Charlotte Bronte - Jane Eyre und das Spinn-off Jean Rhys - Wide Sargasso Sea

Es gibt 65 Antworten in diesem Thema, welches 2.034 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aeria.

  • Hm den kenne ich nicht, habe soeben gegoogelt. Harry Potter kenn ich nicht, weder als Film noch als Buch, aber dass Plots oder Charaktere aus klassischen Romanen herangezogen werden bei neuerer Literatur oder bei Filmen ist nicht unwahrscheinlich.

  • Mittlerweile bin ich bei Kapitel VIII angekommen.


    Nach dem Trauma im Roten Zimmer, die Verbindung zwischen Tod und Geister und Angst, die sie damit verbindet und dem endgültigen Zerwürfnis mit Aunt Reed, ab nun nur noch Mrs Reed und der Begegnung mit Brocklehurst ist Jane in Lowood angekommen. Das menschliche, hygienische und pädagogische Level ist very low in diesem düsteren Wald.

    Helen Burns, mit der sie sich anfreundet ist das Gegenteil von Jane. Sie ist unterwürfig, möchte auf keinen Fall etwas hinterfragen. Sie versucht quasi in der Menge unterzutauchen. Bei Bestrafung gibt es zwei biblische Devisen bei Helen - die andere Wange hinhalten und den Feind zu lieben. Sicherheitshalber nichts hinterfragen, das könnte nur Ärger geben.


    Jane kann sich beides nicht vorstellen. Ihr pragmatischer Verstand sagt ihr, dass die Bestrafung ungerecht ist, dass sie das nicht erdulden kann (wird aber kurz darauf eines besseren belehrt, sie wird auch ungerecht bestraft und kann es doch stoisch ertragen) und sie kann sich auf keinen Fall vorstellen Mrs Reed jemals zu lieben oder ihr zu verzeihen. Sie stellt viele Fragen, was sich andere nicht trauen.


    Die Um- bzw. Zustände in der Schule sind menschenunwürdig. Im Gegensatz zu Jane Austen, die ca. 50 Jahre zuvor veröffentlicht hat merkt man dem Buch schon die viktorianischen Reformen an. Es werden auch die unteren sozialen Schichten beleuchtet, Missstände aufgezeigt. Charlotte Bronte verlässt quasi die Komfortzone der guten Gesellschaft.

  • Die Schule und die dortigen Zustände sind, wenn ich es richtig im Kopf habe, angelehnt an das, was Charlottes ältere Schwestern erleiden mussten :entsetzt:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Zitat

    Ich konnte mir nicht vorstellen, wie arme Menschen hätten gut sein können. Und dann würde ich mit der Zeit sprechen wie sie, mich benehmen wie sie, bekäme keine Erziehung und wüchse zu einer dieser armen Frauen heran [...]; nein, ich war nicht heldenhaft genug, mir die Freiheit um den Preis meiner gesellschaftlichen Stellung zu erkaufen. (S. 27)

    Bezogen auf die damaligen gesellschaftlichen Umstände ist dies sicher eine treffende Feststellung, und die Protagonistin wird dadurch auch als intelligent und willensstark charakterisiert, trotzdem finde ich das etwas dick aufgetragen. Würde ein Kind, das in so lieblosen Verhältnissen lebt wie Jane im Hause der Reeds, tatsächlich die gesellschaftliche Stellung jeder kleinen Hoffnung auf eine liebevolle Umgebung vorziehen?


    Ich denke mal, dass die Erinnerung Jane hier einen Streich spielt. Sie erzählt ihre Geschichte ja viele Jahre später, es kann daher durchaus sein, dass sie sich falsch an ihre Gedanken von damals erinnert. Sie ist, glaube ich, keine sehr zuverlässige Erzählerin.

  • Oder sie vermag es als Erwachsene in Worte zu fassen, was sie als Kind eher diffus empfunden hat.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe heute endlich mein Parallelbuch beendet und kann mich jetzt uneingeschränkt der guten Charlotte widmen. Jane ist inzwischen in Lowood angekommen. Das Mädchen ist wirklich zu bemitleiden, niemand mag es...

    Es ist ja leider bei vielen Menschen auch heute noch so, aber frühr war das Usus - Kinder wurden nicht als Menschen betrachtet, sie hatten keine Meinung zu haben, mussten sich den Erwachsenen komplett unterordnen. Ich bin froh, dass wir das heute anders sehen.


    Falls ihr eine Übersetzung lest, vom wem ist die? Ich lese gerade die von Marie von Borch, die offenbar eine der ersten oder gar die erste dt. Übersetzung überhaupt war. Entsprechend altmodisch liest sich der Text. Ich brauche nach einer Leseunterbrechung immer ein paar Seiten, um "reinzukommen". Die Übersetzung von Andrea Ott empfand beim Lesen nicht so, das ist allerdings bereits ewig her, ich sollte die beiden wirklich mal vergleichen.


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  • Ich finde in der Schule mögen sie bis auf Brocklehurst eh alle, und der verschwindet dann auch von der Bildfläche.

    Kinder als Individuen differenzierter zu betrachten begann allmählich in der Zeit des Buches. Vorher wurden sie ja quasi in der "guten Gesellschaft" weggesperrt und nur zu Demonstrationszwecken hin und wieder aus dem Versteck geholt.


    Ich habe keine Übersetzung, die dritte von Currer Bell (aka C.B.) herausgegebene Version.

  • Von den Schülerinnen in Lowood wird außer Jane nur Helen Burns näher vorgestellt, deren Schicksal eher dazu dienen dürfte, die sozial- und schulkritische Komponente des Romans zu unterstreichen, als individuelle Figuren zu beleuchten.


    Ich lese die Übersetzung von Andrea Ott. Ich habe noch eine ältere Taschenbuchausgabe mit der Übersetzung von Bernhard Schindler, die ich aber deutlich umständlicher und altmodischer finde, die von Andrea Ott gefällt mir besser.


    Mittlerweile bin ich in Kapitel 20 angekommen und ich finde es immer wieder erstaunlich, wie die Autorin mit verschiedenen Genres jongliert, mal scheint es sich um einen Entwicklungsroman zu handeln, mal tauchen Anzeichen einer Gruselgeschichte auf, dann wieder mäandert die Handlung hin zum Gesellschafts- und schließlich auch zum Liebesroman. Diese kleinen Aspekte werden so gekonnt verknüpft, dass sich die LeserInnen nie sicher sein können, in welche Richtung sich das Ganze weiterentwickelt.


    Janes Ansichten sind für ihre Zeit sehr modern und sie hebt sich damit von anderen zeitgenössischen Romanfiguren ab:

    Zitat

    Es heißt, Frauen seien im Allgemeinen still und friedlich, aber Frauen empfinden genauso wie Männer, sie wollen genauso wie ihre Brüder ihre Talente anwenden und sich bewähren; sie leiden unter allzu strenger Einengung, unter völligem Stillstand genauso, wie die Männer leiden würden, und es ist engstirnig, wenn ihre bevorrechteten Mitmenschen fordern, sie sollten sich damit begnügen, Pudding zu kochen und Strümpfe zu stricken, Klavier zu spielen und Taschen zu besticken. Es ist gedankenlos, sie zu verurteilen oder auszulachen, wenn sie mehr tun oder lernen wollen, als Sitten und Gebräuche für ihr Geschlecht vorsehen. (S. 131 f.)

    Bei solchen Passagen wird auch klar, warum Charlotte Bronte ihren Roman nur unter einem Pseudonym veröffentlichen konnte, das nicht verriet, dass sie eine Frau war. Solche Äußerungen einer Frau hätte man damals nicht zugelassen.


    Spannend finde ich auch Janes Ansichten zur Ehe:

    Zitat

    Alles dreht sich um ein und dasselbe Thema, die Werbung, und verspricht in ein und derselben Katastrophe zu enden, der Ehe. (S. 240)

  • Ich bin schon fast durch, Jane hat Thornfield bei mir mittlerweile verlassen nach ihrer geplatzten Hochzeit. Die Geschichte der Bertha Mason/ Rochester wird ja nur einseitig dargestellt aus der Sicht von ihrem Ehemann. Lunatic ist ein relativer Begriff. Was genau dahintersteckt weiß man nicht, aber da sie ja nicht zu Wort kommt, aus ihrer Sicht wird nicht berichtet. Sie war anders, exotisch, was ihn zu Beginn wohl fasziniert hat. Ob ihre Gebräuche und Sitten, die ihm fremd waren wirklich verrückt waren, oder er sie weggesperrt hat, weil es in seinem Weltbild anders aussah als ihrem ist schwer zu sagen. Vielleicht ist ihre Aggressivität auch nur die Folgereaktion auf seine Zurückweisung, ihr einziges Mittel sich zu wehren? Bin schon gespannt wie Jean Rhys das interpretiert.


    Zu Jane - ich finde sie geht einen klaren Weg, schwarz oder weiß. Grautöne erkennt sie nur in ihrem Gewand an. Dieses übersittliche Quakertum ist mir schon manchmal suspekt.


    Adela hat im Buch nur die Funktion die Anwesenheit von Jane auf Thornfield zu erklären. Außer ein paar nichtigen Szenen mit ihr und die Geschichte wie Rochester sie quasi geerbt hat ist nichts spannendes an ihr. Er hat aber immerhin soviel Herz, dass er der Kleinen ein angenehmes Leben und etwas Bildung zugute kommen lässt.


    Edward Rochester ist bis jetzt oft herablassend, macht sich über Janes Korrektheit oft lustig. Er will sie und ist nicht bereit, seine Vergangenheit zu offenbaren. Er hätte sich genauso gut scheiden lassen können und dennoch für Bertha sorgen können. Das wäre allerdings rufschädigend gewesen. Thornfield ist ein wahres Dornenfeld, wie bei Dornröschen im 100 jährigen Schlaf.

  • Ich habe mir soeben die Wide Sargasso Sea in den SUB gelegt und würde dann gerne dabei mit einsteigen. Jane Eyre habe ich als Jugendliche mehrmals gelesen, da sollte noch Hintergrundwissen vorhanden sein und ansonsten lese ich hier schon fleißig mit, was ihr darüber schreibt.

  • Ich bin jetzt in Kapitel 28, direkt nach Janes Flucht aus Thornfield, angekommen. Auch wenn Janes strenge Moralvorstellungen manchmal etwas unpassend wirken, finde ich es gut, dass sie nicht auf Rochesters Pläne eingegangen ist, denn die Beziehung zwischen den beiden wirkt nicht "rund". Dass Jane mit ihren 18 Jahren, die vorher ja auch nur wenige Menschen getroffen hat, die es gut mir ihr meinten, sich in Rochester verliebt, der nicht nur gut zu ihr ist, sondern sie auch ernst nimmt (was für sie ja durchaus wichtig ist), finde ich verständlich. Trotzdem nimmt sie die Asymmetrie dieser Beziehung vorrangig in wirtschaftlicher Hinsicht wahr, obwohl er sich ja auch sonst bevormundet. Und da dauert es schon ziemlich lange, bis die sonst so reflektierte und altkluge Jane merkt, wie der Hase läuft. Zwischenzeitlich war mir das ein bißchen zu viel himmelblau und rosarot und manche Aspekte einfach zu doof, etwa Rochesters Versuch, Jane eifersüchtig zu machen.


    Auch die Instrumentalisierung der Natur zur Unterstützung der Handlung wurde mir in der letzten Passage, die ich gelesen habe, zwischen den Kapiteln 20 und 28, etwas zu aufdringlich. Zwar findet diese im gesamten Roman statt, scheint aber zunehmend mit der Holzhammermethode eingesetzt zu sein. Wo anfangs der Regen, der an die Scheiben klopft, oder das winterliche Schneetreiben noch die Atmosphäre der Geschichte unterstützen, waren mir der sommerliche, nächtliche Obstgarten zu idyllisch und der am Vortag der Hochzeit aufkommende ungewöhnliche Sturm zu platt.


    Insgesamt funktioniert die Genremischung weniger gut, je weiter der Roman voranschreitet, und da mit der Entdeckung Berthas und Janes Weggang aus Thornfield nun auch die beiden Themen "Liebe" und "Grusel/Unheimliches" erstmal wegfallen, stellt sich die Frage, welcher zentrale Handlungsstrang bleibt.

  • Grusel im 19. JH funktioniert glaub ich sehr selten heutzutage. Das haben wir schon beim "Fiend Frankenstein" gesehen. Uns erschrecken heute andere Dinge als damals.

    Ich bin nun fertig mit Jane Eyre.

    Sie wurde bei St. John Rivers und seinen Schwestern aufgenommen, wurde reich und kehrte zurück.


    Gestern habe ich mir noch die Verfilmung gegönnt mit Mia Wasikowska und Michael Fassbender - nun ja muss nicht sein. Außer Judy Dench als Mrs. Fairfax fand ich es so naja und sehr gekürzt. Da gibt es bessere Filme über Jane Eyre.


    Mein favorite ist die BBC Serie von 2006. Sehr buchgetreu was natürlich bei einem längeren Format leichter realisierbar ist.


    Ich habe diesmal wirklich schnell gelesen, in manchen Passagen das Gefühl - ja ich weiß ja eh schon- gehabt. Dennoch nach wie vor ein sehr gutes Buch für mich.


    Rochester der versucht seinem Schicksal zu entkommen und immer wieder davon eingeholt wird, findet mit Jane seine Retterin. Das Gute siegt über das Böse, das Materielle ist wertlos, sie können auch ohne Thornfield Hall leben und glücklich sein sehr viktorianisch gemäßigt.


    Ich freue mich schon auf die Zweitlektüre dazu.


    HoldenCaulfield könntest du bitte einen Unterthread aufmachen

    Jean Rhys- Wide Sargasso Sea


    Ich habs nicht hinbekommen, oder keine Rechte dazu :)

  • Die Parallelen zwischen "Jane Eyre" und Daphne DuMauriers "Rebecca" sind mir diesmal deutlich aufgefallen. Bei "Rebecca" funktioniert aber beispielsweise der Gruselaspekt deutlich besser, auch weil die Autorin nicht so viele Themen in ihren Roman gepackt hat und die LeserInnen länger im Ungewissen gelassen werden.


    Ich werde sicher noch zwei Tage für Jane Eyre brauchen, mir fehlen noch ca. 200 Seiten und ich kann diesen Roman nicht gut lange an einem Stück lesen, dann nervt mich Jane immer etwas mehr. ;)

  • Rebecca habe ich nicht gelesen. Und ich lobe mir die englische Sprache. meine Version hat nur 520 Seiten und ist schon großzügig gesetzt.

    Die alte Taschenbuchversion gar nur an die 400.


    Die starren religiösen Züge von Jane sind wirklich manchmal mühsam, aber immerhin steht sie für das was sie glaubt ein. Manchmal habe ich das Gefühl, sie glaubt das, weil sie sich nicht anders traut.


    Die kindliche Jane war, bevor sie nach Lowood kam weniger zimperlich. Die quäkerische Gehirnwäsche hat schon gefruchtet.

  • Ich kann euch wohl nicht mehr einholen :huh: , bei mir ist Jane gerade erst in Thornfield angekommen. Zum Glück kenne ich die Geschichte in- und auswendig und werde eure Beiträge ganz entspannt lesen, ohne Angst vor Spoilern zu haben.


    Zu den Verfilmungen: ich glaube nicht, dass ich die neuere mit Fassbender gesehen habe. Das muss sich ändern, denn ich mag Michael Fassbender sehr. Ich habe mir seinetwegen sogar "X-Men" angesehen!

    Ich bin mit der 1983er Verfilmung aufgewachsen, Jane wird von Zelah Clarke gespielt und Rochester von Timothy Dalton, der nach wie vor mein einzig wahrer Rocherster ist.


    Der Roman hat seine Gruselstellen (ungefähr alle mit Bertha), aber ich habe ihn nie als Gruselroman empfunden. Zum ersten Mal las ihn ihn wohl mit 12 oder 13, damals war es für mich die Geschichte der großen Liebe, und das hat sich bis heute nicht geändert. Obwohl ich inzwischen Rochesters Verhalten nicht akzeptabel finde.


    ***

    Aeria

  • Ich kann euch wohl nicht mehr einholen :huh: , bei mir ist Jane gerade erst in Thornfield angekommen. Zum Glück kenne ich die Geschichte in- und auswendig und werde eure Beiträge ganz entspannt lesen, ohne Angst vor Spoilern zu haben.

    Wir müssen doch auch nicht hetzen, dass es lesetechnisch mit "Jane Eyre" letzte Woche so gut lief hätte ich vorher auch nicht gedacht. ;) Und man könnte bestimmt noch auf einige Stellen näher eingehen...