Delphine de Vigan - Dankbarkeiten

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  • Delphine de Vigan - Dankbarkeiten


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    Gebundene Ausgabe: 176 Seiten

    Verlag: DuMont Buchverlag (10. März 2020)

    ISBN-13: 978-3832181123

    Originaltitel: Les gratitudes

    Übersetzung: Doris Heinemann

    Preis: 20,00 €

    auch als E-Book erhältlich


    Einfach schön


    Inhalt:

    Michèle Seld, genannt Michka, ist eine ältere Dame, der es immer schwerer fällt, allein in ihrer Wohnung zu leben. Nach einigen Stürzen und weil auch die sprachlichen Fähigkeiten immer mehr nachlassen, zieht sie in ein Pflegeheim um. Michka hat sich um das Mädchen Marie gekümmert, die im selben Wohnblock lebte und deren Mutter oft durch Abwesenheit glänzte. Nun ist Marie eine junge Frau und kümmert sich um Michka. Auch Jerôme, der Logopäde, ist von der alten Dame fasziniert.


    Meine Meinung:

    Abwechselnd erzählt Delphine de Vigan aus der Sicht von Marie und aus der von Jerôme, wie sie die letzten Monate mit Michka erleben. Ihre Gespräche sind von Liebe, Zuneigung und Dankbarkeit erfüllt - in beide Richtungen. Michkas größte Dankbarkeit gilt allerdings einem Ehepaar, bei dem das kleine Mädchen während des Kriegs Unterschlupf fand. Zu gerne möchte sie diesen beiden selbstlosen Menschen dafür danken, dass sie ihr damals das Leben gerettet haben.


    Sehr einfühlsam beschreibt die Autorin den langsamen, aber steten Verfall Michkas. Immer mehr Wörter entfallen der Seniorin. Sie ersetzt sie durch ähnlich klingende oder lässt sie auch ganz weg. Was theoretisch lächerlich wirken könnte, da bei den Wortschöpfungen schon auch mal lustige Dinge herauskommen, empfand ich dennoch als ganz sachlich. Diese Gratwanderung ist Delphine de Vigan hervorragend gelungen. Auch die Übersetzerin Doris Heinemann hat hier sehr gute Arbeit geleistet.


    Michkas Geschichte hat mich sehr berührt und am Ende auch zu Tränen gerührt. Man muss diese Frau einfach gern haben - ebenso wie Marie und Jerôme.


    ★★★★★

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Wenn die Worte fehlen...


    Als ich auf dieses Buch stieß, da hatte ich das Gefühl, dass mich etwas Besonderes erwartet. Doch was ich bekam, hat meine Erwartungen übertroffen.


    In der Geschichte geht es um die alleinstehende Michka, die spürt, dass sich etwas verändert in ihrem Leben. Albträume quälen sie und immer mehr fallen ihr Worte nicht mehr ein. Wird ihr der Umzug in ein Seniorenheim helfen?


    Interessant fand ich, dass die Handlung nicht über Michka selbst dem Leser nahe gebracht wird, sondern über Jerome und Marie, die immer im Wechsel als Ich- Erzähler agieren und dem Leser aufzeigen wie stark sie sich verändert. Während Logopäde Jerome eher losen Kontakt zu Michka hat, besteht zwischen ihr und Marie eine sehr enge Bindung, da sie Marie in jungen Jahren sehr geholfen hat.


    Mich hat es tief berührt zu lesen wie die Demenz bei Michka immer mehr voranschreitet und was für Einschränkungen dadurch in ihrem Leben entstehen. Das war mir vorher gar nicht so bewusst. Auch zeigt es, dass die Veränderungen nicht nur nahen Verwandten auffällt, sondern auch Fremden. Auch mochte ich das Einflechten von Michkas Vergangenheit sehr, da man spürt wieviel sie bereits durchgemacht hat und jetzt noch durchmachen muss.


    Ebenso musste ich an meine Eltern denken, die zwar derzeit noch nicht in dem Alter sind, dass sie daran leiden könnten, aber ich würde mir nach dieser Lektüre wünschen, dass sie genau dieses Schicksal nicht ereilt.


    Gut fand ich zudem, dass die Autorin auch den Nebenfiguren Raum gibt.


    Der Autorin gelingt es mit diesem Buch sehr intensiv das Schicksal einer Demenzkranken aufzuzeigen und das nicht abschätzend oder abwertend, sondern mit einer direkten, ansprechenden Sprache, die berührt und wachrüttelt. Man spürt die Wichtigkeit dieses Themas und dass man viel Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Betroffenen benötigt.


    Das Ende hatte ich so nicht kommen sehen. Geschockt musste ich die Lektüre daher sacken lassen, bevor ich dazu nun etwas schreiben konnte.


    Fazit: Ein Roman, der mich emotional gepackt und einige Tränen eingefordert hat. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus. Eine Bereicherung im Bücherregal.


    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Was soll man sagen - auch ich habe diese Lektüre sehr genossen!


    Micha bröckelt


    Vor allen Dingen tut das ihre Sprache - ihr fallen keine Wörter mehr ein, sie kann sich nicht mehr richtig ausdrücken. Gerade sie, für die Sprache ihr Leben lang alles bedeutet hat - oder zumindest sehr, sehr viel.


    Ein alltägliches Ereignis ist es also, auf das Autorin Delphine de Vigan ihre Romanhandlung aufbaut - die plötzliche Konfrontation mit dem eigenen Alter und dem seiner Lieben, die Ohnmacht in Bezug auf die Endlichkeit des Seins. Um die achtzig wird Michka sein, so erschließt es sich im Lauf der Handlung und sie möchte ihre Retter kennenlernen. Michka wurde nämlich als kleines Kind von einem Paar versteckt und zwar über mehrere Jahre hinweg. Nur dunkel erinnert sie sich daran, kennt nur noch ihre Vornamen.


    Die Suche gibt sie trotz ihres eigenen Alters nicht auf und sie findet Unterstützung. Vor allem in der jungen Marie, der sie über Jahre hinweg sehr geholfen hat, aber auch in Jerome, ihrem Logopäden.


    Trotz der mehr als knappen Form ein wirklich warmherziger Roman, der den Leser dazu auffordert, einen Blick - oder auch mehr - auf die Senioren in seiner Umgebung zu werfen, ihre Nöte, Bedürfnisse und Defizite zu sehen und sie zu unterstützen, gerade dann, wenn man ihnen nahesteht. Und das muss nicht unbedingt nur die eigene Verwandtschaft oder die des Partners betreffen. Nein, dieser Roman feiert die Wahlverwandtschaften, was ihn mir besonders sympathisch werden lässt. Und die kleinen bzw. späten Schritte im Leben. Zu beiden ermuntert die Autorin, denn: es kann sich immer noch was ergeben. Nur nicht zu früh die Flinte ins Korn werfen!

    5ratten

  • Michka war eine selbstbewusste und selbständige Frau. Nun aber fällt ihr aufgrund ihres Alters alles schwerer und immer wieder fehlen ihr die Wörter, die sie dann durch andere ersetzt. Sie kann nicht mehr alleine leben und Marie, um die sich Michka früher oft gekümmert hatte, bringt sie in einem Seniorenheim unter. Dort fühlt sich Michka nicht wohl, es fällt ihr schwer, sich einzuordnen. Wenn sie gute Tage hat, leidet sie unter dem Verlust ihrer Selbständigkeit. Aber sie weiß genau, dass sie noch etwas erledigen möchte. Sie möchte sich bei dem Ehepaar bedanken, dass sie zu Kriegszeiten aufgenommen hat. Es ist ihr zuvor nicht gelungen, dieses Ehepaar ausfindig zu machen und so nimmt sich Marie der Sache an und gibt eine Suchanzeige auf.


    Es gibt viele Menschen, die mit den körperlichen Gebrechen im Alter fertigwerden, die aber hadern, wenn es um das Vergessen geht.


    Dieses Buch beschäftigt sich sehr einfühlsam und emphatisch mit dem Thema. Aber in erster Linie geht es darum, was am Ende wirklich wichtig ist. Es ist die Dankbarkeit, die man aus tiefstem Herzen empfindet und die unbedingt noch ausgesprochen werden muss.


    Ich konnte Michkas Gefühle gut nachvollziehen. Da ist die Angst vor dem Tod, aber auch die Angst, sich nicht mehr ausdrücken zu können. Zu Marie hat Michka schon eine lange und vertrauensvolle Beziehung. Aber nun hat sie noch einen weiteren Menschen, der sich liebevoll um sie kümmert. Es ist ihr Sprachtherapeut Jérome.


    Dies ist mein erstes Buch der Autorin Delphine de Vigan und es hat mich mit dem einfühlsamen und poetischen Schreibstil gleich gepackt. Es ist eine Geschichte, die traurig macht und einen zum Nachdenken bringt, die einen aber auch schmunzeln lässt.


    Ein absolutes Highlight!


    5ratten