Daniel Glattauer - Gut gegen Nordwind

Es gibt 87 Antworten in diesem Thema, welches 34.528 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Bine1970.

  • Ich habe das Buch kürzlich aus einer Wühlkiste befreit. Wegen des Titels und weil ich schon oft gehört hatte, dass das Buch so toll sein soll. Wenn ich vorher gewusst hätte, dass es sich um einen Liebesroman handelt, hätte ich das Buch ganz sicher nicht gekauft. Und damit ein klasse Leseerlebnis verpasst. Ich bin ja wirklich kein LiRo-Leser, aber das Buch hat mir außerordentlich gut gefallen. Es hat sich schnell gelesen, war spannend, unterhaltsam und ich konnte mich (aufgrund eigener ähnlicher Erlebnisse) gut in Emmi und Leo hineinversetzen.


    Emmi wäre mir als Person zu zickig und unsympathisch und mit ihr würde ich wahrscheinlich keinen Briefwechsel wollen - Leo hingegen wäre wohl ganz mein Typ.


    Das Ende fand ich doof. Ich hab mir da was völlig anderes erhofft. Nun werd ich wohl den Nachfolger lesen müssen.


    Von mir gibt's 4ratten und :marypipeshalbeprivatmaus: Ein Mäuschen Abzug gibt's, weil ich denke, dass es vielleicht ein paar Seiten zu viel waren.

    Bücher kaufen und Bücher lesen sind zwei völlig verschiedene Hobbys.

  • Die Erwartung, mit der ich an das Buch herangegangen bin: Ach, eine leichte Lektüre für zwischendurch, wenn mal einige Minuten frei sind. Tatsächlich hat das Buch dann aber einen solchen Sog auf mich ausgeübt, dass ich es nicht beiseite legen konnte.
    Wie scheinbar mühelos und gar nicht gezwungen immer neue Themen in die E-Mails einfließen, der Schlagabtausch zwischen Emmi und Leo, die ironischen, teils bissigen Bemerkungen haben solch einen Spaß gemacht, dass ich einfach weiterlesen wollte.


    Häufig brodelte es in mir, weil sich die beiden immer wieder wie Teenager benehmen. Ihre Reaktion, wenn jemand mal einen Tag lang nicht schreibt, extra etwas zu schreiben oder anzudeuten, damit der andere mit der Sprache herausrückt. Nur damit dieser ebenso reagiert und ein stetiges Hin und Her entsteht, ohne vom Fleck zu kommen. Das hatte dann nichts mehr mit Sticheln oder Flirten zu tun, sondern nervte.
    Und gleichzeitig ist es so menschlich – und das ist der Punkt! :zwinker: Man erlebt zwei Menschen, ihre Unsicherheit und die daraus resultierende Unentschlossenheit – die dann leider ab Mitte des Buches dazu führt, dass man sich gefühlt im Kreis dreht.


    Erst später habe ich bewusst wahrgenommen, dass ich wie mondy das Geschehen immer von Emmis Seite aus betrachtete - neben ihr stehend, die Mails schreibend und die von Leo erhaltend. Möglicherweise, weil ich von ihr ein runderes Bild hatte. Leo blieb doch recht eindimensional und verrückterweise unsympathischer. Und das, obwohl insbesondere Emmi erst etwas haben möchte, ja regelrecht fordert, nur um schließlich davor zurückzuschrecken. Wenn nicht nach ihren Regeln gespielt wird, reagiert sie bockig! Aber genauso fand ich sie interessant – sie, die sich dem Reiz des Verbotenen, der sich aus einer zu Beginn ungezwungenen und ungefährlichen Flirterei entwickelte, nicht entziehen kann. So treiben beide Spielchen miteinander, tänzeln quasi umher, wagen einen kleinen Schritt vorwärts, nur um dann aus Angst doch zwei Schritte rückwärts zu gehen.


    Was der Roman meiner Meinung nach sehr schön zeigt, sind zum einen die Missverständnisse, die per E-Mail viel leichter entstehen, wenn einem die Mimik des Gegenübers fehlt.


    Das Ende lädt zum Nachdenken ein, die Fortsetzung muss ich dennoch nicht lesen. So kann ich gut damit abschließen und mir die Zukunft selbst ausmalen! :smile:


    Insgesamt knapp
    4ratten

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

  • Hallo zusammen,


    bei einem so langen Thread nutze ich gerne eure Kommentare, um meine Eindrücke in Worte zu fassen. :)



    Zur Geschichte selbst kann ich nur sagen, dass stimmt, was die meisten hier sagen: Ja, es dreht sich ab der Mitte oft im Kreis, was aber nur verständlich ist, da die Charaktere selbst sich einfach nicht sicher sind, was sie eigentlich wollen. Sind sie nun verliebt ineinander? Kann man das überhaupt sein, wenn man - wie Emmis Mann so schön sagt - doch nur die Illusion des anderen Menschen kennt, dessen Fehler und Mangel an Perfektion man leicht ausblenden kann, weil er ja doch nur in Form von Buchstaben auf dem Bildschirm existiert?


    Der Anfang hat mich positiv überrascht und für das Buch eingenommen. Leider verflog die Leichtigkeit der ersten Seiten schnell und ab der viel angesprochenen Mitte wurde auch mir langweilig. Da half mir auch nicht die Erkenntniss, die Wendy so schön zusammenfasst - es blieb dröge und ereignislos.



    Von den beiden Hauptpersonen gefiel mir Emmi besser, weil sie um einiges vielschichtiger ist als Leo. Mit ihrer Art, ständig von anderen etwas zu fordern und herauszukitzeln und dann einen Rückzieher zu machen, wenn sie ihr Ziel tatsächlich erreicht hat, bildete sie eine schönen Gegenpol zu dem ruhigen und besonnenen Leo.


    Als Protagonistin gefiel mir Emmi ebenfalls besser, aber selten möchte ich die Figuren, die mich in Büchern faszinieren, im wahren Leben um mich haben. Ich muss Personen nicht mögen, um von ihnen lesen zu wollen, anders herum gäben viele der mir liebsten Menschen wahrscheinlich sterbenslangweilige Romanfiguren ab. ;)


    Interessant fand ich, wie gut Glattauer die Charakterisierung anhand der Mails und der Sprache gelang. Er liefert keine große Sprachkunst, aber er charakterisiert die beiden Figuren anhand des Mailverkehrs besser, als manch ein Autor in einem traditionellen Roman ohne die hier gegebenen Begrenzungen. Mich hat die fehlende Charakterentwicklung übrigens nicht gestört, das schrittweise Preisgeben der Persönlichkeiten hat mir gereicht.



    Leider entwickeln sich die Charaktere in keiner Weise, Emmi entpuppt sich als eine ständig nach Aufmerksamkeit hungernde, entscheidungsunfähige Nerv-Göre und der schon zu Anfang recht oberlehrerhafte Leo weiß auch nicht, was er will. Und so greinen und sülzen sich die beiden Protagonisten über Seiten hinweg an. [...] Die Mail von Emmis Ehemann brachte das Fass dann wirklich zum Überlaufen, das war so was von unglaubwürdig. :grmpf:


    Diese Sichtweise kann ich sehr gut nachvollziehen, aus irgendeinem Grund habe ich mich aber dafür entschieden, mich nicht über das Greinen und Sülzen zu ärgern. ;) Was die Wendung betrifft, die Emmis Ehemann zu Wort kommen lässt, stimme ich Annabas unumwunden zu, grmpf!



    Man hat das Gefühl man wäre ein Spitzel bei einem privaten Mailverkehr - ein Mäuschen, dass eine private Zusammenkunft belauscht. Das macht es so aufregend und spannend. [...] Man kennt ja auch selbst diese Personen nur durch die E-Mails. Das treibt einen an immer weiter zu lesen um immer mehr Informationen zu bekommen, damit das Puzzle nach und nach zusammenpasst.


    Das trifft, glaube ich, ganz gut, weshalb das Buch so einen Sog entwickelt. Mails sind inzwischen einfach näher an unserer Alltagserfahrung als Briefe und generell hat ein Briefroman eine Unmittelbarkeit, die vom traditionellen Roman abweicht. Die Persönlichkeiten entfalten sich genau so schrittweise für den Leser wie für den "Gesprächspartner", während die Handlung voranschreitet. Hinzu kommt das Phänomen, dass kurze Kapitel (i.e. Mails oder Briefe) sich so schnell weglesen lassen. ;)



    Ich fand es recht gut gemacht, wie sich der Ton der Nachrichten langsam verändert; von förmlichen Floskeln weg zu einem immer vertrauter werdenden Austausch, bei dem jeder versucht, sich einerseits dem anderen zu öffnen und doch gleichzeitig so viel möglich geheimzuhalten. Ein dünnes Eis, das die beiden da betreten, denn alles steuert auf eine virtuelle Liebesgeschichte zu, für die eigentlich keiner von ihnen frei ist.


    Das muss ich zitieren, weil ich es so treffend finde. Und weil es sich gut für meine Abneigung gegen die Einordnung als Liebesroman eignet. :breitgrins: Ich kann gar nicht genau begründen, warum. Vielleicht, weil es von meinem Bild eines Liebesromans abweicht? Weil es für mich viel eher eine Auseinandersetzung der Proatgonisten mit sich selbst ist als ein Zueinanderfinden?


    Zu guter Letzt: das Ende. Ich hätte mir kein anderes gewünscht.


    2ratten + ein Mäuschen


    Schöne Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • @ Breña: Bei der Rezension bin ich tatsächlich überrascht, dass es nur 2,5 Ratten geworden sind. Der Text klingt so positiv! :zwinker:


    Ich frage mich nun aber, wie ich auf die vier Ratten gekommen bin. Im Nachhinein bleibt eher die Unzufriedenheit über deren unmögliches Verhalten hängen. :breitgrins:

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

    Einmal editiert, zuletzt von British_Soul ()


  • @ Breña: Bei der Rezension bin ich tatsächlich überrascht, dass es nur 2,5 Ratten geworden sind. Der Text klingt so positiv! :zwinker:


    Ups! Vielleicht, weil ich auf so positive Zitate geantwortet habe? :gruebel:


    Kurz zusammengefasst: Der Anfang gefiel mir, dann wurde mir langweilig. Lange. Dann kam ein Aufreger, wieder Langeweile und schließlich ein für mich konsequenter Schluss. Sprachlich fand ich's gut gelöst, aber nicht herausragend. Die Protagonisten konnten die Handlung über weite Strecken tragen, aber: siehe Langeweile.


    Ähm, schlüssiger? ;)

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • @ Breña: Ja, so gesehen sind die 2,5 Ratten sehr schlüssig! :breitgrins:

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

  • Die Meinungen zu diesem Buch sind interessanterweise recht unterschiedlich. Ich gehöre zu der Gruppe, die es mochte und sich amüsiert hat. Sehr flott, kurzweilig, spaßig. Das Ende fand ich passend. Ob ich mir die Fortsetzung zulege, weiß ich deshalb nicht, hmmm.


    Das Buch war ein Geschenk. Gekauft hätte ich es mir nicht, und so war es eine angenehme Überraschung.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Ich höre das Buch aktuell im Auto, während dem Dienst und finde es amüsant. Nicht mehr und nicht weniger. Bin mal gespannt wie es weitergeht.

    Leo hat gerade Mia kennengelernt

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

    2116 /25.525 Seiten