Stefan Zweig - Schachnovelle

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  • Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt total blamiere:
    Braucht man um dieses Buch zu verstehen Schachkenntnisse?
    Ich würde es auch demnächst gerne lesen, habe von Schach aber überhaupt keine Ahnung. Da das ja ein sehr komplexes Spiel ist, wäre es mir wichtig das vorher zu wissen.


    LG Lorelai

  • Inhalt:

    Eine Schiffahrt von New York nach Buenos Aires: Der namenlose Ich-Erzähler erfährt, dass sich der berühmter Schachweltmeister Mirko Czentovic ebenfalls auf dem Dampfer befindet.
    Czentovic hat es geschafft, von einem armen Bauernsohn zum Star der Schachwelt zu werden. Bisher ungeschlagen gilt er als Genie. Jedoch scheint der Meister über ein Defizit im zwischenmenschlichen und kognitiven Bereich, was den Ich-Erzähler derart fasziniert, dass er beschliesst, Czentovic näher zu kommen.
    Dies erreicht er durch ein ganz einfaches Mittel: Schach spielen.
    Eine Gruppe Hobby-Schachspieler spielt gegen den Weltmeister. Natürlich verlieren sie haushoch. Doch im zweiten Durchgang erscheint ihnen ein geheimnisvoller Fremder als Helfer. Wie kein anderer kann er Züge vorraussehen und schafft es, den Weltmeister aus der Reserve zu locken.
    Doch was steckt hinter diesem Genie? Von Dr. B erfährt der Ich-Erzähler die ganze Geschichte. Eine Geschichte darüber, wie das Spiel der Könige einen Mann beinahe ins Verderben gestürzt hatte. Oder stürzen wird...


    Meine Meinung:


    Steifan Zweigs "Schachnovelle" gehört zu den Klassikern der Schulliteratur und steht regelmässig auf Prüfungslisten, zahlreiche Sekundärliteratur existiert dazu. Man kann das Buch jedoch auch aus reinem Interesse lesen - so wie ich das gemacht habe.


    Zweig erzählt seine Geschichte in einer angenehmen und leicht gehobenen Sprache, in der man sich wunderbar verlieren kann. Ausdrücke wie "Seine Züge verwirrten sich" liessen mich aufseufzen, weil ich sie einfach wunderbar finde. Einfach und doch sehr speziell. Oft benutzt Zweig auch Worte, die wir heutzutage nicht mehr verwenden, diese kann man jedoch leicht überlesen oder nachschlagen.


    Da es sich um eine Novelle handelt, hat man das Büchlein auch ziemlich rasch durch. Auf nicht einmal hundert Seiten hat Zweig seine Geschichte erzählt. Und es braucht keine einzige Seite mehr. Zweig erzählt alles, was erzählt werden muss. Nicht mehr und nicht weniger.


    Dabei bedient er sich einer Rahmen- und einer Binnenhandlung. Die Rahmenhandlung wird vom unbekannten Ich-Erzähler aus erlebt und handelt in der Gegenwart während der Überfahrt nach Südamerika. Die Binnenhandlung erzählt Dr. B aus seiner Sicht, also auch wieder in der Ich-Perspektive. Dieser Erzählstrang hat Zweig mit einem wirklich feinen Spannungsaufbau ausgestattet und mehr und mehr verliert sich der Leser in Dr. Bs Erlebnissen.


    Jedoch muss man auch dazu in der Lage sein, sich in Dr. B hineinfühlen zu können, ansonsten geht ein Grossteil des Buches verloren. Ich persönlich konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen. Dr. Bs Geschichte packte mich und die psychologische Seite dieses kleinen Meisterwerkes faszinierte mich unheimlich. Was geschah mit Dr. B? Und wie wirkt sich seine Geschichte auf die Gegenwart aus? Kann ein Mensch so etwas aushalten?


    Fazit:


    "Die Schachnovelle" von Stefan Zweig gehört verdientermassen zur Weltliteratur und den Klassikern. Es ist ein kleines, aber sehr intelligentes Büchlein, das vor allem Leser interessieren wird, die sich gern in die Psyche anderer einarbeiten und sich für die dunkleren Seiten hinter den Fassaden interessieren.
    Es gibt viel zu spekulieren, da Zweig sich einer einfachen, aber dennoch nicht ganz so leicht zu verstehenden Sprache bedient.
    Man kann das Buch im Übrigen auch lesen, wenn man von Schach nicht viel versteht, denn das Spiel ist zwar ein wichtiger Teil der Geschichte, jedoch wird es eher als Symbol gehandelt.


    4ratten & :marypipeshalbeprivatmaus:

    //Grösser ist doof//

  • Wie alt warst du denn als du das Buch zum ersten Mal gelesen hast, Michaela? Ich habe ja von Schach auch keine Ahnung, aber die muss man auch nicht haben, um das Buch zu lesen. Eigentlich geht es ja gar nicht um Schach, sondern um etwas ganz anderes.

    //Grösser ist doof//

  • Ich habe das Buch auch in meiner Schulzeit gelesen, aber ich glaube ich habe es damals verstanden :breitgrins: Aber ich kann natürlich nicht sagen, wie es wäre, wenn ich das Buch jetzt noch mal lesen würde.
    Damals hat es mir jedenfalls sehr gut gefallen, auch wenn ich leider nicht mehr allzu viel über den Inhalt sagen könnte.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

  • 4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Auf einer mehrtägigen Schiffsreise von New York nach Buenos Aires in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, wird der österreichische Ich-Erzähler Zeuge einer beeindruckenden Schachpartie. Der an Bord weilende Schachweltmeister spielt gegen eine Gruppe Amateure, ohne dass der geringste Zweifel an dessen Sieg besteht. Doch dann mischt sich ein unbekannter Passagier ein und das Spiel endet mit einem Remis. Am nächsten Tag soll ein weiteres Spiel stattfinden und der Ich-Erzähler fordert den Unbekannten zur Teilnahme auf. Dieser sträubt sich zunächst und erzählt ihm zur Erklärung seine Geschichte.
    Dieses kleine Büchlein, das gerade mal 104 Seiten mit verhältnismäßig groß gedruckten Buchstaben hat, ist sicherlich beeindruckender als viele andere Bücher, die einen drei- oder viermal so großen Umfang aufweisen. Vielleicht liegt es daran, dass Stefan Zweig viel mit Gegensätzlichkeiten gearbeitet hat, die eher im Gedächtnis bleiben. Einmal der introvertierte, ungebildete und langsame Schachweltmeister. Und der umgängliche, intellektuelle und beinahe manische 'Dilettant'. Oder der Ich-Erzähler, für den Schach 'nur' ein Spiel ist und sein Gegner, der alles als Wettkampf sieht und jede Niederlage als persönlichen Affront empfindet. Aber auch die Art, wie Zweig Schach beschreibt, wird mir im Gedächtnis bleiben. Insbesondere, weil er selbst überhaupt keinen großen Bezug dazu hatte.
    Zitat: "Ist es nicht auch eine Wissenschaft, eine Kunst, schwebend zwischen diesen Kategorien wie der Sarg Mohammeds zwischen Himmel und Erde, eine einmalige Bindung aller Gegensatzpaare; uralt und doch ewig neu, mechanisch in der Anlage und doch nur wirksam durch Phantasie, begrenzt in geometrisch starrem Raum und dabei unbegrenzt in seinen Kombinationen, ständig sich entwickelnd und doch steril, ein Denken, das zu nichts führt, eine Mathematik, die nichts errechnet, eine Kunst ohne Werke, eine Architektur ohne Substanz und nichtsdestominder erwiesenermaßen dauerhafter in seinem Sein und Dasein als alle Bücher und Werke..."
    Dazu die unglaublich genauen Beschreibungen der einzelnen Charaktere und Situationen, die derart zeitlos gut sind, dass Manches klingt, als wäre es eben erst geschrieben worden.
    Zitat: "Nun hatten die Nationalsozialisten, längst ehe sie ihre Armeen gegen die Welt aufrüsteten, eine andere ebenso gefährliche und geschulte Armee in allen Nachbarländern zu organisieren begonnen, die Legion der Benachteiligten, der Zurückgesetzten, der Gekränkten."


    Ein kleines, aber sehr feines Büchlein, das man nicht nur in der Schule lesen sollte - sofern es dort überhaupt noch im entsprechenden Kanon steht

    Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden.    Ludwig Feuerbach (1804 - 1872)