H.G. Wells - The War of the Worlds / Krieg der Welten

Es gibt 23 Antworten in diesem Thema, welches 7.949 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

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    Hallo zusammen!


    Der vierte Titel meiner Trilogie :smile: .


    Sprachlich und gestalterisch von seinen vier bekanntesten Werken sicher das beste. Während in The Time Machine die Geschichte noch viktorianisch-behäbig daherkommt (nicht umsonst wird sie nach dem Essen am Rauchtisch erzählt!), finden wir hier den atmosphärisch dichten direkten Bericht eines Augenzeugen. Die Erzählung wirkt echt und ist äusserst spannend. Obwohl der Erzähler eigentlich ein Schreibtischtäter ist, glauben wir ihm seine Geschichte, glauben wir ihm, dass und wie er den Wesen vom Mars entkommen ist. Vielleicht gerade, weil er keine Heldentaten vollbringt und mehr mit Glück als mit Verstand überlebt.


    Merkwürdige Zylinder, aus der noch merkwürdigere Wesen entsteigen, landen im ländlichen England nahe London. Die menschliche Überheblichkeit, die glaubt, mit diesen Wesen vom Mars schnell fertig zu werden, da sie so plump aussehen und sich dazu noch in einer viel höheren Gravitation bewegen müssen, wird rasch pulverisiert. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes, sind doch die Wesen vom Mars dem Menschen technisch weit überlegen, setzen Hitzestrahlen ein und Giftgas, bauen funktionierende Flugkörper.


    Was in Wells' Geschichte an Science Fiction drin ist, ist heute praktisch alles überholt. (Ausser dass seine Hitzestrahler, soweit ich sehen kann, das Vorbild für alle Laser-, Phaser- und Was-weiss-ich-nicht-noch-für-Kanonen waren, von denen die spätere SF nur so trieft.) Seine Beschreibung der völlig zerstörten englischen Landschaft hat nach Weltkrieg I und II, nach Atombombe und Napalm, nach 9/11, nicht mehr das absolut Fremde und Fürchterliche, das es für Wells' Zeitgenossen gehabt haben muss.


    In dieser Geschichte sind die unbegreifbaren Monster wirklich Aliens - komlpett Fremde. Die völlige Verunsicherung des Menschen steht hier im Zentrum. Der Mensch, der viktorianische Engländer, der gerade noch in derselben Art und Weise wie jetzt die Wesen vom Mars in andern Kontinenten aufgetreten ist, wird in seinem eigenen Land, auf seinem eigenen Boden erniedrigt.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Nanu, seit über vier Jahren kein Posting mehr in diesem Thread? Dann wird es doch höchste Zeit.


    Ich habe heute mit "Krieg der Welten" angefangen und habe jetzt so zirka ein Viertel gelesen und widerstrebende Lesegefühle entwickelt. Einerseits teile ich Sandhofers Einschätzung:



    Die völlige Verunsicherung des Menschen steht hier im Zentrum.


    H.G. Wells schafft es, das Entsetzen und die Verunsicherung des (namenlosen) Augenzeugen anschaulich zu schildern, deshalb kommt auch eine gewisse Spannung auf. Es ist spannend, dem Augenzeugen zuzusehen, wie er immer mehr über die Aliens herausfindet und Dinge beobachtet, die sein Entsetzen stetig steigern.


    Andrerseits ist der Bericht auch ein wenig wirr. Dann brennts mal hinter diesem Hügel, dann steht diese Kirche in Flammen und dann rennen die Leute in dieses oder jenes Dorf. Schön und gut, aber ich als ortsunkundige Leserin (wir sind irgendwo in der englischen Provinz) stehe immer ein wenig deppert daneben und man sieht das grosse Fragezeichen förmlich über meinem Kopf hängen. Auch mit Zeitabläufen scheint der Herr Augenzeuge auf Kriegsfuss zu stehen.
    Oder H.G. Wells hat das extra so gemacht, um noch deutlicher zu zeigen, dass sein Protagonist ziemlich verwirrt ist. Danke, wäre nicht nötig gewesen.


    Mal weiterlesen :smile:

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.


  • Ich habe heute mit "Krieg der Welten" angefangen und habe jetzt so zirka ein Viertel gelesen und widerstrebende Lesegefühle entwickelt.


    Jetzt habe ich über die Hälfte gelesen und es fällt mir vor allem eines dazu ein: Langweilig.


    Daran möchte ich jetzt aber nicht H.G. Wells die Schuld geben, die Langeweile kommt daher, dass "Krieg der Welten" hoffnungslos veraltet ist. Wells versucht, das Grauen der Menschen zu schildern, als sie von Marsmenschen angegriffen werden. Das macht er gar nicht schlecht, nur kommt bei mir keinerlei Grauen auf. Ich sehe jeden Tag in den Nachrichten schlimmere Bilder, als er sie beschreibt. Ich höre jeden Tag über sinnlose Zerstörung, wie sie in dem Buch vorkommt. Es gibt Naturkatastrophen, die viel grösseres Leid auslösen als die paar Marsianer in dem Buch bisher.


    Ich sage nicht, dass die Welt seit Erscheinen von "Krieg der Welten" Ende des 19. Jahrhunderts schlechter geworden ist (im Gegenteil), aber dank Rund-um-die-Uhr-Kommunikation auf allen möglichen Kanälen weiss man einfach mehr über die Schweinereien in der Welt und da hält dieses Buch nun wirklich keinen Schrecken mehr. Zumal es Wells nicht schafft, dass ich mit den Protagonisten (dem namenlosen Erzähler und seinem namenlosen Bruder) mitfühle. Die beiden kommen mir eher wie zwei Kaninchen vor, die im tödlichen Scheinwerferlicht vor Schreck erstarrt sind. Und es ist für mich schwierig, mich mit einem Kaninchen zu identifizieren :breitgrins:

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Guten Morgen Alfa,


    Jetzt habe ich über die Hälfte gelesen und es fällt mir vor allem eines dazu ein: Langweilig.


    Daran möchte ich jetzt aber nicht H.G. Wells die Schuld geben, die Langeweile kommt daher, dass "Krieg der Welten" hoffnungslos veraltet ist. Wells versucht, das Grauen der Menschen zu schildern, als sie von Marsmenschen angegriffen werden. Das macht er gar nicht schlecht, nur kommt bei mir keinerlei Grauen auf. Ich sehe jeden Tag in den Nachrichten schlimmere Bilder, als er sie beschreibt. Ich höre jeden Tag über sinnlose Zerstörung, wie sie in dem Buch vorkommt. Es gibt Naturkatastrophen, die viel grösseres Leid auslösen als die paar Marsianer in dem Buch bisher.


    Finde ich sehr interessant. Eigentlich müsste das dann bedeuten, dass "Krieg der Welten" irgendwann in Vergessenheit gerät, weil es sich um einen überholten Stoff, anstatt um einen zeitlosen Klassiker handelt. Ich selbst habe das Buch noch nicht gelesen, weiß aber, dass bei der Uraufführung am 30.10.1938 das Hörspiel die Menschen panisch aus ihren Häusern flüchteten.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Ich bin seit ein paar Tagen mit dem Buch fertig, habe aber noch nicht geschrieben, weil ich krank war :sauer: (Naja, ich bins eigentlich immer noch, aber es reicht zumindest wieder fürs Tippen.)



    Eigentlich müsste das dann bedeuten, dass "Krieg der Welten" irgendwann in Vergessenheit gerät, weil es sich um einen überholten Stoff, anstatt um einen zeitlosen Klassiker handelt.


    Ich sehe es so kommen. Die einzige zeitlose Komponente, die ich bei "Krieg der Welten" finden konnte, war der Schrecken der Menschen, die nicht wissen, weshalb sie angegriffen werden und keine Chance haben, mit den Angreifern zu kommunizieren.



    Ich selbst habe das Buch noch nicht gelesen, weiß aber, dass bei der Uraufführung am 30.10.1938 das Hörspiel die Menschen panisch aus ihren Häusern flüchteten.


    Davon habe ich auch schon gehört und ich habe mich während des Lesens immer gefragt, wie diese Hörspielfassung wohl geklungen haben muss respektive wie das Buch adaptiert wurde. Vom Original hätte wohl kaum jemand einen Schrecken bekommen, aber ich sehe das Potenzial in der Geschichte, bei entsprechender Bearbeitung kann das eine spannende Sache sein. Genau das ist laut Wikipedia offenbar passiert:


    Zitat

    Das Buch wurde von Orson Welles und dem Mercury Theatre als Hörspiel in Form einer fiktiven Reportage nach einer Adaption von Howard Koch inszeniert, das der amerikanische Radiosender CBS am Abend vor Halloween am 30. Oktober 1938 ausstrahlte. Dazu wurde der Handlungsort von England nach Grover’s Mill (New Jersey) in den USA verlegt und die Geschichte entsprechend angepasst.


    Sonst wären wohl eher alle vor dem Radio eingeschlafen. Lustig in dem Zusammenhang ist auch eine 2005 erschienene Verfilmung des Stoffes von Timothy Hines, die sich offenbar sehr nah am Buch bewegte. (Also nicht die mit Tom Cruise aus dem selben Jahr.) Jedenfalls scheint das so eine Independent-Kiste gewesen zu sein, die - wiederum laut Wikipedia - beim Publikum durchfiel:


    Zitat

    Die ersten Rezensionen sprachen von einer „wahrhaftig sensationellen 1:1 – dem viktorianischen Stil des 19. Jahrhunderts getreuen – Wort für Wort, Szene für Szene Buch-Umsetzung mit satten 180 Minuten Laufzeit“. Die Mehrheit der Publikumskritiken fiel dagegen sehr negativ aus und sprach dem Regisseur jedes Talent für das Erzählen einer Geschichte ab.


    Ich weiss nicht, ob das Publikum da dem Regisseur nicht Unrecht getan hat. Aus meiner Sicht ist es eindeutig die Vorlage, die mit so vielen Mängeln behaftet ist, dass eine 1:1-Verfilmung durchfallen muss.


    Ich werde noch eine abschliessende Rezi zu dem Buch schreiben, aber um das Fazit vorwegzunehmen: Wenn dieses Buch dereinst in Vergessenheit gerät, hält sich der Verlust in Grenzen... :breitgrins:

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Wie angekündigt hier noch eine komplette, abschliessende Meinung zu diesem Problemfall:


    Inhalt:
    Die Marsmenschen lancieren einen Angriff auf die Erde respektive auf England. Sie landen in zylinderförmigen Raumschiffen und machen anschliessend alles in Reichweite platt, ohne irgendwelche Fragen oder Forderungen zu stellen. Das lässt sich die britische Armee natürlich nicht gefallen. Sie rüstet zum Gegenangriff, muss aber bald merken, dass ihre Mittel nicht besonders weit reichen. Währenddessen fliehen die Menschen Hals über Kopf aus dem angegriffenen Gebiet rund um London.


    Meine Meinung:
    «Krieg der Welten» hat bis heute viele Regisseure, Drehbuchautoren, Hörspielproduzenten und Comiczeichner inspiriert, schliesslich wurde in dem Buch vielleicht zum ersten Mal die Landung Ausserirdischer auf unserem Planeten beschrieben. Der Stoff von den bösen Aliens wurde seither in zig Formen (wieder)verwendet, von der berühmten Hörspieladaption von Orson Welles aus den 1930er-Jahren bis hin zu aktuelleren Filmfassungen oder zu Filmen wie «Mars Attacks!» oder «Independence Day», die keine Verfilmungen des Buches darstellen sollen, aber ganz klar dessen Geist atmen. Auch dass wir umgangssprachlich heute noch das Wort Marsmännlein als Synonym für Ausserirdische verwenden, zeigt den ungeheuren Einfluss, den diese Geschichte hatte und immer noch hat.


    Umso erschrockener war ich, als ich mir das Original zu Gemüte führte und dabei auf eine unfassbar langweilige Geschichte stiess. Die Geschichte wird aus Sicht eines (namenlosen) Augenzeugen und (in einem Nebenstrang) dessen Bruder erzählt. Beide zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie keine Ahnung haben. Weder davon, was gerade passiert ist, noch was sie als nächstes tun sollen. Das mag zwar im Fall einer solchen Katastrophe äusserst realistisch sein, gleichzeitig ist es aber auch todlangweilig. Als Leser stolpert man den Protagonisten hinterher und wird ständig mit irgendwelchen geographischen Details versorgt, die einem aber nichts helfen, wenn man die Gegend um London nicht fast so gut wie ein Einheimischer kennt. Die ganzen beschriebenen Fluchtrouten sind ziemlich sinnlos, wenn man sich nicht die Mühe macht, das Ganze auf einer Karte nachzuvollziehen. Das wäre mit ein paar erklärenden Sätzen zu verhindern gewesen.


    Dazu kommt noch, dass das ganze Buch gleich in mehrfacher Hinsicht veraltet ist oder zumindest so wirkt. Dass es auf dem Mars keine höheren Lebewesen gibt, konnte Wells nicht wissen. Aber dieser (verzeihliche) Irrtum ist geradezu symbolisch für viele weitere Ideen, die er in dem Buch als wissenschaftliche Erkenntnis darstellt und die sich seit der Publikation als nicht richtig herausgestellt haben. Das ist zwar nicht dem Autor anzulasten, aber für den einen oder anderen ungläubigen Augenroller hat es trotzdem gereicht. Es sind aber nicht nur die seither gewonnenen Erkenntnisse, die «Krieg der Welten» alt aussehen lassen. Es ist auch die Bestie Mensch, die seit Publikation des Buches so ziemlich alles in den Schatten stellte, was Wells schon als ultimativen Schrecken beschrieb. Von den Senfgasangriffen im Ersten Weltkrieg über die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki oder die Napalmabwürfe in Vietnam bis zu den Anschlägen vom 11. September 2001 und unzähligen weiteren realen Greueltaten hat die Realität die fiktiven Schrecken in diesem Buch schon längst überholt.


    Das wäre nicht mal so schlimm, wenn dafür wenigstens etwas Emotion reinkäme, die den Schrecken des Erzählers deutlich macht. Natürlich beschreibt er, wie sehr er sich gefürchtet hat und wie schlimm alles war. Allerdings fasst er den Bericht in der Vergangenheitsform ab und zudem macht er schon recht früh Andeutungen, dass man sich des Problems «Marsmenschen» entledigen konnte. Kommt noch dazu, dass man kaum etwas über ihn erfährt, er bleibt extrem profillos und entsprechend liessen mich sein Schicksal und seine Erlebnisse kalt. Sieht so aus, als hätte Wells vor allem mit der Beschreibung dieser zerstörerischen Invasion punkten wollen. Das war wohl das falsche Pferd, auf das er gesetzt hat. Jedenfalls aus heutiger Sicht.


    Fazit:
    Braucht man nicht gelesen zu haben.


    3 von 10 Punkten.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Hallo Alfa_Romea


    Das ist, glaube ich, Teil 3 oder 4 Deiner Ich-lese-ein-altes-Buch-überlege-mir-was-daran-unmodern-ist-und-schreibe-anschliessend-einen-Verriss-Serie, oder?


    Ein Freund von mir bekam mal die Gelegenheit, einen Oldtimer (einen echten, so aus den 30er Jahren) spazieren zu fahren. (Ich war nicht dabei und erinnere mich nicht mehr, was für eine Marke oder gar Modell es war.) Jedenfalls muss er sich schon auf der Fahrt überlegt haben, was alles an diesem Oldtimer im Alltagsgebrauch unpraktisch wäre im Vergleich mit seinem topmodernen Kombi, wie sehr doch dem Oldtimer ASB und ESP fehlten, eine Servolenkung und ein Radio, das mehr bringt als Mittelwelle. Von den fehlenden Sicherheitsgurten und der mangelnden Beschleunigung ganz zu reden. Auch später, als er uns im Freundeskreis von seiner Fahrt erzählte (und selbst ich als erklärter Nicht-Auto-Freak Stielaugen bekam ob der Chance, die sich ihm geboten hatte), konnte er sich nur darüber auslassen, was diesem Oldtimer alles gefehlt hätte. Er ist sonst ein guter Kerl, und wir haben uns nur hinter seinem Rücken zugezwinkert und -gegrinst. Aber wir waren uns einig: Mit dieser seiner Einstellung hat er sich von vorneherein ebenwo wie im Nachhinein den Spass gleich selber verdorben.


    Grüsse


    sandhofer :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Ja. Wie jedes Buch. :zwinker:


    Dann ist die Daseinsberechtigung eines Proust identisch mit einer Stephenie Meyer - jedenfalls, wenn es hier wirklich ausschließlich um Liebhaberei geht :pling:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Das ist, glaube ich, Teil 3 oder 4 Deiner Ich-lese-ein-altes-Buch-überlege-mir-was-daran-unmodern-ist-und-schreibe-anschliessend-einen-Verriss-Serie, oder?


    Eigentlich erst Teil 2.
    Ich habe nachgeschaut, seit Anfang Jahr war es nur dieses und die Kurzgeschichten von Poe, denen ich so gar nichts abgewinnen konnte und dann dieses hier. Dracula kam mit 6 von 10 Punkten gar nicht so schlecht weg (ein Verriss war das keinesfalls) und Die Frau in Weiss hat mir gefallen, da hatte ich nicht viel zu reklamieren.
    Dann war da noch der Verriss von Hundert Jahre Einsamkeit, aber das ist mit Jahrgang 1967 kein altes Buch und da ging es auch nicht darum, was daran unmodern ist.


    Du siehst also, deine Wahrnehmung täuscht. Und es geht auch nicht darum, aus Spass alte Bücher (oder Klassiker) zu verreissen. Da könnte ich meine Lesezeit in Sinnvolleres investieren.


    Es ist mir klar, dass früher andere schriftstellerische Mittel verwendet wurden - genauso, wie man Autos früher anders baute, um mal bei dem Vergleich zu bleiben. Das ist nicht das Problem. Das Problem fängt dort an, wo das Buch aus meiner Sicht andere Mängel aufweist, wie die völlig unmögliche Erzählperspektive in "Krieg der Welten". Was habe ich davon, einem planlosen Trottel hinterherzustolpern, der kaum mehr weiss, wo links und rechts ist? Ich habe irgendwo gelesen, das H.G. Wells den Hauptprotagonisten absichtlich nicht als Helden darstellen wollte. Eine schöne Idee, gegen die ich nichts einzuwenden habe. Aber in der Umsetzung fand ich es dann wirklich nur noch mühsam und langweilig.


    Es gab in dem ganzen Buch zwei Kapitel, die ich spannend fand: Das erste und das, in dem der Erzähler dem Artilleristen zum zweiten Mal begegnet und dieser ihm seinen Plan erläutert, sich im Untergrund verstecken und von dort eine Art Guerillakampf gegen die Marsianer zu führen. Ein paar mehr solcher Kapitel und etwas weniger Beschreibung, Beschreibung, Beschreibung (im Wechsel mit einem Haufen Gejammer) und das Gesamturteil wäre ganz anders ausgefallen. Kommt noch dazu, dass der Erzähler selber recht früh verrät, wie das Marsianerproblem schliesslich gelöst wird. Dass er überlebt ist ja eh klar, umso mühsamer fand ich das ganze Gejammer beim Nacherzählen der Geschichte. Da frage ich mich echt, was sich Wells dabei überlegt hat.


    Es gibt meiner Meinung Bücher mit begrenztem Haltbarkeitsdatum. So kann ich mir gut vorstellen, dass man sich in 20 Jahren schief lacht, wenn man beispielsweise Frank Schätzings "Limit" liest - obwohl es heute hochaktuell, gut recherchiert und durchdacht ist. Aber es ist nichts für die Ewigkeit. Und so empfinde ich "Krieg der Welten", trotz allem Einfluss, den das Werk auf alle möglichen schöpferisch tätigen Menschen es hatte, als abgelaufen.


    Und um auf das Oldtimerbeispiel zurückzukommen: Eine Fahrt in einem alten Auto kann trotz fehlender Servolenkung Spass machen. Aber nicht, wenn man alle drei Dörfer am Brunnen halten muss, um Kühlwasser nachzufüllen und den Luftdruck zu kontrollieren, um dann am Ende doch mit einem Platten am Feldrand zu stehen :zwinker:


    Ich lese Bücher übrigens nicht nur aus Spass an der Freude (=Liebhaberei), sondern vor allem zur Unterhaltung. Und egal, ob es sich dabei um "Popcorn"-Literatur oder Anspruchsvolles handelt: Wenn es mich mehr quält als unterhält, dann gibts auch keine gute Kritik. Obs jetzt Franz Kafka oder Dan Brown ist, spielt keine Rolle. Es gibt bei mir keinen Bonus für Nobelpreisträger oder Im-Kindler-einen-Eintrag-Besitzer...


    Lieber Gruss


    Alfa Romea


    PS: Es wäre mir selber recht, wenn ich mit den nächsten alten Schinken mehr Glück hätte...

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Hallo!


    Ich hatte beim Lesen ähnliche Gefühle wie Alfa: ich fand die Erzählung sehr träge und emotionslos. Von dem Schrecken, den die Marsianer verbreitet haben konnte ich nichts spüren. Der Erzähler beschreibt zwar sehr anschaulich. Aber für mich klingt es eher so als ob er ein Bild beschreiben würde und nicht eine Situation, in der er sich befindet. Der Artillerist war für mich ein viel lebendigerer Charakter und ist mir wesentlich besser in Erinnerung als die Hauptperson.


    Meiner Meinung nach ist es auch kein Krieg von zwei Welten. Die Marsianer greifen an und die Menschen flüchten. Natürlich gibt es ein paar halbherzige Gegenangriffe, aber für einen echten Krieg gab es mir zu wenig Kämpfe. Auch der "Sieg" über die Fremden war eher ein Zufall als das Ergebnis von Strategie.


    Ich denke auch, dass Krieg der Welten zu seiner Zeit spannend war, jetzt aber sein Verfallsdatum deutlich überschritten hat.
    1ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hier überwiegt ja definitiv eine ablehnende Haltung zu Wells' Klassiker. :breitgrins:


    Ich frage mich allerdings, ob man von einem Buch nicht zuviel erwartet, wenn es nach 110 Jahren immer noch mitreißend und spannend sein soll. Die Erzählkonventionen haben sich in der sogenannten Unterhaltungsliteratur in den letzten Jahrzehnten massiv verändert, und das Motiv der außerirdischen Invasion ist auch nicht mehr neu und aufregend, sondern wurde seither in zig Varianten erzählt. Insofern kann ich die ablehnenden Reaktion auf The War of the Worlds schon nachvollziehen. Aber: Ich finde das Buch super. Mich interessiert ungemein, wie Wells darin auf Imperialismus und Kolonialismus anspielt, wie er religiöse Motive umdeutet und die Evolutionstheorie verarbeitet. Und mich interessiert, wie er seinen Zeitgenossen die Idee einer Invasion vom Mars näherbringt, was er dazu erzähltechnisch machen muss und lauter solche Sachen. Aus dieser Perspektive finde ich das Buch ungemein spannend. Bücher, die ein gewisses Alter erreicht haben, muss man (würde ich behaupten) einfach mit einem historischen Interesse lesen und nicht erwarten, dass sie in unsere Zeit genauso passen, wie sie vielleicht in ihre gepasst haben. Anderenfalls geht es einem wie Pierre Menard.


    Übrigens glaube ich, das Wells das ähnlich sah: In seinem Roman Star Begotten (Kinder der Sterne), der 40 Jahre nach The War of the Worlds erschien, schreibt Wells über eine Invasion vom Mars auf völlig andere, geradezu entgegengesetzte Weise und lässt seine Figuren sogar über die Glaubwürdigkeit des Szenarios von The War of the Worlds diskutieren.

  • Hallo!


    Ich frage mich allerdings, ob man von einem Buch nicht zuviel erwartet, wenn es nach 110 Jahren immer noch mitreißend und spannend sein soll.


    Das erwarte ich von jedem Buch- egal wie alt es ist. Wenn mich eine Neuerscheinung nicht begeistern kann bekommt sie auch ein ablehnendes Urteil. Dass es jetzt dieses Buch getroffen hat liegt also nicht an besonderen Erwartungen ihm gegenüber, sondern an meinen Erwartungen im Allgemeinen :zwinker:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Das erwarte ich von jedem Buch- egal wie alt es ist.


    Dito. Natürlich berücksichtige ich beim Lesen das Alter des Buches - vor 100 Jahren wurden Geschichten anders erzählt als heute. Aber wenn man mich so unsäglich langweilt, wie H.G. Wells das mit diesem Buch geschafft hat, hat das nichts mit zu hohen Erwartungen zu tun, sondern eher mit einem vermurksten Aufbau und schlechter Umsetzung einer Geschichte, aus der man viel mehr hätte herausholen können.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • mit einem vermurksten Aufbau und schlechter Umsetzung einer Geschichte, aus der man viel mehr hätte herausholen können.


    Einspruch, Euer Ehren. Insofern als dass Well keine spannende SF-Geschichte geschrieben hat, sondern eine Parabel über den Kolonialismus, ist das ein leider durch eine vermurkste Rezeptionsgeschichte verursachter und leider weit verbreiteter Irrtum. Die Geschichte ist genial geschrieben und umgesetzt, wenn ich an Stelle der Erdbewohner z.B. Ureinwohner Indiens setze und an Stelle der Marsianer die Britische Ostindien-Kompanie. :winken: Gut - diese Parabel kann einen kalt lassen. Aber das hat nichts mit der Qualität des Autors zu tun. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Dem Einspruch kann ich nur teilweise stattgeben. Auch als Parabel über den Kolonialismus ist die Geschichte langweilig erzählt. Wells hätte am Plot oder an der Aussage nichts ändern müssen, um das Buch etwas leserfreundlicher zu machen. Auf mich wirkte "Krieg der Welten" wie ein guter Einfall, der dann lieblos heruntergeschrieben wurde.
    Es werden über weite Strecken keinerlei Emotionen transportiert - ausser bei dem einen Typen, der sich mit dem Erzähler in einem Haus verschanzt. Bei ihm spürt man den Schrecken, der Erzähler selber beschränkt sich darauf, trocken auszuführen, wie sehr er sich gefürchtet hat(te) - wie ein Grundschüler in einem Aufsatz :rollen: Bei der Beschreibung einer Invasion (seien die Invasoren jetzt Marsmenschen oder Briten) würde ich mehr erwarten, vermurkste Rezeptionsgeschichte hin oder her.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

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    Eine weit technisch überlegene militärische außerirdische Macht trifft auf die vergleichsweise
    unterentwickelte Zivilisation. Mit dieser Frage beschäftigte sich H.G. Wells um 1898. Diverse Flugkörper landen auf der Erde.
    Was zunächst noch mit Staunen und Interesse von der Erdbevölkerung zur Kenntnis genommen wird, schlägt dann in Angst und Schrecken um.
    Es kommt zu einem Kampf auf Leben und Tod. Viele Bürger verlassen die Städte und suchen in anderen Gebieten ihr Glück. Doch viele bezahlen diese Flucht
    mit dem Leben. Aber die unbesiegbar scheinenden außerirdischen Kreaturen haben trotzt ihres gigantischen Ausmaßes auch ihre Schwachstellen. Und diese sind kleiner
    als zunächst vermutet. Das Buch schildert die Geschichte eines Mannes, der sich von seiner Familie auf der Flucht trennen muss. Längere Zeit ist er in einem Haus gefangen
    und kann sich aufgrund der Gefahr von den Außerirdischen entdeckt zu werden, nicht vom Fleck bewegen. Erst später gelingt ihm die weitere Flucht. Ob seine Familie noch lebt,
    weiss er nicht. Das Buch schildert seine Geschichte, seinen Kontakten mit den Außerirdischen und den Verlust seiner Freunde und Bekannten.


    Fazit: die meisten werden bestimmt das Buch gelesen oder den Film gesehen haben. Insgesamt ein bekanntes Werk. Sehr gut geschrieben, spannend.
    Einer der besten Science Fiction die ich kenne. Kann es wärmstens weiterempfehlen und vergebe


    5ratten


    Autorennamen im Titel korrigiert. LG, Valentine

    Opa Pittschikowski aus dem Ruhrrevier, kennt die Blauen Knappen schon seit 1904 - niemals tat er fehlen, nur einmal war er krank - Oma tat er quälen wenn er schon morgens sang:<br /><br />Ob ich verroste und ver

    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Wusst' ich doch, dass es hier schon mal einen Verriss dazu gab :breitgrins:


    Andreas: bitte an die Suchfunktion denken, bevor Du einen neuen Thread eröffnest.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen