Nina Maria Marewski - Die Moldau im Schrank

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 2.437 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Sammy.

  • Nina Maria Marewski - Die Moldau im Schrank


    Verlag: Bilger
    Jahr: 2011
    Ausgabe: Hardcover
    Seiten: 496


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    Ausgezeichnet mit dem Seraph 2012 in der Kategorie "Bestes Debüt"


    Erster Satz:


    Zitat

    Aus dem Nebenzimmer drangen Geräusche an sein Ohr.


    Klappentext:


    Von einer Grenzgängerin, einem Serienmörder und Reisen in parallele Welten. Wenn das Unglaubliche wahr wird, ist nichts mehr wie zuvor. Mit Mann und Kindern hat sich Helena im Frankfurter Alltag eingerichtet. Unversehens öffnet sich ihr der Weg in eine andere Welt, die der unseren nur auf den ersten Blick ähnelt. Helena trifft auf ihr eigenes Ich ­ auf eine Helena, die ein völlig anderes Leben führt als sie. Voll Angstlust erkundet Helena die faszinierend unendlichen Möglichkeiten ihres anderen Ichs: Was wäre wenn ...? Aber auf bedrohliche Weise kreuzen sich Lebenswege: Markus taucht auf, ein Mann, der schon als Kind mehr gesehen hat als andere Menschen und der schuldlos schuldig zum Mörder geworden ist. Helena hat eine Entscheidung zu treffen, die über Leben und Tod entscheidet.


    [hr]


    Dieses Buch lese ich gerade und ich kann es bisher wärmstens empfehlen. "Die Moldau im Schrank" wurde dieses Jahr mit dem Seraph in der Kategorie "Bestes Debüt" ausgezeichnet. Zwar bin ich noch nicht weit, aber die Geschichte von Helena und Markus nahm mich von Anfang an gefangen. Gerade in der Mittagspause stieß ich auf eine wunderschöne Stelle, die ich gerne mit euch teilen möchte. Sie erklärt das Wesen der Grenzgänger:


    Zitat

    Ein Grenzgänger hat wahre Liebe erlebt, keine leeren Versprechen gemacht, sondern bedingungslosen Einsatz geleistet; hat Vertrauen geschenkt und sich verwundbar weit geöffnet, ist dafür vielfach entlohnt oder mit gebrochenem Herzen zurückgelassen worden; hat Verantwortungsgefühl, das nicht vor der eigenen Nasenspitze endet, sondern durchhält, auch wenn es unbequem wird; Angst, die uns Respekt und Glaube gibt; Hoffnung, die aus Verzweiflung geboren wird; Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen, die uns den Boden unter den Füßen wegzieht, so dass wir aus eigener Kraft neuen Halt finden müssen; wahre Glücksgefühle, die von Kleinigkeiten ausgelöst werden können; die Fähigkeit zu vergeben, weil Rache die eigene Seele vergiftet. All dies sind Voraussetzungen dafür, eine Weisheit zu gewinnen, die es erlaubt, neue Einblicke zu erlangen. Ein Grenzgänger kennt den Schmerz - nur wer das Leid erlebt hat, kann seine Abwesenheit schätzen.


    :anbet:


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Dieser Titel spukt mir ja schon seit einiger Zeit im Kopf herum, der Preis hat also zumindest bei mir etwas bewirkt. ;) Irgendwie klingt allein das schon sehr vielversprechend. Ich bin daher gespannt was Du noch berichten wirst! - Andererseits kann es mich eigentlich nur noch bestärken, denn dafür entschieden hab ich mich eh schon. :breitgrins: Daher wünsch Ich Dir einfach das sich das Lesen auch weiterhin für Dich lohnen wird!

  • Hallo miteinander,


    für mich ist das Buch wohl eher nichts, dazu ist mir das Zitat zu holperig - ich habe es mehrfach gelesen, und entweder fehlt irgendwo ein Verb
    oder die Autorin/Übersetzerin meint wirklich, dass man Trauer "hat".


    Aber mich interessiert, auf was sich der Titel bezieht - wenn das im Buch dann irgendwo erklärt wird, wäre es schön es hier zu erfahren,
    natürlich ggf. als Spoiler. :winken:


    Grüße von Annabas :winken:


  • für mich ist das Buch wohl eher nichts, dazu ist mir das Zitat zu holperig - ich habe es mehrfach gelesen, und entweder fehlt irgendwo ein Verb
    oder die Autorin/Übersetzerin meint wirklich, dass man Trauer "hat".


    Hmmmm... berechtigter Einwurf. Aber: Das Semikolon hast Du gesehen? Es handelt sich hier um eine Aufzählung und ich meine, das ist grammatikalisch völlig korrekt (ich bin jetzt aber auch etwas unsicher). Ich bin inzwischen auch etwas empfindlich, aber bisher sind mir noch keine groben Sprachfehler aufgefallen (die Autorin verwendet sogar "Sinn ergeben" anstatt "Sinn machen" :breitgrins:)


    Aber mich interessiert, auf was sich der Titel bezieht - wenn das im Buch dann irgendwo erklärt wird, wäre es schön es hier zu erfahren,
    natürlich ggf. als Spoiler. :winken:


    Das wird schon auf der ersten Seite aufgelöst:


    Zitat

    Eine kleine Dose, die eine schöne Melodie spielte, wenn man den Deckel öffnete. Mama erzählte ihm, dass das Lied den Lauf eines Flusses in ihrer Heimat beschrieb: Die Moldau. Wenn er genau hinhörte, würde er den Fluss fast sehen können.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • (die Autorin verwendet sogar "Sinn ergeben" anstatt "Sinn machen" :breitgrins:)


    Das spricht sehr für die Autorin. :zwinker:


    Die "Auflösung" des Titels gefällt mir gut, danke!


    Grüße von Annabas :winken:

  • Leider komme ich momentan sehr langsam voran mit meiner Leserei (weil ich so viel parallel lese), aber seit gestern flutscht es mit der Moldau wieder und prompt habe ich ein wunderbares Zitat gefunden. Ab sofort liebe ich dieses Buch:


    Zitat von "Seite 208"

    Es ist nicht so, dass nach dem Verlust eines geliebten Menschen das Leben nicht mehr weitergeht. Es geht immer weiter, aber es ist nichts mehr so, wie es war. Anfangs sind es fast körperliche Schmerzen. Ein Mühlstein liegt tonnenschwer auf der Brust, das Herz bricht auseinander, der Kopf zerspringt vor bohrenden Gedanken. Das befreiende Weinen versiegt irgendwann, ausgeweint und leer bleibt man zurück, und es schmerzt noch mehr. Vor Erschöpfung schläft man ein, um am Morgen festzustellen, dass der Albtraum aufs Neue beginnt. Die Nacht ist in schweren Zeiten gnädig, sie verschont einen meist vor Träumen.
    Allmählich lernt man das Lachen wieder, macht Pläne, aber der Schatten bleibt. Er begleitet uns überall hin. Man spricht nicht mehr über den Verlust, alles ist gesagt, aber er bleibt allgegenwärtig.


    So wunderbar :anbet:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Meine Meinung:


    "Hast du jemals wissen wollen, was aus deinem Leben geworden wäre, wenn du dich an einem wichtigen Punkt für etwas anderes entschieden hättest?"
    "Klar, diese Frage stellt sich jeder einmal."


    Der kleine Mitja wächst bei seiner lieblosen Mutter auf, die sich in der eigenen Wohnung prostituiert. Immer wieder muss er sich aus einer versteckten Nische mit anhören, wie sie des Nachts Männer empfängt. Als ein Freier zu brutal wird und sie schwer verletzt, ist es an Mitja, sich um seine Mutter "zu kümmern", was ihn schließlich in ein Pflegeheim bringt, in dem man nicht weniger gefühllos mit ihm umgeht. Jahre später wird aus ihm ein gutaussehender, erfolgreicher Mann - und ein Serienmörder.


    Helena ist eigentlich glücklich mit ihrem Leben. Sie hat einen Mann und liebe Kinder. Alles könnte wunderbar sein, würde sie nicht durch Zufall den Zugang in eine Parallelwelt entdecken. Eine Welt, in der sie frei und ungebunden einem Leben als erfolgreiche Künstlerin entgegen strebt. Das Gedankenspiel "Was wäre wenn ...?" fasziniert sie immer mehr und schließlich kreuzen sich Helenas Wege mit Markus - der früher auch Mitja genannt wurde.


    "Die Moldau im Schrank" wurde 2012 mit dem Seraph in der Kategorie "Bestes Debüt" ausgezeichnet - zu recht, wie ich finde. Die Geschichte nahm mich von Anfang an gefangen und ich verzeihe der Autorin sogar vereinzelt eingestreute Anglizismen. In der Geschichte liegt eine poetische Kraft, wie sie mir in der letzten Zeit leider nur selten in Neuerscheinungen begegnet ist. Das Wesen der Grenzgänger basiert rein auf ihrer Fähigkeit, zwischen den Welten zu wandern. Sie können dies nur als Beobachter tun und nicht steuernd eingreifen, um ihre parallelen Existenzen zu beeinflussen. So fühlt sich Helena auch hilflos, als sie entdeckt, dass sich ihr anderes Ich in einen Serienmörder verliebt.


    Das Buch ist voller wunderbarer Zitate und Lebensweisheiten, die so unaufdringlich daherkommen, dass sie einen fast umhauen:


    "Es ist nicht so, dass nach dem Verlust eines geliebten Menschen das Leben nicht mehr weitergeht. Es geht immer weiter, aber es ist nichts mehr so, wie es war. Anfangs sind es fast körperliche Schmerzen. Ein Mühlstein liegt tonnenschwer auf der Brust, das Herz bricht auseinander, der Kopf zerspringt vor bohrenden Gedanken. Das befreiende Weinen versiegt irgendwann, ausgeweint und leer bleibt man zurück, und es schmerzt noch mehr. Vor Erschöpfung schläft man ein, um am Morgen festzustellen, dass der Albtraum aufs Neue beginnt. Die Nacht ist in schweren Zeiten gnädig, sie verschont einen meist vor Träumen.
    Allmählich lernt man das Lachen wieder, macht Pläne, aber der Schatten bleibt. Er begleitet uns überall hin. Man spricht nicht mehr über den Verlust, alles ist gesagt, aber er bleibt allgegenwärtig."


    Nina Marewski spielt geschickt mit den Emotionen ihrer Leserschaft. Sie lässt Helena in der Ich-Form erzählen, was die Bindung noch verstärkt. Die philosophischen Fragen, die sie aufwirft, sind nicht neu: Was wäre wenn? Darf oder kann man sein eigenes Schicksal verändern oder ist es fest in unserer Existenz verankert? Und doch verpackt sie ihren Plot so spannend und faszinierend, dass man sich über die Preisverleihung nicht wundern muss.


    Noch ein Wort zur Gestaltung des Buches: Schon alleine der Titel ist eher ungewöhnlich. Welche Moldau ist gemeint? Das Lied? Der Fluss? Und was sucht sie im Schrank? Passend dazu das sehr ungewöhnliche Cover mit Raubvogelaugen. Auf den ersten Blick hätte es mich nicht zum Kauf gereizt, aber nach der Lektüre empfinde ich es als sehr passend. Ein kleines Juwel mit ganz wenigen Abstrichen unter den phantastischen Neuerscheinungen.


    5ratten

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Hallo Nimue,


    schöne Rezi. Der Titel des Buches ist wirklich ungewöhnlich und würde mich zumindest dazu bringen, dass Buch mal in die Hand zu nehmen.
    Die Zitaten klingen meiner Meinung nach etwas kitschig oder schwülstig. Aber dennoch wird es ein Buch, was ich lesen werde, wenn ich mir mal in der Bibliothek über den Weg läuft. Oh, ich sehe gerade, dass die Stadtbibl. das Buch nicht hat.

    Was wäre mein Leben ohne Bücher? Einfach nur leer. <br /><br />Zu viele Bücher, die ich lesen möchte und zu wenig Zeit, sie alle zu lesen.

  • Ich habe das Buch verschlungen und mir ein Notizbuch an die Seite gelegt.Es gab viele Sätze, die einfach aufgeschrieben werden mussten, so gut haben sie mir gefallen.Zu nimues schon erwähnten z.B.

    Zitat

    Nicht die Dinge, die passieren, sind es, die uns Sorge bereiten, sondern unsere Gedanken darüber.

    Oder:

    Zitat

    Was jemand bei unseren Entscheidungen empfindet, liegt nicht in unserer Verantwortung.


    Beim Lesen gingen mir auch oft "Parallelgedanken" durch den Kopf- z.B. bezüglich meiner pubertierenden Kinder.Wie oft möchte man in deren Tun und Handeln eingreifen, obwohl man weiß, dass sie ihre eigenen Erfahrungen machen müssen.Das Buch zeigt auf spannende Weise , wie hilflos wir oft bestimmten Entscheidungen gegenüber stehen.



    Für mich ist das Buch eine absolute Kaufempfehlung!
    5ratten

    Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark.Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen.Hermann Hesse

    Einmal editiert, zuletzt von Sammy ()