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Inhalt:
Warnsignale über der Bucht von San Francisco. Aus den Wellen des Meeres wird der bei einer Fährboot-Havarie über Bord geschleuderte Literaturkritiker Humphrey van Weyden von einem Robbenfang-Schoner gerettet. Die Gegenfigur zum körperlich schwächlichen van Weyden ist der absolute Herrscher und Kapitän des Schiffs, der dämonische Wolf Larsen. An Bord des Robbenfängers erlebt der weltfremde van Weyden einen harten Existenzkampf in der Auseinandersetzung mit Larsen und der primitiven, aber lebenstüchtigen Mannschaft - sowie eine zarte Liebesgeschichte.
Meine Meinung:
Schade, dass ich dieses Buch nicht im Rahmen einer Leserunde kennengelernt habe - es hätte sich gelohnt, so viel Diskussionsstoff wie hier zwischen den Seiten steckt!
Aus der Sicht Humphrey van Weydens erlebt der Leser Schritt für Schritt dessen schmerzhafte Entwicklung vom feinen Gentleman, vom träumerischen Bücherwurm zum tüchtigen, aber auch abgebrühten Seefahrer mit. Interessant dabei die Erzählweise im ersten Teil des Buches - zwar alles in der Mitvergangenheit geschrieben, aber so, als würde sich der Ich-Erzähler noch immer auf dem Schiff befinden und die Ereignisse, von denen er berichtet, mal drei Tage, mal ein paar Stunden zurückliegen. Dieses Konzept hat Jack London aber nicht konsequent durchgezogen, der zweite Teil des Buches liest sich konstant linear ("normal" sozusagen ).
Das meiner Meinung nach Faszinierendste an der ganzen Geschichte ist, wie der Charakter Wolf Larsens ausgearbeitet wurde. Mit Sicherheit eine der zerrissensten und widersprüchlichsten literarischen Figuren, denen ich bisher begegnet bin! Allein über ihn ließe sich seitenweise erzählen. (Was Jack London ja gemacht hat )
Sehr einprägsam und aufschlussreich auch die Erzählungen über das Leben und Arbeiten, oder besser gesagt die "Zustände" auf so einem Robbenfänger. Achtung: realistisch und schonungslos werden auch Brutalität und Grausamkeiten geschildert, was mich streckenweise doch etwas mitgenommen hat.
"Der Seewolf" ist einerseits ein spannender Abenteuerroman, ein wahrer Pageturner - andererseits beschäftigt er sich teils direkt, teils metaphorisch mit existenziellen philosophischen Fragen.
Leider sind manche Stellen trotz (etwas mickrig geratenem) Glossar kaum zu verstehen, wenn einem der Seemannsjargon nicht geläufig ist. Wer segelt oder sich sonstwie mit Seefahrt auskennt, hat hier wohl einen Vorteil, für die meisten anderen dürften sich gewisse Passagen anstrengend gestalten. Da es dem Buch aber Authentizität verleiht, sehe ich es nicht als Manko an sich.
Eine andere Sache, die dem Roman meiner Meinung nach tatsächlich nicht besonders gut tut, ist im zweiten Teil das Auftauchen der einzigen weiblichen Protagonistin. Zu Beginn scheint sie einen neuen Aspekt in den Mikrokosmos des Schiffes zu bringen - und bis zu einem gewissen Grad bewahrheitet sich das auch, doch leider geraten viele ihrer Szenen zu fürchterlich kitschigem Süßholzgeraspel.
Insgesamt aber ein auf alle Fälle lesenswertes Buch - und sei es nur, um aus sicherer Entfernung Kapitän Wolf Larsen kennenzulernen!
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