Robert Seethaler - Das Café ohne Namen

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  • Robert Seethaler - Das Café ohne Namen


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    Gebundene Ausgabe: 288 Seiten

    Verlag: Claassen (26. April 2023)

    ISBN-13: 978-3546100328

    Preis: 24,00 €

    auch als E-Book erhältlich


    Robert Seethaler - ein wunderbarer Erzähler


    Inhalt:

    Wien 1966. Die Stadt erholt sich langsam von den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs. Alles ist im Aufbruch; Hoffnung und Zuversicht machen sich breit. Als sich dem Gelegenheitsarbeiter Robert Simon die Chance bietet, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen, greift er zu und eröffnet ein Café direkt am Markt. Dieses wird schon bald zur zweiten Heimat verschiedener Bewohner des Viertels. Man trifft sich, um nicht allein zu sein, um über seine Sorgen und Nöte zu sprechen, um die Liebe zu finden oder im Rausch dem Alltag zu entfliehen.


    Meine Meinung:

    Robert Seethaler ist einfach ein wunderbarer Erzähler. Mit wenigen Worten vermag er es, in einem Roman die unterschiedlichsten Lebensgeschichten zu erzählen, die dennoch sehr tiefgründig erscheinen. Mit viel Empathie ergreift er hier Partei für die kleinen Leute mit ihren kleinen und großen Freuden und ihren kleinen und großen Sorgen. Die Figuren wirken dabei so plastisch und authentisch, dass sie mich immer wieder an die Erzählungen meiner Eltern erinnerten. Mein Kopfkino sprang direkt an und ließ die Szenen vor meinem inneren Auge ablaufen. So hatte ich beim Lesen fast das Gefühl, mit all diesen Menschen im Café zu sitzen und Freud und Leid mit ihnen zu teilen.


    Besonders der Café-Besitzer Robert Simon hat sich schnell in mein Herz geschlichen. Wirkt er zunächst noch sehr unsicher und unscheinbar, entwickelt er sich im weiteren Verlauf sehr stark. Er gibt einer arbeitslosen Näherin eine Chance und kümmert sich um seine Hauswirtin und um seine Gäste. Zuweilen hat man den Eindruck, dass er bei all dem selbst zu kurz kommt, doch Simon zieht eine große Zufriedenheit aus seinem Tun und lässt sich auch durch kleine und größere Unglücke nicht aus der Bahn werfen.


    Fazit:

    Diesen absolut lesenswerten Roman über Menschen aus der Unterschicht empfehle ich allen, die es gerne ruhig und unaufgeregt, aber warmherzig mögen.


    ★★★★★

  • Danke für die Rezension, ich habe das Buch bestellt und warte noch darauf, aber das klingt ja echt vielversprechend! Ich mochte Seethalers Roman "Der Trafikant" sehr gerne und habe mich schon gefreut, dass in seinem neuen Roman Wien wieder eine Rolle spielt.

  • Das Buch kommt auf meine Merkliste. Bisher habe ich zwei Romane von Seethaler gelesen - "Der Trafikant" und "Ein ganzes Leben" und beide waren hervorragend.

  • "Der Trafikant" [...] beide waren hervorragend.

    und da sage einer, Abiturlektüre sei immer nur altmodisches, langweiliges Zeug. Das Buch stand letztes Jahr auf der Abiturlektüreliste in NRW.

  • "Der Trafikant" [...] beide waren hervorragend.

    und da sage einer, Abiturlektüre sei immer nur altmodisches, langweiliges Zeug. Das Buch stand letztes Jahr auf der Abiturlektüreliste in NRW.

    Und ist auch bei den SchülerInnen ganz gut angekommen, obwohl einige tatsächlich "Nathan der Weise" noch besser fanden. Die Rückmeldungen zu "Unter der Drachenwand" im Leistungskurs waren etwas gemischter.

  • Als Lehrerin, die im letzten Jahr sowohl einen Leistungskurs als auch zwei Grundkurse in Deutsch prüfen durfte, in diesem Jahr ist es nur ein Grundkurs. ;)

    Ich führe mit meinen Kursen regelmäßig Debatten darüber, wie zufrieden oder unzufrieden wir alle mit den vom Schulministerium für uns ausgewählten Lektüren sind und ich bin schon öfter von den Aussagen meiner SchülerInnen überrascht worden.

  • gute Milieustudie in einem Wiener Cafe

    In einen ruhigen und aufgeregten Erzählstiel präsentiert der Autor seinen neuesten Roman, wie eine Milieustudie.



    Dreh- und Angelpunkt dieses Romans ist ein Cafe in Wien. Dort treffen verschiedene Menschen aufeinander. Ja es trifft sich dort das gemeine Volk, um abzuschalten und zu entspannen. Und welcher Ort währe dafür besser geeignet als ein Cafe in Wien, wo doch gerade in Wien eine große Cafehauskultur etabliert ist. Wobei Cafe, hier in Deutschland würde es wohl unter den Namen Kneipe laufen. Aber zurück zum Roman. Auch wenn es mir von der Handlung ein wenig zu oberflächlich war, war es doch interessant in dieses Geschehen einzutauchen. Und der Anfangsphase bis zum bitteren Ende.



    Die Hauptfigur ist Robert Simon, der vom Autor wenig schmeichelhaft dargestellt wird. Nicht sonderlich schön oder gebildet aber mit einem Herz aus Gold, versucht er sich seinen Traum von einem eigenen Cafe zu erfüllen. Opfert sich auf, mit allem was er zu bieten hat. Geht an seine letzten Kraftreserven. Und doch ist es nie genug. Über mehr als zehn Jahre gibt er alles, sogar drei Finger von seiner Hand, um das Cafe am Laufen zu halten. An seiner Seiten dabei fast seit Beginn seine Angestellte Mila, die ebenso wie Simon ein wirklich hartes Leben hatte und durch ihren Mann René leider immer noch hat. Neben diesen zwei Hauptfiguren treten auch immer wieder die Gäste des Cafes in Erscheinung, die Kartenspieler, zwei alte Damen, der Fleischermeister, Fabrikarbeiter und Marktstandbetreiber. Sie alle erfüllen nicht nur das Cafe mit Leben, sondern erfüllen auch den Roman mit Leben.



    Das Schlichtgehaltene Cover passt gut zum Roman und gliedert sich gut in die Reihe der bisherigen Romane des Autors ein.



    Fazit: Für Seethalter Fans ist dieser Roman ein muss. Die Story an sich ist wirklich interessant. Das harte Leben und wie dieses Leben die Wiener beutelt und schlaucht ist wirklich schön zu lesen, jedoch fand ich es doch auf der anderen Seite doch einen Tick zu oberflächlich. Ein wenig mehr Tiefe hätte den Roman denke ich ganz gut getan. Auch wenn mich die vielen Figuren am Anfang fast erschlagen hatten, konnte ich sie am Ende ganz gut auseinander halten. Auf jeden Fall wird mir Simon noch eine ganze Weile im Gedächtnis bleiben, mit seinem Streben nach Glück.

    4ratten


  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Das Wien der 60er Jahre...


    Auf diesen neuen Seethaler wartete ich sehnsüchtig und ich habe ohne Kenntnis über den Inhalt direkt meine Nase ins Buch gesteckt und ich wurde nicht enttäuscht.


    In der Geschichte geht es um Robert Simon, der keine Lust mehr auf Gelegenheitsjobs hat, sondern seinen Traum vom eigenen Café leben möchte und so pachtet er eine Wirtschaft, die die besten Zeiten bereits hinter sich hat. Wird sein Traum das wahre Glück oder zum Albtraum?


    Die große Kunst des Autors ist hier das Alltägliche der 60er in Wien zu beschreiben. Angelegt in der Nähe des Karmelitermarktes, wo bereits "der Trafikant" spielt, sieht der Leser die Armut der Menschen, die dennoch genügsam und zufrieden mit ihrem Schicksal sind, wissen sie doch genau, dass es nicht viel Veränderung geben wird. So wird das Café zu ihrem Rückzugsort, wo sie sich austauschen und einfach mal den Alltag für einige Minuten oder Stunden vergessen können.


    Man merkt, dass die Arbeit im Café schon derbe Plackerei ist. Will Robert über die Runden kommen, so muss er jeden Tag offen haben. Ganz nebenbei erfahren wir als Leser wie er aufgewachsen ist und durch welche dunklen Pfade er schon gehen musste. Da hatte ich teils Gänsehaut, vor allem was das Schicksal seiner Eltern betraf. Man hat ihn einfach gern, weil ihn bereits kleine Dinge erfreuen, wie eine funktionierende Zapfanlage oder dass seine Gäste sich einmal nicht prügeln.


    Doch nicht nur Robert fordert das Leben, sondern auch die Menschen um ihn herum. Da ist der Fleischermeister Johannes Berg, dessen Frau ein Kind nach dem anderen bekommt und er dennoch die Zeit findet sich um seinen alten Vater zu kümmern. Da ist Bedienung Mila, die einfach nur endlich ankommen möchte und so viele mehr.


    Interessant fand ich, dass zum Einen durch einen beobachtenden Erzähler über die Akteure berichtet wird und zwischendrin ist der Leser ab und zu Zuhörer bei den Gesprächen zweier älterer Damen, die sich im Café aufhalten. So erhält man einen zusätzlichen Blickwinkel.


    Die Botschaft des Romans ist eindeutig. Lass dich vom Leben nicht unterkriegen. Wenn du fällst, dann steh wieder auf, denn nur dann findest du deinen Platz im Leben.


    Fazit: Seethaler ist ein Garant für gute Lektüre, die unterhält und den Leser fordert. Von mir eine klare Leseempfehlung.


    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Das hört sich alles sehr positiv an; ich kenne "Der letzte Satz" von Seethaler - und werde dieses hier auch auf meine Merkliste setzen, danke für eure Eindrücke und Rezis!

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Zitat

    Simon musste lächeln, wenn er an all die verlorenen Seelen dachte, die sich jeden Tag in seinem Café zusammenfanden. (S. 71)

    Anfangs klingt die Idee, im Wien der 1960er Jahre einfach ein Café zu eröffnen, schon verrückt. Und dass dieses Café dann auch noch namenlos bleibt macht auch einen komischen Eindruck, aber irgendwie passt das in Robert Seethalers Roman dann doch gut zusammen. Und das liegt definitiv an den Figuren, die sich im Café zusammenfinden, kleine Leute, die teilweise normal, teilweise verrückt anmuten, und denen Robert Simon in seinem Café eine vorübergehende Heimat bietet, und das gerade auch durch die wechselnden Zeiten mehrerer Jahre.


    Robert Simon ist eine für Seethalers Romane typische Figur: ein schlichter Mann, der sich zwar seinen Traum vom Café verwirklicht, dafür aber auch mit harter Arbeit bezahlt. Er steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität, gerade auch, wenn sich seine Wünsche nicht erfüllen - er gibt nicht auf, sondern macht weiter, auf seine ruhige und besonnene Art. Dabei hat er ein großes Herz für seine Mitmenschen, was er durch seine Taten, weniger durch große Worte zeigt. Das zeigt sich gerade auch in der Interaktion mit den teils skurilen Gestalten, die sich im Café versammeln, Robert hat für alle ein offenes Ohr und Verständnis und sehr viel Geduld.


    "Das Café ohne Namen" ist kein aufregender Roman, vielmehr lebt die Geschichte von ihren Figuren und den kleinen Ereignissen aus ihren Lebensläufen. Diese werden liebevoll geschildert, auch mit ihren Sorgen und Schwächen, das hat mir ausgesprochen gut gefallen.


    5ratten