Roald Dahl: Küsschen, Küsschen

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 6.413 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Breña.

  • Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich mal nen Thread in diesem Subforum (nein, nicht SUB-Forum :D ) aufmache ;)


    Eigentlich bin ich kein Fan von Grusel, Horror und Splatter, deshalb war dieser Band für die Halloween-Lesenacht auch schon das Höchste der Gefühle - mehr halten meine Nerven nicht aus. Dennoch war ich ein bisschen enttäuscht, als sich bei der Lektüre dieser elf Stories nicht mal die klitzekleinste Gänsehaut einstellen wollte


    Zwar bietet Roald Dahl hier makabren Humor vom Feinsten, gewürzt mit einer guten Prise Hinterlist, Heimtücke und Skurrilität; aber ein richtiges Grusel-Feeling (wie es der Klappentext verspricht) wollte sich einfach nicht einstellen. Dennoch sind diese Geschichten ein Genuss; Dahl schafft es, auf wenigen Seiten und in unprätentiösem, knappem Stil immer wieder überraschende Wendungen einzubauen, die den Leser perplex und manchmal sogar sprachlos zurücklassen.


    Alle Geschichten haben einen eindeutig morbiden Touch, allerdings ist in ihnen nichts Übernatürliches wie Geister oder Monster zu finden. Der Horror steckt im Detail und in der Psyche der Figuren und offenbart sich oft erst im allerletzten Moment; so lange fiebert der Leser mit seinen meist ahnungslosen Protagonisten mit und weiß doch, dass das böse Ende unausweichlich ist. Und dennoch reizen viele Stories immer wieder zum schmunzeln, so skurril sind die Figuren und ihre makabren Missgeschicke - auch wenn einem manches Mal das Lachen im Halse stecken bleibt.


    Besonders perfide wird es dann, wenn die wahren Schauerlichkeiten gar nicht explizit ausgeführt werden, sondern man am Ende nur mit der Aussicht auf etwas Schreckliches stehen gelassen wird; trotz oder vielleicht auch gerade wegen des reduzierten, knappen Stils bleibt viel Raum für die eigene Phantasie. Mehr- und Vieldeutigkeiten tragen selbst in der deutschen Übersetzung ihr Teil dazu bei, dass die Pointen wie eine Nase voll Pfeffer in der Erinnerung bleiben.


    Alle diese positiven Punkte gelten zumindest für den Großteil der Erzählungen. Leider ist auch hier neben viel Licht auch ein wenig Schatten zu finden; einige der Geschichten wirken, gerade im Vergleich mit den Perlen dieser Sammlung, wie “mal eben schnell heruntergeschrieben”, flach und unspektakulär. Schade, dass diese ansonsten wirklich sehr lesenswerte Anthologie durchsolches Füllmaterial an Gesamtqualität verliert.


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  • Sehr schöne Rezi :breitgrins:


    Wundert mich kein bißchen, daß Du Dich nicht gegruselt hast, umso mehr aber daß das im Klappentext steht. Sehr merkwürdig.


    Zitat

    Alle Geschichten haben einen eindeutig morbiden Touch, allerdings ist in ihnen nichts Übernatürliches wie Geister oder Monster zu finden.


    Ähem....Gelee Royal finde ich jetzt aber nicht so natürlich "g" :zwinker:


    Ansonsten bin ich ganz Deiner Meinung und ich lese immer wieder gern mal eine Geschichte zwischendurch. :smile:

    LG Gytha

    “Dieses Haus sei gesegniget”

  • Ich habe das Buch auch gerade erst gelesen. Dank des Klappentextes hatte ich auch etwas mehr Grusel erwartet, aber der war nicht vorhanden. Es war trotzdem sehr nette Unterhaltung, das Ende der Geschichten war doch meist sehr schön. Gerade wenn es nicht explizit aufgelöst wurde sondern nur angedeutet.


    Am unheimlichsten fand ich wirklich noch Gelee Royal. Wenn ich mir überlege, was daraus wohl wird? :entsetzt:



    Mehr- und Vieldeutigkeiten tragen selbst in der deutschen Übersetzung ihr Teil dazu bei, dass die Pointen wie eine Nase voll Pfeffer in der Erinnerung bleiben.


    Eine sehr schöne und treffende Beschreibung.

  • Ihr habt recht, "Gelee Royal" hat schon etwas sehr Unnatürliches/Übernatürliches. Aber auch da bleibt ja viel offen... :smile:

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  • Wir hatten in der Schule einen Lehrer, der uns in Vertretungsstunden aus diesem Buch vorgelesen hat. Es ist mir immernoch in positiver Erinnerung, da ich auch schon immer einen Hang zum morbiden und aussergewöhnlichen hatte. Jedoch mit der "Gelee Royal" Geschichte konnte ich nie etwas anfangen. Zu abgedreht und übertrieben für diese Geschichten.

  • Roald Dahl - Küsschen, Küsschen

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    In diesem Buch erzählt Roald Dahl 11 makabere Geschichten. Im Klappentext steht zwar, dass sie auch zum Gruseln sind, aber gruselig fand ich sie nicht. Vielleicht bin ich auch einfach schon zu abgehärtet.


    Mir hat eigentlich jede Geschichte gut gefallen, vorallem William und Mary, Des Pfarrers Freude, Mrs. Bixby und der Mantel des Obersten und Gelée Royale. Diese vier Kurzgeschichten sind eindeutig meine Lieblinge.


    In William und Mary entscheidet sich William bei einem ungewöhnlichen Experiment mitzumachen. Seine Frau Mary ist davon erst gar nicht begeistert, freundet sich aber sehr schnell mit der neuen Situation an.
    In Des Pfarrers Freude verkleidet sich ein Antiquitätenhändler als Pfarrer um billig an wertvolle Möbelstücke zu kommen und in Mrs. Bixby und der Mantel des Obersten versucht eine Frau einen wertvollen Nerzmantel, das Abschiedsgeschenk von ihrem Geliebten, an ihren Ehemann zu schmuggeln. Gelée Royal fand ich besonders makaber. In dieser Geschichte versucht die Mutter mit allen Mitteln ihrem kleinen Baby das Fläschchen, welches das Baby nicht trinken möchte, einzuflösen, bis der Vater eine seltsame Idee bekommt...


    Die restlichen sieben Geschichten sind natürlich nicht zu verachten, denn auch da habe ich entweder eine Gänsehaut bekommen oder mich gekringelt vor Lachen.
    Die Geschichten birgen für mich eine Suchtgefahr, einmal angefangen zu lesen, konnte ich kaum noch aufhören. Auch wenn ich gestehen musste, dass ich eine Zeit lang, keine Lust darauf hatte.


    Jedenfalls hatte ich eine schöne Zeit mit den Geschichten und vergebe 4ratten

    Books are the ultimate Dumpees: put them down and they’ll wait for you forever; pay attention to them and they always love you back.<br />John Green - An Abundance of Katherines<br /><br />:lesewetter: Caprice

  • Gelesen hatte ich bisher nichts von Dahl, daher habe ich im Bücherschrank schnell zugegriffen und mich dank der positiven Reaktionen hier im Forum schon sehr aufs Buch gefreut. Vielleicht zu sehr, denn absolute Begeisterung hat sich nicht eingestellt.


    Natürlich kenne ich zahlreiche Verfilmungen seiner Werke, in denen vor allem seine Kinderbücher aufgegriffen wurden. Doch spätestens durch die Kurzfilme von Wes Anderson wusste ich, dass Dahl auch weniger zahm und sehr skurril schreiben konnte (Ich meine nicht den wunderbaren Stop Motion Film “Der fantastische Mr. Fox”, sondern die vier Netflix Filme.)


    “Küsschen Küsschen” enthält elf Erzählungen oder “ungewöhnliche Geschichten”, wie es im Untertitel heißt. Ungewöhnlich sind sie tatsächlich, einige Situationen sind aus dem Alltag gegriffen, einige erscheinen etwas übernatürlich und alle sind mehr oder weniger skurril.


    • Die Wirtin - Die freundliche Gastwirtin vertreibt ihre Einsamkeit durch ein ungewöhnliches Talent.
    • William und Mary - Der Fortschritt der Wissenschaft eröffnet einer Witwe ungeahnte Möglichkeiten, die ihr Gatte nicht vorhersehen konnte.
    • Der Weg zum Himmel - Eine treusorgende Gattin gönnt sich etwas Abstand von den Gängeleien ihres Mannes.
    • Des Pfarrers Freude - Ein Antiquitätenhändler treibt sein Spiel etwas zu weit.
    • Mrs. Bixby und der Mantel des Obersts - Mrs. Bixby setzt ihrem Gatten Hörner auf und ist vermeintlich klüger als er - vermeintlich.
    • Gelée Royal - Ein Mann findet neue Möglichkeiten, seine Bienenstöcke im Sinne seiner Familie zu nutzen.
    • Georgy Porgy - George hatte ein besonderes Verhältnis zu seiner Mutter, das auch sein weiteres Leben (und sein Verhältnis zu Frauen) auf einzigartige Weise beeinflusst.
    • Genesis und Katastrophe - Eine prophetische, albtraumhafte Momentaufnahme, die etwas aus dem Rahmen der anderen Erzählungen fällt.
    • Edward der Eroberer - Eine streunende Katze mit musikalischen Fähigkeiten bringt Unruhe in eine Ehe.
    • Schwein - Über die Folgen, wenn ein behütet aufwachsender junger Mann erstmalig ein Schnitzel isst.
    • Der Weltmeister - Weshalb zu kreative Methoden in der Wilderei nicht unbedingt bessere Ergebnisse erzielen.


    Zum einen fand ich einzelne Geschichten sehr vorhersehbar. Seitenlang baut Dahl die Geschichte auf, um sie mit einem Knall enden zu lassen - und ich undankbare Leserin ahne schon, was kommen wird. Das kann sehr gut funktionieren, wie bei “ Die Wirtin”, weil Dahl die Überraschung in der Schwebe lässt. Oder es kann nach hinten losgehen, wie in “Des Pfarrers Freude”. Das war für mich eine hochgradig langweilige Geschichte, weil mir sehr früh klar war, worauf es hinauslaufen wird, und Dahl immer noch einen Punkt nachgeschoben hat.


    Zum anderen finde ich das, was an vielen Stellen als schwarzer Humor gelobt wird, nicht lustig. Dahl hat z.B. einfach zu viele Protagonistinnen eingeführt, die “ihrem Ehegatten jahrelang treu gedient haben” und die in einem plötzlichen Schlüsselmoment Rache nehmen. Meist, indem sie nichts tun, und so eine passive Rache finde ich eher unangenehm, allerdings nicht lustig.


    Den Ansatz, dass Personen, die sich auf Kosten ihrer Mitmenschen bereichern oder belustigen, eine fiese Abrechnung bekommen, kann ich mitgehen und es darf dabei meinetwegen gerne böse zugehen. Die meisten Protagonisten sind allerdings dumm oder bösartig - oder beides - und vielleicht blieb mir ihr Schicksal deswegen gleichgültig.

    Das Frauenbild in den Geschichten finde ich übrigens fragwürdig, da die Damen entweder unterwürfig-naiv oder wollüstig-berechnend dargestellt werden. Ja, es gibt kaum eine Person mit ausgeglichenem Charakter, so dass die Frauen irgendwie auch nicht schlechter wegkommen als die Männer, trotzdem ist die Tonalität eine andere.


    Fazit: Diese Sammlung von Dahls Geschichten war leider nichts für mich.

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Ich habe das Buch vor rund 30 Jahren gelesen und fast es damals toll. Ich habe es als gelungene Sammlung "böser Humor, schöner Dreh am Ende"-Geschichten in Erinnerung. Ich lese es aber vielleicht besser nicht nochmal, kann durchaus sein, dass es nicht so gut gealtert ist, wenn ich mir deine Kritikpunkte so anschaue. :breitgrins:

  • Klingt nach einem guten Plan. :breitgrins:


    Vor 30 Jahren hätten mir die Geschichten bestimmt auch besser gefallen. Schade, dass ich Dahl nicht früher eine Chance gegeben habe.

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Ich habe auch kürzlich etwas von Dahl gelesen, und es war gar nicht so uninteressant, wenn er nur nicht so ein offen bekennender Antisemit wäre, ...

  • wenn er nur nicht so ein offen bekennender Antisemit wäre, ...

    X/


    In den Geschichten ist mir nichts aufgefallen, was darauf hindeutet. Nach deinem Hinweis habe ich mich online durch verschiedene Artikel gelesen, vielen Dank für den Anstoß. Das war somit erst mal genug Dahl für mich.

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges