In diesem Thread gibt es genau zwei Rezis - meine und Bluebells. Von "beste" und "schlechteste" zu sprechen ist bei dieser Ausgangslage ziemlich frech
Wenn man etwas nicht versteht, sollte daraus aber doch nicht Abscheu folgen?!
Aus Unverständnis alleine noch nicht, wenn dann aber noch weitere Faktoren dazu kommen, die das Unbehagen fördern, ist der restliche Weg vorprogrammiert. So geschehen bei mir, als ich "Amerika / Der Verschollene" las. Über das Warum und Weshalb meines Unbehagens wurde in diesem Thread schon ausführlich diskutiert, das brauchen wir nicht noch mal zu machen.
Ich finde es ja schön, dass du als ein weiterer Streiter für das Schöne und Wahre eine Lanze für Kafka brichst, nur hilft bei Geschmacksfragen (und eine solche ist es letztlich, wie die Diskussion sehr schön gezeigt hat) alles Zureden nichts.
Ich mag zum Beispiel kein Sauerkraut - es schmeckt mir einfach nicht. Jetzt könnte ich mich mit der Geschichte des Sauerkrauts befassen und eine Sauerkrautfabrik besuchen, um zu sehen, wie faszinierend der Verarbeitungsprozess ist, bis das Zeug geraffelt im Beutel liegt. (Ich habe tatsächlich mal eine kurze Dokumentation im Fernsehen über das Thema angeschaut.) Ich könnte mich mit den wertvollen Nährstoffen im Sauerkraut beschäftigen und was es alles Gutes für meinen Körper tut. Ich hätte am Ende ein viel differenzierteres und positiveres Bild vom Sauerkraut als nur "Ihhhh, bähhh!" Essen würde ich das Zeug trotzdem nicht, weil sich daran, dass es mir nicht schmeckt, auch mit all den Hintergrundinfos nichts geändert hat.
Will heissen: Mir ist bewusst, dass Kafka ein viel genialerer Autor war, als ich ihm das zugestanden habe. Das wusste ich schon, als ich meine Rezi hier eingestellt habe. Es war, wie sandhofer so treffend schrieb, der Aufschrei einer gequälten Leserin. Und es war gut, dass ich den Aufschrei hier platziert habe, da ich in der nachfolgenden Diskussion Dinge erfuhr, die mir ein positiveres Bild von Kafka und seinem Romanfragment gaben. Aber eben, auch dieses Sauerkraut schmeckt trotzdem immer noch nicht...
Es mag dich als Kafka-Fan schmerzen, dass es Leute gibt, die mit seinem Werk nichts anfangen können und entsprechende Meinungen zum Besten geben. Es geht mir genau gleich, wenn ich erfahre, dass jemand ein Buch meines Lieblingsautoren entnervt in die Ecke pfeffert. Aber so ist das Leben in seiner ganzen Vielfältigkeit, es können nicht alle dasselbe mögen Insofern sind weitere Missionierungsversuche* in Sachen Kafka zwecklos
Kann man etwas nicht verstehen und darüber dann urteilen? Ein komisches Gefühl sagt mir....nein.
Unter höchst theoretischen Gesichtspunkten stimme ich dir zu, dass jemandem, der etwas nicht versteht, auch nicht darüber urteilen sollte. Es wird aber permanent gemacht. Egal, obs der Stammtischbruder ist, der etwas über Lebensweise und Traditionen der Moslems von sich zu geben hat oder ein Steuerzahler, der sich fragt, warum man "denen da beim CERN" Geld gibt statt es für eine breitere Autobahn zwischen Zürich und Bern auszugeben, die ja wohl viel wichtiger und nötiger sei als irgendwelche Forschung zu machen, bei der am Ende nur ein schwarzes Loch rausschaut. Sowohl Stammtischbruder wie Steuerzahler haben meist wenig Ahnung, aber viel Meinung.
Warum sollte das bei der Besprechung von Büchern in einem Forum mit so breitem Themenspektrum anders sein? Dies hier ist kein Forum für Germanisten und andere Texttheoretiker, sondern für Leser Germanisten (etc) sind natürlich auch willkommen und Leser mit weniger Vorbildung (wie ich) haben ja auch schon vom grösseren Wissen anderer profitiert, wie gerade dieser Thread sehr anschaulich zeigt. Aber eben, es ist nicht der Anspruch dieses Forums, dass sich jeder mit den Hintergründen seiner Lektüre auseinandersetzt und nur differenzierte Statements mit umfangreichen Erklärungen postet. Dafür hat nimue das Klassikerforum geschaffen, dort würde ich mit einer Rezi, wie sie hier drin steht (zu Recht) schräg angeschaut. Vielleicht wäre das ja eher was für dich...
Lieber Gruss
Alfa Romea
[size=7pt]*Ich meine das nicht böse oder abwertend, eher ironisch[/size]