Ich habe das Buch in schwedischer Übersetzung unter dem Titel Grå själar (=Graue Seelen) gelesen.
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Schwedisches Titelbild
Der Ich-Erzähler, Anfang 50, erinnert sich an eine Episode im Dezember 1917, als die Leiche eines zehnjährigen Mädchens in einem Kanal gefunden wurde. Die Würgemale am Hals ließen keinen Zweifel daran zu, dass sie ermordet wurde. Nun, 20 Jahre später, versucht der Erzähler noch einmal, das Ereignis zu rekonstruieren. Dazu muss er weiter ausholen, er erzählt auch einiges aus der näheren Vergangenheit des französischen Kleinstädtchens kurz hinter der Front, von dessen Einwohnern und nicht zuletzt von sich selbst.
So entsteht ein Bild der Kriegsjahre, in denen der Krieg sich ständig als Geschützdonner am Horizont bemerkbar macht, in denen es zu Konflikten zwischen Soldaten/Verwundeten und der als Zivilbevölkerung kommt, der aber die Gemüter weniger berührt als der wahnsinnig gewordene Lehrer, der Selbstmord seiner Nachfolgerin oder der Mord an dem Kind. Das zivile Leben bietet Grausamkeiten genug - Parallelen wie z. B. zwischen einem durch einen Huftritt schwachsinnig gewordenen Jungen und den durch Kopfwunden verstümmelten Soldaten sind deutlich - und wird durch den Krieg nicht humaner. Menschenleben zählen nur wenig, zumindest für die Oberschicht, die in der festen Überzeugung aufgewachsen ist, über Leben und Tod der unteren Schichten bestimmen zu können. (Wieviel gibt ein General auf das Leben seiner Soldaten; Hauptsache ist doch, der Hügel wird erobert?) Wahrheit muss hinter wichtigeren Belangen, wie dem Schutz der Standesgenossen, zurückstehen.
Das Bild, das Claudel zeichnet, ist sehr eindrucksvoll, ging mir richtig unter die Haut. Selten habe ich ein Buch mit einem so passenden Titel gelesen. Er erklärt sich im Text, als eine Protagonistin feststellt, dass es keine rein guten oder bösen Menschen gibt, dass alle Seelen eben grau sind. Für mich zeigt er allerdings noch besser die unendliche Traurigkeit, die den Erzähler (und andere Protagonisten) umgibt. Er hat, nach schlimmen Erfahrungen jede Lebensfreude verloren, lebt in einer lähmenden Depression, aus der er keinen Weg findet und auch keinen finden will.
Ich vergebe
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