FAZ: Literatur in der Schule. Warum Klassiker?

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  • Ich bezweifle nur, dass man sie heutzutage in dem Umfang noch unbedingt braucht.


    Na ja. Meine Schulzeit liegt 30 Jahre zurück und ich würde meine Allgemeinbildung nicht als sonderlich hoch einschätzen (zumindest für einen Abiturienten). Kaum Klassiker gemacht, Geschichtswissen ist auch an mir vorbeigegangen. Ich bedaure das alles ein wenig, habe aber vieles nachgeholt. Daher kann man in Frage stellen, ob Allgemeinbildung im alten Stile schon vor zig Jahren wirklich gelehrt wurde. Aber es kann zur Verständigung in der Gesellschaft dienen. Vielleicht ist das Argument aber zu schwach.


    Mein Sohn lernt schon in der Grundschule echte Künstler und ihre (gemalten) Werke kennen. Finde ich toll.

  • Sorry keshia. Aber wer bitteschön merkt sich denn welche Farbe was hat????? Das hat mit der Handlung nix zu tun. Ich hab das Buch gelesen und ich konnte diese dämliche frage nicht beantworten.

  • Die Frage ist halt welcher Bildungstandard überhaupt angesetzt wird. Z.b. auch im Vergleich zu Ländern wie denen die immer als Bildungstarke Länder betitelt werden. (Z.B Finnland, Schweden usw.)


    Nochmal, wenn man Abitur gemacht hat, erwarten auch die Universitäten einen bestimmten Standard und der muss beim Abi ja auch mitberücksichtigt werden. Wenn man z.B Germanisitik studiert (was nicht wenige machen) braucht man bestimmtes Grundwissen, das auch Vorausgesetzt wird. Das wird dann nicht immer alles noch mal durchgekaut und ewig wiederholt. Oder überhaupt für irgendeine Geisteswissenschaft ist Lesekompetenz!! DIE Vorraussetzung fürs Studium und da ist auch gemeint das man eben auch längere, kompliziertere Texte durchhält. Auch auf englisch.
    Da ist es einfach unabdingbar das man diese Kompetenz schon im Gymnasium gelernt hat - und diese Schulart hat eben nach wie vor vor allem die Aufgabe möglichst so vorzubereiten, das man auch an der Universität an Vorwissen anknüpfen kann.


    Und natürlich hat jede Schulart ihre eigene Aufgabe, die es dabei genauso zu berücksichtigen gilt.

  • Solche Fragen fände ich auch dämlich, denn dafür braucht man ein fotografisches Gedächtnis. Wenn man sich merken muss, welche Farbe jeder einzelne Gegenstand hat, der in einem Buch von 50 und mehr Seiten erwähnt wird (ich gehe jetzt mal von einem dünneren Buch für die unteren Klassenstufen aus, bei einem dickeren halte ich es erst Recht für unmöglich), dann hat man den Kopf doch für die wichtigen Dinge gar nicht mehr frei. Und dann wird am Ende nicht nach der Farbe gefragt, sondern nach der Marke des Autos des Vaters oder ob die Wendeltreppe links oder rechts herum verläuft...


    Wenn man schon Fragen stellen will, um herauszufinden, ob ein Buch gelesen wurde, dann sollte es eher in andere Richtungen gehen. Beispielsweise, was das Ergebnis eines Gesprächs zwischen A und B war, als sie an dem und dem Ort standen. Wer das Buch gelesen hat, sollte die Frage zumindest oberflächlich beantworten können, selbst wenn das Buch schon vor einigen Wochen gelesen wurde. Oder der Protagonist hat eine Angewohnheit, die immer mal wieder erwähnt wird, vielleicht wird er auch mal darauf angesprochen. Dem Leser sollte so etwas dann bewusst sein, der Nicht-Leser weiß es einfach nicht. Und ich bezweifle, dass solche Kleinigkeiten bei Wikipedia erwähnt werden.


    Dass Mitschüler sich lieber einen Film anschauen, statt das Buch zu lesen, kenne ich auch. Ich habe mich schon sehr gewundert, als ich über das Buch High Fidelity ausgefragt wurde, weil der betreffende Mitschüler nur den Film kannte und da doch einige Dinge anders waren. Die machen es sich eben einfach, die meisten Hausaufgaben kann man trotzdem machen. Der Lehrer weiß spätestens in dem Moment Bescheid, in dem von Amerika und nicht von England die Rede ist...


    Wir haben übrigens in der Schule Dickens gelesen. Nicht den Copperfield, aber auch nicht A Christmas Carol, sondern den Oliver Twist, und das sogar zwei Mal. Zunächst in einer Schülerfassung in der achten Klasse, später dann im LK das Original. Für mich war es eine der besten Schullektüren überhaupt.


    Mit den Lektüren im Deutschunterricht konnte ich aber kaum etwas anfangen, was aber weniger an der Auswahl lag, sondern an der Heranführung. In der 5. bis 7. Klasse haben wir nur Kinderbücher gelesen, außerdem war der Lehrer aufgrund seiner Krankheit ständig abwesend. In der 8. hatten wir dann einen neuen Deutschlehrer, der kurz vor der Pensionierung stand. Hier stand direkt nach den Sommerferien Die Judenbuche und ein paar Monate später Michael Kohlhaas auf dem Plan, mitsamt Interpretationen, jedoch ohne jegliche Anleitung. Als sich dann die Eltern über den Lehrer beschwert hatten, wurde es zwar besser, die Lektüre allgemein bekömmlicher, Anleitung fehlte aber immer noch, und ich hatte schon den Spaß an Schullektüren verloren und bis zum Abi nicht wiedergefunden. Dabei war die Auswahl gar nicht mal so schlecht, die meisten habe ich "einfach so" ganz gerne gelesen. Nur was man alles aus diesen Werken herauslesen können soll, daraus werde ich bis heute nicht schlau.


    Ich finde es wichtig und richtig, in der Schule Klassiker zu lesen. Nicht nur, aber auch, die gesunde Mischung macht's. Dann sollte aber auch Schritt für Schritt an sie herangeführt werden. Leichtere Lektüre mit wenigen, eindeutigeren Interpretationsmöglichkeiten zuerst, den Faust dann am Ende der Schullaufbahn. Vielleicht kann man den Kohlhaas in der achten Klasse lesen, dann aber bitte nicht quasi direkt im Anschluss an Kinderbücher. Als mein Deutsch-GK das Werk dann in der zwölften Klasse gelesen hat, bin ich auch wesentlich besser damit zurechtgekommen, und das nicht nur wegen des Vorwissens.

  • Na ja. Meine Schulzeit liegt 30 Jahre zurück und ich würde meine Allgemeinbildung nicht als sonderlich hoch einschätzen (zumindest für einen Abiturienten). Kaum Klassiker gemacht, Geschichtswissen ist auch an mir vorbeigegangen. Ich bedaure das alles ein wenig, habe aber vieles nachgeholt. Daher kann man in Frage stellen, ob Allgemeinbildung im alten Stile schon vor zig Jahren wirklich gelehrt wurde.


    Mein Vater ging in den 50er Jahren zur Schule. Realschule und Oberstufe.
    Nach eigenen Angaben hat er den größten Teil seiner umfangreichen Allgemeinbildung aus dieser Schulzeit. (Obwohl er später beruflich viel herum gereist ist und vieles vor Ort oder aus Gesprächen noch aufgeschnappt hat.)
    Allerdings hat er in der Schule im Vergleich zu mir wohl sehr viel Kunstgeschichte, Geschichte und Literaturgeschichte gelernt.
    Ich habe allein den Geschichtsunterricht der 9., 10. Klasse Realschule und des Großteils der Oberstufe nur mit Bismarck und dem Dritten Reich verbracht. Da blieb nicht viel Zeit für anderes. Mein Vater dagegen kann zu den meisten Geschichtsthemen auch nach Jahrzehnten noch Daten, Personen und wenige Zusammenhänge beisteuern.
    Also mein Eindruck war, dass diese Fächer deutlich intensiver unterrichtet wurden als später/ heute.
    Dafür hatte ich mehr Naturwissenschaft (Schwerpunktfächer) und Fremdsprachen (war einfach mehr Material und Möglichkeit zum Austausch vorhanden).
    Ich habe eine gewisse Sprachbegabung, laut Familie von meinem Vater geerbt.
    Meine beiden Eltern können aber kein vernünftes Englisch (aus-)sprechen, bspw. heißt es bei meiner Mutter immer heeeef statt have und mein Vater betont jedes G am Wortende ("se beginnink").
    Meiner Mutter kann man das nicht wirklich "vorwerfen", weil sie nur einmal eine Art beruflichen Austausch nach England gemacht hat, aber mein Vater war in seiner aktiven Berufszeit lange Jahre immer im Ausland, musste teilweise Vorträge auf Englisch halten und hatte auch dafür umfangreiche Fachliteratur. Trotz dieses wiederholten Austausches mit englischsprechenden Ausländern und Muttersprachlern hat er wohl seine Aussprache nicht mehr deutlich verändern können bzw. entweder nicht gemerkt, dass seine Aussprache sich von der der Muttersprachler unterscheidet oder es nicht geschafft haben, das anzupassen.
    Dieses Problem haben ja die wenigsten aktuellen Schüler, die haben so viel Material und schriftliche und teils mündliche Austauschmöglichkeiten (oder physische Austauschmöglichkeiten), dass die Aussprache früh recht gut ist.


    Mich hat es jedenalls immer beeindruckt, wie viel mein Vater aus seiner Schulzeit mitgenommen hat, und wie wenig ich selbst mitgenommen habe. Was nicht nur an mangelnder Aufmerksamkeit im Unterricht oder schlechtem Gedächtnis liegt, sondern auch daran, dass v.a. in der Mittelstufe das meiste so rudimentär behandelt wurde, dass man wenig mitnehmen konnte, weil einfach der Zusammenhang, das Verständnis fehlte.


    Daher denke ich ja auch, dass es nichts bringt, einfach das Lesen eines Buches einzufordern, sondern dass man erst mal begreiflich machen muss, wie man das angeht und worauf man sich konzentrieren kann, um "in den Text einzusteigen", also Interesse am Text zu entwickeln.


    Ich persönlich hatte immer den Eindruck, dass die deutschen Klassiker, die ich in der Schule lesen sollte (gefühlt) viel älter waren als die englsichen. Die englischen waren mir immer viel näher, vielleicht auch, weil viele davon (Dickens, Austen) auch öfter mal im Fernsehen gezeigt werden?


    Keine Ahnung, wie der Eindruck entstand. Bis heute assoziiere ich mit deutschen Klassikern "staubig, schwierig" und mit englischen "interessant". :rollen:


    LG von
    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Keshia


    Deinen letzten beiden Absätzen kann ich nur zustimmen, allerdings liegt das bei mir definitiv nicht am Fernsehen...wir hatten noch bis 95 nur 3 Sender, da lief nicht gerade viel. Ich habe aber den Eindruck, dass sich englische Klassiker viel einfacher verfilmen lassen, vielleicht sind die Geschichten tatsächlich einfacher?

    LG Gytha

    “Dieses Haus sei gesegniget”

  • Keine Ahnung, aber ich habe auch einen viel besseren Draht zu den englischen Klassikern als zu den deutschen. Kann aber auch an meiner ausgeprägten Anglophilie liegen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich glaube eher, es liegt daran, dass Klassiker von Sendern wie BBC vorrangig für den englischen Sprachraum produziert werden und daher eher die Wahl auf Bücher und Themen des eigenen Kulturkreises fällt. Da diese Filme und Serien qualitativ hochwertig und oft auch nah am Original gedreht werden, gefallen sie auch den Sehern im deutsprachigen Raum. Ab gesehen davon ist die Synchronisation bereits vorhandener Geschichten sicher um einiges günstiger als das Produzieren von eigenen Verfilmungen.

  • Ich finde es eigentlich gut, wenn zum Teil auch Klassiker unterrichtet werden. Es gehört für mich irgendwie dazu, sich auch mit diesen Büchern zu beschäftigen, da man sich auch so mit der entsprechenden Epoche intensiver beschäftigen kann. Ob dazu nun komplette Werke gelesen werden müssen oder ob Auszüge reichen wäre vielleicht zu diskutieren. Aber zum Beispiel in einem Leistungskurs Deutsch gehört für mich dazu, dass man auch einen Klassiker komplett liest.


    Ich fand selbst die Schullektüre häufig langweilig, aber trotzdem habe ich (fast) alle komplett gelesen. Ich muss aber auch sagen, dass ich trotz Englisch-LK nicht viele Klassiker aus dem englischsprachigen Raum lesen musste, Dickens oder Austen stand bei uns nicht auf dem Lehrplan. Lediglich ein Stück von Shakespeare (Hamlet) mussten wir lesen. Und zugänglicher oder interessanter als beispielsweise "Faust" von Goethe fand ich es nicht.

    Schade finde ich es vor allem, dass wenig bis keine zeitgenössische Literatur in den Schulen gelehrt wird, es gibt genug Bücher, die nicht nur "Trivialliteratur" sind und genauso viel Möglichkeiten bieten wie Klassiker, obwohl sie erst vor wenigen Jahren erschienen sind. Ich denke, dass Literatur und Literaturgeschichte zu dem Wissen, dass in der Schule vermittelt werden sollte, dazu gehören und dass man auf Klassiker nicht grundlegend verzichten sollte.


    Auch das umschreiben und leichter verständlich machen von Klassikern finde ich nicht richtig, denn es geht auch um die Zeit, in der die Bücher geschrieben wurden. Mit der Ausdrucksweise von damals sollte man sich auch beschäftigen. Ein Bild eines sehr bekannten Künstlers wird auch nicht neu gemalt oder verändert, nur weil die Farben oder Schönheitsideale oder der Malstil nicht mehr aktuell sind... :zwinker:

  • Valentine: Zu dem Beispiel mit deiner Kollegin: ich habe von der 2. Bis zur 13. Klasse immer nur den evangelischen Religionsunterricht besucht, ohne jemals eine Bibel besessen zu haben. Ich bin nur in den Religionsunterricht gegangen, weil ich dort viel einfacher bessere Zensuren als im Philosophieunterricht bekommen habe.

    Ich hatte trotzdem immer gute bis sehr gute Noten in Reli, obwohl ich kaum Bibelkenntnisse habe und hatte.

    Ich muss dazu auch sagen, dass ich aus Ostdeutschland komme. Zu Zeiten des DDR-Regimes war es nicht gern gesehen, dass die Leute an konfessionelle Religion glaubten. Diese Denkweise setzt sich teilweise noch sehr stark bis heute durch.

    Einmal editiert, zuletzt von Lykantrophin ()