Dracula. Abschnitt 1: Kapitel 1-5

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  • Also so richtig klar ist mir nicht, warum Dracula Jonathan so lange bei sich behält und warum er da so einen Aufwand betreibt, auch mit diesem Fake-Briefen. Futter für seine drei Damen lässt sich ja offensichtlich auch anders auftreiben

    Die Briefe, die Dracula am 12. Mai schreibt, können hier ein wichtiger Hinweis sein, denn hier wird klar, wie Dracula seine Reise nach London organisiert bzw. finanziert.

    Dafür braucht er natürlich einen gewissen zeitlichen Vorlauf, darauf weist ja auch die Tatsache hin, dass bis zum Füllen der Kisten nochmal mehr als zwei Wochen vergehen.

  • Ich bin mit dem ersten Abschnitt durch und es macht mir wieder Spaß, diesen Roman zu lesen. Das Wiederlesen hat natürlich den Vorteil, dass sich viele Details bereits erklären, weil ich ja weiß, wie es weitergeht.


    Bei Jonathans Beschreibungen seiner Erlebnisse in Transsilvanien musste ich immer wieder an das Phänomen des "Gaslighting" denken:

    Zitat

    Als Gaslighting (Gerundium von englisch gaslight, ‚Gasbeleuchtung‘) wird in der Psychologie eine Form von psychischer Manipulation bezeichnet, mit der Opfer gezielt desorientiert, verunsichert und in ihrem Realitäts- und Selbstbewusstsein allmählich beeinträchtigt werden.

    (https://de.wikipedia.org/wiki/Gaslighting, Zugriff 07.07.2024)

    Sein starkes Bedürfnis, sich selbst immer wieder zu vergewissern, dass er nicht das Opfer von Wahnvorstellungen geworden ist, fällt schon auf. Und da er durchaus empfindlich etwa auf das Verhalten seiner Reisegefährten reagiert scheint er ja auch früh zu ahnen, dass mit dem Grafen und seinem Schloss etwas nicht stimmt.


    Insgesamt ist er offenbar recht ängstlich und unsicher, ihm scheint ein Gegenüber zu fehlen, mit dem er sich austauschen und das ihm Impulse geben könnte. Vielleicht braucht er auch deshalb so lange, sich wirklich zur Flucht zu entschließen - er wirkt von der Macht des Grafen regelrecht eingeschüchtert und letztendlich treibt ihn dann nur die Aussicht, das Opfer der drei Vampirinnen zu werden, dazu, die Flucht zu wagen.

  • Nun, ich finde es erstaunlich, dass er sein Kreuz über dem Bett hängen hat statt a Hals, und dass er in einem anderen Raum schläft, obwohl Dracula ihm ausdrücklich gesagt hat, das solle er auf keinen Fall tun. Irgendwie kommt ja eine gute Portion Doofheit zu allem dazu.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Vorleser Verbote sind wahrscheinlich umso interessanter, je ausdrücklicher man sie ausspricht, oder so. ^^ Aber das mit dem Kreuz hatte mich doch schon sehr gewundert, welche Wirkung soll es dann noch haben, wenn er es nicht trägt?


    Definitiv. Und dazu kommt noch die britische Höflichkeit ^^

    Ja, das könnte durchaus sein. Vielleicht fehlt ihm auch noch die Erfahrung und das selbstsichere Auftreten eines Anwalts. Andererseits hat man es sicher nicht oft mit Personen (oder Wesen?) wie Dracula zu tun.

  • Das Buch habe ich bisher noch nicht gelesen, kenne jedoch einige Adaptionen, vor allem aus Filmen. Da die Geschichte popkulturell so gut verbreitet ist, bin ich gespannt, was wirklich im Original vorkommt.


    Das erste Kapitel startet eher gemächlich, mir gefallen die sehr atmosphärischen Beschreibungen der Landschaft und der Kutschfahrt. Die Betonung der ethnischen Vielfalt der ländlichen Bevölkerung war etwas unerwartet. Das ständige Bekreuzigen wirkt zuerst etwas übertrieben, aber da man ja weiß, was folgen wird…


    Draculas Willkommensgruss mag ich übrigens ausgesprochen gern: “Willkommen in meinem Hause. Kommen Sie frei herein. Gehen Sie gesund wieder und lassen Sie etwas von der Freude zurück, die Sie mit hereingebracht haben!”

    Obwohl man weiß, dass die Sache mit dem “gesund wieder gehen” eventuell problematisch werden könnte …


    Dass wir erst im zweiten Kapitel erfahren, was Harker überhaupt in die Karpaten führt, ist geschickt gemacht. Was ich allerdings nicht ganz nachvollziehen kann, ist die Panik, die ihn im dritten Kapitel befällt. Hat er überhaupt versucht, das Gebäude zu verlassen? Er hat zwar an verschlossenen Türen gerüttelt, aber die Eingangstür war in meiner Wahrnehmung nicht dabei. Oder habe ich das (mehrfach) überlesen? Die Ausführungen zur Familiengeschichte haben mich etwas gelangweilt, aber die nächtliche Begegnung war dafür mit einem schönen, kleinen Schauer erzählt.


    Sowieso geht es jetzt mit leichtem Grusel weiter, gefällt mir. Und einiges kommt mir bekannt vor. Ich weiß nur nicht, ob aus einem bestimmten Film oder aus mehreren. Was neu für mich ist, sind die Briefe, die der Graf Harker schreiben lässt. Den Sinn habe ich noch nicht verstanden.


    Das fünfte Kapitel gefiel mir gar nicht, wo ist der Bezug zur eigentlichen Geschichte? Die Sorgen von Lucy sind mir reichlich egal und ihre Verehrer erst recht..

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Ihr habt ja schon ordentlich spekuliert. Ich sollte zukünftig auch schon vorher mitmachen, statt erst alle Kapitel eine Abschnittes zu lesen.

    Also so richtig klar ist mir nicht, warum Dracula Jonathan so lange bei sich behält und warum er da so einen Aufwand betreibt, auch mit diesem Fake-Briefen.

    Gut, dass ich mit dieser Irritation nicht alleine bin.

    Ich habe auch nicht aufgepasst, aber neben dem Anwesen war doch ein Irrenhaus, nicht? Ob das dasselbe ist, wo John Seward Arzt ist?

    Oh, bestimmt. Und es ist auch schon ein anderer Name gefallen, den ich kenne und der noch wichtig werden dürfte.

    Schmecken britische Anwälte evtl. besonders gut?

    :D

    Die Briefe, die Dracula am 12. Mai schreibt, können hier ein wichtiger Hinweis sein, denn hier wird klar, wie Dracula seine Reise nach London organisiert bzw. finanziert.

    Danke für deine Ausführungen! Aber was hat es mit den Briefen auf sich, die Harker auf Anweisung Draculas schreiben muss?

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  • Aber was hat es mit den Briefen auf sich, die Harker auf Anweisung Draculas schreiben muss?

    Bislang wurde das nicht erklärt. Harkers Überlegung, dass Dracula sein Unwesen treibt und dann alle denken John sei es gewesen scheint mir plausibel. Andererseits will Dracula das Land ja verlassen, also scheint das viel Aufwand für wenig Nutzen.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Harkers Überlegung, dass Dracula sein Unwesen treibt und dann alle denken John sei es gewesen scheint mir plausibel.

    Klingt tatsächlich plausibel, allerdings haben sich die vier doch vorher auch nicht von Schafen ernährt. Hat sich Dracula bisher in andere Verkleidungen geschmissen?

    Das glaube ich nicht. Die Anwohner haben eindeutig Angst vor Dracula und bezeichnen ihn bereits im ersten Kapitel als "vrolok/ vlkoslak", was in Harkers Polyglott als Werwolf oder Vampir* übersetzt wird.


    *Die Doppeldeutigkeit hat mich übrigens irritiert und ich hoffe, wir erfahren noch etwas zu Draculas oft thematisierter, besonderen Beziehung zu den Wölfen.

    Ich habe ein wenig im Internet gestöbert, um etwas zur Etymologie zu erfahren. Die erste Silbe der Worte bedeutet jeweils "Wolf" und ähnliche Begriffe scheint es in zahlreichen slawischen Sprachen zu geben. Tatsächlich weicht die Bedeutung - Werwolf oder Vampir - regional ab und es kam irgendwann zu einer Vermischung.

    Um es noch schräger zu machen: Es gibt Ghoul-ähnliche Wesen, die sich von Menschenfleisch ernähren, im Griechischen heißen sie z.B. Vrykolakas oder Vorkolakas.

    Spannende Folklore.

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  • Klingt tatsächlich plausibel, allerdings haben sich die vier doch vorher auch nicht von Schafen ernährt. Hat sich Dracula bisher in andere Verkleidungen geschmissen?

    Ja, es bleibt mysteriös. Vielleicht sollten die Leute denken, dass Harker völlig abgedreht sei, falls jemand nachforscht wenn er nicht mehr wiederkommt? Schließlich will Dracula es sich mit den Engländern ja nicht verderben, da er noch auf deren Dienste angewiesen ist.

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  • @brena Danke für die etymologischen Einblicke. Sehr interessant! Ich denke, solche Geschichten über Untote/Übernatürliches sind sich ja auch alle im Kern sehr ähnlich, egal ob nun Zombie, Vampir, Werwolf, Ghoul... Da geht es um diese Urängste der Menschen, um den Tod, etc. Also irgendwie logisch, dass sich die Begrifflichkeiten ähneln und vermischen.

  • Aber was hat es mit den Briefen auf sich, die Harker auf Anweisung Draculas schreiben muss?

    Bislang wurde das nicht erklärt. Harkers Überlegung, dass Dracula sein Unwesen treibt und dann alle denken John sei es gewesen scheint mir plausibel. Andererseits will Dracula das Land ja verlassen, also scheint das viel Aufwand für wenig Nutzen.

    Offenbar lässt sich das auch nicht wirklich klären, in der entsprechenden Bemerkung der kommentierten Ausgabe steht folgendes:

    Zitat

    Es ist unklar, warum Dracula diese Briefe benötigt. Wolf (The Essential Dracula) betont, dass niemand in England (dabei lässt Wolf Peter Hawkins außer Betracht) Harkers Aufenthaltsort kennt und Dracula ihn jederzeit hätte töten können. Wolf meint, der Zweck dieser Briefe bestehe darin, Harker auf hinterhältige und sadistische Weise zu quälen. (S. 128)

    Das erscheint mir durchaus plausibel, zumal wenn man Harkers Bemerkung "Jetzt weiß ich, wie lange ich noch zu leben habe. Gott steh mir bei!" mit einbezieht.

  • Zank : Gerade das spricht aber vielleicht doch dafür, dass es Dracula darum geht, Harker möglichst lange zu quälen. Wahrscheinlich hat er erkannt, dass Jonathan Schwierigkeiten hat, sich zu Taten aufzuraffen, sodass er ihm nicht direkt die Stirn bietet. Auf seine kleinen Versuche, versteckt Widerstand zu leisten (den Versuch, geheime Briefe abzuschicken oder gegen den Willen des Grafen in einem anderen Teil des Schlosses zu schlafen), reagiert Dracula ja auch durchaus erbost, aber nicht mit einer direkten Bestrafung. Psychische Folter scheint da mehr seine Sache zu sein, ich finde die Reaktion bezeichnend, die er zeigt, nachdem Jonathans Abreise missglückt ist:

    Zitat

    Das Letzte, was ich von Graf Dracula sah, war eine Kusshand, die er mir nachsandte, mit einem roten Licht des Triumphs in den Augen und einem Lächeln, das Judas in der Hölle gut angestanden hätte.

    Und auch vorher hat er mit einer bedeutungsvollen Geste bei Jonathan eine deutliche Verunsicherung hervorgerufen:

    Zitat

    Er schloss seine Rede auf abstoßende Weise, indem er seine Hände hob und aneinanderrieb, als würde er sie waschen. Ich hatte es genau verstanden. Nur zweifelte ich, ob je ein Traum grausamer sein konnte als das unnatürliche, abscheuliche Netz aus Düsternis und Drohung, das sich, wie es schien, um mich zusammenzog.

    Dracula scheint es also durchaus zu genießen, Jonathan zu quälen, und will sich diesen "Spaß" vielleicht noch länger erhalten. Und Jonathan scheint auch so etwas zu ahnen, sonst würde er sich doch nicht ständig Gedanken darüber machen, wie es um seine geistige Gesundheit steht.