Benedict Wells - Becks letzter Sommer

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 2.230 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Dottie.

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    Robert Beck ist Ende 30 und unterrichtet an einem Münchner Gymnasium Deutsch und Musik. Seinen Traum, Musiker zu werden, hat er zwar offiziell schon lang begraben, seine Leidenschaft gehört aber immer noch der Musik und nicht seinem Beruf. An der Ecke, wie auch beim Thema Beziehungen, ist er eher pragmatisch bis desillusioniert. Fixpunkt in seinem Leben ist hauptsächlich sein durchgeknallter Kumpel, ein Halbafrikaner ohne vernünftigen Beruf, dafür mit einem Hang zu diversen Drogen, einem quietschgelben 80er-Jahre-Passat und unglaublicher Hypochondrie.


    Eines Tages jedoch rüttelt ihn ein Ereignis in der Schule wach: Rauli Kantas, ein unauffälliges, schmächtiges Einwandererkind aus Litauen, entpuppt sich als ein Gott auf der E-Gitarre, und Beck wittert bei ihm Starqualitäten und bemüht sich nach Kräften, Rauli zu fördern, lässt alte Kontakte wieder aufleben, organisiert ein Konzert, schreibt Songs für Rauli und träumt davon, eines Tages mit ihm als sein Entdecker berühmt zu werden.


    Doch es wäre nicht Becks Leben, wenn nicht ziemlich vieles ganz anders käme als geplant, und damit ist nicht nur die hübsche Kellnerin Lara gemeint, sondern auch eine unverhoffte, verrückte Reise quer durch Europa und einiges an Selbsterkenntnis.


    Benedict Wells hat dieses Roadmovie-Buch mit erst 23 Jahren veröffentlicht. Dafür gelingt ihm der Einblick in die Gedankenwelt eines leicht verbitterten Lehrers auf dem Weg in die "mittleren Jahre" mit erstaunlicher Reife, temporeich und mit Gespür für komische und tragische Momente. Dass Beck wirklich nicht immer sympathisch rüberkommt, sondern sich manchmal kindisch, kleinlich oder auch peinlich benimmt, macht ihn (wie auch die anderen Hauptfiguren) umso lebensechter. Er ist halt nun mal keiner dieser Streetworker-Gutmensch-Lehrertypen, sondern ein Mensch, der Lehrer geworden ist, weil ihm quasi nichts anderes übrigblieb, was dazu führt, dass er sich, sein Leben und seinen Beruf immer wieder in Frage stellt.


    Allerdings gefiel mir der erste Teil des Buches (bzw. die "A-Seite" - das Buch ist gegliedert wie eine Schallplatte) um einiges besser, die "B-Seite" mit der schrägen Reise in die Türkei wirkt stellenweise bemüht und überzeichnet, hat aber auch gelungene Momente. An einigen Stellen hätte man auch getrost auf Vulgärsprache verzichten können. Der Schluss hat mich überrascht, aber auch zufriedengestellt.


    Auf jeden Fall lohnt es sich, Benedict Wells' Talent im Auge zu behalten. Da geht noch mehr!


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





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    Benedict Wells[br]Becks letzter Sommer[br]Erstveröffentlichung 2008[br]Diogenes Verlag[br]454 Seiten[br]



    Inhalt
    Ein liebeskranker Lehrer, ein ausgeflippter Deutschafrikaner und ein musikalisches Wunderkind aus Litauen auf dem Trip ihres Lebens, von München durch Osteuropa nach Istanbul. Unter den Fittichen eines alternden Rockstars und seiner unsterblichen Songs. Ein Roman über die Musik, die Liebe und das Leben - schräg, witzig, weise und berührend. Das Debüt eines dreiundzwanzigjährigen Autors.


    Der erste Satz
    Als er bei Neapel vor einem Lokal parkte, hatte Beck acht Stunden Fahrt und sein ganzes Leben hinter sich.


    Wie kam die Geschichte in meine Hände?
    Ich habe das Buch beim Weihnachtswichteln von Kiala bekommen.


    Meine Meinung
    Beck ist Mitte 30 und Lehrer für Deutsch und Musik. Er ist nicht zufrieden mit seinem Leben, das er einfach so vor sich hinlaufen lässt, ohne das irgendetwas passiert. Lehrer ist er nur aus Bequemlichkeit heraus, richtige Leidenschaft für den Beruf hat er nicht. Er fühlt sich alt und erschöpft und wünscht sich nichts mehr, als nochmal jung zu sein.
    Doch dann kommt Rauli Kantas in seine Klasse und erweist sich als musikalisches Wunder. Rauli kann nicht nur fabelhaft Gitarre spielen, er hat auch eine schöne Stimme und irgendwie scheint alles, was er tut zu gelingen. Beck fängt an von einer Band zu träumen, doch natürlich ist dieser Traum zum Scheitern verurteilt.
    Becks letzter Sommer ist ein richtig gutes Buch über den Wunsch immer jung sein zu wollen, einen verrückten Roadtrip in die Türkei, die nicht immer einfachen Beziehungen zwischen Menschen und die Angst vor dem eigenen Scheitern.


    Bewertung:
    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    &quot;Bücher sind Spiegel: Man sieht in ihnen nur, was man schon in sich hat&quot;<br />Carlos Ruiz Zafón<br />:lesen:

  • Schön, dass es Dir auch so gut gefallen hat! Ich mochte vor allem dieses schräge Roadmovie-Feeling.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ja es hat auch genau zu meiner Stimmung und allem drum herum gepasst. Schön leicht zu lesen, man kommt nicht raus, wenn man mitten in einem Kapitel mal aufhören muss. Irgendwie auch spannend, weil man ja wissen will was passiert.
    Kennst du den Film Im Juli? Die machen ja einen ähnlichen Roadtrip von der Strecke her, daran hat mich das Buch die ganze Zeit erinnert.

    &quot;Bücher sind Spiegel: Man sieht in ihnen nur, was man schon in sich hat&quot;<br />Carlos Ruiz Zafón<br />:lesen:

  • Den Film kenne ich nicht, klingt aber gut.


    War das nicht dieses Buch hier, in dem sie mit so einem uralten quietschgelben Passat (?) unterwegs waren? :breitgrins: Das Auto seh ich immer noch vor mir.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ja genau. Das Auto hat mich auch sehr beeindruckt. :breitgrins:
    Der Film ist sehr schön. Ein Film von Fatih Akin mit Moritz Bleibtreu. Ich liebe ihn, weil er einfach so normal ist. Keine große Action oder sowas. Und lustigerweise ist Daniel im Film auch Lehrer und begibt sich auf den Roadtrip nach Istanbul. Es gibt viele Parallelen fällt mir grade auf.

    &quot;Bücher sind Spiegel: Man sieht in ihnen nur, was man schon in sich hat&quot;<br />Carlos Ruiz Zafón<br />:lesen:

  • Ich habe das Buch kürzlich noch mal gelesen, weil mein Mann es gerade so toll findet und sich gerne mit mir drüber unterhalten wollte, ich aber viel vergessen hatte.


    Es hat mir im 2. Durchgang sogar noch besser gefallen als beim ersten Mal. Diesmal würde ich tatsächlich 4ratten vergeben.


    Wells ist für mich einer der besten deutschen Schriftsteller momentan. Ich hoffe, dass wir von ihm noch viel lesen werden. Und was ich besonders schön finde: Wells ist sein Künstlername, ausgewählt nach Homer Wells aus "Gottes Werk und Teufels Beitrag" von John Irving :herz:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Allerdings gefiel mir der erste Teil des Buches (bzw. die "A-Seite" - das Buch ist gegliedert wie eine Schallplatte) um einiges besser, die "B-Seite" mit der schrägen Reise in die Türkei wirkt stellenweise bemüht und überzeichnet, hat aber auch gelungene Momente. An einigen Stellen hätte man auch getrost auf Vulgärsprache verzichten können. Der Schluss hat mich überrascht, aber auch zufriedengestellt.

    Das fasst es für mich ziemlich gut zusammen. Den ersten Teil fand ich gelungen, war spannend und fesselnd. Beck ist eine tolle Figur, weil er so viele Ecken und Kanten hat. Seine Midlifecrisis kann man gut nachvollziehen und wie er so unzufrieden mit seinem Leben ist. Wie er in seinen Gedanken auf eine Schülerin steht, obwohl er weiß, dass das absolut nicht geht... sowas macht ihn so menschlich normal.

    Aber der zweite Teil wurde mir dann ein wenig zu abgedreht. Zu überzeichnet, zu viele Drogen. Gegen Ende wurde es dann wieder besser und ich fand es wie Valentine auch versöhnlich. Also ein Buch, bei dem es sich lohnt, an den anstrengenden Stellen nicht abzubrechen, sondern weiterzulesen. Einige Passagen kann man ja überfliegen. ;)


    Wells ist sein Künstlername, ausgewählt nach Homer Wells aus "Gottes Werk und Teufels Beitrag" von John Irving :herz:

    Ach wie schön. Aus dem Buch hat er ja hier zitiert, einmal erwähnt und einmal zitiert. :)

  • Ich habe es auch kürzlich gelesen und fand es auch richtig gut. Es hat mich sofort mitgenommen und diese Midlifecrisis konnte man richtig spüren und ich auch nachvollziehen.

    Für mich ein wirklich gelungenes Werk und ich mag von ihm noch mehr lesen.

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • und ich mag von ihm noch mehr lesen.

    Das kann ich nur unterstützen :) Ich fand alle Bücher von Wells großartig, insbesondere "Spinner", "Hard Land" und "Vom Ende der Einsamkeit".

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich meine Vom Ende der Einsamkeit hab ich schon gelesen, muss ich zu Hause mal nachsehen. :love:

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Ich finde Wells auch großartig. Ich habe schon ein paar Bücher von ihm gehört/gelesen und fand auch alle super.

    Bücher kaufen und Bücher lesen sind zwei völlig verschiedene Hobbys.