Pierre Lemaitre - Drei Tage und ein Leben

Es gibt 28 Antworten in diesem Thema, welches 4.955 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.

  • Das dachte ich mir vorhin auch :smile:


    Und was ich auch spannend finde: es ist ja schon eine Weile her, dass wir das Buch gelesen haben, aber es ist in allen unseren Köpfen offenbar noch recht präsent, auch wenn wir es nicht alle gleich gut fanden.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ich glaube, das Problem hier war eher die Art der Darstellung als die Tatsache, dass ein Zwölfjähriger überhaupt sexuelle Gedanken hegt. So wie das beschrieben wurde, waren das eher Gedankengänge eines erwachsenen Mannes als eines kleinen Jungen. Dass einen frühreifen Jungen eine sexy Figur in Wallung bringt, kann ich mir schon vorstellen, aber nicht auf diese pseudophilosophische Art.


    Das kann ich so unterschreiben. Das eine ist eine bloße Reaktion auf den Hintern, wobei Antoine den Anblick in eigenen Worten bestimmt nicht als sich "mit gewaltiger Ausdruckskraft hin und her wiegend" beschreiben würde. Die Gedankengänge dagegen sind einfach zu reif für einen Zwölfjährigen.


  • Und was ich auch spannend finde: es ist ja schon eine Weile her, dass wir das Buch gelesen haben, aber es ist in allen unseren Köpfen offenbar noch recht präsent, auch wenn wir es nicht alle gleich gut fanden.


    Definitiv! Das Buch ist total unterschiedlich aufgenommen worden und genau den Austausch darüber fand/finde ich sehr spannend. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass meine Kritik rein inhaltlicher Natur sind.


    Mein Fazit nach dieser Runde: Für (noch) mehr Leserunden! :klatschen: Wobei man natürlich vorher nicht wissen kann, wie groß das Diskussionspotential ist. Aber die Runden, in denen wir nicht alle einer Meinung sind, können interessanter sein.

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Die Gedankengänge dagegen sind einfach zu reif für einen Zwölfjährigen.


    Ja, das trifft es haargenau. Zu reif. Ich hing irgendwo bei "zu abgeklärt".


    Valentine: Ja, mag sein, dass die anderen beiden Szenen (Pathologie und sich geißelnder Pfarrer) plausibler sind - vor allem in Anbetracht irgendwelcher Filme. Aber mal ehrlich? Schätzt Du Antoine so ein? Wo soll der die Filme denn gesehen haben (bei der Mutter)? :zwinker: Aber ja, Du hast Recht - im Vergleich zum wogenden Hinterteil ist das deutlich glaubhafter. :breitgrins:

    Liebe Grüße

    Tabea


  • Wo soll der die Filme denn gesehen haben (bei der Mutter)? :zwinker:


    Bei seinen verdorbenen playstationspielenden Freunden natürlich! :teufel: :breitgrins: Stimmt schon, es ist nicht sooo wahrscheinlich, dass er entsprechende Beispiele kennt. Aber wer weiß ...

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ich finde es auf jeden Fall spannend, was hier für eine Diskussion entstanden ist. Schade, dass igela während der Leserunde noch nicht hier im Forum war :zwinker:


    Danke für die Blumen :smile:
    Ich empfand das Buch als sehr eindrücklich,einen direkten Austausch mit Mitlesern wäre echt spannend gewesen.


  • Sonderbar ist er, das auf alle Fälle. Ich frage mich (mal wieder), ob das alles so in seiner Natur lag oder ob seine komische Erziehung noch zusätzlich dazu beigetragen hat. Er hat ja nie gelernt, sich jemandem anzuvertrauen.


    Ich arbeite ja mit behinderten Jugendlichen...und genau das ist eine Frage, die ich mir fast täglich stelle. Welche Probleme sind "hausgemacht" und welche sind von der Natur "gegeben" und nicht zu ändern. Diese Frage ist ein Fass ohne Boden und ungeheuer spannend!


  • Ich empfand das Buch als sehr eindrücklich


    Da kann ich dir beipflichten. Ob man mit den Handlungen der einzelnen Charaktere einverstanden war oder nicht, sie waren immer glaubwürdig und stringent. Dafür musste Lemaitre nicht einmal viele Worte verwenden. Es war immer klar, warum wer wie agiert hat.



    ,einen direkten Austausch mit Mitlesern wäre echt spannend gewesen.


    Direkt mag es nicht mehr sein, aber ich finde es echt toll, dass sich außerhalb der Leserunde auch noch eine Diskussion ergeben hat.

  • 1999: Ein abgelegenes Dorf. Der zwölfjährige Antoine würde gerne mit den gleichaltrigen Playstation spielen, aber seine Mutter verbietet es. Stattdessen baut er an einem Baumhaus, mit dem er die anderen beeindrucken will, auch wenn ich da schon vermute, dass sie es wohl als kindisch abtun würden und sich darüber hinausgewachsen darstellen werden. Doch dazu kommt es nicht, denn kurz vor Weihnachten verschwindet der 6jährige Nachbarssohn und Antoine ist der einzige, der weiß, was geschehen ist. Ein Wintersturm macht der Suche ein Ende, das Dorf versucht, das Chaos der Naturkatastrophe zu beseitigen.


    2011: Antoine ist erwachsen, er hat das Dorf so schnell wie möglich verlassen und Besuche zu vermeiden versucht. Seine Freundin nahm er nie mit dorthin und nach dem Studium will er nach Übersee gehen, um noch mehr Abstand zwischen sich und seine Vergangenheit zu bringen. Seine damalige Schuld hat er aber nicht überwunden, sondern betäubt sich stattdessen, sei es mit Sex oder Medikamenten. Der in diesem Abschnitt geschilderte Besuch „zu Hause“ verläuft aber anders als gewohnt mit unerwarteten Folgen.


    2015: Epilog und ein paar Erklärungen, die einige Figuren in einem anderen Licht erscheinen lassen.


    „Drei Tage und ein Leben“ ist keine leichte Lektüre sondern offenbart menschliche Abgründe. Die vorherrschende Sprachlosigkeit in Bezug auf alles Persönliche charakterisiert die meisten Figuren. Beim Lesen habe ich Antoine gleichzeitig verabscheut und Mitleid mit ihm gehabt. Seine Mutter war mir fast nur unsympathisch, sie schien gefühllos, die Fassade war alles für sie und in dieser Hinsicht wirkt das Dorf viel tiefer in der Vergangenheit als die Jahreszahlen der Handlung vermuten lassen würden.


    Nicht schön, aber durchaus beeindruckend.


    3ratten:marypipeshalbeprivatmaus: