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Ihr ganzes Leben lang bestimmte das Gewicht der Mutter das Leben der kleinen Familie. Denn die Mutter war dick, so dick, dass ein normales Leben mit ihr nicht möglich war. In ihrem kleinen Heimatort war sie das Gesprächsthema und der Grund, warum die Familie immer außen vor war.
ZitatMeine Mutter passt in keinen Sarg. Sie ist zu dick, sagt sie.
So beginnt das Buch und hat in mir ein Bild von einer Frau entstehen lassen, deren Gewicht sie in ihrem Alltag so sehr einschränkt, dass sie nicht mehr am Leben teilnehmen kann. Aber beim Lesen wurde mir schnell klar, dass ihre Geschichte durch die Augen ihrer Tochter erzählt wurde. Im Lauf der Handlung wurde das Mädchen älter und auch immer kritischer.
Immer mehr bekam ich beim Lesen den Eindruck, dass mein Bild vom Anfang nichts mit der Frau zu tun hatte, über die ich gelesen habe. Vieles den Erinnerungen war das, was der Vater über seine Frau sagte. Die Geschichte spielt zu großen Teilen in den 1980er Jahren einem kleinen Ort im Hunsrück, in der der Vater eine größere Rolle spielen wollte. Dass ihm das nicht gelang, schob er auf das Übergewicht der Mutter, das ihm den sozialen Aufstieg verwehrte.
Aus dem, was seine Tochter erzählte, war aber immer deutlicher zu sehen, dass er selbst der Grund war. Ein Angeber, der über seine Verhältnisse leben wollte und nicht die nötigen Fähigkeiten für eine höhere Position hatte. Dagegen war seine Frau intelligent und schaffte es bei ihrer Arbeit, sich in kleinen Schritten nach oben zu arbeiten. Das konnte er nicht zulassen und so machte er sie klein. Beruflich legte er ihr Steine in den Weg. Privat wurde ihr Gewicht immer mehr zum Thema. Er reduzierte sie auf die Zahl auf der Waage und das tägliche Wiegen wurde zur täglichen Demütigung und jeden Tag hat er es geschafft, sie ein bisschen kleiner zu machen.
Manchmal habe ich mich gefragt, warum sie diese Demütigung zugelassen hat. Denn ich habe zwischen den Zeilen immer wieder eine starke Frau gesehen. Aber diese Frau hat auch nie eine Chance bekommen, zu zeigen, wer sie wirklich ist. Das muss auch die Tochter erkennen, als sie sich als Erwachsene mit der Geschichte ihrer Mutter auseinandersetzt und sie quasi neu schreibt.
Das Buch hat mich betroffen gemacht. Daniela Dröscher hat eindringlich gezeigt, wie man einen Menschen mit Worten kaputt machen kann. Keine Bestätigung zu bekommen ist schon schlimm. Aber wenn man dazu noch ständig eingeflüstert bekommt, man wäre nichts wert, wie muss das dann sein? Und was macht es mit der Tochter, die mit so einer Dynamik aufgewachsen ist?
Liebe Grüße
Kirsten