ich es dann tatsächlich auf die TAMKA-Liste gesetzt habe :ohnmacht:).


    Alexander Solschenizyn: "Der erste Kreis der Hölle"

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    Ich lese jedoch eine Ausgabe von 1974 und weiß jetzt ehrlich gesagt gar nicht, ob das noch die "entschärfte" Version von Alexander Solschenizyn ist oder bereits die komplette. Mein Buch hat auch schon 762 Seiten... :gruebel:


    Kurzbeschreibung:
    Solschenizyn hat in diesem großen Roman, desse Titel er Dantes "Göttlicher Komödie" entlieh, weit über das Thema des Einzelnen hinaus da sPorträt einer Epoche entworfen: es ist blutig, ohne Hoffnung, voller Gemeinheit, aber auch voller Würde. Mit einer ungemeinen, in der Übersicht des Panoramas erstaunlichen Kunstfertigkeit fasst Solschenizyn zahllose Einzelschicksale zusammen. Zwar spielt auch dieses Buch in einem Lager, in dem eingekerkerte Wissenschaftler technische Instrumente erfinden und entwickeln, doch die Erinnerung der verschiedenen Personen wendet sich nach den Jahren des Krieges der Vorkriegszeit zu, repetiert Leiden und Aufstände, Hoffnungen und Niederlagen. Dieser Roman hat keinen "Helden". Der Held ist die Epoche. Es gelingt Solschenizyn, die sowjetische Politik, vor allem nach dem Kriege (bis zu Stalins Tod), in ihren Auswirkungen auf die Menschen deutlich zu machen.


    Bis jetzt ist das Buch wahrlich keine leichte Kost. Der Autor lässt die Protagonisten in dem Lager teilweise über Seiten hinweg philosophische Diskurse führen, die abrupt eine andere Richtung einschlagen und viele Stellen musste ich daher bereits mehr als einmal lesen. Erschwerend sind für mich auch noch die ganzen russischen Namen, bei denen dann auch noch die Anrede variieren kann, so dass ich auch öfters das Personenverzeichnis (das es zum Glück gleich vorne gibt!) zu Rate ziehen muss, welche Person denn das jetzt überhaupt ist.


    Bereits aber auf den ersten Seiten nimmt Solschnizyn Bezug auf den Titel des Romans: "Der erste Kreis der Hölle". Die Inhaftierten befinden sich alle in der Hölle, ABER das Lager für die Wissenschaftlicher ist der erste Kreis, da es ihnen da noch verhältnismäßig gut geht.


    Ich bin zwar erst auf S. 71, aber mir ist jetzt schon klar, wieso der Autor einen Literaturnobelpreis erhalten hat. Davon abgesehen, dass er natürlich das ungerechte System in Russland unter Stalin anprangert, ist die Schreibweise sehr anspruchsvoll und außerdem lässt er die Protagonisten in ihren philosphischen Exkursen bekannte Schriftsteller, wie z. B. Goethe zitieren und als Vergleich heranziehen.


    An der Lektüre werde ich wohl länger arbeiten! :schwitz:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Hi Tammy,
    ich werde diesen Thread auf alle Fälle verfolgen - das Buch wurde mir nämlich schon vor langer, langer Zeit empfohlen, aber ich habe mich bisher nicht herangewagt, obwohl es mich immer wieder mal reizt! :winken:

    [color=darkblue]"Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b

  • Hallo Ihr Lieben,



    ich werde diesen Thread auf alle Fälle verfolgen - das Buch wurde mir nämlich schon vor langer, langer Zeit empfohlen, aber ich habe mich bisher nicht herangewagt, obwohl es mich immer wieder mal reizt! :winken:


    Das ist ja schön zu lesen! Das motiviert mich ja dann gleich, dass ich auch schön weiterlese und poste! :klatschen: :zwinker:
    Habe das Buch ja auch schon seit ein paar Jahren offiziell auf meinem SUB und schon seit Ewigkeiten hängen mir meine Eltern in den Ohren, dass ich das UNBEDINGT lesen muss, habe mich aber auch nicht immer so richtig heran gewagt - bis JETZT! :breitgrins: :zwinker:


    So, bin jetzt mittlerweile schon auf S. 142 und damit in Kapitel 20. Etwas was ich ganz angenehm finde, ist, dass das Buch in ziemlich viele Kapitel mit ganz lustigen, aber immer passenden Überschriften, unterteilt ist. Das Kapitel, das ich gerade lese heißt z. B.: "Geben Sie uns die Todesstrafe zurück, Jossif Wissarionowitsch" (=Stalin). Und der Inhalt des Kapitels passt bis jetzt immer zu der Überschrift...


    Die letzten Seiten durfte ich die Gedanken und Gefühle von dem 70jährigen Stalin verfolgen und bin doch etwas entsetzt: Der Gute leidet an einem unheilbaren Misstrauen und ist der festen Überzeugung, dass jeder gegen ist, weswegen er fast alle engen Mitarbeiter, Minister etc. früher oder später entweder umbringen oder in Lager versetzen lässt! :entsetzt:


    Sehr spannend ist dabei, dass man gleichzeitig auch noch die Sicht eines Ministers lesen darf, der zitternd und bibbernd seinen monatlichen (!!!) Bericht bei Stalin abliefert und jedesmal nicht weiß, ob er den Bericht überlebt oder nicht... :entsetzt: Das ist echt übel!


    Insgesamt ist das Buch ist sehr erschreckend: Diese Willkür, mit der die Leute - egal, was sie gemacht haben - einfach in ein Lager gesteckt werden und dann gleich mit so Fristen von bis zu 25 Jahren bestraft werden. 25 Jahre im Lager!!! Weil sie angeblich gegen Stalin sind oder die beste Begründung ist noch: Jeder, der in Kriegsgefangenschaft war, kommt automatisch, sobald er wieder in der Heimat ist, in ein Lager, da er sich eindeutig mit dem Feind verbündet hat! :krank:


    Und diese Passage gibt einen, finde ich, guten Einblick in Stalin's kranke Wahrnehmung:
    "Er stand an der Schwelle des achten Lebensjahrzehnts, durfte das große Werk nicht weiter hinausschieben.
    Schon schien es, als sei alles für die Unsterblichkeit getan...
    Aber Stalin fühlte sich von seinen Zeitgenossen, obwohl sie ihn den Weisesten der Weisen nannten, noch nicht nach Verdienst bewundert. Ihre Begeisterung wirkte oberflächlich, so als würden sie die Größe seines Genies nicht erkennen."
    Was soll man dazu noch sagen? :entsetzt:


    Denn in den vorhergehenden Kapitel liest man über die Zustände in den Lagern und wie wahllos und willkürlich die Leute eingekerkert werden... Zum Glück lebe ich in einem anderen Land, zu einer anderen Zeit...


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • :popcorn:
    Ich verfolge das jetzt auch gespannt und sehr interessiert. Vielleicht wage ich mich ja dann endlich einmal an den Archipel GULAG heran.

    "Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit." A. Schopenhauer

    :blume::engel::katze:

  • Hallo Ihr Lieben,


    sandi: Herzlich Willkommen im ersten Kreis der Hölle - äh in der ersten Reihe natürlich! :elch: :winken: Freut mich sehr, so steigt doch gleich die Motivation!


    ABER ich kann berichten, dass ich noch ein paar Seiten weiter gelesen habe und mittlerweile auf S. 186 und mitten im Kapitel "Holzsägen" stecke! Das Buch hat mich mittlerweile auch ganz schön gepackt, an die ganzen russischen Namen und Bezeichnungen habe ich mich auch gewöhnt und bin einfach nur entsetzt, was sich da für Abgründe und Schicksale auftun.


    Jetzt auch in diesem so nett überschriebenen Kapitel mit "Holzsägen", steht v. a. ein Häftling im Mittelpunkt, der für sich das Recht erkämpft hat, dass er in der Früh alleine ohne Bewachung Holz sägen und hacken darf! :entsetzt: Alleine nur aus der Freude, wenn man eine freiwillige Arbeit verrichten darf und an der frischen Luft ist! Er ist auf unabsehbare Zeit zur Lagerhaft verurteilt, bereits seit 12 Jahren im Lager und seinen Sohn hat er noch nie gesehen und seine Frau hat mittlerweile jeden Kontakt zu ihm abgebrochen, da sie immer ihren Job verloren hat, sobald heraus gekommen ist, dass ihr Mann verurteilt ist! :entsetzt: Das ist so grausam und furchtbar... Ich finde gar keine Worte! :grmpf:


    Und ein paar Kapitel davor "durfte" ich als Leser ja die Gedankengänge von Stalin verfolgen, die sich nur um sein verkanntes Genie und darum drehen, wen er wann ins Lager schicken muss und wer noch verhaftet werden muss... :entsetzt:


    Aber Stalin macht sich Gedanken darüber, ob er denn jetzt schon fast Gott ist oder ob es doch einen Gott gibt. Obwohl er alles hat unternehmen lassen, dass nachgewiesen wird, dass es keinen Gott gibt! Dazu ein schönes Zitat:"Längst war bewiesen, was nötig war [dass es keinen Gott gibt]; und was störte - war widerlegt worden."


    So, ich bin jetzt die nächste Woche im Urlaub, ich melde mich dann nächsten Freitag wieder! :winken:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Tammy, deine Eindrücke zu lesen macht wirklich Spaß ... und die Zitate beeindrucken mich ziemlich! Ich glaube, der Lesezeitpunkt ist bei diesem Buch ganz wichtig, aber wenn der passt, könnte das auf jeden Fall etwas für mich sein!

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  • Hallo Ihr Lieben,



    Tammy, deine Eindrücke zu lesen macht wirklich Spaß ... und die Zitate beeindrucken mich ziemlich! Ich glaube, der Lesezeitpunkt ist bei diesem Buch ganz wichtig, aber wenn der passt, könnte das auf jeden Fall etwas für mich sein!


    Das freut mich sehr! Ja, ich denke, man muss sich wirklich auf das Buch einlassen wollen! Dann lässt es einen nicht mehr los, aber ich empfinde es auch als ziemlich harte Kost.


    Habe weitergelesen, bin noch nicht ganz bei der Hälfte, aber jetzt so auf S. 339.. Die Sicht hat wieder zu den Gefangenen gewechselt und ich muss sagen, einige der Kapitel haben mich ganz schön lange beschäftigt. Beschrieben wird über Kapitel hinweg das Wiedersehen der Häftlinge mit ihren Frauen. Teilweise durften sie sich nur einmal im Jahr, wenn überhaupt sehen und dann nur für knapp eine halbe, höchstens eine ganze Stunde! :entsetzt:
    Das ist total furchtbar. Sowohl aus Sicht des Häftlings, als auch aus Sicht der Frauen erfährt man, wie beide Seiten dem Wiedersehen entgegen fiebern, sich Listen machen, was sie sagen wollen und dann ist die Zeit doch viel zu kurz.


    Die Häftlinge dürfen natürlich GAR NICHTS sagen, ist alles streng geheim und sie müssen sich vorher auch quasi kostümieren, damit die Frauen denken ihnen geht es gut.
    Besonders mitgenommen haben mich dabei 2 Dinge: Zum einen bekommen die Frauen schriftlich auf einer Postkarte (!!!) mitgeteilt, wann und in welchem Gefängnis (die Frauen dürfen oft nicht genau wissen, in welchem Gefängnis ihre Männer sind, daher ist es immer wieder ein anderes) sie ihren Mann treffen dürfen. Das Ganze auf einer Postkarte, damit sichergestellt ist, dass der Postbote und auch die ganzen anderen Bewohner des Hauses wissen, dass sie die Frau eines "Verbrechers" ist. Die Frauen sind dann den schlimmsten Schikanen ausgesetzt: Verlieren ihren Job, werden aus der Wohnun geschmissen, werden beleidigt, verhöhnt, etc.! Unvorstellbar! :grmpf: :entsetzt:


    Und dann dürfen sie sich endlich sehen, für 30 Minuten, vielleicht eine Stunde. Dabei sind sie streng bewacht von einem Aufseher, der das Treffen sofort abbricht, wenn über etwas "Verbotenes" gesprochen wird. Mann und Frau sitzen sich an einem Tisch gegenüber, unter dem Tisch ist ein Gitter angebracht, damit sich ihre Beine ja nicht berühren (!!!) und dann wird jetzt auch noch das Verbot ausgegeben, dass sie sich nicht einmal mehr die Hand geben, geschweige denn sich küssen dürfen... :entsetzt: :entsetzt: :entsetzt: Das ist einfach nur noch grausam!


    Und hier noch ein Zitat, dass den gesamten Irrsinn und die Paranoia dieses Systems ironisch darstellt: "Kein Gefangener hatte das Recht eine Sekunde ohne Aufsicht durch einen "Freien" [das sind Mitarbeiter, die nur dafür da sind auf die Gefangenen aufzupassen] an seinem Arbeitsplatz zu bleiben, weil man befürchten mußte, daß der Gefangene diese unbeaufsichtigte Sekunde benutzen würde, um mit Hilfe eines Bleistifts den Eisenschrank mit den Geheimdokumenten aufzubrechen, sie mit einem Hosenknopf zu fotografieren, eine Atombombe zur Explosion zu bringen und auf den Mond zu fliegen."
    Total bekloppt, aber davon wurde wirklich ausgegangen... :vogelzeigen:


    Noch etwas Übles zum Schluss: Es gab wohl ein Gefängnis, da bekamen die Gefangenen nicht so eine üble Gefängniskost, sondern ganz normales leckeres Essen: Also Steak etc. ABER immer nur in so kleinen Mengen, dass sie NIE satt werden konnten, sondern immer nur Hunger auf mehr bekommen haben und ihnen immer wieder vor Augen geführt wurde, was sie verloren haben. Das Ergebnis: Die Gefangenen sind reihenweise durchgedreht! :entsetzt:


    Einfach unbeschreiblich...


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

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  • Hallo Ihr Lieben,


    mühsam ernährt sich das Eichhörnchen...


    Bin auf S. 474 angekommen. Teilweise hat das Buch seine Längen, teilweise rüttelt es mich dann so auf, dass ich es zur Seite legen und erstmal verdauen muss. In einem teilweise schon fast spielerischem Tonfall darf man als Leser miterleben, wie die Gefangenen ein Gerichtsverfahren "nachspielen" und ist nur noch entsetzt, welche Anschuldigungen da vorgebracht worden sind. (Die Gefangenen machen das zwar zu ihrem "Vergnügen", aber alle haben genau so ein Verfahren erlebt)! :entsetzt:
    Anschuldigung: Landesverrat! Begangen während des Krieges bzw. zu Kriegsende und zwar wurde ja erklärt, dass alle Kriegsgefangenen, die entlassen und nach Russland zurück gekommen sind, sind Landesverräter, da: Sie ja nur entlassen wurden, weil sie sich mit dem Feind verbündet haben und deswegen sind sie auch zurück nach Russland gekommen, um die Heimat auszuspionieren. Aus welchem Grund sonst, sollten sie denn sonst nach Hause zurück kommen??? :entsetzt: :vogelzeigen: Und für diese Anschuldigung, wurden die Männer für 25 (!!!) Jahre ins Lager geschickt!!!!


    Und das letzte Kapitel, dass ich gerade gelesen habe, hat mich auch so mitgenommen. Eine kleine Geschichte aus einen der wirklich üblen Gefängnisse, dem sog. Butyrka-Gefängnis: Die Zellen wurden mal für 25 Mann angelegt. Als es immer mehr Gefangene gab, wurden einfach Pritschen hinein gestellt und alles verriegelt und schließlich passten 75 (!!!) Mann in eine Zelle. In so eine Zelle stürmen eines Nachts die Wachen. 50 Gefangene werden auf die anderen Zellen verteilt, 25 in den Waschraum geschickt. Im Waschraum werden sie auf einmal wie die Götter behandelt: Dürfen ihre Frisur und ihren Bart selber entscheiden, sich mit richtiger Seife waschen und erhalten Luxus-Klamotten und richtig viel zu Essen. Zurück in ihrer Zelle, denken sie sie sind im Himmel: Gemachte Betten, bunt gestrichene Wände etc. Und dann kommt die Auflösung: Eine Abgeordnete aus Amerika, die sich für Menschenrechte stark macht, hat darauf bestanden das Gefängnis zu besichtigen und "rein zufällig" wird ihr die erstbeste Zelle (natürlich die manipulierte) gezeigt.... :entsetzt:
    Sie ist total begeistert und kaum ist sie weg, müssen die Sträflinge wieder ihre kaputten Sachen anziehen, werden kahl geschoren und wieder zu 75. in eine Zelle gesperrt, die mittlerweile keine Betten und auch keine Farbe mehr hat... :entsetzt:


    Ohne Worte...


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

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  • Ja, ich denke, man muss sich wirklich auf das Buch einlassen wollen! Dann lässt es einen nicht mehr los, aber ich empfinde es auch als ziemlich harte Kost.


    Ich lese auch gerade, was du hier schreibst und musste gleich an das Buch denken, das ich bisher von demselben Autor gelesen hatte: Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch. Das ist zwar viel dünner und entsprechend schneller gelesen, aber da ging es mir dann auch so, dass ich trotz des heftigen Inhalts immer weiterlesen musste. Ich musste da echt oft schlucken, obwohl eigentlich gar nicht viel passierte, aber wie der Protagonist seinen Alltag beschrieb, die kleinen Siege, wenn er etwas mehr Brot horten konnte, oder ein paar Schuhe reparierte oder sich voll Elan in einen sinnlosen Mauerbau verbiss, deren Fertigstellung ihm total wichtig war, dann zeigte das richtig deutlich, was mit den Menschen dort im Lager passierte. Grausam.

  • @Tammy: Oh mein Gott ... meint ihr, Menschenrechtsvertreter werden heute vielleicht auch noch so ausgetrickst!?


    Heimfinderin: Das klingt ja auch interessant ... ehrlich gesagt weiß ich von Solschenizyn nicht viel mehr als seinen Namen und ein paar Buchtitel. Befasst sich sein komplettes Werk mit dieser Thematik?

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  • @Tammy: Oh mein Gott ... meint ihr, Menschenrechtsvertreter werden heute vielleicht auch noch so ausgetrickst!?


    Sicher. Genauso wie Inspekteure der Internationale Atomenergie-Organisation. Oder Kontrolleure für die Standards der International Labour Organization. Oft wird man wissen, daß es sich um einen Trick, um Schönfärberei handelt, aber das nachzuweisen ist halt nicht immer ganz einfach ...


  • Heimfinderin: Das klingt ja auch interessant ...


    Ja, das war irgendwie eindringlich, weil das, was aus der Sicht des Protagonisten passierte für diesen so normal war und von ihm auch so rüberkam. Seine Gedanken wirkten teilweise so naiv und der Situation gar nicht gerecht und genau das war so schlimm. Dieses sich einfügen in diese Situation und das Lager als normal ansehen... und ich als Leser das ja ganz anders empfand. Ich habe noch lange über das Buch nachgedacht.

  • Hallo Ihr Lieben,


    Ja, das war irgendwie eindringlich, weil das, was aus der Sicht des Protagonisten passierte für diesen so normal war und von ihm auch so rüberkam. Seine Gedanken wirkten teilweise so naiv und der Situation gar nicht gerecht und genau das war so schlimm. Dieses sich einfügen in diese Situation und das Lager als normal ansehen... und ich als Leser das ja ganz anders empfand. Ich habe noch lange über das Buch nachgedacht.


    Das kann ich im Moment richtig gut nachvollziehen. Auch hier bin ich immer total entsetzt darüber, wie ungerecht, die Menschen behandelt werden und wie wahllos die Menschen in ein Lager verbannt werden! :entsetzt: Aber wahrscheinlich stumpft man irgendwann so ab oder kann vielleicht auch nur überleben, wenn man so wird? :entsetzt:
    Alexander Solchenizyn saß ja selber lange Jahre in verschiedenen Lagern... :entsetzt:



    Ich musste da echt oft schlucken, obwohl eigentlich gar nicht viel passierte, aber wie der Protagonist seinen Alltag beschrieb, die kleinen Siege, wenn er etwas mehr Brot horten konnte, oder ein paar Schuhe reparierte oder sich voll Elan in einen sinnlosen Mauerbau verbiss, deren Fertigstellung ihm total wichtig war, dann zeigte das richtig deutlich, was mit den Menschen dort im Lager passierte. Grausam.


    Das trifft es ziemlich genau: grausam! Und genau wie du schreibst: Diese kleinen "Siege", diese sinnlosen Aktionen in die die Sträflinge sich verbeißen... Für mich echt schlimm zu lesen... V. a. die gesamte Hoffnungslosigkeit macht mich so fertig: Es gibt keine Möglichkeit zur Flucht, keine frühzeitigen Entlassungen (wenn du früher entlassen wirst, buchten sie dich kurze Zeit darauf bestimmt wieder ein), einfach so keinen Ausweg.... :entsetzt: :entsetzt: :entsetzt:


    Sicher. Genauso wie Inspekteure der Internationale Atomenergie-Organisation. Oder Kontrolleure für die Standards der International Labour Organization. Oft wird man wissen, daß es sich um einen Trick, um Schönfärberei handelt, aber das nachzuweisen ist halt nicht immer ganz einfach ...


    Da hast du Recht. Ich muss gestehen, als ich dieses Kapitel über die Irreführung der Menschenrechtlerin gelesen habe, habe ich gar nicht weiter gedacht, da ich so entsetzt war, was diese armen Häftlinge mitmachen müssen, aber du hast Recht: Auch heute noch werden bestimmt in einigen Ländern Inspektoren oder andere Personen geschickt hinters Licht geführt. Wenn man sich das so überlegt, ist das echt der Wahnsinn!!!!



    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)


  • Ich lese jedoch eine Ausgabe von 1974 und weiß jetzt ehrlich gesagt gar nicht, ob das noch die "entschärfte" Version von Alexander Solschenizyn ist oder bereits die komplette. Mein Buch hat auch schon 762 Seiten... :gruebel:


    Das dürfte die gekürzte Version sein. Die vollständige erschien erst 1978 auf Russisch und noch viel später in Übersetzungen. Ganz sicher feststellen kannst du das aber durch einen Blick aufs Inhaltsverzeichnis: Die zensierte Version hat 87 Kapitel, die vollständige 96. (Ich hoffe, deine Kapitel sind nummeriert.)


    [hr]


    Ich habe gestern mit der erstmalig letztes Jahr erschienenen schwedischen Komplettfassung begonnen. "I den första kretsen" (Im ersten Kreis) heißt diese Ausgabe, im Gegensatz zu der gekürzten Ausgabe, die "Den första kretsen" (Der erste Kreis) heißt. Der Teufel liegt im Detail :spinnen: .


    Vor Jahrzehnten, noch in den Siebzigern habe ich schon mal die zensierte deutsche Übersetzung gelesen. Damals hat mich das Buch gleichermaßen schockiert und fasziniert, allerdings habe nur noch sehr fragmentarische Erinnerungen an das Buch. Ich hatte es aus dem Regal meines älteren Bruders geliehen, also nie selbst besessen, weswegen ich, als es hier in Schweden wieder neu aufgelegt wurde, sofort zugriff. Das Problem mit Solschenizyns selbst zensierter Fassung wurde mir erst beim Lesen der Vorwortes bewusst.


    Meine Ausgabe ist schön aufgemacht, leider aber geklebt und nicht fadengebunden. Versehen ist sie mit einem Vorwort, das auf die Entstehungsgeschichte des Buches eingeht (den Absatz über die Unterschiede der beiden Versionen habe ich aus Spoilergründen übersprungen), ein Vorwort des Übersetzers, ein Personenverzeichnis (bei russischen Brocken immer besonders notwendig) und einer mehrseitigen Liste mit Worterklärungen, bei der die einzelnen Erklärungen aber arg kurz ausgefallen sind. Da hätte ich mir oft etwas ausführlichere Informationen gewünscht.


    Ich habe bisher die ersten 18 Kapitel gelesen. Ein wenig schwirrt mir noch der Kopf ob der vielen kurz eingeführten Personen, aber die Hauptpersonen haben sich mit Gleb Nerschin (laut Vorwort Solschenyzins Alter Ego) und Lew Rubin (=Lew Kopelew) schon herauskristallisiert.


    Bisher gefällt mir das Buch gut. Gerade die Abschnitte, in denen die Männer wild durcheinander reden, ohne dass im Einzelnen angegeben wird, wer was sagt, finde ich faszinierend. Sehr viel über die Lebensbedingungen im Lager wird dort deutlich. Schlimm war natürlich der Anfang, in dem ein Neuankömmling sich wegen der 40 Gramm Butter und dem in unbegrenzten Mengen erhältlichen dunklen Brot wie im Paradies fühlt. Auf mich wirken solche indirekten Beschreibungen grauenhafter Zustände oft intensiver als eine detaillierte Darstellung. Dass sich diese Scharaschka aber eben doch nur graduell, aber nicht im Prinzip von anderen Lagern unterscheidet, dürfte im Folgenden noch deutlich genug werden.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Guten Morgen,


    ich danke euch von Herzen für diese interessante Diskussion. Ich lese sehr eifrig mit und so kommt ein Buch auf meinen Wunschzettel, das ich da nie vermutet hätte. :winken:


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Hallo Ihr Lieben,


    Saltanah: Das ist ja super, dass du mit einsteigst! :klatschen: Da steigt bei mir doch gleich die Motivation! :klatschen: :klatschen: :klatschen: Obwohl ich ja sagen muss, dass es gar nicht die fehlende Motivation ist, die mich das Buch immer wieder zur Seite legen lässt, sondern diese Grausamkeiten, über die ich da lese, die ich echt immer erstmal verdauen muss!



    Das dürfte die gekürzte Version sein. Die vollständige erschien erst 1978 auf Russisch und noch viel später in Übersetzungen. Ganz sicher feststellen kannst du das aber durch einen Blick aufs Inhaltsverzeichnis: Die zensierte Version hat 87 Kapitel, die vollständige 96. (Ich hoffe, deine Kapitel sind nummeriert.)


    Ich habe das Buch gerade nicht da, muss heute Abend mal nachsehen. Danke für den Hinweis! :winken:



    ein Personenverzeichnis (bei russischen Brocken immer besonders notwendig) und einer mehrseitigen Liste mit Worterklärungen, bei der die einzelnen Erklärungen aber arg kurz ausgefallen sind. Da hätte ich mir oft etwas ausführlichere Informationen gewünscht.


    Das Personenverzeichnis empfand ich auch, gerade zu Beginn, als sehr hilfreich, da ich auch über die ganzen russischen Namen gestolpert bin und die erstmal alle einsortieren musste. V. a. da sie ja auch noch verschieden angeredet werden: Also einmal mit Vornamen, dann mit Spitznamen, dann mit Nachnamen... :gruebel:
    Eine Übersicht von Erklärungen habe ich gar nicht in meiner Fassung! :heul: Die habe ich mir schon öfters gewünscht. Die Begriffe erklären sich bei mir dann zwar im Text oder als Fußzeile, aber es ist mühsam, den Ort wieder zu finden, wo der Begriff dann in einer Fußzeile mal erklärt wurde.



    Gerade die Abschnitte, in denen die Männer wild durcheinander reden, ohne dass im Einzelnen angegeben wird, wer was sagt, finde ich faszinierend. Sehr viel über die Lebensbedingungen im Lager wird dort deutlich. Schlimm war natürlich der Anfang, in dem ein Neuankömmling sich wegen der 40 Gramm Butter und dem in unbegrenzten Mengen erhältlichen dunklen Brot wie im Paradies fühlt. Auf mich wirken solche indirekten Beschreibungen grauenhafter Zustände oft intensiver als eine detaillierte Darstellung. Dass sich diese Scharaschka aber eben doch nur graduell, aber nicht im Prinzip von anderen Lagern unterscheidet, dürfte im Folgenden noch deutlich genug werden.


    Ja, diese Abschnitte in denen alle wild durcheinander reden, finde ich auch sehr interessant. Zuerst war es sehr verwirrend, aber der Autor schafft es in diesem Durcheinander sehr viel über die Lager zu erzählen!
    Der Unterschied zwischen der Scharaschka und einem Lager wird im Laufe des Buches immer deutlicher. Ich muss sagen, im Vergleich zu einem Lager befinden sich die Häftlinge in der Scharaschka wirklich in einem Paradies oder eben Im ersten Kreis der Hölle... :entsetzt:



    Ein wenig schwirrt mir noch der Kopf ob der vielen kurz eingeführten Personen, aber die Hauptpersonen haben sich mit Gleb Nerschin (laut Vorwort Solschenyzins Alter Ego) und Lew Rubin (=Lew Kopelew) schon herauskristallisiert.


    Dieses tolle Vorwort habe ich auch nicht :sauer:, daher danke für die Info, dass Gleb das Alter Ego von Solschnyzin darstellt! :bussi: Das ist ja sehr interessant! Macht aber viele Details noch grausamer... :entsetzt:



    ich danke euch von Herzen für diese interessante Diskussion. Ich lese sehr eifrig mit und so kommt ein Buch auf meinen Wunschzettel, das ich da nie vermutet hätte. :winken:


    :breitgrins: Das freut mich natürlich sehr! :winken:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Nach knapp der Hälfte bin ich nun an der Szene angelangt, an die ich mich nach 30 Jahren noch am deutlichsten erinnere. Schon interessant, was im Gedächtnis hängen bleibt.


    Es handelt sich um die Szene, in der einer der Gefangenen mit Wissen vieler anderer Gefangener zum Spitzel wird, um die anderen Spitzel ausspionieren zu können. Daran und auch an die Komplikationen, die dies mit sich bringt, erinnere ich mich noch gut, nur wurde in meinem Kopf das Setting ein anderes: Ich hätte schwören können, dass dies sich in einem Arbeitslager in Sibirien abspielt, so wie ich überhaupt davon überzeugt war, auch dieses "paradiesische" Forschungslager hätte sich in den sibirischen Wäldern befunden. Dass es in Moskau liegt, kam als totale Überraschung.


    Mich überrascht auch, ein wie geringer Teil des Buches eigentlich im Lager selbst spielt. Dass so weit ausholend die Hintergründe der Insassen und auch anderer Personen geschildert werden, hatte ich so nicht mehr im Kopf, schon gar nicht, dass auch Stalin selbst mehrere Kapitel lang die Hauptperson ist.
    Aber irgendwie muss man ja die vielen Seiten füllen - und so wird es viel mehr als eine Lagergeschichte. Es wird ein ganz schön umfassendes Bild der Sowjetunion gezeichnet. Stellenweise für meinen Geschmack ein wenig zu umfassend, aber dann doch immer wieder fesselnd.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo Saltanah,



    Es handelt sich um die Szene, in der einer der Gefangenen mit Wissen vieler anderer Gefangener zum Spitzel wird, um die anderen Spitzel ausspionieren zu können. Daran und auch an die Komplikationen, die dies mit sich bringt, erinnere ich mich noch gut, nur wurde in meinem Kopf das Setting ein anderes: Ich hätte schwören können, dass dies sich in einem Arbeitslager in Sibirien abspielt, so wie ich überhaupt davon überzeugt war, auch dieses "paradiesische" Forschungslager hätte sich in den sibirischen Wäldern befunden. Dass es in Moskau liegt, kam als totale Überraschung.


    Diese Szene mit dem Häftling, der eigentlich ehrlich sein möchte und sich schließlich doch nur ins Abseits befördert, empfand ich auch wieder als ein weiteres Detail, der Umstände, die da vorgeherrscht haben. Ich finde das einfach so hart, wenn ich mir das überlege: Die sitzen eh schon im Gefängnis, kommen da nicht weg und dann können sie sich gegenseitig nicht trauen, weil jeder von ihnen kann doch wieder ein Spitzel sein! Ein total irres und gleichzeitig grausames System! :vogelzeigen::grmpf:



    Mich überrascht auch, ein wie geringer Teil des Buches eigentlich im Lager selbst spielt. Dass so weit ausholend die Hintergründe der Insassen und auch anderer Personen geschildert werden, hatte ich so nicht mehr im Kopf, schon gar nicht, dass auch Stalin selbst mehrere Kapitel lang die Hauptperson ist.
    Aber irgendwie muss man ja die vielen Seiten füllen - und so wird es viel mehr als eine Lagergeschichte. Es wird ein ganz schön umfassendes Bild der Sowjetunion gezeichnet. Stellenweise für meinen Geschmack ein wenig zu umfassend, aber dann doch immer wieder fesselnd.


    Das stimmt! Der Leser erhält ein Gesamtbild. Das Lager tritt eher in den Hintergrund und man erlebt eher, wie dieses System abläuft. Ich finde das total interessant - auch der Einblick in Stalin's Innenleben, hat mir gut gefallen - aber gleichzeitig ist das doch ganz schön schwerer Stoff! :entsetzt:


    Ich habe jetzt übrigens nachgesehen, ich habe die gekürzte Version mit nur 87 Kapiteln. Würdest du ein bisschen was von dem Vorwort erzählen, wo genau der Unterschied zwischen den beiden Versionen liegt? Auch gerne als Spoiler, falls ich es erst gegen Ende lesen sollte? Das wäre super! :bussi:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Hallo Ihr Lieben,


    so, man glaubt es nicht, aber seit ein paar Tagen bin ich mit dem Buch durch! :schwitz: Einige Kapitel waren dann doch noch ganz schön zäh, da die handelnden Personen oft und gerne irgendwelche hoch-philosphischen Diskussionen geführt haben. Diesen Diskussionen zu folgen empfand ich teilweise als sehr anstrengend, v. a. da für mich die Themen nicht immer nachvollziehbar waren und viele Diskussionen nur aus Liebe am Disput geführt worden sind. Teilweise haben diese Diskussionen dann aber doch eine überraschende Wendung vollzogen.


    Alles in allem tue ich mich sehr schwer ein Gesamtfazit abzugeben. Im Mittelpunkt des Buches stehen weniger bestimmte Personen, sondern ein totalitäres System, das auf Überwachung und Spitzelwirtschaft basiert und in dem einfach jeder irgendwann Opfer ist. Egal wie sich jemand verhält, egal wie treu er dem Kommunismus bzw. v. a. Stalin ergeben ist, früher oder später landet jeder in einem Lager. Dabei kann es sich einfach nur um die Missgunst von Nachbarn handeln, die einen anzeigen, ein Irrtum oder einfach Pech. Sehr sehr selten trifft es wirklich einen Staatsverräter.


    Entsprechend leben die Menschen in ständiger Angst vor dem System und am Beispiel eines Diplomaten, der am Anfang auftaucht und am Ende, wird klar deutlich, wie schnell man einfach alles verlieren kann. Durch die Präzision des Systems gibt man früher auf, als man es für möglich erachtet hätte. Man wird so lange nach den gleichen banalen Dingen gefragt, mit den gleichen banalen Handlungen konfrontiert, bis man gebrochen ist. Und dann wehrt sich keiner mehr bzw. es zahlt sich auch nicht aus, sich zu wehren, weil dann werden aus 10 Jahre Lager gleich mal 25 Jahre und das Leben ist vorbei.


    Dieses Buch zu lesen, ist wirklich keine leichte Kost und auch wenn der Autor teilweise einen schon fast komisch ironischen Ton anschlägt, ist mir das Buch oft ganz schön an die Nieren gegangen. Die gesamte Hoffnungslosigkeit der Lage der Menschen und v. a. der Häftlinge und ihrer Verwandten, wird oft nur durch ein paar Sätze deutlich und haben sich bei mir sofort eingebrannt.
    Dieses ewige Misstrauen gegen jeden und alles und diese Spitzelwirtschaft, wobei einfach jeder ein Spitzel sein kann und keiner weiß, was der andere über ihn erzählt, hat mich schon beim Lesen ganz mürbe gemacht.


    Das Buch endet dann auch noch nicht mit einem kleinen Hoffnungsschimmer, sondern gerade als man denkt schlimmer kann es nicht mehr kommen, kommt die gesamte Härte dieses irren Systems zum Tragen.


    Die Fähigkeit des Autors über all diese Dinge mit einem teilweise wirklichen Augenzwinkern zu schreiben, nötigt mir hohen Respekt ab, v. a. angesichts der Tatsache, dass er diesen Irrsinn selber miterlebt hat. Ich kann nachvollziehen, wieso der Autor einen Nobelpreis erhalten hat und ich kann auch verstehen, wieso seine Bücher in der UdSSR verboten worden sind!


    Ein absoluter :tipp:, aber trotz allem nicht einfach zu lesen!


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Puh, gratuliere zum Durchhalten, Tammy, und DANKE für diesen Thread! :blume:

    [color=darkblue]"Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b