Colson Whitehead - Underground Railroad

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    Ich weiß jetzt nicht, ob ich das richtig eingeordnet habe - das Thema des Romans ist ja rein historisch, trotzdem ist es in der Hinsicht ein Gegenwartsroman, dass er aktuell sehr diskutiert wird. Wie auch immer - bitte verschieben, wenn erforderlich! Vielen Dank!


    Eine Roadstory der besonderen Art - Und zwar einer besonders bedrückenden, steht die "Underground Railroad" doch in Verbindung mit der jahrhundertelangen Unterdrückung der afroamerikanischen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten von Amerika, für das Sklaventum also. Und doch steht sie auch für etwas sehr Modernes, nämlich für ein Netzwerk der ganz besonderen Art, das bereits vor fast zweihundert Jahren existierte und von dem manch einer noch heute, im Zeitalter der Digitalisierung, lernen kann und das nicht zu knapp: Es wurde just von denen aufgebaut, die am bedürftigsten waren, die der Unterstützung am meisten bedurften, nämlich von der afroamerikanischen Bevölkerung und ihren nicht gerade zahlreichen Freunden. Es ging darum, geflohene Sklaven möglichst sicher, aber natürlich vor allem unauffällig, in den freien Norden zu schaffen. Der Begriff steht für die nahtlose Verbindung, die dafür geschaffen wurde.


    In Colson Whiteheads preisgekröntem Roman "Underground Railroad" verwandelt sich dieses Netzwerk in eine echte Eisenbahnstrecke, eine geheim verlaufende, über die die Flüchtenden abtransportiert werden.


    Genau wie in der Realität sind diese wie auch ihre Helfer ständig großen Gefahren ausgesetzt.


    Ich bewundere die Tatsache, dass in diesem von einem Mann verfassten Roman eine Frau die Protagonistin ist - Cora, eine Sklavin aus Georgia ist die Hauptfigur dieses grandiosen, aufrüttelnden Werks, das nicht allzu vieler Seiten bedarf: knapp 350 genügen dem Autor, um sowohl ihr Martyrium auf der heimischen Farm, die man nicht als Heimat bezeichnen kann ob des Grauens, das sowohl ihr als auch ihren Leidensgenossen widerfährt, als auch die Stationen ihrer jahrelang währenden Flucht darzustellen. Und zwar so eindringlich, anschaulich und bewegend, wie nur irgend möglich! Und ausgesprochen rund, auch wenn ich gut und gerne noch weitergelesen hätte, um die besondere Atmosphäre, die der Autor geschaffen hat, vollends auszukosten.


    Eines wird deutlich: Es gibt immer Neid und Missgunst. Ganz egal, wo man ist und auch dann, wenn man selbst überhaupt nicht drauf kommen würde. Dieses Buch und seine traurige, realistische Geschichte, die jedoch nicht hoffnungslos ist, lehrt seine Leser, die Achtsamkeit wiederzufinden und in Ehren zu halten, ihrer Gewahr zu sein.


    Cora lebt dank ihrer Erlebnisse in ewigem Misstrauen und sie tut Recht daran, wie uns immer wieder vor Augen geführt wird. Doch nie verliert sie die Hoffnung und sie wächst an ihren Erfahrungen, sowohl den vielen leid- als auch den eher spärlich gesäten freudvollen. Denn Hoffnung gibt Kraft und diese braucht man, um etwas zu erreichen.


    Eine überaus lohnende, wenn auch schmerzvolle Lektüre, wie ich finde, aber definitiv ein Roman, den man gestärkt aus der Hand legt. Ein ganz besonderes Buch, das ich jedem empfehle, der immer bereit ist, zu erfahren, wie die Welt zu dem wurde, was sie ist.
    5ratten

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    "Die Menschen tragen Ketten und sind Sklaven; aber sie sind nicht geboren, es zu sein, und haben die Hoffnung nicht verloren, wieder frei zu sein." (Matthias Claudius)
    Cora arbeitet ebenso wie ihre Großmutter auf der Randall Farm, für sie gab es nie etwas anderes, als Sklavin sich auf Plantagen zu schinden. Eines Nachts flüchtet dann Coras Mutter von der Farm und lässt ihre Tochter alleine bei ihrer Mutter zurück. Cora kann nicht nachvollziehen, warum sie, sie ganz alleine gelassen und nicht mitgenommen hat. Nach dem Tod des alten Plantagenbesitzer Randall wird die Farm an seine Söhne vermacht, die diese genauso herzlos weiterführen. Unter unerträglichen Bedingungen müssen die Sklaven der Randalls Bauwolle säen und ernten. Doch eines Tages tritt Caesar an Cora heran und offenbart ihr das er flöhe und sie mitnehmen möchte. Erst verneint Cora diesen Vorschlag, den selten ist einem Sklaven so eine Flucht gelungen und wenn man sie gefasst hätte, wäre dies ihr Todesurteil gewesen. Ein paar Tage später wusste Cora das, wenn sie jetzt nicht flieht, dies ihr Leben lang bereuen würde. Zusammen wollen sie mit der Underground Railroad in ein neues Leben fliehen. Dabei wird Ridgehead einer der berüchtigten Sklaveneintreiber, die beiden unerbittlich verfolgen, um sie an Randall auszuliefern, den dieser hat ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Es beginnt eine abenteuerliche Reise bei denen sie heldenhafte Bahnhofswärter, Kopfgeldjäger und Leichendieben begegnen und überall lauern Gefahren. Werden sie ihre Freiheit wirklich finden?


    Meine Meinung:
    Mit Colson Whitehead ist hier ein fiktiver Roman erschienen, der die qualvolle Wirklichkeit der Sklaven in den USA widerspiegelt. Zur Vorlage nahm sich der Autor mehrere Slave narrative Vorlagen und gestalte damit einen fiktiven Roman, den es so nicht gab. Aber wenn man dieses Buch gelesen hat, kann man sich gut vorstellen, das es so gewesen sein könnte. Das Netzwerk der Underground Railroad gab es in Wirklichkeit, mit dieser wurden tatsächlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts Sklaven zur Flucht verholfen. Der Schreibstil ist sehr gut, schade nur das dem Buch ein wenig die Emotionen fehlen, trotzdem hat es mich zu tiefst bewegt. Entsetzt hat mich auch, das ab dem Jahr 1776, 460 000 Sklaven in die USA verschleppt und als billige Arbeitskräfte gehalten wurden. Ich denke dabei immer an eine damalige Fernsehserie Roots bei denen dies auch drastisch geschildert wurde. Selbst heute noch muss die schwarze Bevölkerung mit vielen Benachteiligungen in der ganzen Welt, vor allem aber in den USA leben. Deshalb auch stellvertretend dieses Buch, für alle jene Sklaven, die bisher ihr Leben lassen mussten. Ausgezeichnet wurde es mit dem National Book Award 2016 und dem Pulitzer Preis 2017. Ein Buch, das man gelesen haben sollte und von mir 5 von 5 Sterne bekommt.
    :tipp:


    EDIT: Fettdruck weitgehend entfernt.

  • Meine Meinung
    Underground Railroad greift ein schwieriges Thema auf, von dem ich leider viel zu wenig weiß. Vielleicht habe ich deshalb das Gefühl dass mir das Buch nicht alles erzählt. Beim Lesen hatte ich mehrmals den Eindruck, als ob die Geschichte nur an der Oberfläche kratzen würde. Colson Whitehead erzählt aus den Blickwinkeln vieler Personen, aber von keinem erfahre ich mehr als das Nötigste. Das war mir zu wenig. Von mir aus hätte das Buch doppelt so dick sein können und es hätte mir wahrscheinlich immer noch nicht gereicht.
    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Cora ist Sklavin auf einer Plantage in Georgia und eines Tages fragt sie einer ihrer Mitsklaven, ob sie ihn auf seiner geplanten Flucht begleiten will. Die „Underground Railroad“, die nach Norden führt, ist in diesem Buch tatsächlich eine unterirdische Eisenbahnstrecke und auf ihr gelangen die beiden aus dem Staat. Doch in Sicherheit sind sie noch lange nicht und vor allem muss Cora erkennen, dass es außer der offensichtlichen Sklaverei noch andere Abhängigkeitsverhältnisse gibt und dass bei Freiheit und Gleichheit Schwarze für gewöhnlich nicht mitgemeint sind.


    Die Geschichte ist geschickt erzählt, die Rückblicke auf die Lebensumstände der Nebenfiguren gefielen mir gut. Insgesamt ein gut gemachtes Buch. Aber warum das Buch den Pulitzer-Preis gewonnen hat, erschließt sich mir nicht, da hätte ich dann doch noch mehr erwartet.


    4ratten

  • Der Autor hat gepatzt!


    Cora wird als Kind einer Sklavin geboren und lebt auf der Baumwollplantage von Terence und James Randall. Ihr Leben ist geprägt von Entbehrung, Schikanen und harter Arbeit.

    Sie schliesst sich Caesar an, der die Flucht von der Plantage plant. In letzter Minute entschliesst sich auch ihre Freundin Lovey mit ihnen zu gehen. Immer mit dem Ziel und Blick auf die Freiheit kämpfen sie sich durch, um dann zu entdecken, dass auch die Freiheit nicht unbedingt so ist, wie erhofft und erträumt.


    Sklaverei und der Verkauf von Menschen ist eine dunkle Seite, die jedem ein Begriff ist. Ich habe mich auf ein Buch eingestellt, das schonungslos und brutal ist. Ist es auch, grundsätzlich. Der Autor schreibt jedoch in so einem emotionslosen und unnahbaren Schreibstil, dass ich so ganz und gar nicht mitfühlen konnte. Nehmen wir zum Beispiel die Erlebnisse Coras auf der Baumwollplantage. Diese Erlebnisse wurden mehr oder weniger wirr heruntergeleiert.

    Die direkte Rede wird sehr rar eingesetzt, Gefühle werden oberflächlich gehalten und erstaunlicherweise hat mich weder Cora noch ihre Mitgefangenen berührt. Erstaunlicherweise, weil ich ja das Leiden vieler Menschen in den Baumwollplantagen grundsätzlich nachvollziehen kann. Der Schreibstil hat jedoch so vieles verdrängt, ja gar verharmlost, dass ich emotionslos blieb. Bei so einer Geschichte will und brauche ich jedoch Emotionen! Damit empfand ich die Geschichte als so langweilig, dass ich ab der Mitte nur noch grob überlesen habe.

    Die Underground Railroad, die dem Buch den Titel gibt, war mir natürlich ein Begriff. Dieses Schleusennetzwerk, das die Flucht vieler Sklaven aus den Südstaaten der USA arrangierte, war ein wichtiges Mittel zu deren Befreiung zwischen 1810 und 1850. Der erste Fahrstuhl in den USA wurde aber erst 1857 in Betrieb genommen. Da die Protagonisten mehrmals einen Fahrstuhl benutzen, hat der Autor hier eindeutig gepatzt. Dazu kommen an den Haaren herbeigezogene Dinge wie Seite 71: "Natürlich hatte er (Caesar) eine Landkarte im Kopf und konnte die Sterne ebenso lesen, wie Buchstaben. Ich präzisiere: Caesar wurde auf der Baumwollplantage geboren und hatte keinerlei Gelegenheit sich das Land anzusehen und sicher auch nicht, sich Landkarten der Umgebung einzuprägen.


    Kaum zu glauben, dass "Underground Railroad" mit dem Pulitzer - Preis ausgezeichnet wurde. Allerdings bestätigen sich hier meine bisherigen Erfahrungen, dass mir ein Buch, das so ein hoch monetärer Preis zugestanden bekommt, mich eigentlich nie anspricht.



    2ratten

  • Aber warum das Buch den Pulitzer-Preis gewonnen hat, erschließt sich mir nicht, da hätte ich dann doch noch mehr erwartet.

    Es bestätigt meine Sicht auf den Pulitzer-Preis. Bücher, die ich nicht gut finde, gewinnen diesen Preis.

  • Trotzdem danke. Ich merke es mir mal vor.


    Oder besser doch nicht. Ich habe eben nochmal die Rezensionen gelesen und das hier ist nun gar nicht meins:

    "In Colson Whiteheads preisgekröntem Roman "Underground Railroad" verwandelt sich dieses Netzwerk in eine echte Eisenbahnstrecke, eine geheim verlaufende, über die die Flüchtenden abtransportiert werden."

    Mich interessiert die Underground Railroad, wie sie wirklich funktioniert hat. Da bleibe ich dann lieber bei der Geschichte über Harriet Tubman.

  • Ich finde die Prämisse des Romans, aus der Underground Railroad eine echte Bahn zu machen, ziemlich reizvoll, aber ich komme mit Whiteheads Stil leider nicht wirklich zurecht :(

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Mir hat Colson Whiteheads Roman „Underground Railroad“ gut gefallen, besonders sein fast dokumentarisch anmutender Schreibstil hat für mich die Intensität, mit der die Verbrechen der Sklaverei geschildert werden, nochmal erhöht. Allerdings bin ich mit einer völlig falschen Erwartung an den Roman herangegangen: ich hatte mit einem „echten“ historischen Roman gerechnet, und mit dem hat man es hier eben nicht zu tun.


    Die Bedingungen der Sklaverei werden, soweit ich es aufgrund meines Vorwissens beurteilen kann, sachgerecht geschildert, aber rundherum bedient sich Whitehead an unterschiedlichen geschichtlichen Versatzstücken und baut diese so ein, dass sie seinem Zweck dienen, die Unterdrückung der Farbigen in allen Lebensbereichen und allen als Schauplatz genutzten Staaten deutlich wird. Das geht weit über die Idee, aus der Underground Railroad eine richtige Eisenbahn zu machen, hinaus. Ergänzend zu den in den anderen Rezensionen bereits erwähnten Aspekten könnte man hier den Einsatz von Dioramen unter Einbindung echter Menschen im Museum erwähnen, der höchstwahrscheinlich nicht authentisch ist, oder die Fließbandarbeit in einer Fabrik, die ganz sicher erst später eingeführt wurde. An diesen Stellen, an denen erkennbar etwas nicht stimmt, bekommt der Roman etwas Fantastisches, das dann auch tatsächlich mit dem eher nüchternen Schreibstil kollidiert.


    Wer sich für die historische Underground Railroad interessiert, ist sicher mit dem hier im Thread ebenfalls erwähnten Jugendbuch „Harriet Tubman“ von Ann Petry besser bedient. Dieses geht stärker auf die tatsächlichen Fluchtumstände ein und verfolgt dabei die Geschichte der Protagonistin und ihrer Familie. Und Ann Petry ist als Autorin, die ebenso wie Colson Whitehead den Rassismus zu ihrem zentralen Thema gemacht hat, nicht umsonst in den letzten Jahren wiederentdeckt worden.


    Für mich war die Kombination aus beiden Büchern ideal, und Coras Fluchtgeschichte hat mich bis zum Schluss beschäftigt. Kleine Abstriche gibt es dabei für die immer wieder eingeflochtenen „Unglaubwürdigkeiten“. Trotzdem ist „Underground Railroad“ ein beeindruckender Roman zu einem wichtigen Thema.


    4ratten