Frankenstein: Abschnitt 3 - Kapitel 14-18

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  • In diesem Abschnitt hatte ich sowohl mit Frankenstein als auch mit seinem Geschöpf große Problem. Das Geschöpf hat sich alleine und mit Hilfe der Beobachtung von Menschen "gebildet", kann Französisch sprechen, lesen und schreiben und ist in der Lage, sich komplexe literarische und philosophische Werke in Eigenregie anzueignen und auf diese Grundlage die eigene Gefühlswelt zu verfeinern und hinterfragen? Aber gleichzeitig ist es ein eiskalter Killer, der aus Wut mal eben ein Kind erwürgt? Das passt für mich hinten und vorne nicht zusammen. :/

    Und Frankenstein wird immer mehr zum prokrastinierenden Jammerlappen: Erst sagt er dem Geschöpf zu, ihm eine Gefährtin zu erschaffen, weil er seine Gefühle verstehen und seine Argumentation nachvollziehen kann, und dann will er das eigentlich doch nicht mehr, kann/will sich aber nicht entscheiden? Und dazu dieses ewige "und dann ging es mir besser, ich konnte mein Elend kurz vergessen" vs. "ich habe ständig Angst um meine Familie, was macht das Monster jetzt, folgt es mir", aber dann ist er sich wieder sicher, dass es bei Fertigstellung der Gefährtin auf der Matte stehen wird. Das alles ergibt immer weniger Sinn, nervt mich aber zunehmend. :cursing:

  • Ach ja, und diese Distanzlosigkeit des Geschöpfs finde ich auch seltsam: die beobachteten Menschen werden zu "Freunden" und "Beschützern", obwohl sie es gar nicht kennen (und deren Reaktion bei seiner "Vorstellung" spricht ja für sich). Und Frankenstein greift diese Sichtweise auf und spricht auch davon, dass das Wesen von seinen "Beschützern" enttäuscht und quasi verraten wurde.

    Zwischenzeitlich habe ich mich gefragt, ob hier Wesen und Schöpfer sich nicht ähnlicher sind als den beiden lieb sein kann, ich finde man kann bei beiden hier deutliche Anzeichen des Wahnsinns erkennen.

  • Juva

    Es wurde ja schon von Frankenstein im Vorfeld als Böse eingestuft. Also quasi von Natur aus. - Ich finde ja auch unlogisch, das es von sich aus zwischen gut und böse unterscheiden kann. Also es weiß ja zumindest das es etwas böses tut, wenn es mordet. Das macht eigentlich gar keinen Sinn, denn woher soll er das unterscheiden können??? Woher soll es Moral gelernt haben?

    Ich denke auch das Monster soll seinen Schöpfer spiegeln (so als Anspielung die Schöpfung in der Bibel der Mensch als Ebenbild Gottes. Und der Mensch soll aber bitteschön nicht Gott spielen, man sieht ja was dabei heraus kommt...)


    Ich verstehe ja nach wie vor nicht, warum Frankenstein nicht mal auf die Idee kommt sich mit dem Monster wirklich zu beschäftigen und zu reden. Statt sich in seine Vorstellungen immer mehr hineinzusteigern.

  • der "fiend" wie das Monster immer genannt wird ist zunächst wie ein Baby. Er lernt aber schnell, saugt alles auf wie ein Schwamm oder wie Doogie Howser :)


    Ich denke was für uns heutige Leser so eigenartig ist, dass es keine wissenschaftliche Erklärung gibt dass wir alle von einem viel weiteren naturwissenschaftlichen Basiswissen ausgehen als Mary Shelley. Aber wenn es keine Erklärung gibt, wieso greift sie nicht zum Unerklärlichen?

    Warum begründet sie es nicht mit Übernatürlichem? Wenn fremde Mächte im Spiel gewesen wären, wäre es nachvollziehbarer, fantastischer.


    Frankenstein ist auch nie auf die Idee gekommen, sich selbst als Freund für den Feind zu opfern, nur auf die verquere Art der Verfolgung später.


    Mir tat das Monster eigentlich leid beim Lesen. In die Welt geworfen ohne jeglichen Rückhalt und ohne "support-system".

  • Frankenstein ist auch nie auf die Idee gekommen, sich selbst als Freund für den Feind zu opfern, nur auf die verquere Art der Verfolgung später.


    Mir tat das Monster eigentlich leid beim Lesen. In die Welt geworfen ohne jeglichen Rückhalt und ohne "support-system".

    Das stimmt, darüber habe ich mich auch gewundert. Gerade weil das Geschöpf ja so schnell lernt (und da ist ja die von ihm selbst erzählte Geschichte sehr aufschlussreich) wäre es doch für einen Forscher auch ein interessantes Studienobjekt, wenn ihn vielleicht nicht unbedingt Sympathie packt. Eigentlich ist das doch der weit spannendere Part als die simple Erschaffung des Wesens. Aber daran verschwendet Frankenstein keinen Gedanken, und an Freundschaft erst recht nicht.

    Und er wäre seinem Geschöpf als Schöpfer ja eigentlich genau diese Unterstützung schuldig, was das Geschöpf im Gegensatz zu ihm ja auch erkennt und anmahnt.

  • Da stimme ich dir vollkommen zu, Juva, logisch ist das alles nicht. Auch dieser enorme Wissenszuwachs wäre doch ein ideales Forschungsprojekt. Und dass das Geschöpf nach relativ kurzer Zeit Plutarch liest, ist nicht nachvollziehbar. Das schaffen selbst Gelehrte kaum.

    Ich hatte mal eine Doku über Shelleys Frankenstein gesehen, worin Mary als gebildete Frau dargestellt wird, die für ihre Verhältnisse ihrer Zeit voraus war und sich eher mit Männern als mit Frauen unterhalten konnte. Solche Logikfehler hätte ich da nicht erwartet, auch nicht, wenn man an die damalige Zeit denkt.

  • Und dass das Geschöpf nach relativ kurzer Zeit Plutarch liest, ist nicht nachvollziehbar. Das schaffen selbst Gelehrte kaum.

    Ich hatte mal eine Doku über Shelleys Frankenstein gesehen, worin Mary als gebildete Frau dargestellt wird, die für ihre Verhältnisse ihrer Zeit voraus war und sich eher mit Männern als mit Frauen unterhalten konnte.

    Gerade beim Herausstellen der Bildung (egal ob beim Geschöpf oder beispielsweise auch bei Frankenstein selbst) hatte ich immer mal wieder den Eindruck, dass die Autorin hier auch ihre eigene Bildung mit darstellen will. Die Erläuterungen im Anhang meiner Ausgabe lassen diese Vermutung auf jeden Fall auch zu.

  • Habe ich das richtig verstanden, dass das "Monster" die Bücher einfach so im Wald findet?

    Wer lässt denn einfach so Bücher liegen? Zu der Zeit waren sie ja auch noch wesentlich wertvoller als heute.


    Mittlerweile verstehe ich, warum man aus den ganzen Hollywood-Frankensteins-Monster gar nichts über das Originalbuch erfährt... Davon kann man ja nichts für eine gute Story gebrauchen.

  • Wenn Du drei Bücher in deinem Leben lesen solltest dann diese... Wobei naja ausgerechnet den Werther????

    Dann hätte ja die Chance bestanden, dass sich the fiend selbst erledigt, wie so viele, die damals den Werther gelesen haben. Den hint hat er wohl nicht verstanden :)

  • Wobei naja ausgerechnet den Werther???? :totlach: - gut passt natürlich zur Romantik^^

    Der Werther hatte damals ja Kultstatus, da ist sicher auch eine Mary Shelley nicht dran vorbeigekommen, besonders weil sie sich ja längere Zeit in der deutschsprachigen Schweiz aufgehalten hat.

  • Juva

    Sie hatte ja auch genau das Alter in dem die meisten Leser:innen waren. In der Hinsicht wundert mich die Wahl natürlich nicht. Interessant ist, das der Werther ja als Lernlektüre für die Gefühle des Monsters dienen soll. Wie toxisch die Beziehungen im Werther sind wird ignoriertn... Kein Wunder dass das Monster Wünsche entwickelt die nicht befriedigt werden können.