04 - Teil 6

Es gibt 65 Antworten in diesem Thema, welches 8.961 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Claire Winter.

  • Der Abschnitt heißt Konsequenzen. Und da gibt es einige heftige.


    Claire, ich finde es besonders anschaulich, wie Du schilderst, wie Julius sich stellvertretend für sicherlich ganz viele DDR-Bürger gefühlt hat. Unter Beobachung, ständig auf der Hut, in Sorge um die Angehörigen, verzweifelt, weil das Weltbild der DDR zusammenbrach mit jeder neuen Erkenntnis, was die Stasi und die Regierung mit ihrem Bürgern machten. Und man wird traurig, wenn man weiß, dass es noch 30 Jahre dauern wird, bis dieses Lügen-Kartenhaus zusammenbricht. Dass Julius als kluger Kopf schließlich erkennt, dass er in den Westen fliehen muss, ist glaubhaft erzählt und ich habe totale Angst gehabt - wie Emma - das was schief läuft. Jetzt frage ich mich natürlich, was bei diesem Verhör/Gespräch passiert.


    Das Alice tatsächlich das Notizheft stiehlt und damit so viele Spione entlarvt ist erschreckend. Aber irgendwie finde ich es auch nicht okay, dass Spione aus dem Westen in der DDR eingesetzt werden. Dieses Spionage-Ding finde ich allgemein einen kranken Ansatzpunkt. Jeder stiehlt Infos bei jedem, jeder hackt die Computer der anderen etc. Ist ja heute auch nicht anders. Menschen sind einfach schräg. Aber am Schlimmsten ist natürlich die Konsequenz, dass die Russen jetzt mehr von Alice wollen. Da kommt sie nicht mehr so einfach raus. Das wird jetzt so richtig bedrohlich für sie.


    Max will ja hartnäckig zum BND. Ob das klappt? Kais Vater will das ja unbedingt verhindern. Andererseits - ich ändere meine Meinung ein bisserl - wäre es für den BND gut, wenn auch gute Kerle dabei sind. Nicht nur ehemalige Nazis. Ich könnte mir vorstellen, dass Max es ist, der Alice Diebstahl auf die Schliche kommt. Ich denke inzwischen nicht mehr, dass die beiden ein Paar werden. Aber sie sind auf dem Weg Freunde zu werden. Ich hoffe, Alice zerstört nicht alles Vertrauen. Sie muss sich jetzt Unterstützung holen. Sonst gerät sie so richtig in die KGB-Fänge.


    Besser hätte léCarre diesen Roman auch nicht schreiben können . ^^

    :lesen:





  • Claire, ich finde es besonders anschaulich, wie Du schilderst, wie Julius sich stellvertretend für sicherlich ganz viele DDR-Bürger gefühlt hat. Unter Beobachung, ständig auf der Hut, in Sorge um die Angehörigen, verzweifelt, weil das Weltbild der DDR zusammenbrach mit jeder neuen Erkenntnis, was die Stasi und die Regierung mit ihrem Bürgern machten.

    Vielen Dank!!! Ich freue mich doppelt über dieses Kompliment, weil ich genau diesen Entwicklungsprozess an Julius, der den Kommunismus ja erst einmal gar nicht verurteilt, zeigen wollte. Wie Du auch schreibst, nach und nach bricht sein Weltbild zusammen und er muss dabei auch erkennen, dass er, der nie etwas mit Politik zu tun haben wollte, unfreiwillig trotzdem ins Visier der Stasi geraten ist ...

    Aber irgendwie finde ich es auch nicht okay, dass Spione aus dem Westen in der DDR eingesetzt werden. Dieses Spionage-Ding finde ich allgemein einen kranken Ansatzpunkt. Jeder stiehlt Infos bei jedem, jeder hackt die Computer der anderen etc. Ist ja heute auch nicht anders. Menschen sind einfach schräg.

    Ich finde es toll, dass Du das sagst, denn das stimmt meiner Meinung nach auch. Die Methoden der Stasi und des KGBs waren wirklich nicht in Ordnung und sind zutiefst zu verurteilen, aber es war eben auch vom Westen nicht in Ordnung, sich dort ein solches Netz von Spionen und Informanten aufzubauen. Dagegen mussten sich Stasi und KGB natürlich wehren und so hat ein Schritt den nächsten zur Folge gehabt und jede Seite hat auf die andere wieder reagiert ...

    Max will ja hartnäckig zum BND. Ob das klappt? Kais Vater will das ja unbedingt verhindern. Andererseits - ich ändere meine Meinung ein bisserl - wäre es für den BND gut, wenn auch gute Kerle dabei sind. Nicht nur ehemalige Nazis.

    Interessant und auch wahr! Ich muss dabei gerade an meinen letzten Roman und Herrn Gehlen denken ... und halte mich jetzt mal lieber etwas bedeckt. :)

  • Claire, ich finde es besonders anschaulich, wie Du schilderst, wie Julius sich stellvertretend für sicherlich ganz viele DDR-Bürger gefühlt hat. Unter Beobachung, ständig auf der Hut, in Sorge um die Angehörigen, verzweifelt, weil das Weltbild der DDR zusammenbrach mit jeder neuen Erkenntnis, was die Stasi und die Regierung mit ihrem Bürgern machten. Und man wird traurig, wenn man weiß, dass es noch 30 Jahre dauern wird, bis dieses Lügen-Kartenhaus zusammenbricht.

    Dem kann ich mich nur anschließen: Julius differenziert mehr und weiß (kann es auch nicht wissen), wem er noch vertrauen kann und wem nicht.

    Das ist ein Aspekt im Roman, der mich wahrlich "Lesenerven" kostete, denn ich hasse solches Denunziantentum, ohne das die StaSi aufgeschmissen gewesen wäre! Auch die dadurch verbreitete Angst und der Schrecken für die Menschen - furchtbar. Das Schlimmste daran: Nach vielen Jahren verändert dieses System auch, mit dem Ziel, Bürger zu haben, die nicht sich nicht mehr trauen, "aufzumucken". Die aus Angst sich anpassen - das hat ja auch lange funktioniert.


    Übrigens: Wir hatten zu Hause oftmals politische Diskussionen (in den 70ern, da waren mein Bruder und ich ziemlich links und mein Vater mochte keine Sozialisten, Kommunisten hasste er sogar, glaube ich). Und wenn die Stimmung hochkochte und er sich sehr ärgerte, meinte er immer: "Dann fahrt doch rüber! Am besten ohne Rückfahrtschein" ;)

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Besser hätte léCarre diesen Roman auch nicht schreiben können . ^^

    Ich habe keinen John Le Carré gelesen, aber wenn es um gute Agentenkrimis geht, freue ich mich schon auf den 3. Teil der "Slow Horses" von Mick Herron:

    Im 2. Band gibt es übrigens auch Bezüge zu einem Spion im Berlin des Kalten Krieges... - das Buch heißt "Dead Lions" - sehr lesenswert! (und mit britischem trockenem Humor...)

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Meine Leseeindrücke zu diesem Abschnitt:


    - Das Verschwinden des Notizbuchs hat mich auch zuerst an Alice denken lassen..

    - Die Verhaftungen im Institut und an der Uni machen Julius klar, dass er nicht mehr viel Zeit haben wird, sein Vater würde auf Drängen Emmas sogar mitkommen!


    Erschreckend für mich auch die Tatsache, dass sich Geschichte immer zu wiederholen scheint: Notaufnahmelager - heute Asylbewerber, auch hier gab es Selbstmorde, wenn der Betreffende abgelehnt wurde... - die umstrittenen Abschiebungen (Afghanistan)...


    Man hofft nur, dass für Julius alles gut gehen wird (und für Emma natürlich)...


    Übelst, dass Alice ihre eigene Schwester ausspionieren soll, sie ist lediglich ein Werkzeug - eine einfach inhumane emotionale Erpressungsmethode Markovs, der für den KGB steht. Sergej ahnte es immer, dass sie ihre "Dankbarkeit" eines Tages zeigen muss - er kennt das System. Alice erkennt nun den Einfluss, den Sergej auf sie hatte und beginnt, einiges mit anderen Augen zu sehen, sie ist kritischer geworden! Ob sie es ernst meint, als sie zu Emma sagt, sie trüge sich mit dem Gedanken, "rüberzukommen"? So ganz eindeutig kann ich sie einfach nicht einschätzen..


    In Sorge bin ich auch um Sigmund, dem es sicher sehr schlecht in Moskau ergehen wird..

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Das ist ein Aspekt im Roman, der mich wahrlich "Lesenerven" kostete, denn ich hasse solches Denunziantentum, ohne das die StaSi aufgeschmissen gewesen wäre! Auch die dadurch verbreitete Angst und der Schrecken für die Menschen - furchtbar.

    Das kann ich gut verstehen, denn mir geht es genauso. Leider war dieses Denunziantentum ja auch schon früher mal in der deutschen Geschichte sehr verbreitet ...

    Erschreckend für mich auch die Tatsache, dass sich Geschichte immer zu wiederholen scheint: Notaufnahmelager - heute Asylbewerber, auch hier gab es Selbstmorde, wenn der Betreffende abgelehnt wurde... - die umstrittenen Abschiebungen (Afghanistan)...

    Ja, die Parallelen sind wirklich erschreckend. Das fand ich auch. Wobei die abgelehnten Flüchtlinge aus der DDR zumindest nicht abgeschoben wurden, aber sie hatten keinerlei Anspruch auf staatliche Hilfen, Arbeit oder Wohnraum. Sie bekamen gerade nur so viel, dass sie nicht verhungert sind und wurden in Flüchtlingsheimen untergebracht, ohne eine Aussicht auf eine Zukunft.

    Ob sie es ernst meint, als sie zu Emma sagt, sie trüge sich mit dem Gedanken, "rüberzukommen"? So ganz eindeutig kann ich sie einfach nicht einschätzen..

    Alice ist innerlich bestimmt auch hin- und hergerissen, würde ich sagen ...;):)

  • Übelst, dass Alice ihre eigene Schwester ausspionieren soll, sie ist lediglich ein Werkzeug - eine einfach inhumane emotionale Erpressungsmethode Markovs, der für den KGB steht. Sergej ahnte es immer, dass sie ihre "Dankbarkeit" eines Tages zeigen muss - er kennt das System. Alice erkennt nun den Einfluss, den Sergej auf sie hatte und beginnt, einiges mit anderen Augen zu sehen, sie ist kritischer geworden! Ob sie es ernst meint, als sie zu Emma sagt, sie trüge sich mit dem Gedanken, "rüberzukommen"? So ganz eindeutig kann ich sie einfach nicht einschätzen..

    Das ist die Frage. Ist sie nur ein Werkzeug? Wer ist dann der "Schuldige". Ist Sergej auch nur ein Werkzeug? Und wer was, was Markow in seiner Jugend/Kindheit alles erleben/erfahren musste. Trifft ihn vielleicht auch keine Schuld, schließlich tut er ja vielleicht aus Vaterlandsliebe?


    Natürlich möchte ich nicht in Alice`Haut stecken und mich entscheiden müssen. Und ich hätte sicher auch fürchterliche Angst vor den Russen, aber zwischendrin hatte sie schon auch die Möglichkeitt, sich anders zu entscheiden. Und ganz frei sprechen kann ich sie nicht, von Verantwortung. Da bin ich Julius näher, der sich sogar Vorwürfe macht, weil er die Häscher vielleicht auf die Spur zu seinem Freund gebracht hat. Am Ende muss dennoch jeder für sein Handeln gerade stehen. Und das Notizbuch zu stehlen war schon eine Tat, die sie nicht hätte machen müssen.

    :lesen:





  • Am Ende muss dennoch jeder für sein Handeln gerade stehen. Und das Notizbuch zu stehlen war schon eine Tat, die sie nicht hätte machen müssen.

    Ja, das stimmt absolut - und das ist für mehrere Figuren in diesem Roman, auch etwas, mit dem sie sich auseinandersetzen müssen und ihnen zu schaffen macht. Wobei Alice natürlich nicht ahnt, wie brisant die Informationen in diesem Notizbuch wirklich sind ...

  • Als Alice bei den Wellensteins in anderen Zimmern rumschnöckert, da war mir eigentlich klar, dass sie das als Auftrag bekommen hat. Ich begrüße es sehr, dass sie Bauchweh hat als sie erfährt was ihre Tat für Folgen hat und dennoch kann ich voll und ganz verstehen, dass sie es getan hat, denn denen verdankt sie ihr Leben.


    Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich bin ehrlich gesagt froh darüber, dass Max aufgrund von Rittmeister senior wahrscheinlich nicht beim BND genommen wird. Ich möchte einfach, dass ihm nichts passiert.


    Mich hat überrascht, dass sich Julius nun doch zur Flucht entschlossen hat, wo er ja nun weiß was wahrscheinlich mit Sigmund passiert ist. Irgendwie habe ich Angst, dass man genau das von ihm erwartet und der Cliffhanger deutet ja darauf hin, dass vielleicht nicht alles glatt geht.


    Was ich schlimm finden würde, wäre wenn Julius etwas passiert, weil Alice da irgendwie mit drin steckt, denn das könnte die ganze Familie wieder zerstören. Emma scheint ja nun wirklich unfassbar verliebt in Julius zu sein und dessen Verlust würde sie wohl kaum verwinden.


    Die älteste Schwester meiner Mutter ist übrigens auch kurz vor der Wende geflohen, allerdings über Ungarn. Leider ist sie vor 3 Jahren gestorben, so dass ich gar keine Gelegenheit hatte sie danach mal zu fragen wie das da abgelaufen ist in dem Auffanglager und warum sie sich das überhaupt überlegt haben.


    Und zu meiner Mutter kann ich auch noch eine interessante Geschichte erzählen: Eine ihrer Schwestern hat einen Österreicher geheiratet und gehörte damit zum Klassenfeind. Als diese zu Besuch war bei ihren Eltern, durfte bis auf die Eltern niemand zu ihr Kontakt haben. Keine Ahnung ob man Sorge hatte, dass sie andere zur Flucht animiert. Na ja jedenfalls hat sich meine Mutter wohl in der Mittagspause von der Arbeit geschlichen, um ihre eigene Schwester heimlich zu treffen. Das so etwas nötig war damals, hat mich doch sehr bestürzt. Und das war Anfang der 80er.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Dieses Spionage-Ding finde ich allgemein einen kranken Ansatzpunkt. Jeder stiehlt Infos bei jedem, jeder hackt die Computer der anderen etc. Ist ja heute auch nicht anders. Menschen sind einfach schräg.

    Ich glaube da sind wir uns alle einig, dass das egal von welcher Seite es kommt einfach nur mies ist.


    Was ich besonders erstaunlich finde: die Eroberung des Weltraums hatte auch nur damit was zu tun, dass man sich während des Kalten Krieges einfach nur abhören wollte. Erstaunlich was wir alles nicht hätten, wenn das nicht so gewollt gewesen wäre. Das war mir bis zu einer Doku nie bewusst, dass die Raumfahrt nur deswegen ihre Anfänge genommen hat.


    Erschreckend für mich auch die Tatsache, dass sich Geschichte immer zu wiederholen scheint: Notaufnahmelager - heute Asylbewerber, auch hier gab es Selbstmorde, wenn der Betreffende abgelehnt wurde... - die umstrittenen Abschiebungen (Afghanistan)...

    Daran musste ich beim Lesen auch schon denken, dass es das immer noch gibt, dass Menschen fliehen müssen aus der Heimat.


    Übelst, dass Alice ihre eigene Schwester ausspionieren soll, sie ist lediglich ein Werkzeug - eine einfach inhumane emotionale Erpressungsmethode Markovs, der für den KGB steht.

    Das Traurige ist ja, dass das nicht aus der Luft gegriffen ist. Selbst Ehepaare haben sich damals gegenseitig ausspioniert. Mein Vater wollte nie in die Partei eintreten und durfte deswegen nicht das werden was ihm eigentlich vorschwebte.


    Ich weiß nur nicht so genau ob wir da heute so viel anders sind, denn heute bestimmt statt der "vermeintlich richtigen Gesinnung"das Geld ob aus einem etwas wird oder nicht. Chancengleichheit haben wir ja trotzdem keine. Wie oft ich schon zusehen musste, dass "dumme" Männer mir die Jobs weggenommen haben (oder Kinder von Führungskräften) und an ihren Aufgaben gescheitert sind, weil man mir als Frau unterstellt hat, dass ich eh bald Kinder haben werde. Und siehe da: ich habe keine Kids und habe schon dem ein oder anderen der Herren dann den Hintern gerettet. Aber irgendwann gewöhnt man sich daran, dass es eben nicht fair zugeht und ich vermute mal, dass die DDR Bürger dann auch irgendwann einfach resigniert und es ertragen haben.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Am Ende muss dennoch jeder für sein Handeln gerade stehen. Und das Notizbuch zu stehlen war schon eine Tat, die sie nicht hätte machen müssen.

    Sie wird gedacht haben, dass sie da ein kleines Tagebuch stiehlt und vielleicht der "Geldsack" Wellenstein davon betroffen sein wird. Claire hat ja so gut beschrieben wie die Eltern von ihm recht herablassend und arrogant rüber kamen. Ihr wird in keinster Weise bewusst gewesen sein, dass ihr Handeln so heftige Konsequenzen haben wird.


    Ich denke, dass diese Tat noch ordentlich für Zündstoff in der Handlung sorgen wird.


    Im Glauben zu sein, dass man richtig handelt, kann eben dennoch falsch sein wie wir hier schön sehen können.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich bin ehrlich gesagt froh darüber, dass Max aufgrund von Rittmeister senior wahrscheinlich nicht beim BND genommen wird. Ich möchte einfach, dass ihm nichts passiert.

    Ich freue mich wirklich, dass ihr Max als Figur alle so ins Herz geschlossen habt! <3:) Mal sehen, was da noch passieren wird ... :lesen:

    Was ich schlimm finden würde, wäre wenn Julius etwas passiert, weil Alice da irgendwie mit drin steckt, denn das könnte die ganze Familie wieder zerstören. Emma scheint ja nun wirklich unfassbar verliebt in Julius zu sein und dessen Verlust würde sie wohl kaum verwinden.

    Ja, wenn Alice das tun würde, wäre ihr Verhältnis mit Emma unweigerlich zerstört ...

    Eine ihrer Schwestern hat einen Österreicher geheiratet und gehörte damit zum Klassenfeind. Als diese zu Besuch war bei ihren Eltern, durfte bis auf die Eltern niemand zu ihr Kontakt haben. Keine Ahnung ob man Sorge hatte, dass sie andere zur Flucht animiert.

    Solche Geschichte kenne ich leider auch von Verwandten, die noch Familie in der DDR hatten und in den Westen gegangen sind. Das muss unglaublich schwierig gewesen sein und alle Beteiligten haben bestimmt darunter gelitten.

    Selbst Ehepaare haben sich damals gegenseitig ausspioniert. Mein Vater wollte nie in die Partei eintreten und durfte deswegen nicht das werden was ihm eigentlich vorschwebte.

    Das finde ich besonders furchtbar, dass man nicht seinem eigenen Schul-, Studiums- oder Berufswunsch folgen durfte, wenn man sich politisch nicht korrekt verhielt oder man z.B. wie bei Deinem Vater nicht in die Partei eintreten wollte. Der Berufswunsch ist doch etwas, was eng mit dem zusammenhängt, was einen Menschen auch innerlich ausmacht. Wie schrecklich, wenn man so z.B. seinen Begabungen nicht folgen konnte.

  • Das ist die Frage. Ist sie nur ein Werkzeug? Wer ist dann der "Schuldige". Ist Sergej auch nur ein Werkzeug? Und wer was, was Markow in seiner Jugend/Kindheit alles erleben/erfahren musste. Trifft ihn vielleicht auch keine Schuld, schließlich tut er ja vielleicht aus Vaterlandsliebe?


    Natürlich möchte ich nicht in Alice`Haut stecken und mich entscheiden müssen. Und ich hätte sicher auch fürchterliche Angst vor den Russen, aber zwischendrin hatte sie schon auch die Möglichkeitt, sich anders zu entscheiden. Und ganz frei sprechen kann ich sie nicht, von Verantwortung. Da bin ich Julius näher, der sich sogar Vorwürfe macht, weil er die Häscher vielleicht auf die Spur zu seinem Freund gebracht hat. Am Ende muss dennoch jeder für sein Handeln gerade stehen. Und das Notizbuch zu stehlen war schon eine Tat, die sie nicht hätte machen müssen.

    Menschen sind manipulierbar. Schutzlos ausgelieferte Menschen (wie Alice) sicher noch mehr. Ich finde schon, dass hier so großer Druck aufgebaut wird, dass ihr Verhalten angstgesteuert ist. Dass sie emotional erpresst wird - für mich die schlimmste Form von Manipulation und - Unterdrückung.

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Solche Geschichte kenne ich leider auch von Verwandten, die noch Familie in der DDR hatten und in den Westen gegangen sind. Das muss unglaublich schwierig gewesen sein und alle Beteiligten haben bestimmt darunter gelitten.

    Früher haben meine Eltern nie darüber gesprochen. Jetzt wo sie Rentner sind und ich versuche sie regelmäßig auszuhorchen, tauen sie langsam auf und erzählen auch mal was. Nur über die Armeezeit schweigt sich mein Dad aus.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Früher haben meine Eltern nie darüber gesprochen. Jetzt wo sie Rentner sind und ich versuche sie regelmäßig auszuhorchen, tauen sie langsam auf und erzählen auch mal was. Nur über die Armeezeit schweigt sich mein Dad aus.

    Das ist toll, dass sie überhaupt darüber reden. Ich finde das sehr wichtig. Es ist einfach eine Bereicherung, wenn man mit seinen Eltern oder auch Großeltern über ihre Vergangenheit sprechen kann. Leider ist das ja nicht immer möglich.

  • Ich hänge etwas hinterher, mir ist so unerträglich warm, da kann man sich gar nicht richtig konzentrieren. Ich möchte endlich annehmbare Temperaturen.

    Aber nun zu diesem spannenden Abschnitt.


    Julius seine Wahrnehmung hat sich nach Haushofer seine Entführung verändert, was ich voll nachvollziehen kann. Man denkt ständig verfolgt zu werden, man fragt sich ob in den eigenen Sachen geschnüffelt wurde, und ob man sich noch in seinen eigenen vier Wänden frei bewegen kann. So ergeht es momentan Julius.

    Dieses Abhören in der eigenen Wohnung finde ich besonders schlimm, ein Eingriff in die Intimsphäre. Es sollte ein Ort der Geborgenheit und Sicherheit sein und das wird einem genommen.

    Immer wieder hat er sich gefragt, warum Haushofer diesen Satz ...ich habe einen hohen Preis bezahlt..., gesagt hat.

    Nun weiß er zumindest wage wo dieser ist, vom KGB entführt. Schlimmer kann es für Haushofer nicht kommen und ich vermute, seine Frau und Kinder werden ihn vielleicht nie wieder sehen.

    Selbst Julius Vater sagt ihm er solle endlich weggehen und es sah wirklich danach aus, als würde er es durchziehen. Doch ich denke es wird irgendetwas passieren, denn der Westberliner Kriminalkommissar ist Weber und Weber ist beim BND und das so kurz vor dem Ziel.


    Emma hat natürlich auch bemerkt, dass Julius sich verändert hat und machte sich mehr und mehr Sorgen um ihn. Sie war sogar so mutig und ist zu Julius seinen Vater gefahren um diesen um Hilfe zu bitten. Da habe ich sie für ihren Mut bewundert, ich hätte mir diesen Schritt nicht gewagt. Das zeigte aber, wie sehr sie ihn liebt , sie wird sogar mit ihm in die Bundesrepublik gegangen. Wegen Alice glaubte sie ja, sie könne sie auf ewig besuchen fahren.

    Alles ist geplant und abgemacht, der Tag der Flucht, Julius hat sogar schon in Wedding einiges in der Hausmeister Wohnung versteckt. Meine Nerven wären zum zerreißen gespannt, so geht es Emma bestimmt auch.

    Noch etwas, ich stelle es mir für Emma wirklich schwer vor, wenn sie merkt, dass Alice nicht ehrlich zu ihr ist. Diese tiefe Bindung die sonst Zwillinge verspüren, ist doch schon lange nicht mehr gegeben. Ich sehe es wie eine dunkle dicke Gewitterwolke über den beiden, wo vielleicht bald die Blitze raus schießen.


    Ach Alice, was hast du nur getan, war mein erster Gedanke, als Fritz und die anderen verhaftet wurden. Irgendwie war mir sofort klar, das mit dem Notizbuch war sie. Da konnte man erkennen wie viel Regimetreue in ihr steckt. Ehrlich, innerlich war ich richtig wütend und habe sie als Verräterin betitelt, auch wenn sie im Nachhinein ein schlechtes Gewissen hatte. Ich glaube auch ganz fest, dass sie nicht wusste, was dass auch für Konsequenzen für die Familien der Verhafteteten hatte. Denn die hatten ebenfalls kein leichtes Leben mehr.

    Ich dachte ihr liegt mehr an ihrere Schwester, Max und dessen Freundin, auch wenn sie in politischen Meinungen nicht übereinstimmen. Egal was Markov und Sergej von ihr verlangt haben.

    So kam Max in Verdacht und alles ist kaputt. Das Vertrauen unter den Freunden, die Zukunft beim BND, einfach alles. Warum Hubert nicht auf die Idee gekommen ist, dass es nach Möglichkeit ein anderer gewesen ist, hat mich sehr verwundert. Denn er hat doch seinen engsten Vertrauten unterbreitet, dass es einen Maulwurf gibt.

    Auch das Verhältnis zu Emma ist nach wie vor nicht ehrlich und innerlich wie es sein sollte. Das finde ich besonders schade, sie sind Familie und haben nur noch sich. Da sollte alles andere egal sein. Ich glaube auch nicht, dass es bei Emma unterschwellige Mitleid ist, so wie Alice es empfindet. Sie sollten beide endlich ein offenes Gespräch führen, wo es keine Geheimnisse mehr gibt und jeder seine Meinung sagen kann.

    Nun soll sie auch noch Emma bespitzeln und das alles, weil Grigorjew sie in der Hand hat und ihr mit Konsequenzen für Sergej doht.

    Oft denke ich auch daran, wie es wohl wäre, wenn Rosa noch leben und dazu sagen würde.


    Noch Mal kurz zu Max. Ich habe schon im letzten Abschnitt erwähnt, dass er vielleicht eine ganz andere Richtung als Anwalt einschlagen wird. Ich hoffe nicht, dass Kai sein Vater auch noch am Examen etwas negatives gegen Max ausrichten kann.

    Der Besuch bei Goldmann im Krankenhaus und seine Absicht diesem zu helfen, könnte der Beginn dieser anderen Richtung sein.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Man denkt ständig verfolgt zu werden, man fragt sich ob in den eigenen Sachen geschnüffelt wurde, und ob man sich noch in seinen eigenen vier Wänden frei bewegen kann. So ergeht es momentan Julius.

    Dieses Abhören in der eigenen Wohnung finde ich besonders schlimm, ein Eingriff in die Intimsphäre. Es sollte ein Ort der Geborgenheit und Sicherheit sein und das wird einem genommen.

    Ich stelle mir das auch ganz schrecklich vor, wenn man auf einmal niemand mehr trauen kann und ständig auf der Hut vor allem und jedem sein muss. Wobei ich mir am Furchtbarsten vorstelle, dass man nicht richtig weiß, vor wem man sich vorsehen muss. Wahrscheinlich kann man es gar nicht vermeiden, dass man dabei paranoid wird.

    Sie war sogar so mutig und ist zu Julius seinen Vater gefahren um diesen um Hilfe zu bitten. Da habe ich sie für ihren Mut bewundert, ich hätte mir diesen Schritt nicht gewagt.

    Das fiel Emma auch nicht leicht und insgeheim befürchtet sie natürlich, dass Julius ihr das doch übel nehmen könnte, wenn er davon erfährt.

    Alles ist geplant und abgemacht, der Tag der Flucht, Julius hat sogar schon in Wedding einiges in der Hausmeister Wohnung versteckt. Meine Nerven wären zum zerreißen gespannt, so geht es Emma bestimmt auch.

    Das ist an dieser Stelle vielleicht auch noch einmal ganz interessant zu erwähnen, dass viele Leute aus Ost-Berlin, die sich entschlossen hatten, in den Westen zu fliehen, vorher versuchten, Wertsachen oder auch Kleidung nach West-Berlin zu schmuggeln. Das wurde mir von mehreren Zeitzeugen berichtet. Sie brachten die Sachen Stück für Stück einzeln und geschickt versteckt nach drüben, damit sie bei einer Kontrolle nicht entdeckt wurden und deponierten diese Dinge dann bei Verwandten oder Freunden in West-Berlin. Natürlich hatten sie in der U- oder S-Bahn jedes Mal unglaubliche Angst, in eine Kontrolle zu geraten ...

    Ach Alice, was hast du nur getan, war mein erster Gedanke, als Fritz und die anderen verhaftet wurden. Irgendwie war mir sofort klar, das mit dem Notizbuch war sie. Da konnte man erkennen wie viel Regimetreue in ihr steckt. Ehrlich, innerlich war ich richtig wütend und habe sie als Verräterin betitelt, auch wenn sie im Nachhinein ein schlechtes Gewissen hatte. Ich glaube auch ganz fest, dass sie nicht wusste, was dass auch für Konsequenzen für die Familien der Verhafteteten hatte. Denn die hatten ebenfalls kein leichtes Leben mehr.

    So sehe ich das auch, in meiner Vorstellung war Alice das nicht bewusst, welche Konsequenzen dieser Diebstahl des Notizbuchs haben könnte.

    Da sollte alles andere egal sein. Ich glaube auch nicht, dass es bei Emma unterschwellige Mitleid ist, so wie Alice es empfindet. Sie sollten beide endlich ein offenes Gespräch führen, wo es keine Geheimnisse mehr gibt und jeder seine Meinung sagen kann.

    Da hast du recht, dieses Gespräch wäre dringend notwendig und die beiden sind wieder einmal ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, ehrlich zu sein ...

  • Noch etwas, ich stelle es mir für Emma wirklich schwer vor, wenn sie merkt, dass Alice nicht ehrlich zu ihr ist. Diese tiefe Bindung die sonst Zwillinge verspüren, ist doch schon lange nicht mehr gegeben. Ich sehe es wie eine dunkle dicke Gewitterwolke über den beiden, wo vielleicht bald die Blitze raus schießen.

    Darüber hatte ich vorher gar nicht nachgedacht, aber könnte nicht die tiefe Bindung der Grund dafür sein, dass sie eben deswegen spürt, dass ihre Schwester sie anlügt?



    Ach Alice, was hast du nur getan, war mein erster Gedanke, als Fritz und die anderen verhaftet wurden. Irgendwie war mir sofort klar, das mit dem Notizbuch war sie.

    Das war mir auch direkt klar. Als sie da rumschnökert, dachte ich allerdings erst, dass sie Max bei seinem Stelldichein erwischt und dann sauer wird, weil sie ja doch in gewisser Weise eine Art Bindung haben. Mir war erst bei Erwähnung des verschwundenen Notizbuches klar, dass sie da hingegangen ist, um zu spionieren.



    Ansonsten kommen einige Männer bei Claire ja eher schlecht weg. Max hat regelmäßig ein anderes Mädel und auch Julius ist kein Kostverächter. Wirklich zuverlässig in Beziehungen sind sie da leider nicht, was in meinen Augen auch die realität von damals und heute aufzeigt, denn ich habe da ähnliche Erfahrungen gemacht.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Am Ende muss dennoch jeder für sein Handeln gerade stehen. Und das Notizbuch zu stehlen war schon eine Tat, die sie nicht hätte machen müssen.

    Ja, das stimmt absolut - und das ist für mehrere Figuren in diesem Roman, auch etwas, mit dem sie sich auseinandersetzen müssen und ihnen zu schaffen macht. Wobei Alice natürlich nicht ahnt, wie brisant die Informationen in diesem Notizbuch wirklich sind ...

    Das es hier um Menschen ging und diese mit dramatischen Repressalien rechnen konnten, musste ihr aber schon klar sein. Das hat sie wohl verdrängt.

    :lesen: