Hallo, liebe LiteraturschockerInnen!
Titel: Hanyesha - Eine Legende aus Iyuha
Autorin: Verena Binder
Klappentext:
Es gibt Kreaturen, die mächtiger, größer und stärker sind als andere Wesen. Ich habe ähnliche in Welten gesehen, wo sie Häscher, Yokai oder Dämonen genannt werden. Doch hier heißen sie Jarg. Es gibt hunderte Arten von Jarg, hunderte Arten ihrer Fähigkeiten, hunderte Lebensweisen und tausende Begegnungen.
Von einer Begegnung möchte ich nun erzählen.
Eine, die uns Chahghee alle geweckt hat.
Ein Erschüttern der Erde, das beinahe den Boden aufgerissen, die Feuerberge zum Lava spucken gebracht und den Himmel herabgestürzt hätte. Zwei Jarg, so mächtig, dass die Chahghee kaum glauben mochten, dass sie solch eine Kraft erworben hatten. Göttergleich schlugen ihre Angriffe in ihrem unerbittlichen Zwist aufeinander und schlugen die Pupille der Welt in deren Auge. Ich habe gesehen, wie es so weit kommen konnte ...
Kurze Inhaltsbeschreibung:
Hanyesha spielt in einer komplett eigenständigen Welt mit unterschiedlichen, neu kreiierten Wesen. Sie handelt von dem Weg einer Frau, die sich die Ehre und Gnade der Götter erarbeiten möchte, um in deren Namen die Welt zu verändern. Dabei trifft sie auf den Awi Meadhra, der unterschiedlicher als sie nicht sein könnte. Es wäre zu einfach, zu sagen, dass sie eine Freundschaft oder Liebesbeziehung zueinander aufbauen, denn der Verhältnis zwischen den beiden ist sehr wechselhaft und sehr speziell. Mehr oder minder gemeinsam bereisen sie die Welt, um die Wächter, die Wanyanka, zu finden und deren Prüfungen zu bestehen.
Zielgruppe: Jugendliche, Fantasyleser
Bücher: Können als ebook oder als Paperback zugesendet werden.
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Rezensionen: Gerne auf Amazon, hier im Forum und auf Blogs.
Erster Weg
Man erzählt von einem Awi, der so stark war, dass selbst das Kämpfen ihn langweilte. Unruhig und auf der Suche nach einer Herausforderung streifte er durch die Welt. Wer ihm begegnete, fürchtete ihn. Er reagierte nicht, wenn ihn jemand ansprach, der seiner nicht würdig war. Er tötete nicht mehr, er kämpfte nicht mehr. Er suchte nach einem Ziel, nach einem Kampf, der ihn forderte.
Es gab viele, die sich ihm stellten, doch keiner tat es ein zweites Mal. Ihre Niederlagen waren vernichtend und tödlich. Der Awi trauerte um keinen seiner Gegner. Er hatte keine Freunde, doch das vermisste er nicht. Einen mangelnden Feind jedoch vermisste er umso mehr. Wie für die grausame Rasse der Awi üblich, hatte er mit der Frau, die ihr Kind aus-
getragen hatte, darum gekämpft, wer es erziehen konnte. Wer der Stärkere war, bei wem das Kind der bessere Awi werden würde. Er gewann und er tötete, zog das Kind groß und hoffte, dass wenigstens aus ihm ein würdiger Gegner werden würde. Doch seine Tochter starb im Kampf gegen einen anderen, noch ehe ihr Vater auch nur ein Mal ihre Kräfte messen konnte.
Trauer? Nein. Das gab es in dem Herz eines Awis nie, so sagt man. Der Verlust seiner Tochter wog nicht so schwer in ihm wie der Verlust einer möglichen Gelegenheit. Sie war zu schwach gewesen. So lauteten die Regeln ihres Clans. Der Awi suchte in den tiefen Dschungeln des Südens, den weiten Wüsten und Steppen des Westens, in der hohen, eisigen Kälte der nordischen Gebirge und auf jeder Insel der Inselbrücken, den Drochailean, nach etwas, das stark war. Sein Herz war unerfüllt und wartete gierig.
Als er zurück in seine Heimat Annsaseo, die Nebelberge im nordwestlichen Teil Thamhas, kam, nach vielen Jahren, die mehrere Menschenleben bedeuteten, traf er eine Jargin. Eine Varawyr, in ihrer menschenähnlichen Gestalt, von der sie sich nur durch rote Augen und spitze Ohren unterschied, mit langem, weißen Haar, das den Rücken entlang geflochten war, bekleidet in einer grün-blauen Robe mit weißen Ornamenten. Ihre Hände lagen auf einer Eule, glühten in bläulichem Schimmer. Sie nahm die Energie des Tieres in sich auf. Den ein oder anderen ihrer Artgenossen hatte der Awi in seinem Leben schon getötet. Doch er forderte keine Kämpfe mehr, die langweilig zu werden versprachen. Stattdessen beobachtete er mit nüchterndem Blick, wie die Jargin von der toten Eule abließ, eine Schale mit ihrer rechten Hand über ihr bildete und leise Worte murmelte. Dann griff sie behutsam neben sich, hob einen dunkelbraunen Stab an und begab sich in den Stand. Es war ein traditioneller Energie- und Kampfstab der Varawyr aus einem dunklen Holz, mittig umschlungen von blauen Bändern. Am Boden stand eine Speerspitze auf, oben endete der Stab in einem Eisenring mit nach innen gewandten Zacken, an dem ein paar weitere, kleinere Ringe in strahlendem Blau baumelten. Bei der Bewegung in die Senkrechte klimperten sie sacht einander, was ein durchaus beruhigendes Geräusch erzeugte.
Die Jargin hielt noch einen Moment inne und öffnete ihre Augen erst, als sie sich zu ihrem stillen Beobachter umdrehte, der sie mit erhobener Augenbraue musterte. Dunkelgrüne, fast schwarze Haare gruben sich in einem wilden Schopf um seinen Kopf. Nur hinten zu einem kurzen Zopf gebändigt. Rote, stechende Augen, helle Haut, die am Oberkörper hinauf über Hals, Kinn und Wangen bis zu den spitzen Ohren von einer dunkleren Schicht überzogen war. So dunkel wie die rabenähnlichen Klauen, in die die muskulösen Arme endeten. Fünf Krallen, wie eine Hand, deren dunkelgraue, fast schwarze, kurze Gefiederung bis zur Hälfte des Unterarms wuchs. Dort, wo die winzigen Federn den Platz wieder der hellen Haut überließen, ragten drei dunkle hornähnliche, spitze Erhebungen aus dem Unterarm.
Der Blick der Varawyr glitt den standhaften, festen Körper hinab zu den kräftigen Beinen, die an den Füßen eben gleiches Gefieder und Krallen besaßen, wie sie für Awi üblich waren. Ihre ruhigen Augen trafen die seinen.
»Haben wir ein Problem?», sprach sie ihn an und lächelte dabei so freundlich, dass er davon kotzen könnte.
Der Awi rümpfte die Nase und zog die linke Oberlippe etwas hoch.
»Was soll das mit dem Vogel?«
»Die Eule ist gestorben. Jede Seele hinterlässt eine Restenergie, die langsam verschwindet. Ich kann sie aufnehmen und sie nutzen, um ihre Artgenossen und ihren Lebensraum zu schützen.«
»So ein Schwachsinn.» Seine aggressive Haltung schwang in der Stimme mit und der Awi verschränkte die Arme. Doch sein Gegenüber lächelte nur freundlich und trug eine Geduld in ihren dunkelroten Augen, die ihn nur noch aggressiver machte.
»Ein Awi schätzt das Leben nicht, weil er es nie gelernt hat», sprach sie ruhig und ohne Wertung, während das Lächeln blieb.
»Und was ist mit euch? Ihr nuckelt noch den letzten Rest raus.«
»Das verstehst du falsch.» Die Ringe des Stabs begannen zu glühen und mit ihm breitete sich ein schwacher, blauer Lichtschimmer um die Jargin. Wie dünne Nebelschnüre legte er sich um ihren Körper und umgab sie mit der Aura einer Eule. »Wir borgen uns die Energie, wir nehmen nichts mit Gewalt, wir nehmen, was die Wesen uns aus eigenem, freien Willen geben.«
Völliges Unverständnis sprach aus dem Gesicht des Awi. »Heißt das nicht, dass ihr ohne das Zeug völlig wehrlos und schwach seid? Also, als wärt ihr das nicht auch so.«
»Die Gemeinschaft macht stark, Awi. Das Geben und Nehmen. Mache nicht den Fehler und unterschätze mich, nur, weil ich nicht mit solcher Leidenschaft kämpfe wie einer aus deinem Volk. Denn du bist unzufrieden.«
»Ach, halt die Klappe. Es ist nervig, niemanden zu haben, der mir das Wasser reichen kann.«
Lächelnd wandte sich die Varawyr ab. »Achso. Du suchst eine Herausforderung, die deinen Hunger stillt.«
Er schwieg einen Moment, während sie voran ging.
»Ja, sowas in der Art.«
»Dann folge mir.«
Was hatte er schon zu verlieren? Ein tiefes Schnaufen begleitete seinen ersten Schritt, den er machte, um der Jargin zu folgen.
»Wie heißt du?» Die Stille, die die Varawyr mit ihrer Frage durchbrach, hatte nicht lange angedauert.
»Ist das wichtig?«
Es folgte ein kurzes Schweigen.
»Mein Name ist Chenoa.«
Was interessierte ihn das? Es war ihm egal, welchen Namen diese Jargin trug, die, ja, durchaus, eine recht annehmbare Aura hatte, aber dennoch schwach war. Und doch gab er seinen eigenen Namen Preis: »Meadhra.«
»Freut mich, Meadhra.«
Skeptisch betrachtete dieser die Varawyr, Chenoa. Es juckte ihn so sehr, ihr nerviges Mundwerk mit seinen Klauen zu zerfetzen. Nur dann konnte sie ihm nicht zeigen, was endlich eine Herausforderung für ihn sein konnte. Er wollte hoffen, dass es sich lohnte.
»Hast du gar keine Angst?«, schnaufte er sie nach einer Weile der Reise an.
»Wieso sollte ich?«
Wieder war diese Antwort so unerträglich ruhig.
»Würde dich das glücklich machen?«
Ebenso unerträglich wie diese Frage.
Meadhra verengte die roten Augen, sagte jedoch nichts weiter dazu.
Chenoa führte ihn durch die nebeligen Moorwälder des Südostens, geradewegs auf die großen Seen und Tümpel zu, inmitten eines üppigen Waldes voll von Lebensformen, die ihre eigene Welt besiedelten und sie mit dem schützten, was Fremdlinge fernhielt: Gift.
Je tiefer sie eindrangen, desto trister und lilaner wurde das Licht, das die Pflanzen, Steine und der Boden zurückstrahlten. Nur ein leichter Stich der Farbe, die so manches Nebelwölkchen begleitete, und doch war merkbar, dass diese Umgebung anders war.
»Ist das Giftnebel?«
»Ja. Aber in der normalen Menge, solange das Ökosystem bleibt, wie es ist, ist es erst einmal nicht schädlich.«
»Achja?» Nicht, dass er sich vor Gift fürchtete, aber der Gedanke, zu verrecken, weil dieses Zeug in der Luft war, behagte ihm auch nicht sonderlich.
»Es gibt hier genügend Tiere und Jarg, die sich von dem Gift nähren. In der Regel wird es erst gefährlich, wenn Luft und Boden nicht gesäubert werden können oder wenn ein anderes Gift sich mit dem der Umgebung vermischt. Durch den Biss einer Sumpfviper beispielsweise.«
Unbeeindruckt nahm Meadhra die Worte der Erklärung hin und folgte der Jargin weiter. Trotzdem so manches Getier an ihnen vorbei huschte, wurden sie nicht angegriffen. Chenoa machte Halt, als sie vor einem mit kleinen Inseln gespickten See weit im Osten stand. Auf den Inseln tummelten sich kleine, nicht sonderlich hübsche Wesen, die sich in dem blubbernden, moorigen Wasser wohl fühlten.
Die Varawyr klopfte mit ihrem Stab einige Male auf den Boden.
Nichts geschah.
»Und ... was jetzt?», hob Meadhra eine Braue und beobachtete das unregelmäßige Blubbern des Sees.
»Warte ab, Awi.«
Noch einmal klopfte sie auf den Boden und trat dann bei Seite. Ihr Begleiter folgte ihrer Bewegung mit skeptischem Blick und verschränkten Armen und schwieg einige Momente.
»Willst du mich vera-», der Satz, der in einer zynischen Tonlage seinen Anfang fand, endete in einem überraschten Aufschrei als ein langer, schmieriger Arm aus dem Wasser schnellte, sich um die Taille des Awi schlang und ihn binnen weniger Sekundenbruchteile in das Moor zog.
Chenoa betrachtete das Geschehen nüchtern und nickte leicht.
»Das ist deine Herausforderung.«
Ich freue mich auf eure Antworten