Hallo Bettina,
sandhofer hat ja schon sehr schöne Antworten auf viele Deiner Fragen gegeben. Ich kann mich vor allem seiner Bemerkung anschließen, dass es nicht notwendig sein sollte, ein gutes Buch nur mit Sekundärliteratur zu verstehen. Es gibt da Ausnahmen und man müsste sich darüber verständigen, was "Sekundärliteratur" genau umfasst; es gibt Texte, die verstehe ich aufgrund meines mangelhaften historischen Durchblicks kaum oder nur unzulänglich ohne einen Materialienband von Reclam; das sind aber keine Interpretationshilfen, wenn ich die zurate ziehen muss, verdirbt mir das noch kein Buch.
Kafkas Welt ist offensichtlich inspiriert von Kakanien, aber man kann ihn auch problemlos davon unabhängig lesen (habe ich ja oben versucht zu zeigen). Ich teile sandhofers Einschätzung in diesem Punkt nicht, dass Kafka heute vor allem als Pubertätsschriftsteller gesehen würde (sandhofer! Kafka Hesse an die Seite zu stellen jagt mir mindestens ebensolche Schauer über den Rücken, wie ihn Irving an die Seite zu stellen; was ist denn in Euch gefahren? ;-))
Und noch einmal Bettina: vom Leser darf ich alles erwarten, das ist eine Einstellungsfrage. Ich darf mich als Leser natürlich einer bestimmten Mühe verweigern, aber dann darf ich eigentlich auch einen Text nicht aburteilen. Alfa betont ja, dass sie kein Qualitätsurteil abgeben wolle. Das kann ich zur Kenntnis nehmen, aber irgendwie finde ich das Auseinanderfieseln von "Qualitätsurteil" und "subjektivem Leseeindruck" immer etwas halbseiden und ich frage mich so ganz für mich, ob da nicht etwas konzediert wird, um der eigenen Begründungspflicht ausweichen zu können ;-).
Ich finde diese Diskussion auch nicht off topic (wie vieles, was hier immer so vorschnell abgetrennt wird). Wir kommen ja auch nicht umsonst immer wieder im Zusammenhang mit Kafka auf solche Fragen. Da scheint es doch einen Zusammenhang zu geben.
Herzlich: Bartlebooth.