John Irving - Gottes Werk und Teufels Beitrag

Es gibt 94 Antworten in diesem Thema, welches 25.425 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Avila.

  • Das glaube ich aber auch, Kirsten ;)


    Ich mochte übrigens die "Mittelgewichts-Ehe" gar nicht.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Den Film dazu habe ich zufällig gestern ausgeliehen und angeschaut. Der hat mich richtig enttäuscht. Marie-Agnes hat ja gar keine Rolle da im Film. Und die Geschichte um Fuzzy Stone bekommt auch keine Relevanz. Schade...
    Aber die Szene als sie sich von Fuzzy verabschieden war schon gut gemacht, und so traurig: "Fuzzy hat eine Familie gefunden. Gute Nacht Fuzzy" :heul:
    Aber eigentlich war der Film sehr langweilig. Mein Mann ist darüber eingeschlafen. Kein Wunder wenn sie die wichtigsten Sachen einfach wegfallen lassen.

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.

  • Ja im Nachhinein war der Film echt eine Enttäuschung. Es wurde eigentlich vor allem die Rahmenhandlung in den Blick genommen. Aber immerhin hat der Film damals dafür gesorgt das ich auf John Irving aufmerksam wurde. Ohne den Titel wäre ich nie neugierig geworden und hätte einen meiner Lieblingsautoren verpasst.

  • Das fehlt mir auch noch, irgendwie reizt mich das Thema nicht so übermäßig (wobei ich das bei "Zirkuskind" auch gedacht und das Buch am Ende gemocht habe).

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Das fehlt mir auch noch, irgendwie reizt mich das Thema nicht so übermäßig (wobei ich das bei "Zirkuskind" auch gedacht und das Buch am Ende gemocht habe).


    Geht mir auch so und dabei liebe ich seine Bücher sonst sehr. Aber er schreibt ja schon an einem weiteren Roman und daher freu ich mich lieber darauf und werde wohl wirklich eine Rereadliste machen.

  • Für mich zählt "Gottes Werk und Teufels Beitrag" zu einem der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Ich finde seine Fähigkeit, Charaktere und Leben zu entwerfen, sehr beeindruckend und fast unnachahmlich. Trotz meiner Begeisterung habe ich ansonsten noch nicht so viel von ihm gelesen, obwohl ich wahrscheinlich auch zu denen gehöre, die ihn lieben. "Witwe für ein Jahr" war ebenfalls fantastisch. "Garp und wie er die Welt sah" habe ich irgendwann zur Seite gelegt, weil ich nicht so richtig reingekommen bin. Aber wenn ich mir den Thread hier so durchlese, bekomme ich richtig Lust, mal wieder was von Irving zu lesen :zwinker: Bei uns stehen alle Bücher von ihm im Regal, die Chance ist also da...


    Etwas sehr Interessantes, was ich in einem Interview mit ihm gesehen habe: Er schreibt seine Bücher ja rückwärts, also fängt am Ende an. Das erklärt natürlich, warum die ganzen Fäden am Ende immer so wunderbar zusammenlaufen :smile:

  • Achja, eine Rezension habe ich dazu auch mal geschrieben.


    Meine Meinung: John Irving ist für mich ein absolut genialer Autor. In seinen Büchern finde ich eine unglaubliche Sprachgewalt wieder, die es ihm ermöglicht, scheinbar nebenbei über all das zu schreiben, was uns im Innersten bewegt, wirklich bewegt, unser ganzes Leben lang. Das ist eine seltene Kunst, und sie bringt solche beeindruckenden Geschichten hervor, die mir jedes Mal noch eine Weile nachhängen. So auch in diesem Fall: Homer Wells, Wilbur Larch und all die anderen sind mir schnell ans Herz gewachsen mit ihren Besonderheiten, Macken und ihrem Versuch, in dieser Welt einen Platz zu finden. Das ist genau wie im richtigen Leben nicht einfach und auf der Suche kann es passieren, dass wir andere verletzen. Sehr menschlich werden hier Schwächen und Versagen aufgedeckt, ohne im Geringsten darüber zu urteilen.


    Das zentrale Thema, das sich durch das ganze Buch zieht, ist das der Abtreibung, die im wahrsten Sinn des Wortes über ganze Leben entscheidet. In unserer heutigen Gesellschaft zwar nicht mehr geächtet, eher geduldet und hier und da leicht missbilligt, ist es immer noch eine hochaktuelle und heiß diskutierte Frage: Inwiefern spielen wir Gott, wenn wir entscheiden, wann ein Leben lebenswert ist? „Richtig“, würde Homer jetzt sagen.


    Wie die meisten anderen Menschen habe ich auf diese Frage scheinbar eine relativ klare Antwort und dennoch mahnt dieses Buch mich wieder um Verständnis für andere Ansichten. Denn worum geht es eigentlich in unserem Leben? Wir selbst entscheiden, wohin der Weg führt, und es steht uns genauso frei, unseren Weg einzuschlagen, wie anderen Menschen, den ihren zu wählen.


    Dazu kommt auch eine äußerst feinfühlig verflochtene Geschichte um eine Gruppe von Menschen, die wir jahrelang begleiten: Besonders ans Herz gewachsen ist mir Melony, seit ihrer Geburt ein wütendes Mädchen, das aber auch eine große Hingabe beweist. Ich kann nicht anders, als die unterschiedlichen Charaktere zu bewundern, die nur mit einer hinreichenden Kenntnis des menschlichen Innenlebens und einer gehörigen Portion Humor so skizziert werden können wie sie eben sind. Ganz großes Kino oder eben ganz große Literatur

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    John Irving - Gottes Werk und Teufels Beitrag


    Hauptcharakter des Buches ist Homer Wells, ein Waisenkind, das im Waisenhaus St. Cloud's aufwächst. Der Leiter und Arzt Dr. Larch bringt einerseits die Kinder zur Welt, die anschließend als Waise dort aufwachsen (was er als "Gottes Werk" bezeichnet), führt andererseits aber auch Schwangerschaftsabbrüche bei Frauen durch, die dies verlangen (was dann wiederum "Teufels Beitrag" genannt wird). Nach mehreren gescheiterten Adoptionsversuchen steht fest, dass Homer endgültig im Waisenhaus aufwachsen wird und wir begleiten Homer auf seinem Lebensweg in St. Cloud's und darüber hinaus.


    Besonders aufgefallen ist mir zunächst, wie ausführlich und glaubhaft John Irving alle vorhandenen Charaktere beschreibt - wir erhalten umschweifende Einblicke in die Gedankenwelten der einzelnen Charaktere. Hinzu kommt, dass er wirklich kein Blatt vor den Mund nimmt - alle Ereignisse aus Homers Leben und der Menschen um ihn herum werden äußerst plastisch dargestellt - man sollte also nicht unbedingt gerade beim Lesen essen.

    Ich kann es nur schwer beschreiben, aber irgendwie mag man einfach alle Charaktere - trotz oder gerade wegen ihrer Fehler. Die Geschichte ist dabei immer interessant genug, dass man gerne weiterliest.

    Beeindruckend fand ich hierbei, mit welchem Detailgrad die Geburten und Schwangerschaftsabbrüche dargestellt werden - aus den Anmerkungen erkennt man, dass John Irving hierbei tatsächlich Methoden, Medikationen und auch auftretende Problematiken der damaligen Zeit realistisch wiedergibt. Hierbei wird einem überhaupt erst bewusst, was für ein unglaubliches Werk es ist, einen Menschen auf die Welt zu bringen - bei den Schilderungen wird einem bewusst, wieso früher weit mehr Menschen bei der Geburt starben als heutzutage.

    Auch werden die Schwierigkeiten der damaligen Zeit ausführlich dargestellt, wenn man tatsächlich einen Schwangerschaftsabbruch wollte - von den gesetzlichen einmal abgesehen, war es ein unglaubliches Gesundheitsrisiko und die angewandten "Techniken" in den - ich nenne es mal "Hinterhofpraxen" lassen einen erschaudern.

    Ich habe das Buch auf jeden Fall sehr gerne gelesen und kann es empfehlen, wenn man von der Thematik rund um Geburt und Schwangerschaftsabbrüche nicht abgeschreckt wird.

    Insgesamt vergebe ich daher 5 von 5 Ratten - ich weiß, meine Rezension klingt jetzt eher mittelmäßig begeistert, aber ich habe einfach irgendwie das Gefühl, dass ich hier ein großes Stück Weltliteratur vor mir liegen habe - und ich habe es wirklich gern gelesen.

    5ratten

    (irgendwie fehlt meiner Rezension aber auch ein roter Faden - das Buch ist einfach voll von anspruchsvollen Themen, bei denen ich nicht so ganz weiß, wie ich sie angehen soll).

    Aragorn: "Ihr habt schon gefrühstückt."

    Pippin: "Wir hatten das erste, ja. Aber was ist mit dem zweiten Frühstück?"

    Merry: "Ich glaube nicht, dass er weiß, dass es sowas gibt."

    Pippin: "Und der Elf-Uhr-Imbiss? Mittagessen? Vier-Uhr-Tee? Abendessen, Nachtmahl? Das kennt er doch wohl, oder?"

    Merry: "Ich würde mich nicht darauf verlassen."

    Aus: "Der Herr der Ringe: Die Gefährten"

    Einmal editiert, zuletzt von Alexander90 ()

  • aus den Anmerkungen erkennt man, dass John Irving hierbei tatsächlich Methoden, Medikationen und auch auftretende Problematiken der damaligen Zeit realistisch wiedergibt.

    Irving schätze ich nicht nur für seine tollen Bücher, sondern auch für seine gute Recherche. Er ist auch einer der ganz wenigen, bei dem deutschsprachige Einsprengsel im Original immer orthographisch und grammatikalisch korrekt sind.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Es ist ja schon einiges zu diesem Roman geschrieben worden, deshalb füge ich nur noch meine Eindrücke ergänzend hinzu:

    Vorausschicken muss ich, dass ich die Verfilmung nicht kenne und es mein erster Irving gewesen ist.


    Im Wesentlichen gab es für mich nur einen Erzählstrang, von dem immer wieder mäandernd abgewichen wird, alles fügt sich nach nicht allzu vielen Seiten wieder zur Hauptgeschichte zusammen. Ich fand den Roman traurig und anrührend, jedoch ohne zu pathetisch und kitschig zu sein. Die Charaktere und deren Schicksale sind einfühlsam aber nicht euphemistisch gezeichnet; teilweise jedoch etwas "einfach" und geradezu naiv, ohne allzu große Tiefe. Die Schilderung einiger abgründiger und brutaler Ereignisse und Lebensumstände und auch das Thema Abtreibung gleitet nie ins Anklagende oder Moralinsaure ab. Ich empfand diese Distanz des Erzählers als absolut passend und wohltuend, wenn der Roman lediglich als Unterhaltungsliteratur (im besten Sinne) betrachtet wird.

    Nur eines hat mich wahnsinnig gestört: Der Erzähler (oder Übersetzer?) kennt anscheinend kein anderes Wort als "sagte". In längeren Dialogen fand ich das nervig. Vielleicht soll es aber auch "einfach", so wie es die Figuren sind, wirken.


    Insgesamt fand ich den Roman gut erzählt und absolut unterhaltend und fesselnd.


    4ratten

  • Für mich ist es das beste Buch von John Irving - ist aber schon ziemlich lange her, dass ich es gelesen hab. Die Verfilmung hab ich als (erstaunlicherweise) ok in Erinnerung.

    ( @louzilla : Wenn einem so was wie mit diesem "sagte" einmal aufgefallen ist, wird es wie ein Stachel im Fleisch, hm..?! ^^)

  • ( @louzilla : Wenn einem so was wie mit diesem "sagte" einmal aufgefallen ist, wird es wie ein Stachel im Fleisch, hm..?! ^^)

    Da hast du recht! Man achtet dann um so mehr darauf. Deshalb hab ich mir auch überlegt, ob ich es überhaupt erwähne, weil ich damit zukünftige Leser darauf aufmerksam mache ^^.

  • Ich glaube, es war für mich der falsche Zeitpunkt dieses Buch zu lesen. Meine Lesezeit ist so begrenzt und teilweise so durchdrungen von kurzen Unterbrechungen oder von Lautstärke begleitet, dass ich nicht wirklich in den Roman eintauchen konnte. Und genau das muss man in diesem Buch - eintauchen. Und dann kann die schöne Sprache und die ausführliche Handlung mit den vielschichtigen Charakteren einen gefangen halten. Für mich war das in meiner jetzigen Situation allerdings zu viel, zu langatmig, zu ausufernd. Ich habe das Ziel nicht gesehen und das Buch irgendwann nur noch überflogen. Immerhin konnte ich so feststellen, dass das Buch ein rundes Ende hat. Aber ich habe wahrscheinlich viele interessante Dinge überlesen. Vielleicht lese ich es in zehn Jahren nochmal.