Jean Rhys - Sargassosee/Wide Sargasso Sea

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  • Hier kommt unser Sargassosee-Leserunden-Thread, das Spin-off zum Spin-off quasi :)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Darf ich mich euch anschließen? Ich habe soeben meine alte Ausgabe von Wide Sargasso Sea aus dem Regal gezogen. Ich hatte es vor Jahrzehnten (in den 90ern oder Anfang der 2000er) schon mal gelesen. Erinnern kann ich mich kaum daran; übrig ist nur ein Gefühl von leichter Enttäuschung. Ich hatte sehr viel Lobendes über das Buch gehört, konnte das aber nicht so recht nachvollziehen. Ich vermute zumindest teilweise ein Sprachproblem. vor 25 Jahren hatte ich noch nicht sehr viel auf Englisch gelesen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich habe auch diese Ausgabe :)


    Ich lese noch mein aktuelles Buch fertig und dann bin ich bei Euch.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe jetzt das erste Drittel des Romans gelesen (bis zum Ende des ersten Teils) und bin bisher nicht wirklich begeistert, sondern eher ratlos. Die deprimierenden bis bedrohlichen Lebensumstände der Ich-Erzählerin werden anschaulich geschildert, trotzdem bleibt mir die Protagonistin bisher ziemlich fremd. Sie scheint ein deutlicher Gegenentwurf zu Jane Eyre zu sein: Diese setzt sich immerhin aktiv mit ihrem Schicksal auseinander, sei es durch Gegenwehr, sei es durch Akzeptanz, während hier der Eindruck entsteht, dass Antoinette alles über sich ergehen lässt. Und angesichts der dysfunktionalen Familie, in der Antoinette aufwächst, ist Jane als Waise vielleicht nicht unbedingt schlechter dran.


    Ich hoffe, dass die Geschichte interessanter wird, wenn Mr Rochester ins Spiel kommt. Gut gefallen haben mir die Natur- und Landschaftsbeschreibungen, die deutlich machen, dass die Karibik ein ganz anderer Lebensraum ist als Mitteleuropa.


  • So weit bin ich noch nicht, Antoinette bekommt gerade erst einen Stiefvater. Ich habe bislang zu ergründen versucht, weshalb ihre Mutter (und damit sie ebenfalls) zu Beginn nicht zu den "real white people" gehört. Ist es nur eine Frage der Armut oder spielt da auch mit rein, dass ihre Mutter von Martinique ist und nicht von Jamaika selbst bzw. aus Europa stammend? Und wieso heiratet sie dann jemand?

  • In der Karibik ist das Selbstverständnis hinsichtlich kreolischer Vorfahren wohl auch damals anders gewesen als in anderen Teilen des Britischen Empire, d.h. vor Ort war es sicher weniger problematisch, auch nicht-weiße Vorfahren zu haben, als es in Europa gewesen wäre. Die Beschreibung des Anwesens deutet ja schon auf ehemaligen Wohlstand hin, der dann vermutlich nach dem Tod des Vaters verloren ging. Die Mutter versucht ja auch, ihren Lebensstandard zu wahren.

    Ich könnte mir vorstellen, dass "exotische" Vorfahren Antoinettes auch in ihrer Beziehung zu Rochester eine Rolle spielen könnten. Sie wird ja auch in "Jane Eyre" als ungewöhnlich aussehend beschrieben.

  • Ich habe auch den ersten Teil beendet.


    Zu dem Ausdruck "creol" heißt es im Vorwort meines Buches, dass Jean Rhys' Mutter eine war, nämlich "a white West Indian". "Creol" bezeichnet also zumindest in der Karibik nicht unbedingt, wie ich immer angenommen hatte, einen "Mischling". Einheimische Weiße sind in der Hierarchie wohl weniger wert als "richtige" Europäer. Zudem war Antoinettes Mutter ja nicht mal eine Einheimische, sondern eine Ausländerin, keine Jamaikanerin, und wird als solche selbstverständlich skeptisch beäugt, etwas, das interessanter-, aber eigentlich nicht überraschenderweise auch für die schwarze Dienerin Christophine gilt. Auch eine "Fremde".


    Bei meiner Erstlektüre konnte mich das Buch ja nicht wirklich überzeugen, aber diesmal bin ich von Anfang an gefesselt. Es ist nicht eigentlich schwer zu lesen, aber durch die Art der Darstellung, in der Antoinette nur einzelne Vignetten aus ihrer Kindheit aber kein Überblicksbild zeigt, gilt es, aufmerksam zu lesen und sich die Zusammenhänge selbst zu erarbeiten. Etwas, das mir gut gefällt.

    Die Beschreibung des Anwesens deutet ja schon auf ehemaligen Wohlstand hin, der dann vermutlich nach dem Tod des Vaters verloren ging.

    Nicht erst nach seinem Tod vermutlich. Da kam verschiedenes zusammen, angefangen mit dem Ende der Sklaverei (mit Ausnahmen) im Gebiet des Britischen Empires (ziemlich am Anfang ist vom "Emancipation Act" die Rede - Slavery Abolition Act 1833), was natürlich eine gewisse Umstellung auf den Plantagen erfordert. Nicht dass ich davon ausgehe, dass die ehemaligen Sklaven wirklich "frei, gleichberechtigt mit den Weißen wurden, aber je nach Geschick des Plantagenbesitzers lief der Betrieb besser (weitgehend ungestört) ab oder eben, wie bei Antoinette schlechter, wobei da die Probleme wohl schon vorher begannen. Während der Hochzeit ihrer Mutter hört Antoinette ein Gespräch:

    "Emancipation problems killed old Cosway? Nonsense - the estate was going downhill for years before that. He drank himself to death." (S. 24 in meiner Ausgabe)


    Sie scheint ein deutlicher Gegenentwurf zu Jane Eyre zu sein: Diese setzt sich immerhin aktiv mit ihrem Schicksal auseinander, sei es durch Gegenwehr, sei es durch Akzeptanz, während hier der Eindruck entsteht, dass Antoinette alles über sich ergehen lässt.

    Interessant, dass du das sagst. Ich dachte die ganze Zeit, dass Antoinette ja keine andere Möglichkeit hat als alles über sich ergehen zu lassen, so schlecht, wie ihre Voraussetzungen isoliert ohne Freunde und im Prinzip elternlos (ihre Mutter kümmert sich ja nur um Pierre) sind. Aber Jane Eyre zeigt, dass es auch anders gehen kann. Diese ist das, was auf Schwedisch als "Löwenzahnkind" (maskrosbarn) bezeichnet wird, ein Kind, das trotz widrigster Voraussetzungen wie Unkraut gedeiht. Antoinette ist da eher eine zarte Gewächshauspflanze, die umhegt werden müsste, es aber nicht wird. Also kann sie sich nicht wie Jane Eyre zur Wehr setzen - ihr fehlen die inneren Voraussetzungen dafür.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich bin immer noch relativ am Anfang, hoffe am Wochenende mehr Zeit zum Lesen zu haben.


    Beim Brand von Coulibri musste ich an Berthas Verhalten denken. Sie versuchte ja auch alles was ihr etwas bedeutete (im Guten wie Schlechten) mit Feuer zu vernichten und endete wie der Papagei mit den gestutzten Flügeln. Heute würde man wohl PTSD dazu sagen.

  • Zu dem Ausdruck "creol" heißt es im Vorwort meines Buches, dass Jean Rhys' Mutter eine war, nämlich "a white West Indian". "Creol" bezeichnet also zumindest in der Karibik nicht unbedingt, wie ich immer angenommen hatte, einen "Mischling". Einheimische Weiße sind in der Hierarchie wohl weniger wert als "richtige" Europäer.

    "Kreolisch" kann im karibischen Zusammenhang auch bedeuten, beispielsweise spanische Vorfahren zu haben, die schon sehr früh nach der Eroberung Westindiens dorthin eingewandert sind, ebenso können aber auch aus Westafrika importierte Sklaven in einer Ahnenreihe mit diesem Begriff bezeichnet werden. Das ist eine eher bunte Gemengelage. Angesichts der äußeren Beschreibung Berthas in "Jane Eyre" kam mir jedenfalls diese spanische Möglichkeit durchaus plausibel vor.

    Antoinette ist da eher eine zarte Gewächshauspflanze, die umhegt werden müsste, es aber nicht wird. Also kann sie sich nicht wie Jane Eyre zur Wehr setzen - ihr fehlen die inneren Voraussetzungen dafür.

    Da stimme ich Dir durchaus zu, ich bin davon ausgegangen, dass Jean Rhys, die sich ja bewusst auf "Jane Eyre" bezieht, diesen Kontrast bestimmt nicht zufällig eingebaut hat, sondern dass der vielleicht ja auch in der Beziehung zu Rochester eine Rolle spielen könnte. Denn obwohl er ja durchaus ein eher dominanter Typ ist, lässt er Jane ihre hartnäckig erkämpfte Unabhängigkeit - ich bin gespannt, wie er mit Antoinette verfährt.

  • Ich bin mit "Die weite Sargassosee" jetzt durch und finde, dass der Roman zum Ende hin immer trauriger wird. Die Figuren haben weitaus mehr Facetten zu bieten, als dies in "Jane Eyre" der Fall ist. Beispielsweise wird für mich die Frage, inwiefern Antoinette tatsächlich eine Veranlagung zum Wahnsinn hat, oder sie einfach durch die äußeren Umstände zur absoluten Verzweiflung getrieben wird, nie vollständig geklärt.

    Rochester erscheint mir härter und weniger einfühlsam als in "Jane Eyre", was aber sehr passend ist, da er zum einen noch wesentlich jünger ist, selbst unter den Umständen seiner Eheschließung leidet, und er sich wahrscheinlich (auch) aufgrund dieser Erfahrungen später weiter entwickelt hat. Letzten Endes sind beide, seine Frau Antoinette (die er Bertha nennt) und er selbst Verlierer in ihrer Ehe.


    Interessant finde ich, dass der von Saltanah oben genannte Vergleich Antoinettes mit einer zarten Pflanze sich genauso im Roman findet, und dazu noch einen wichtigen Umschlagpunkt in der Beziehung zwischen Antoinette und Rochester bezeichnet, so führt Rochester aus:

    Zitat

    Ich kam an einer Orchidee mit langen Ranken goldfarbener Blüten vorbei. Eine davon berührte meine Wange, und ich erinnerte mich, dass ich eines Tages welche für sie gepflückt hatte. "Sie sind wie du", hatte ich gesagt. Jetzt blieb ich stehen, brach einen Zweig ab und trampelte ihn in den Matsch. (S. 112)

    Die Naturbeschreibungen sind durch den gesamten Roman hindurch sehr intensiv und eindrucksvoll, insgesamt wird die Andersartigkeit des karibischen Lebens im Vergleich zu europäischen Lebensumständen sehr deutlich gemacht.


    Der Übersetzerin scheint es ansatzweise gelungen zu sein, etwas von der für die Karibik typischen Sprache anzudeuten, an vielen Stellen erinnerte mich die Sprache der Einheimischen an den Roman "Die Meerjungfrau von Black Conch", in dem die Autorin Monique Roffey besonderen Wert darauf gelegt hat, ihr heimatliches Idiom zur Sprache ihres Romans zu machen, und die Übersetzerin versucht hat, dieses herauszuarbeiten. Diesbezüglich wüsste ich gerne, ob in der englischen Originalausgabe diese sprachlichen Besonderheiten auch nur so zart angedeutet werden wie in der deutschen Übersetzung.

  • Ich habe nur die ersten 15 Seiten des zweiten Teils gelesen.

    Leider erinnere ich mich nicht mehr in Einzelheiten an Jane Eyre. Was wurde in dem Buch über Rochesters Aufenthalt in der Karibik gesagt? Fuhr er dorthin mit dem Ziel zu heiraten? Es klingt hier ja so, als wäre die Hochzeit von Mr Mason und Rochesters Vater arrangiert worden, für den stolzen Preis von 30.000 Pfund als Mitgift.

    "I have not bought her, she has bought me, or so she thinks" heißt es auf S. 59 meiner Ausgabe (während des Rittes nach Granbois). In dem Satz steckt so viel an Konfliktpotential! Rochester fühlt sich verschachert, oder glaubt, dass sie es so auffasst, fühlt sich also in der Unterlage und was er tun wird, um das Machtverhältnis zu ändern mag ich mir nicht vorstellen (werde es aber wohl bald lesen).

    Dass es ihm gerade nicht so gut geht, nicht nur wegen seiner gerade überstandenen Krankheit, ist gut verständlich. Alleine (und, so scheint mir, unfreiwillig) nicht nur in der Fremde, sondern in der gefährlichen Wildnis, weit, weit weg von allem was er als kennt... Ich kann mir schon vorstellen, wie er sich fühlt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Saltanah ja es war eine arrangierte Ehe. Rochester war ja eigt. der zweite Sohn, also nicht der Erbe, daher musste er gewinnbringend heiraten.


    Ironischerweise sind sein Bruder und sein Vater aber relativ rasch gestorben, er hat sowieso geerbt und auch eine ungewollte Ehefrau, der gegenüber er sich genauso schäbig verhalten hat wie Mason und sein Vater.

  • Ich habe den ersten Teil jetzt beendet, es wirkt ein bisschen, als hätte Mr. Mason seine Stieftochter vergessen und ihm ist eingefallen, dass sie ja nun im heiratsfähigen Alter ist und unter die Haube gebracht werden muss. Bisher wirkt Antoinette sehr passiv und beobachtend, sie versucht sich im Hintergrund zu halten um nicht aufzufallen, denn wer auffällt ist in Gefahr.

  • Huhu Ihr Lieben,


    mich gibt's auch noch - leider ging sich meine Leseplanung nicht so aus wie gedacht, so dass ich nun doch in meiner chaotischen Messewoche gelandet bin und nicht mitschreiben konnte.


    Gelesen habe ich aber bis Seite 96 der englischen Ausgabe und muss leider sagen, dass ich einigermaßen verwirrt bin und nicht so richtig in das Buch hineingefunden habe. Ich hatte mir etwas mehr stilistische Nähe zu Jane Eyre vorgestellt, das bekomme ich aber gar nicht, und ich tue mir einigermaßen schwer mit dem Pidgin-Englisch der Einheimischen und dem teilweise etwas elliptischen Stil, bei dem man sich viele Infos zusammenreimen muss. Auch den Perspektivwechsel zwischen Antoinette und dem nicht namentlich genannten Rochester finde ich nur semi-gelungen. Hätte ich nicht meine Penguin-Ausgabe mit Anmerkungen, hätte ich mich wohl erst mal gefragt, wer hier eigentlich spricht.


    Ich habe auch etwas Schwierigkeiten, die Motivationen der Figuren nachzuvollziehen ...


    Antoinette kann einem wirklich leid tun. Die Mutter scheint schon immer etwas speziell gewesen zu sein und driftet nach dem Tod von Pierre und dem Verlust von Coulibri völlig in ihre eigene Welt ab, und dieser Stiefvater ist auch irgendwie ein komischer Mensch :gruebel: Und die Ehe mit Rochester soll ja wohl auch eher dessen finanzielle Situation retten als sonst irgendwas und die anfänglich schon irgendwie vorhandene Zuneigung schlägt dann schnell in Ablehnung um. Die Feinheiten habe ich diesbezüglich aber nicht immer kapiert, glaube ich - lag das nur daran, dass er vom Geisteszustand von Antoinettes Mutter erfahren hat oder auch, weil sie gemischter Abstammung ist? Und warum nennt Rochester sie dauernd Bertha? Irgendwo hatte ich etwas gelesen mit dem Namen der Mutter, aber ich finde die Stelle nicht mehr - war da seine oder ihre Mutter gemeint? (Aber Antoinettes Mutter heißt ja Annette ...)


    Die Rolle von Christophine gibt mir auch Rätsel auf. Ich habe sie immer für eine Vertraute von Antoinette gehalten, aber jetzt liest es sich so, als führe sie Böses im Schilde. Oder ist das nur Rochesters Vorurteil gegen die "obeah"-Frau?


    Ich muss ehrlich zugeben, wäre das Buch nicht so kurz, hätte ich vermutlich schon das Handtuch geworfen :redface:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Diese ist das, was auf Schwedisch als "Löwenzahnkind" (maskrosbarn) bezeichnet wird, ein Kind, das trotz widrigster Voraussetzungen wie Unkraut gedeiht. Antoinette ist da eher eine zarte Gewächshauspflanze, die umhegt werden müsste, es aber nicht wird. Also kann sie sich nicht wie Jane Eyre zur Wehr setzen - ihr fehlen die inneren Voraussetzungen dafür.

    "Löwenzahnkind" ist ja eine schöne Bezeichnung :)


    Überhaupt gefällt mir Dein Vergleich mit den Pflänzchen sehr. Jane ist in der Tat zäh wie Löwenzahn, während sich Antoinette nicht zu helfen weiß. Vielleicht ist das auch ein stückweit wirklich das Erbe ihrer Mutter. Einerseits im Sinne einer tatsächlich vererbten Neigung zu psychischer Instabilität, andererseits scheint Annette auch eine eher desinteressierte Mutter gewesen zu sein, die sich lieber ihren Ausritten gewidmet hat als ihrer Tochter das Handwerkszeug für ein selbstbestimmtes Leben zu vermitteln. Wobei das sicherlich auch im zeitlichen Kontext zu sehen ist, Selbstbestimmung der Frau war damals ja noch ein sehr exotisches Thema in vielen Köpfen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe mittlerweile den zweiten Teil beendet.

    Ich habe auch etwas Schwierigkeiten, die Motivationen der Figuren nachzuvollziehen ...

    Aber so etwas von... Ich verstehe auch überhaupt nicht, wie diese Ehe zustande gekommen ist. das Rochesters Familie ihm eine reiche Erbin besorgen wollte, nun gut, verständlich, aber wo kommt die Mitgift her. Antoinette selber dürfte kaum Besitz haben, angesichts der Armut, in der sie ihre Kindheit verbrachte. Warum zahlt Mr. Mason soviel von seinem eigenen Geld? Zuneigung? - wohl kaum, jedenfalls wenn wir Antoinettes Berichte aus ihrer Jugend zum Maßstab nehmen. Schlechtes Gewissen, weil er ihre Mutter oder ihren Bruder nicht vor Unglück und Co bewahren konnte? Ich hätte vermutet, dass er Antoinette auch günstiger unter die Haube bekommt, wenn er sie loswerden (ab nach Europa) wollte.

  • Die Feinheiten habe ich diesbezüglich aber nicht immer kapiert, glaube ich - lag das nur daran, dass er vom Geisteszustand von Antoinettes Mutter erfahren hat oder auch, weil sie gemischter Abstammung ist? Und warum nennt Rochester sie dauernd Bertha? Irgendwo hatte ich etwas gelesen mit dem Namen der Mutter, aber ich finde die Stelle nicht mehr - war da seine oder ihre Mutter gemeint? (Aber Antoinettes Mutter heißt ja Annette ...)

    Die Rolle von Christophine gibt mir auch Rätsel auf. Ich habe sie immer für eine Vertraute von Antoinette gehalten, aber jetzt liest es sich so, als führe sie Böses im Schilde. Oder ist das nur Rochesters Vorurteil gegen die "obeah"-Frau?

    Rochester erhält von einem (angeblichen) Halbbruder Antoinettes einen Brief, in dem er darüber aufgeklärt wird, dass es in der Familie Fälle von Wahnsinn gab, die man ihm vorenthalten hat, daraufhin fühlt er sich getäuscht und verunsichert, und die Beziehung zu Antoinette verändert sich.


    Rochester nennt sie dann auch nicht mehr Antoinette, weil eben auch ihre Mutter so (ähnlich) hieß und er Probleme mit dieser Verbindung hat. Deshalb führt er für sie den Namen Bertha ein.


    Bezogen auf Christophine hatte ich den Eindruck, dass das Verhältnis zwischen ihr und Antoinette die ganze Ambivalenz von Antoinettes Dasein darstellen soll: Einerseits liebt sie die Inseln und betrachtet sie als Heimat, und dazu gehören die weißen ebenso wie die farbigen Verwandten (Sandi Cosway wird ja beispielsweise mehrfach erwähnt), trotzdem gehört sie als "weiße Kakerlake" nie so richtig dazu. Und das kann man ganz gut auf die Beziehung zu Christophine übertragen, die für Antoinette die wichtigste Bezugsperson ist, dabei aber auch eigene Interessen verfolgt und dadurch nie so ganz durchschaubar ist - das steigert sicherlich Antoinettes Unsicherheit, da sie sich auf nichts und niemanden wirklich ganz verlassen kann.