Volker Kutscher - Lunapark

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    Kurzbeschreibung:


    Gereon Rath legt sich in seinem sechsten Fall mit einem SA-Sturm und der Berliner Unterwelt an
    Berlin, Ende Mai 1934. Die anfängliche Begeisterung für die Regierung Hitler schwindet, die unberechenbare SA macht vielen Bürgern Angst. Und Gereon Rath gerät bei seinen aktuellen Ermittlungen ausgerechnet mit den Braunhemden aneinander.


    Unter der Eisenbahnbrücke an der Liesenstraße, unter einer unvollendeten kommunistischen Parole, liegt ein SA-Mann, der scheinbar erschlagen wurde, tatsächlich aber an einem Glasauge erstickt ist. Am Tatort trifft Kommissar Rath auf seinen früheren Kollegen Reinhold Gräf, der nun für die Geheime Staatspolizei arbeitet. Während Gräf von einem politischen Mord ausgeht, ermittelt Rath in eine andere Richtung und entdeckt Verbindungen zum zerschlagenen Ringverein »Nordpiraten«, der seine kriminellen Aktivitäten als SA-Sturm getarnt fortsetzt. Als ein zweiter SA-Mann erschlagen aufgefunden wird, scheint alles auf eine Mordserie zu deuten. Eine Spur führt in den seit Kurzem geschlossenen Lunapark, einstmals Berlins berühmtester Rummel. Und Rath fragt sich, welche Rolle Unterweltboss Johann Marlow, ein Erzfeind der »Nordpiraten«, in diesem Fall spielt. Die politische Lage wird immer brisanter, Raths Frau Charly gerät in SA-Haft, und der Kommissar wird in einen Strudel sich überschlagender Ereignisse gezogen, an deren Ende er sogar einen unmissverständlichen Mordauftrag erhält. Wird er ihn ausführen? Volker Kutscher liefert atemlose Spannung und das packende Porträt politisch höchst unruhiger Zeiten.



    Zu diesem Buch gibt es ab dem 02.12. eine autorenbegleitete Leserunde. Anmeldeschluss für Freiexemplare ist der 18.11. Wer mag noch mitlesen?

  • Ein toter SA-Mann wird 1934 unter einer Eisenbahnbrücke in Berlin aufgefunden. Es sieht aus, als sei er erschlagen worden. Als Gereon Rath am Tatort ankommt, muss er feststellen, dass auch die Geheime Staatspolizei an dem Fall interessiert ist. So muss er wieder mit seinem früheren Kollegen Reinhold Gräf zusammenarbeiten, der ihm inzwischen rangmäßig gleichgestellt ist. Während Gräf felsenfest überzeugt ist, dass es sich um einen politischen Mord handelt, den die Roten verübt haben, hat Gereon da seine Zweifel. Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass der Tote in Wirklichkeit an einem Glasauge erstickt ist. Rath beginnt zu ermitteln ohne die Staatspolizei zu informieren und findet Spuren, die in die Vergangenheit weisen.
    In Berlin ändert sich vieles, aber Gereon bleibt wie er ist. Er verdrängt die Situation und hofft, dass alles schon nicht so schlimm wird und der Spuk bald eine Ende hat. Noch kommt er mit seiner höchst eigenen Version des Hitler-Grußes durch. Wir wissen natürlich, wie alles wirklich weiterging. Es ist sehr bedrückend zu lesen, wie die Menschen drangsaliert wurden und wie die Angst umgeht. Man flüchtet von der Straße sobald schwarze Uniformen auftauchen, denn man weiß nicht, ob man solch eine Begegnung heil übersteht. Wer verhaftet wird, den erwarten harte Verhöre und Folterung, und wer allzu widerspenstig ist, der landet auch schon mal im Konzentrationslager.
    Auch in der Familie Rath macht sich die politische Situation unangenehm bemerkbar. Charly geht offenen Auges durch die Welt und sieht die drohende Gefahr. Gereons mangelndes politisches Interesse regt sie auf und der Haussegen hängt öfter mal schief. Dass ihr Pflegesohn Fritze dann auch noch der HJ beitreten will, macht sie nur noch wütender. Diese Unzufriedenheit bringt sie dazu, leichtsinnig zu handeln und einer jungen Frau zu helfen. Fritze dagegen fühlt sich in der Gruppe anderer Jungen wohl und nimmt begierig auf, was ihm dort vermittelt wird.
    Gräf hat die Zeichen der Zeit für seine Karriere zu nutzen gewusst. Er weiß, dass ihm alle Wege offen stehen. Mich hat aber überrascht, wie kaltblütig er die Chance nutzt, dunkle Flecken in seinem Leben verschwinden zu lassen.
    Es gibt weitere tote SA-Männer und Gereon hat schon bald einen Verdacht, wer hinter den Morden steckt. Er will den Täter natürlich festnehmen, aber Dr. Marlow hat auch ein Interesse daran, dass dieser von der Bildfläche verschwindet – aber das bitte tot. Gereon spürt nun sehr heftig, dass die Nähe zu dem Gangsterboss für ihn gefährlich ist. Da er Charly aber immer aus solchen Geschichten rausgehalten hat, kann er nun auch nicht offen mit ihr reden. Er verhält sich wieder einmal wie immer, wenn’s schwierig wird: Er duckt sich weg. Aber das Problem ist da und muss gelöst werden.
    Wieder einmal gelingt es Volker Kutscher perfekt, uns diese bedrückende Zeit nahe zu bringen. Von Buch zu Buch wird es bedrückender und mit dem Wissen von heute geht es einem beim Lesen besonders nah. Trotzdem fesselt diese Geschichte und versetzt einen in ein Wechselbad der Gefühle. Dennoch bin ich schon sehr auf den nächsten Band gespannt.
    Ein packender Krimi in einer dunklen Zeit.


    5ratten

  • Quereinstieg: Lunapark - Volker Kutscher


    Ich habe mich nochmal in die Mitte einer Serie getraut. Gehört hab ich natürlich schon viel von Volker Kutscher und seinem Gereon Rath, doch bis jetzt hatte ich noch nicht das Vergnügen, mich in eines seiner Bücher zu vertiefen. Derweil der erste Teil der Reihe „Der nasse Fisch“ im Jahr 1929 spielt, befinden wir uns mit Lunapark schon im Jahr 1934. Die Nazis haben die Macht ergriffen, die Kommunisten und Sozialisten sind vertrieben oder leben versteckt, die Hitlerjugend ist auf dem Vormarsch – es ist die Zeit kurz vor dem Röhm-Putsch. Geschichtlich eine wirklich interessante und sehr spannende Zeit, vor allem, weil wir ja wissen, wie die Geschichte ausgehen wird und wir quasi dabei zusehen müssen, wie die Menschen mit offenen Augen in ihr Unglück rennen. Aber wie sieht es von der kriminalistischen Seite aus? Kann Volker Kutchers Gereon Rath da auch viel bieten?


    Als Gereon Rath zu einem Mordfall gerufen wird, findet er den übel zugerichteten SA-Mann Horst Kaczmarek, unter Freunden auch mehr oder minder liebevoll Katsche gerufen, unter einer halben kommunistischen Parole vor. Das ruft auch die Gestapo schnell auf den Plan, in Person Raths früheren Kollegen Gräf, der die Nazi-Gesinnung als Karrieresprungbrett benutzt. Dort sind schnell die Schuldigen gefunden, es muss natürlich die Gruppe Wolff sein, eine von Russland bzw. Stalin indoktrinierte und zurückgesandte Gruppe von Kommunisten, die den Nationalsozialismus mit heimlich hingeschmierten Parolen untergraben und stürzen soll. Diese Theorie scheint anscheinend nur Gereon Rath hanebüchen. Derweil also die Gestapo einer Gruppe Wolff hinterher hetzt, macht Gereon Rath, das was er schon immer konnte und kann: ermitteln. Und zwar allein.


    Gereon Rath ist ein Eigenbrötler. Anscheinend ist er schon in früheren Teilen nicht teamfähig gewesen, mit der Gestapo und seinem früheren Kollegen Gräf ist er es nun ganz besonders nicht. Das hat zum einen Vorteile, denn die festgelegten Ermittlungen in Richtung Kommunisten inklusive der Ignoranz vorhandener Spuren oder dem Nichtzulassen von anderen Ermittlungsansätzen und Theorien, kann Rath nur so entkommen. Andererseits bringt ihm das auch Nachteile, denn sowohl die SA als auch die Gestapo sitzen mittlerweile am längeren Hebel und Rath entkommt nur knapp Maßregelungen und drohendem Jobverlust. Rath ist aber auch einer, der gerne seine Augen verschließt. Klar kann man das heute einfach sagen, weil man weiß, wie die Geschichte weiter geht, doch Rath ist in der Hinsicht wirklich naiv. Noch 1934, ein Jahr nach Machtergreifung durch die Nazis, und obwohl sein Pflegesohn Fritze nach und nach mehr von der Hitlerjugend vereinnahmt wird, macht er beide Augen zu und behauptet, dass alles wieder gut wird. Dass „Papa“ Hindenburg das schon wieder richten wird. Gereon ist ein widersprüchlicher Charakter. Zwar kann er sich in seinem Job behaupten, Karriere wird er aber wohl erst mal nicht machen. Insgesamt ist er mir zu lasch – gegenüber seinen Mitarbeitern, gegenüber Fritze und auch gegenüber alten Freunden, ob nun Kollegen oder Verbrechern.


    Im Gegenzug dazu steht seine Frau Charlotte. Sie versucht des Öfteren Rath vom Gegenteil zu überzeugen, nicht nur, als Rath ohne zu lesen, den Mitgliedsbeitritt von Fritze für die HJ ungesehen unterzeichnet. Mit ihr erlebt man auch die Gesellschaft, ganz ohne Polizeiabzeichen, z. B. wie Leute schnell in Läden verschwinden, wenn ein Pulk SAler um die Ecke biegt, aber solche Kleinigkeiten bleiben zu Hause unerwähnt. Gespräche und Unterhaltungen sind jetzt nicht unbedingt die Stärke im Hause Rath. Gereon erzählt praktisch nichts von seinen Ermittlungen, aber auch nicht, dass er einem alten Bekannten, dem Gangsterboss Marlow, begegnet ist. Aber auch Charlotte hält vor Gereon geheim, dass sie auf der Suche nach einem untergetauchten Kommunisten ist, nachdem dessen Schwester sie beauftragt hat. Auch ihren neuen Job in einer Anwaltskanzlei verheimlicht sie so lange wie möglich, auch wenn sie Gereons Unterschrift benötigt, um dort zu arbeiten. Die Raths machen sich das Leben wirklich unnötig schwer und man mag sie ständig durchschütteln. Es scheint auch, als würden sie aus ihrem Verhalten nicht lernen, in ihren Geheimnissen gefangen zu sein und somit in ihrer Beziehung in Stillstand zu verharren.


    Dieses Dreigestirn an Figuren, welches sich im Hause Rath tummelt, scheint die damalige Situation gut zu beschreiben. Wir haben die, die den Ernst der Lage erkennen, aber nicht viel machen können in Charlotte vertreten, wir haben die, die begeistert folgen in Fritze gespiegelt und Gereon ist derjenige, der wie viele wegguckt und hofft, dass es bald besser wird. Eine sehr ungesunde Mischung, wie wir aus der Erfahrung wissen. Neben dieser politisch und gesellschaftlich heiklen Situation, den vielen historischen Kleinigkeiten, die eingestreut sind (z. B. Gereons Zigarettenmarke, die ich ehrlich gesagt, schon bald nicht mehr lesen konnte, es hätte auch mal gereicht zu schreiben, dass er sich eine Zigarette anzündet – aber noch vielen anderen kleinen Dingen) und den Figuren, die den Lesern der ersten Stunde der Serie vermutlich mehr ans Herz gewachsen sind als mir bis jetzt, gibt es natürlich noch den Kriminalfall.


    Ja, der Kriminalfall. Die Lösung der Gestapo kann kein Leser auch nur für einen Moment als möglich ansehen – einfach schon, weil sie keinen anderen Schluss zulassen. Die Ermittlungen von Gereon Rath führen dann über ein Glasauge zu einem alten Mann zur Kirche und außerhalb von Berlin bis sie letztendlich bei alten Bekannten landen – allerdings findet Gereon dies recht schnell heraus. Trotzdem lässt die Spannung nicht nach, denn der Täter ist zwar bekannt, aber noch lange nicht gefasst. Und was genau der Lunapark damit zu tun hat, tja, das müsst ihr dann noch selbst herausfinden.


    Abschließend kann ich sagen, dass mir der Krimi ganz gut gefallen hat, auch wenn ich glaube, dass die Begeisterung bei den Lesern, welche die vorigen Teile auch schon kannten, wesentlich höher war, als bei mir. Ich vermute mal, es ist der Sog der Serie, wenn einem die Charaktere einfach ans Herz wachsen – und man dann das Ganze noch mit politisch-interessante Zeiten und einem spannenden Kriminalfall geliefert bekommt. Der Quereinstieg, wie ich ihn gemacht habe, ist durchaus möglich, denn der Autor erklärt alle wiederkehrenden Elemente kurz, so dass man nicht verwirrt ist. Allerdings muss man schon sagen, dass die Geschichten sehr miteinander verwoben sind – d. h. das Buch „Lunapark“ hätte es ohne die vorigen Teile gar nicht geben können. Auch bin ich mir nicht sicher, ob ich tatsächlich die vorigen Teile nachholen werde, denn einige Dinge sind mir jetzt schon bekannt und ich fürchte mich vor fehlender Spannung, wenn ich denn nun eben einiges schon kenne oder wiedererkenne. Schade eigentlich, denn gerade die politisch-historische Komponente würde mich reizen. Gereon Rath Fans werden „Lunapark“ sowieso lesen – allen andere empfehle ich tatsächlich mit dem ersten Teil der Serie „Der nasse Fisch“ zu beginnen.


    Fazit:
    Der Krimi ist politikgeschichtlich hochinteressant und mit einem recht spannenden Fall garniert, allerdings war mir Gereon Rath ein wenig zu lasch. Ein Quereinstieg in die Reihe ist möglich, aber ich empfehle ihn nicht.


    3ratten

    Grüßle, Christina

  • Gereon Rath in seinem neuesten Fall


    Berlin, Ende Mai 1934: unter einer Eisenbahnbrücke findet die Polizei die Leiche eines SA-Mannes. Der Tote ist ziemlich übel zugerichtet, herausstechend ist jedoch das Glasauge, welches sich im Rachen des Mannes befindet. Gereon Rath von der Mordkommission wird angewiesen, mit der Geheimen Staatspolizei zusammenzuarbeiten und trifft dabei auf seinen früheren Kollegen Reinhold Gräf. Dieser geht davon aus, dass es sich bei dem Mord um einen kommunistischen Anschlag handelt, während Rath auch in andere Richtungen ermittelt. Bald führt eine Spur in die Berliner Unterwelt.


    Der neueste Fall von Gereon Rath siedelt zeitlich ein Jahr nach der Machtergreifung Hitlers an: die Begeisterung für die Regierung schwindet in der Bevölkerung, was auch an den unberechenbaren und brutalen Übergriffen der SA liegt. Rath, der im Gegensatz zu seiner Frau Charly sehr blauäugig ist, was die politische Situation angeht, glaubt immer noch an ein baldiges Ende der Nazis.


    Charly Rath sieht das dagegen deutlich realistischer: ihre Abneigung und ihr Widerstand gegenüber der Hitler-Regierung nimmt permanent zu, was nicht nur immer wieder zu Streit mit ihrem Mann führt, sondern auch zu gefährlichen Alleingängen. Die familiäre Situation spitzt sich aber noch weiter zu: Fritze, der Pflegesohn der Raths, gerät immer mehr unter den Einfluss der Hitlerjugend.


    Typisch für Gereon waren und sind schon immer seine Alleingänge, was die Ermittlungen angeht – während ich mich in den letzten Bänden immer wieder darüber aufgeregt habe, war ich diesmal froh, dass er entgegen aller Anweisungen seiner Spürnase folgt, da sich die offiziellen Ermittlungen hauptsächlich nur noch an politischen Belangen orientieren. Allerdings wird es immer enger für Rath, vor allem, als ein alter Bekannter eine gefährliche Gefälligkeit einfordert. Ich muss gestehen, dass ich diese Szene ziemlich unterschätzt habe.


    Durch den zunehmenden Druck, der auf Gereon Rath lastet, baut der Autor zunehmend Spannung in dem Buch auf und ich muss gestehen, dass ich im letzten Teil des Buches beinahe Angst vor dem Weiterlesen hatte.


    Ich finde den sechsten Teil der Krimiserie wieder sehr gelungen und das Ende des Buches macht neugierig, wie es in Zukunft weitergehen wird, auch wenn die Aussichten nicht besonders rosig sind.


    5ratten

    Liebe Grüße

    Karin

  • Berlin, 1934.
    Unter einer Eisenbahnbrücke nahe des Stettiner Bahnhofes findet sich eine übel zugerichtete Leiche. Als Kriminalkommissar Gereon Rath zum Tatort kommt, herrscht dort bereits Hochbetrieb. Der Tote ist eindeutig als Mitglied der SA erkennbar - da steht es nach der 'Nationalen Revolution' nicht zur Debatte, dass Mann und Maus zum Fundort geeilt sind. So verwundert es auch in keinster Weise, dass Gereon vor Ort seinen früheren Kollegen Reinhold Gräf trifft, der inzwischen für die Geheime Staatspolizei arbeitet. Während Gereon gewohnt eigenbrötlerisch aber mit perfektem Instinkt zu ermitteln beginnt, stehen für den GeStaPo-Mann Gräf die Täter bereits fest: direkt neben der Leiche findet sich eine frische, nicht ganz beendete antifaschistische Parole.


    Während Gereons Nachforschungen in den Sumpf der alten, längst zerschlagenen Berliner Ringvereine deuten, wird ein zweiter Toter gefunden - ebenfalls ein SA-Mann. Und mit dieser Tat deutet alles daraufhin, dass die Berliner Polizei, die in diesen Fällen mit der GeStaPo zusammenarbeiten muss, mit einer Mordserie konfrontiert wird.


    Doch nicht nur die Arbeit macht Gereon zu schaffen - auch privat bahnt sich Unheil an. Holt die ein oder andere Vereinbarung, die die Trennlinie zur Grauzone längst überschritten hat, den Kommissar nun ein? Auch dieses Mal schafft er es, sich selbst in die Bredouille zu bringen.
    Außerdem wären da noch Fritze, dessen Leidenschaft für die HJ entbrennt, und Charly, Gereons Frau, die stets ihre eigene Meinung zur sogenannten neuen Zeit hat und schon bald in SA-Haft landet.


    Gereon hat alle Hände voll zu tun und gerät mit seinen ihm eigenen Methoden mal wieder an die ein oder andere Grenze. Am Ende beschert es ihm einen eindeutigen Auftrag. Er muss ihn ausführen - doch wird er es auch tun?


    Auch dieses Mal war meine Freude riesig, als ich die Ankündigung für den sechsten Fall Gereon Raths entdeckt habe. Für mich ist das im Grunde die einzige Krimi-Reihe, deren Ende ich am liebsten in weiter Zukunft wüsste - aber viel Zeit bleibt nicht mehr. Man merkt inzwischen deutlich die Zeichen der Zeit und auch für einen verhältnismäßig unpolitischen Menschen wie Gereon wird es allmählich schwierig, seiner Arbeit ohne Anweisung und Überwachung überzeugter Nazis nachzugehen. Alleine das macht mir bewusst, dass die Tage des Kommissars (und somit auch meiner Hoffnung auf weitere Fälle) gezählt sind.


    Bislang hat mich kein Fall enttäuscht und auch dieser tut das nicht. Im Gegenteil, ich finde, dass Volker Kutscher mit "Lunapark" ein großer Wurf gelungen ist! Diese Zuspitzung der Verhältnisse, die Angst derer, die erkannt haben, wessen Geistes Kind die Nazis und ihre Schergen sind, wird hier greifbar geschildert. Und die Zeichen der Zeit machen auch vor der Familie Rath nicht Halt. Genau diese Beschreibung, was das neue Regime mit Gereon, Charly und Fritze macht, gehört zur ganz großen Stärke des Buches.
    Zudem ist der Fall an sich gewohnt spannend und die Entwicklung der Figuren lässt sich alleine durch die historische Entwicklung lange nicht immer absehen.


    Für mich ist und bleibt Volker Kutscher einer von ganz wenigen Autoren, die einen Kriminalroman mit sehr interessanten Figuren, einem historisch korrekten Setting und der wirklich schwierigen Zeit des Dritten Reiches perfekt umsetzen kann. "Lunapark" ist einfach viel mehr als nur ein Krimi, denn:
    Chapeau! Volker Kutscher hat seine Figuren gekonnt und glaubhaft in zunehmend düsteren Zeiten platziert, die bedrohlich werdende Atmosphäre eingefangen und einen packenden Fall gestrickt.


    5ratten

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Inhalt
    Berlin 1934: Unter einer Brücke wird ein auf den ersten Blick zu Tode geprügelter SA-Mann gefunden. Gereon Rath von der Mordkommission trifft am Tatort auf seinen ehemaligen Kollegen Gräf, der nun für die Geheime Staatspolizei arbeitet. Dieser hat die Zeichen der Zeit gut genutzt und ist dort auf der Karriereleiter aufgestiegen, so dass er Gereon Rath nun vom Rang her gleichgestellt ist. Für Gräf ist der Fall klar: halbfertige Schmierereien an einer Mauer weisen auf eine kommunistische Gruppe als Täter hin, was Gräf sehr gut passt, ist er doch sowieso schon einige Zeit hinter denen her. Gereon Rath sieht das ganz anders, ist aber gezwungen, mit Gräf zusammenzuarbeiten und es bleibt ihm keine andere Wahl, als das zu tun, was er gut kann: auf eigene Faust den Täter zu finden. Seine Ermittlungen bringen ihn auf die richtige Spur, aber was er dabei herausfindet, zieht ihn in seine eigene nähere und weitere, nicht immer ganz saubere Vergangenheit zurück und bringt ihn selbst, seine Karriere und seine kleine Familie in große Gefahr. Gleichzeitig bringt sich auch seine Frau Charly in Gefahr, als sie der Bitte einer Bekannten nachkommt, deren untergetauchten Bruder zu finden. Und der ist Kommunist ...


    Meine Meinung
    Es wird immer düsterer in Deutschland. Ein Jahr nach der Wahl der Nationalsozialisten wird das Leben immer angespannter. Deren Verfolgung von Kommunisten, Juden, Homosexuellen und allen anderen, die ihnen nicht gefallen und auch Folterungen bestimmen mehr und mehr das Bild. Kein Wunder, dass viele lieber schnell in ein Geschäft verschwinden, als einer Gruppe Nazis auf der Straße zu begegnen. Viele solche Details beschreiben eindringlich den Alltag und die Veränderungen, die die Zeit bringt. Ebenso werden wieder historische Personen und Aktivitäten eingeflochten, so dass sich auch in diesem Buch wieder sehr gut zeigt, wie großartig der Autor es versteht, Atmosphäre und ein authentisches Lesegefühl zu erschaffen. Mit steigendem Entsetzen verfolgt man als Leser, der ja weiß, was in den folgenden Jahren mit dem Deutschland passieren wird, wie die Nazis mehr und mehr das Leben der Menschen bestimmen und sie deren Willkür ausgesetzt sind. Dabei fragt man sich als wissender Leser einmal mehr, wie lange Gereon Rath wohl immer noch daran glaubt, dass diese Phase bald vorübergeht und wie lange er weiterhin seiner Taktik der Verdrängung und des Ausweichens treu bleiben wird. Ganz anders erlebt man seine Frau Charly, die die Gefahr bereits erkennt und rebelliert, allerdings nicht ohne Folgen. Hier würde man ihr gerne immer mal wieder zurufen, etwas vorsichtiger zu handeln. Besonders schmerzlich empfand ich dann die Entwicklung ihres Pflegesohns Fritze, der mit großer Begeisterung in die Hitlerjugend eintritt, nachdem man ihn vorher immer als aufgeweckten und nicht auf den Mund gefallenen Jungen erlebt hatte. Die Anspannung in der Familie Rath erhöht sich hier also sehr und das Problem der Schweigsamkeit untereinander führt sich leider weiter fort und ich hätte Charly und Gereon auch hier wieder mehrfach schütteln können für ihren Mangel an ordentlichen Aussprachen, auch mit Fritzi.


    Aber die kleine Familie ist damit auch ein gutes Abbild der Menschen der damaligen Zeit: die politisch uninteressierten Verdränger und Wegducker wie Gereon, die ahnungsvollen und Widerstand leistenden Kämpfer wie Charly und die begeisterten Anhänger wie Fritze. Mir macht die Entwicklung in der Familie mehr und mehr Sorge.


    Der Kriminalfall rückt fast ein bisschen in den Hintergrund, ist aber auch wiederum kein Wunder, denn es wird Gereon Rath sehr schwer gemacht, seine Arbeit zu tun. Da für die Gestapo der Fall klar ist und Gereon mit dieser zusammenarbeiten muss, hat er kaum Chancen auf eine korrekte Ermittlung. Und da er bald erkennt, wohin die Indizien wirklich führen, bleibt ihm mal wieder keine Wahl, auf eigene Faust zu ermitteln, was unter den Umständen nicht leicht ist. Wem sollte er überhaupt den wahren Täter nennen? Man spürte den Frust, den Gereon Rath hier erlebte, aber noch schlimmer war dann die weitere Entwicklung, die frühere Verfehlungen hochbrachte und ihn nun zum Handlanger werden ließ. Hier rückte der Fall endgültig in den Hintergrund und Leben und Karriere standen auf dem Spiel. Das war sehr spannend zu lesen und ließ mich öfter mal die Luft anhalten, auch weil der Autor hier nicht zimperlich war und den vielleicht etwas zu sorglosen Leser bzw. Gereon Rath zwischendurch etwas aufrüttelte, um klar zu machen, dass das kein Spaziergang mehr ist.


    Auch dieser Fall war für mich wieder sehr spannend zu lesen und erweckte die zu dem Zeitpunkt immer bedrückender werdende Vergangenheit gekonnt zum Leben. Und lässt mich nun mehr und mehr um die lieb gewordenen Figuren bangen.


    5ratten

  • Ach was ist das nur mit mir und Kutscher? Ich liebe seinen Gereon Rath, aber schon letztes Mal konnte er mich mit der reinen Krimihandlung nicht mehr, wirklich überzeugen. Ich hoffe das sich das schnell wieder ändert. Eigentlich kann ich es kaum erwarten, den nächsten Band in die Hand zu bekommen. Aber leider ist Lunapark ja gerade erst erschienen, da heißt es wieder warten, warten und nochmals warten :breitgrins:


    Leider hat mich der Krimianteil auch dieses Mal nicht wirklich vom Hocker gehauen. Wenn Kutschers Talent die Zeit, die er beschreibt, so lebendig zu zeichnen, nicht so groß wäre, hätte ich eventuell sogar einen Pause eingelegt. Für mich wird die Handlung immer dann gerettet, wenn es darum geht, wie die Raths sich in dieser Zeit kurz vor den ersten Umbrüchen innerhalb der NSDAP (Stichwort angeblicher Röhm -Putsch) entwickeln. Vieles geht dabei genau den gang den ich auch schon durch den letzten Band erwartet hatte. Gerade Rath hält sehr an seiner Unpolitischen Linie fest, er kann sich einfach nicht durchringen eine wirkliche Position einzunehmen. Ich finde es grandios das Volker Kutscher seine Figur nicht weich spült, gerade diese Ambivalenz ist es, die Gereon für mich erst wirklich lebendig werden lässt. Ich bin schon jetzt gespannt, ob er nicht doch irgendwann gezwungen sein wird, seine Postion in Frage zu stellen. Gerade was Charlie angeht, deutet sich da schon einiges an. Fritzchen entwickelt sich ja momentan auch genau in die erwartete Richtung weiter und auch hier sehe ich noch weitere Konflikte auf uns zu kommen.
    Einmal mehr konnte ich wirklich besser verstehen, wie diese Zeit zu Beginn der NS-Regierung für viele Menschen war. Daher konnte ich schon auch etwas drüber hinwegsehen, das mich der Mordfall und seine Auflösung nicht überzeugt haben. Für mich waren hier ganz andere Dinge wichtig, vor allem die inneren Kämpfe zwischen SS und SA waren hier für mich spannend und auch Gereons auf einander treffen, mit diesen "Parteien", war spannend und interessant erzählt. Gleichzeitig ist da dann die Frage, wie es in Gereons Ehe weitergehen könnte. Charlie möchte sich ihre gewonnen Freiheiten eben nicht so leicht nehmen lassen und hier merkt man, das Gereon doch schon sehr in damaligen Rollenmustern verhaftet ist - was ich aber auch wiederum gut finde, denn auch hier bleibt er glaubwürdig. Dieser ganze Konflikt und die historischen Hintergründe machen "Lunapark" dann trotzdem zu einem tollen Roman. Wer die Reihe schon vorher mochte, wird auch hier wieder begeistert sein - so oder so.


    Von mir gibt es: 3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Volker Kutscher..hat man einmal angefangen, so liest man die Bücher meist der Reihe nach durch...


    Apropos "Reihe": es macht schon Sinn, die Bücher der Reihe nach chronologisch zu lesen.


    Zum Lunapark:


    ...die Zeiten werden wohl härter. Der Krieg steht bald bevor, es gibt bereits Straßenkämpfe und auch Gereon Rath lässt sich davon anstecken. Der sonst so vermeintlich Sympathische (OK...bis auch ein paar Ecken und Kanten) Hauptdarsteller der Bücher rückt in ein neues Licht. Insgesamt werden die Handlungsstränge härter, wenn auch dem Zeitgeschehen angemessen und nachvollziehbar.


    Die Handlung ist soweit spannend, verliert sich aber oft in eine Art Geschichtsbuch mit vielen politischen Ausführungen und Anekdoten....Konrad Adenauer lässt grüssen. Der Inhalt soweit spannend, aber oft mit vielen Personen und Gruppierungen verbunden, so das man schon den Überblick behalten muss. Das Ende ist offen - es wird sicherlich Fortsetzungen geben.


    Man kann jetzt lange philosophieren ob das Buch gut oder schlecht - spannend oder langweilig ist. Andererseits wüsste ich jetzt auch nicht, welche Bücher (Krimis) aus der Zeit des dritten Reiches spannender sind (Hinweise nehme ich gerne entgegen).


    Ich vergebe mal 4ratten
    weil das Buch nicht wirklich schlecht ist

    Opa Pittschikowski aus dem Ruhrrevier, kennt die Blauen Knappen schon seit 1904 - niemals tat er fehlen, nur einmal war er krank - Oma tat er quälen wenn er schon morgens sang:<br /><br />Ob ich verroste und ver

  • :heul:Ich hatte ganz vergessen, wie dieser Teil endet. :heul: So rückblickend betrachtet würde ich sagen, das Lunapark einen Wendepunkt in der Reihe darstellt. Es spitzen sich einige Ereignisse dermaßen zu, das klar ist, das sich das in den nächsten Bänden vor allem auch im Privatleben der Familie Rath entladen wird.

    Ich denke ein Grund weshalb ich Gereon so sehr mag ist seine Ambivalenz und das er wie ein Mensch wirkt, der auch wirklich gelebt haben könnte. Das geht mir zwar mit Charly auch so und ich finde sie wirklich toll, aber Gereon ist und bleibt dann doch meine Nr.1. Auch wenn ich ihn für so manche Dinge die er in diesem Band von sich gibt, am liebsten eine geklebt hätte (da gehts mir wie Charly *gg*).


    Ein Grund weshalb ich diesen Band auch besser bewerte als beim ersten Mal ist sicher auch, das ich mit anderen Erwartungen herangehen kann. Ich weiß ja schon, das sich Kutschers Fokus etwas verschoben hat und er immer stärker auf die politischen Themen eingeht - was ich persönlich sehr gut finde. Den Kriminalfall selbst finde ich zwar immer noch nicht so dolle, aber das drum herum hat mich dafür schon sehr überzeugt. Für mich waren sowieso andere Entwicklungen entscheidend. Gereon hat das erste Mal begriffen, das er eine Grenze überschritten hat... Ich bin gespannt, wohin ihn das noch führen wird. Gleichzeitig hoffe ich immer noch, das er doch noch auf Charly hören wird...


    4ratten

  • Ein toter SA-Mann unter einer Berliner Eisenbahnbrücke, in seiner Nähe sind kommunistische Parolen an die Wand geschmiert. Gereon Rath soll den Fall aufklären und trifft am Tatort auf seinen Ex-Kollegen Reinhold Gräf, der neuerdings bei der politischen Polizei tätig ist und ein strammer Anhänger der neuen Machthaber. Und auch der Tote ist, wie sich herausstellt, ein alter Bekannter - und wurde nicht erschlagen, wie es zunächst den Anschein hat, sondern ist an einem ungewöhnlichen Gegenstand erstickt.


    Seine Ermittlungen führen Rath ziemlich tief in einen undurchsichtigen Sumpf aus rivalisierenden Grüppchen innerhalb der SA und früheren Mitgliedern der inzwischen aufgelösten Ringvereine, und als er seine alten Kontakte zum Verbrecherboss Marlow spielen lässt, findet er sich unversehens in einer ganz üblen Zwickmühle wieder, bei der er eigentlich nur verlieren kann.


    Charly verzweifelt indessen schier an der Begeisterung, die Adoptivsohn Fritze für die Hitlerjugend an den Tag legt. Sie kommt mit der Naziregierung und den sich immer stärker verfestigenden Strukturen des NS-Staates überhaupt nicht klar und fühlt sich in ihrem eigenen Land nicht mehr zu Hause. Dass Gereon sich ständig merkwürdig benimmt, nagt an ihr, und schließlich gerät sie selbst zwischen die Fronten.


    Die Stimmung wird von Band zu Band düsterer und beklemmender, das sich immer mehr zuziehende Netz des menschenverachtenden Naziregimes nimmt einem schon beim Lesen fast die Luft, ganz zu schweigen von dem unappetitlichen Milieu aus Gangstern und SA-Schlägern in dem Rath ermittelt, und all den linientreuen Parteigenossen an wichtigen Stellen. Da wird einem wirklich ganz anders. Ich konnte Charlys Gefühle sehr gut nachvollziehen und war wie sie entsetzt, dass Rath nicht zu merken scheint, welches Gefahrenpotential in dieser für ihn eher lästigen als wirklich bedenklichen neuen soziopolitischen Landschaft steckt.


    Im Vergleich zu den beiden Vorgängerbänden fand ich diesen Fall ab und an ein bisschen zäh, was zum Ende hin aber wieder durch steigende Spannung ausgeglichen wurde. Was die sehr authentisch wirkende Darstellung von Zeit, Stadt und Leuten angeht, kann Kutscher nach wie vor kaum jemand das Wasser reichen. Und auf bitterböse Weise passend und schon fast witzig fand ich den Bogen, den dieses Buch zum Vorgänger schlägt. Wer das Buch gelesen hat, wird wissen, was ich meine ;)


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich finde es grandios das Volker Kutscher seine Figur nicht weich spült, gerade diese Ambivalenz ist es, die Gereon für mich erst wirklich lebendig werden lässt.

    Ja, genau deshalb mag ich die Reihe so gerne. Zwar könnte man ihm echt manchmal eine reinhauen, aber es ist viel glaubwürdiger so, als wenn er ein eifriger Widerstandskämpfer wäre (zumal es sich dann wahrscheinlich auch ziemlich schnell ausermittelt hätte ...)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen