Sarah Waters - Solange du lügst

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.969 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Machandel.

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    London im 19. Jahrhundert. Susan Trinder ist bei Mrs. Sucksby aufgewachsen, nachdem ihre Mutter als Verbrecherin gehängt wurde. Mrs. Sucksby zieht Findelkinder groß, verhökert sie dann an andere Leute, während ihr Lebensgefährte Mr. Ibbs als Hehler arbeitet.


    "Gentleman", einer von Mr. Ibbs' Kumpanen, hat vor, ein ganz großes Ding zu drehen. Er will eine reiche Erbin ehelichen, die nur unter der Bedingung, dass sie heiratet, an ihr Erbe kommt, und sie anschließend in eine Irrenanstalt schaffen, um das Geld für sich zu haben. Um eine Komplizin im Haus zu haben, schleust er Susan als Zofe bei seiner "Auserwählten" Maud Lilly ein, die mit ihrem verschrobenen Onkel zusammenlebt, und verspricht ihr einen hübschen Anteil an seiner Beute, sobald Maud in der Klapsmühle ist.


    Susan lässt sich willig darauf ein - doch am Ende kommt alles ganz anders, als sie sich das vorgestellt hat, nichts ist so, wie es zu sein scheint.


    Im zweiten Teil des Buches erfährt man nämlich einiges über Mauds Hintergrund, was mir erst mal ziemlich die Sprache verschlagen hat ;)


    Die Atmosphäre erinnert an Dickens oder auch ein bisschen an das "karmesinrote Blütenblatt", wenn ich letzteres auch noch ein bisschen farbiger und mitreißender fand.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • „Solange du lügst“ spielt im England des 19. Jahrhunderts. Susan Trinder ist als Tochter einer verurteilten und hingerichteten Mörderin in einem Londoner Hehlerhaus aufgewachsen und hat, obwohl selbst nicht als Diebin tätig geworden, keinen all zu großen Respekt vor dem Gesetz. So zögert sie auch nur kurz als „Gentleman“, ein Betrüger und bislang erfolgloser Heiratsschwindler sie als Komplizin für einen perfiden Plan anwirbt. Sie soll Zofe bei einer naiven jungen Dame werden, die bei ihrem exzentrischen, Bücher sammelnden Onkel auf dem Lande lebt und ein Vermögen bei der Hochzeit erhalten wird. Als Zukünftiger ist natürlich Gentleman vorhergesehen, der sich seiner Braut direkt nach der Hochzeit dadurch entledigen will, dass er sie in ein Irrenhaus abschiebt, von Susans Zeugnis für ihren Wahnsinn unterstützt. Das ist zwar nur das erste Viertel des Buches, aber mehr kann ich vom Inhalt nicht verraten, ohne die erste von mehreren überraschenden Wendungen preiszugeben, denn hier ist fast nichts so, wie es auf den ersten Blick erscheint.


    Susan ist ein bisschen einfach gestrickt, aber trotz ihrer Herkunft kein wirklich schlechtes Mädchen und dem entsprechend dem Leser durchaus sympathisch, so dass man zwischen den besten Wünschen für ein Gelingen und Mitleid mit der armen Maud, die hereingelegt werden soll, hin und herschwankt und eigentlich beiden ein Happy End wünscht. Das alltägliche Leben und die äußere Umgebung sind manchmal erschreckend realistisch gezeichnet und dieser Realismus zieht durch seine kleinen Details den Leser in seinen Bann. Nach der ersten Wendung ist man zudem gespannt, welche Zukunft die Autorin für ihre Figuren plant und ich muss zugeben, ich habe durchaus mal ein paar Seiten vorgeblättert, weil ich zu neugierig war.


    "Solange du lügst" ist mehr ein Abbild der verschiedensten Gesellschaftsschichten als ein tatsächlicher Kriminalroman, was auch daran liegt, dass es keinen guten Helden gibt, sondern jede Figur ihre sympathischen und auch ihre nicht ganz so netten Seiten hat, von denen jede zwischendurch einmal die Oberhand gewinnt. Auf alle Fälle ist das Buch eine schöne und spannende Lektüre zum darin versinken.


    4ratten

  • Den Inhalt haben Valentine und Illy bereits gut umrissen, denn zu viel darf man tatsächlich nicht verraten um der Geschichte nicht ihre überraschenden Wendungen zu nehmen, von denen das Buch lebt. Waters hat eine sehr ungewöhnliche Geschichte geschrieben, die mich immer weiter getrieben hat. An keiner Stelle des Buches darf man sich sicher sein die Handlung einschätzen zu können. Während des ersten Teils habe ich mich ernsthaft gefragt, wie die Autorin die verbleibenden Seiten gefüllt hat, die Geschichte hätte ebenso gut nach 200 Seiten zu Ende sein können - wäre dann aber bei weitem nicht so gut gewesen. Erstaunlich finde ich, dass all die Wendungen und Offenbarungen nie zu dick aufgetragen wirken - ungewöhnlich, aber nicht unglaubwürdig.


    Leider hat die Geschichte für mich auch einige Längen, sie hätte sich nicht auf etwa 620 Seiten ausbreiten müssen um zu funktionieren. Die atmosphärischen Beschreibungen bzw. die Einblicke in die Gedankenwelt der Protagonistin wiederholen sich irgendwann, was das sonst angenehme Tempo der Erzählung stört. Im Gegenzug bleiben manche Personen mir zu eindimensional, was nicht störend aber doch schade ist. Auch das Ende hätte ich mir etwas offener gewünscht...


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • [size=1]Hier zum SLW2009 meine bescheidene Meinung. [/size]


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    Das Buch hätte großartig werden können, so großartig wie "Die dreizehnte Geschichte" von Diane Setterfield zum Beispiel. Die Anlagen sind alle da: Es gibt Charaktere, die auch bei Dickens zu Hause sein könnten, eine herrlich gruselige Atmosphäre in den Londoner Armenvierteln und später in einem Landhaus mit riesiger Bibliothek, später ein Irrenhaus, und ein düsteres Geheimnis, das alle Charaktere miteinander verbindet. Das ganze leise und doch mitreißend erzählt - bis man zum zweiten Teil kommt und die ganze Geschichte noch einmal aus der Sicht einer anderen Person hört.
    Zwar ist es Waters gelungen, ihre beiden Hauptpersonen sehr individuell und unterschiedlich klingen zu lassen - Sue merkt man die Gosse an, Maud die literarische Erziehung - dennoch musste ich das Buch immer nach ein paar Absätzen zur Seite legen, weil ich ja alles schon kannte und wusste, und wirklich neues hat man auch erfahren. Was also ein dreitägiger Lesefressanfall hätte sein können, wurde zu einer mehrwöchigen, immer noch unterhaltsamen, aber eben auch langen Lektüre. Sehr gut gefallen haben mir allerdings die überraschenden Wendungen, wobei ich sagen muss, mir kann es dabei nicht halsbrecherisch genug zugehen - manch anderem mag das bei diesem Buch schon zu viel werden.
    Insgesamt eine spannende Lektüre mit literarischem Anspruch, die ich mir nur in der Geschwindigkeit ausgewogener gewünscht hätte.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    "A book is to me like a hat or a coat - a very uncomfortable thing until the newness has been worn off." (Charles B. Fairbanks)