(Ich sortiere es mal hier ein - es ist m. E. weder ein richtiger Liebesroman noch passt es zur historischen Kategorie, weil die Zeit, in der es spielt, nur die Kulisse für die persönlichen Entwicklungen der Figuren ist.)
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Mary ist das hässliche Entlein unter den fünf Töchtern der Bennets. Sie ist nicht so hübsch wie ihre Schwestern, sie macht sich nichts aus Äußerlichkeiten und interessiert sich brennend für Literatur und Geschichte. Keine gute Mischung, um auf dem Heiratsmarkt im England des frühen 19. Jahrhunderts Chancen zu haben. Dabei bräuchte Mary ziemlich dringend einen Ehemann, denn das Haus der Familie wird aus erbrechtlichen Gründen nach dem Tod des Vaters an einen entfernten Verwandten gehen, so dass sie dort nicht bleiben kann, und sich als Gouvernante oder Musiklehrerin zu verdingen kann ja wirklich nicht ihr Ziel im Leben sein. So denkt zumindest ihre Mutter, die diese seltsame Tochter nie verstanden hat.
Ihrer Mutter kann es Mary also einfach nicht recht machen, dem Vater ist sie mehr oder minder egal, doch immerhin lässt er sie irgendwann nach Herzenslust in seiner Bibliothek lesen. Über das Gelesene reden, wie es Mary sich so sehnlich wünscht, möchte er aber auch selten bis nie, zu Marys grenzenloser Enttäuschung.
Nachdem einige unvorhergesehene Dinge geschehen sind, beginnt Mary aber ganz allmählich, sich aus dem Kokon von familiären Erwartungen, Konventionen und Minderwertigkeitsgefühlen zu schälen, nicht zuletzt, weil sie Menschen begegnet, die in ihr nicht nur den unansehnlichen Bücherwurm sehen und bei denen sie ihre reservierte Zurückhaltung ablegen und sie selbst sein kann. Dass das ein langer Weg ist und es auch dann noch zahlreiche Komplikationen gibt, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Dieses Buch wirft einen ganz neuen Blick auf Mary Bennet, die in "Stolz und Vorurteil" eher blass und ein bisschen karikaturhaft wirkt. Hinter dem unscheinbaren Äußeren und den salbungsvollen Sprüchen verstecken sich tiefe Gefühle, Wünsche und Sehnsüchte, die sie zu verbergen gelernt hat, weil sie in ihrer Familie auf wenig Verständnis stößt. Mir hat Mary deshalb anfangs ziemlich leid getan, weil ihr in der Zeit, in der sie lebt, so vieles verwehrt bleibt, was für heutige Frauen ganz normal wäre. Aber zu Beginn des 19. Jahrhunderts lag der Wert einer Frau leider zumindest in gewissen Kreisen in ihrer Heiratsfähigkeit, guten Manieren und ansehnlichem Äußeren, also genau in den Bereichen, die Mary gar nicht wichtig sind. Es ist traurig, wie fatalistisch sie sich zunächst in ihr Schicksal zu ergeben scheint, weil sie keinen wirklichen Ausweg sieht.
Was dann passiert, ist nicht spektakulär aus heutiger Sicht, eröffnet Mary aber doch ganz neue Perspektiven, und es hat mir Freude gemacht, sie in ihrer Entwicklung zu begleiten. Der große Konflikt zum Ende des Buches hin war zwar etwas nervig, weil er sich sehr einfach hätte auflösen lassen können, wenn die Leute einfach mal miteinander geredet hätten, aber das ist ja selbst heutzutage schwer genug und wäre seinerzeit vermutlich kaum denkbar gewesen.
Janice Hadlow trifft sehr schön den passenden Ton, der durchaus an Jane Austens Stil erinnert, ohne verstaubt zu wirken, und schafft es, diese so ganz andere Zeit mit ihren Sitten und Gebräuchen lebendig werden zu lassen. Es ist kein aufregendes Buch, das eine oder andere hätte man vielleicht auch ein bisschen straffen können, aber ich habe die Geschichte der Bennet-Schwester, die im ursprünglichen Roman viel zu kurz kommt, doch sehr gerne mitverfolgt und mochte auch Marys wichtigste Wegbegleiter sehr gerne. Mrs. Bennet hätte ich allerdings, wie schon im Original, mit Freuden erwürgen können, diese dünkelhafte Schnepfe!