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Zitat:
"[...] mir fällt auf, was für ein schöner Anblick es ist. Stränge goldenen Lichts umschlingen mich. [...] Ich genieße den kurzen Moment, in dem alles aus purer, mit Urmaterie verwobener Zeit besteht.
(S. 144)
Einst konnten wir die Zeit nicht beherrschen, sie glitt uns durch die Finger. Wir hatten keine Macht über den Tod, über Hunger und Krankheit. Und dann schenkte uns die Wissenschaft ein Webmuster."
(S. 206)
Inhalt:
Vor der Entstehung von Arras und der Gilde der Zwölf haben sich die Menschen bekriegt. Sinnlose Morde wurden begangen, um die Macht zu mehren.
In Arras muss niemand Hunger leiden, die Webjungfern sorgen für das richtige Wetter zur richtigen Zeit. Die Gilde kontrolliert alles - und jeden.
Die 16-jährige Adelice gehört zu den Wenigen, die die Fäden Arras, das Gewebe, sehen können. Doch ihre Eltern versuchen, dies zu verheimlichen. Bei der Tauglichkeitsprüfung "versagt" Adelice und gibt ihr Können preis. Doch in welchem Ausmaß, wird ihr erst später bewusst.
Als sie von der Gilde abgeholt und zum Konvent gebracht werden soll, versucht sie zu fliehen. Ihre Eltern bezahlen dafür mit dem Leben, ihre Schwester wird anderweitig "verwoben".
Im Konvent findet sich Adelice in einer Zelle wieder. Der Chefbutler Jost erklärt ihr, dass sie sehr wichtig sein muss, denn sonst wäre sie aufgrund ihrer mehrmaligen Vergehen längst tot.
Welche Bestimmung hat Adelice?
Meinung:
Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits fand ich die Idee der Welt richtig gut, anderseits habe ich richtig schwer hineingefunden. Man braucht mehr als das erste Drittel des Buches, um diese Welt und die Ordnung darin zu verstehen... aber erst nach gut zwei Dritteln versteht man sie wirklich - Überraschung garantiert!
Desweiteren bin ich ein Mensch, der beim Lesen Bilder sieht. Egal wie karg manche Szenen in Büchern ausgestaltet sind, ich sehe sie vor mir. Was mir in "Cocoon" nicht so ganz gelang. Fäden der Zeit, Webrahmen, Transferieren - meine Vorstellungskraft ist hier an ihre Grenzen gestoßen oder anders gesagt, hat sich ihr eigenes Ding gesponnen, was zeitweise mit dem Gelesenen kollidierte.
Der Leser wird schon im Prolog mit der Allmacht der Gilde konfrontiert. Die klassischen Elemente einer Dystopie sind sofort erkennbar. In sie werden nach und nach die Fantasy-Teile eingewoben, die mehr und mehr dominieren. Später ist erkennbar, dass die dystopischen Grundzüge der Geschichte allemal einen Rahmen verleihen.
Gemeinsam mit der Hauptprotagonistin Adelice erleben wir Einblicke in die Struktur Arras. Adelice Charakter hat mir sehr gefallen, weil sie für ihre Welt so untypisch ist. Alle Mädchen reißen sich darum, dem Konvent als Webjungfer beizutreten und Arras zu dienen. Adelice wurde eingebläut, ihre Gabe zu verstecken. Sie sieht sich nicht als etwas Besonderes, trotz ihrer enormen Fähigkeiten. Sie ist stark und gibt Kontra, auch in den unpassendsten Momenten - was sie von einer Schwierigkeit in die nächste bringt.
Sie ist mit der ihr zugeschriebenen Rolle nicht einverstanden. Sie hasst die frauendiskriminierende Machtstruktur in Arras. Doch muss sie sich eingestehen, dass auch die Frauen innerhalb des Konvents den Männern an Niederträchtigkeit in nichts nachstehen. Und so bleiben wenige übrig, denen sie wirklich vertrauen kann.
Dass sich darunter Männer befinden könnten, die ihre Gefühle nach jahrelanger Geschlechtertrennung stark beeinflussen, birgt zusätzliche Gefahren.
Der Chefbutler Jost ist einer von ihnen. Er war mir von seinem ersten Auftritt an positiv aufgefallen. Seine Schlagfertigkeit und Sticheleien waren mir sofort sympathisch. Je mehr wir aber von ihm erfahren, desto vielschichtiger wird er.
Ebenso wie Erik, der mich stets bangen ließ, zu wessen Seite er denn gehörte. Undurchsichtig, beinahe bis zum Schluss - mit überraschenden Erkenntnissen.
Eine Erwähnung als wichtiger Charakter hat auch Enora verdient. Als Adelice' Mentorin bringt sie ihr nicht nur die von der Gilde geforderten Dinge bei. Sie bringt Adelice der Wahrheit näher und unterstützt sie, wo sie nur kann. Sie verändert sich auf tragische Weise.
Adelice erzählt ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive im Präsens, was uns viel über sie, jedoch wenig über die Beweggründe der anderen Protagonisten verrät. So bleibt der Leser stets neugierig und wartet auf die nächste Entwicklung.
Der Schreibstil von Frau Gennifer Albin ist leicht und flüssig. Insbesondere bei den Darstellungen der Welt hat sie sehr auf Detailreichtum geachtet: die Fäden, der Webvorgang... Ich habe sogar gelernt, mit welcher Hand ich die Fäden aufgreifen müsste, um den Verlauf der Zeit nicht zu beeinträchtigen. Dennoch war Arras für mich unwirklich und ich habe mich schwer getan, hineinzufinden. Dies ist aber mein ganz subjektiver Eindruck.
Zu Beginn hatte ich Fragen, viele Fragen... und nicht alle wurden mir während des Lesens beantwortet. Also hoffe ich auf eine baldige Fortsetzung, über die bislang leider noch nichts bekannt ist.
Urteil:
Wer sich in der Welt von Arras zurechtgefunden hat, erlebt gemeinsam mit Adelice einen Kampf gegen Konventionen und Obrigkeiten, der gemischt mit völlig unerwarteten Erkenntnissen absoluten Lesegenuss bereiten kann.
Mir fiel der Einstieg nicht leicht und so hat sich "Cocoon - Die Lichtfängerin" seine 4 Ratten nur ganz knapp verdient.
Es ist eine absolute Empfehlung für Fans neuer Ideen, starker und rebellischer Protagonisten und überraschenden Wendungen.