Wo nur hin mit diesem Buch? „Liebesromane“ oder doch eher „sonstige Belletristik“? Ich wähle „Liebesromane“, weil es für mich ein überraschend schöner Liebesroman ist.
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Benoite Groult – Salz auf unserer Haut
Inhalt
Es ist Gauvain, der freche Bauernsohn, der der kleinen George in den Ferien die Reifen ihres Fahrrads aufschlitzt, und der sich gemeinsam mit seinen Freunden über ihre noble Pariser Herkunft lustig macht. Und es Gauvain, der stattliche junge Mann, der ihr später die Sinne rauben wird, von dem sie nicht mehr lassen kann. Ihm wird sie, verstrickt in eine nicht lebbare Liebe, quer über den Erdball folgen, nur um ein paar der ersehnten Berührungen zu erhalten. Gauvain und George trennen Weiten. Zum einen die tatsächlichen der Entfernung, zum anderen die der Herkunft und Bildung. Er, der einfache, bretonische Fischer und sie, die Hochschullehrerin, die Pariser Intellektuelle. Doch über diesen Weiten und Welten, ihrer Verschiedenheit und den Trennungen, steht eine übermächtige Anziehung, die sie ihr Leben lang immer wieder zueinander führen wird.
Meine Meinung
Ach ja, klingt das kitschig! Und ja, das Cover (zumindest das meiner Ausgabe) lässt nichts Gutes erwarten. Und doch fand ich eine selten bezaubernde Liebesgeschichte in diesem Buch.
Nun wusste ich, dass das Buch in Deutschland 1989 erschienen ist. Ehrlich gesagt gingen mir die ständigen Verweise auf den gewaltigen Klassenunterschied, die Überzeichnung der ach so gebildeten George und des völlig ungebildeten Gauvains und der sich daraus ergebenen Probleme ziemlich auf die Nerven. Mir, für die es ganz selbstverständlich ist, dass zum Freundeskreis Professoren und Schulabbrecher gleichermaßen gehören, die ich mich nie gefragt habe warum eine Herr Goethe eine Christiane lieben konnte, die viele ungleiche Paare in ihrem Bekanntenkreis zählen kann und selbst keine Unterschiede macht (obwohl; ist das wirklich, selbst Heute, selbstverständlich? Die Frage stelle ich mir nun, nach diesem Buch, zum ersten Mal). Ich wollte immerzu sagen: ist doch völlig egal! Was kann denn wichtiger sein?! Heute stört George Gauvains Art sich zu kleiden und auszudrücken. Morgen wird sie vielleicht die Art, mit der ihr Professor sein Frühstücksmüsli kaut nicht weniger stören. So ist es nun einmal, Störungen gehören dazu. Manche sind ganz offensichtlich da und andere zeigen sich erst mit der Zeit (und ich nehme an, die ersten sind die angenehmeren). Zum Glück kam bald eine für mich akzeptable Lösung: Die Geschichte des Liebespaars beginnt in den 40er Jahren. Das stimmte mich versöhnlicher, und obwohl ich das Empfinden der Standesunterschiede zu dieser Zeit nicht beurteilen kann, nahm ich es folglich so hin.
Es ist wirklich eine schöne und sinnliche Geschichte. Manchmal fand ich George arrogant. Manchmal empfand ich es störend, wie sehr sie auf ihre Bildung pocht und diese immer wieder betont. Aber genau darin liegt auch die Ehrlichkeit und Echtheit dieser Figur. Sie erzählt wie sie denkt, sie reflektiert, die Dinge fallen ihr auf, in ihr gibt es Widersprüchlichkeit, sie ist intelligent und dennoch, bzw. gerade dadurch nicht frei von Unzulänglichkeit, trotz und gerade wegen der Bildung ist sie nicht frei von Borniertheit. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich finde, George ist psychologisch perfekt getroffen. Gauvain erlebt man nur durch Georges Augen, aber auch er wirkt echt. Das, was ich am Anfang als Überzeichnung empfand, zeigte sich später doch sehr vielschichtig und gut getroffen. Ich konnte beide Charaktere, ihre Schwierigkeiten miteinander und ihre Anziehung zueinander, sowie die Entwicklung ihrer Beziehung sehr gut nachvollziehen. Ich konnte dann auch doch ganz wunderbar nachempfinden, wie sehr George manchmal von den fast bildzeitungsähnlichen Phrasen angewidert war, wie es ihr dann leid tat, dass sie so schlecht dachte und wie schnell Gauvains bloße Präsens beides wieder verdrängen konnte und etwas anderes, unbenanntes, die Führung übernahm.
Natürlich wünscht man sich ein bisschen, dass die beiden doch endlich diesen Quatsch mit den verschiedenen Klassen überwinden mögen und zusammen kommen – schließlich gehören sie ganz offensichtlich zueinander. Aber das ist auch wieder der Reiz dieser Geschichte. Egal wie sehr man im realen Leben auch auf eine Entmystifizierung durch Alltag hinarbeiten muss und will, in eine Liebesgeschichte der Literatur passt sie nicht wirklich. Hier ist Tragik schön und die echte, ganz große Liebe bleibt meist mehr oder weniger unerfüllt. (Ob es in diesem Buch aber tatsächlich nur tragische Liebe gibt, verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht... )
„Salz auf unserer Haut“ ist bekannt für seine Erotik. Und ja, es ist ein sehr sinnliches Buch. Hier gibt es viel Sex, der relativ direkt beschrieben wird, dabei aber nicht obszön wirkt. Ganz besonders gefallen hat mir die selten Kombination von Körper und Seele. Sobald das Wort „Erotik“ in den Raum geworfen wird, fehlt das tief empfundene Gefühl nur allzu oft. Als könne es nur eine seelenlose, gefühlskalte Erotik geben oder eben die wahre Liebe mit entsprechend wenig Erotik. Diese Schwarz/Weiß; ein Liebespaar, das zwar Sex hat, der aber nicht interessant genug für genauere Beschreibungen ist - oder Sex, der sich relativ belanglos auf verschiedene, austauschbare Partner verteilt, deren genauere Beschreibung wiederum nicht wirklich interessant ist. Hier aber geht es um ein Liebespaar, das sich körperlich stark zueinander hingezogen fühlt, und das sich dementsprechend liebt. Das fand ich sehr schön.
Angenehm ist auch Groults schöne Sprache. Ihr Schreibstil hat mir gut gefallen. Bemerkenswert finde ich, dass die Autorin, sofern ich richtig informiert bin, 68 Jahre alt war als dieses Buch erschien. Das lässt doch hoffen...
Eine wunderschöne Liebesgeschichte und ein tolles Leseerlebnis!