Antonia S. Byatt - Possession / Besessen

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 3.915 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Keshia.

  • Antonia S. Byatt: "Possession. A Romance"


    deutscher Titel: Besessen


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    Vorab: Ein :anbet: für den Booker Prize, der mir bis jetzt von 5 Bücher 3 absolut fantastische Leseerlebnisse beschert hat, darunter dieses wunderbare Werk.


    Das Buch selbst ist viel mehr als nur die Romanze, als die es angekündigt wird. Als Epigraph ist dem Text ein Auszug aus Nathaniel Hawthorne's Vorwort zu The House of the Seven Gables vorangestellt, der scheinbar erklärt, warum die Autorin diese Bezeichnung für ihr Werk gewählt hat:

    Zitat

    When a writer calls his work a Romance, it need hardly be observed that he wishes to claim a certain latitude, both as to its fashion and material, which he would not have felt himself entitled to assume, had he professed to be writing a Novel. [...] The point of view in which this tale comes under the Romantic definition lies in the attempt to connect a bygone time with the very present that is flitting away from us.


    Als weitere Lesarten bietet sich die Detektivgeschichte an, denn der Rahmen der Geschichte kann wohl als solche bezeichnet werden. Oder eventuell könnte es auch in die Gruppe der historischen Romane fallen, und als solcher untersucht werden. Oder als Parodie auf die Methoden der modernen Literaturwissenschaft.
    Diese Vielfältigkeit, die das Werk nicht nur in dieser Hinsicht ausmacht, verwandelt es in einen wahren Schatz für die wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Wohlgemerkt habe ich es zum Vergnügen gelesen, wobei es mich über weiten Strecken doch in den Fingern juckte, zu recherchieren, nachzusehen, Konzepte zu erstellen und Passagen unter anderem Licht zu betrachten. Desgleichen tut dies dem Lesevergnügen für eine einfache Lektüre keinen Abbruch.


    Der Rahmen ist dabei die schon angesprochene Detektivgeschichte: Robert Mitchell, dessen literaturwissenschaftliches Interesse sich um Randolph Ash, einen viktorianischen Poeten dreht, findet in einem Buch des Dichters einen handschriftlichen Briefentwurf an eine Dame, die scheinbar das Interesse desselben geweckt hat. Dies passt in keiner Weise zu den weiteren Schriften und zu den bibliographischen Wissen, das man von seiner Person besitzt. Er beginnt nachzuforschen und findet die Adressatin des Briefes: Christabel LaMotte, eine Dichterin, die eben von der feministischen Literaturtheorie für sich entdeckt wurde. Seinen Fund hält er geheim vor seinem Chef Blackadder, eine der beiden führenden Ash Koryphäen.
    Seine Suche führt ihn zu Maud Bailey, einer feministischen Literaturwissenschafterin und Nachkommin aus der Familie eben jener Christabel LaMotte. Gemeinsam stoßen sie auf die Korrespondenz der beiden Poeten, die vorangegangene Forschungen obsolet erscheinen lässt: Die beiden waren ganz offensichtlich ein Liebespaar.
    Weitere Hinweise bringen die beiden Forscher auf eine beinahe abenteuerliche Reise in die Vergangenheit. Und dies bleibt nicht lange geheim, weitere Literaturwissenschafter heften sich auf ihre Fersen: Blackadder und Cropper, sein amerikanisches Pendant. Zweiterer kauft für seine Sammlung alles, was er von Ash finden kann, Briefe, Gegenstände, und ist dabei absolut skrupellos.


    Darüber hinaus bekommt der Leser viele unterschiedliche Erzählperspektiven und Textsorten vorgesetzt: Zu der personalen Erzählsituation, die unterschiedlichen Personen in der Gegenwart folgt, gesellen sich personaler und auktorialer Erzähler der Vergangenheit. Wir lernen also Randolph Ash und Christabel LaMotte nicht nur über ihre Briefe und durch andere Dokumente kennen, sondern sie treten auch selbst als Figuren der Geschichte auf (wenn auch nicht oft). Weiters lesen wir Briefe der beiden, aber auch anderer Personen aus ihrem Umfeld, Gedichte beider Poeten, Tagebücher der Frau Randolph Ashs und der Freundin der Christabel LaMotte, sowie von deren Cousine, literaturwissenschaftliche Texte komplett mit Fußnoten und ein Testament. So wird ein vielschichtiger Blick auf die beiden Dichter gewährleistet, auf ihre Motive und Handlungen. Faszinierend ist der Textcorpus, den Byatt hier heraufbeschwört, mit Auszügen aus den Hauptwerken ihrer beiden Schriftsteller. Gänzlich ohne ausgereiftes Vorwissen scheinen die viktorianischen Gedichte gelungen, der Stil in den Briefen authentisch.


    Zugegeben: Teilweise fand ich allzu lange Gedichtteile ermüdend, sie liegen mir einfach nicht. Und obwohl der Text sich sehr gut auf Englisch lesen lässt, wird es durch die quasi viktorianische Sprache und vor allem bei den Gedichten schwerer, ist also für Anfänger nicht zu empfehlen.


    Die Handlung in der Gegenwart zieht überdies einige Vorgehensweisen der Literaturwissenschafter durch den Kakao, über diese Stellen konnte ich mich großartig amüsieren. Beinahe jeder der auftretenden Wissenschafter ist ein verkappter Poet, für die meisten ist ihre Beschäftigung mit dem Thema wirklich zur Obsession geworden.


    Alles in allem: Ein Feuerwerk der interessanten Stile, denn Byatt verleiht jedem Charakter seine eigene Stimme, ein grandioses Spiel mit der Vergangenheit und dem Versuch, ihr Informationen zu entreissen, und darüber hinaus ein geniales und faszinierendes Gesamtkunstwerk!


    Darum kann es nichts anderes geben als:
    5ratten :tipp:



    EDIT: Betreff angepasst. LG Seychella

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried

    Einmal editiert, zuletzt von Seychella ()

  • Diese ausführliche Rezi gibt auch meine Begeisterung für dieses Buch wieder. Leider liegt meine Lektüre schon mehr als zehn Jahre zurück, aber ich weiß, dass ich damals das Gefühl hatte, noch nie zuvor ein so schönes, umwerfendes und faszinierendes Stück Literatur in den Händen gehalten zu haben. Insbesondere der Wechsel zwischen den Protagonisten, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die Bezüge, die allmählich hergestellt werden, die Verflechtungen, die von der Vergangenheit in die Gegenwart hineinreichen, bis hin zum furiosen Finale - das hat mich unheimlich begeistert. Und ich merke, es begeistert mich noch heute. Ich denke, ich werde das Buch demnächst mal einer Wiholek zuführen...


    Danke, Yklamyley. :winken:

  • Der junge Literaturwissenschaftler Roland Michell stößt bei Recherchen in der Bibliothek zufällig auf zwei bisher unbekannte Originalbriefe des Dichters Randolph Henry Ash an eine unbekannte Frau. Er ist augenblicklich fasziniert von den Dokumenten, die eine willkommene Abwechslung von seinem eher tristen Alltag und seiner festgefahrenen Beziehung darstellen, und schickt sich zu weiteren Recherchen an, in deren Verlauf er Maud Bailey kennenlernt, eine Expertin in Sachen Christabel LaMotte, einer Dichterin und Zeitgenossin von Ash und mutmaßliche Adressatin der Briefe.


    Viel mehr vom Inhalt möchte ich gar nicht preisgeben.


    Nach einem gemächlichen Beginn mit einer sehr schönen Szene in der Bibliothek, in der Roland die Dokumente entdeckt, musste ich mich erst ein wenig einlesen in den eloquenten Stil einerseits und die akademischen Verwicklungen, die die Ausgangssituation bilden, andererseits. Spätestens als Roland und Maud das alte Herrenhaus aufsuchen, in dem LaMotte einmal gelebt hat, hatte mich das Buch dann aber vollkommen gefangengenommen.


    In die Rahmenhandlung um die Entdeckung der Briefe eingebettet sind Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen von Ash, Christabel und einigen Zeitgenossen wie auch einige Geschichten, Märchen und Gedichte aus der Feder der beiden Dichter, die mir als Abrundung des Gesamteindrucks von den beiden Personen sehr gut gefallen haben.


    Durch die verschiedenen Zeitebenen und die zusätzlich eingestreuten kleinen literarischen Werke der Protagonisten verflicht sich Mauds und Rolands akademisches Detektivspiel mit einer viktorianischen Liebesgeschichte und Milieuschilderung, wunderschönen Landschaftsbeschreibungen aus Großbritannien und der Bretagne und vielen Anleihen und Bearbeitungen bretonischer und nordischer Mythologie.


    Man braucht Ruhe und Muße für dieses Buch, doch die verdient es auch. Ein kluges, literarisches, schönes Lesevergnügen, das sich auch beim zweiten und dritten Lesen lohnen wird, und eines meiner Highlights in diesem Jahr.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Eines meiner Lieblingsbücher.
    Ich habe das Buch gewiss schon 3mal gelesen. Ein rundum befriedigendes Vergnügen.
    Das letzte Mal habe ich auch die Gedichtpassagen schätzen gelernt.
    Kann ich nur jedem empfehlen. Selbst meine Schwester und meine Mutter fanden es
    gut, das ist eine Seltenheit, dass wir uns einig sind.
    Auch die Verfilmung aus 2002 hat mir gut gefallen. :winken:

  • Emily: am besten nimmst Du Dir das Buch noch mal vor, wenn Du viel Lesezeit und Muße hast :smile:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Antonia S. Byatt – Besessen

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    OT: Possession
    OA: 1990
    632 Seiten
    ISBN: 978-3518457184


    Inhalt:


    Der junge Literaturwissenschaftler Roland Michell stößt auf einen unbekannten Liebesbrief des berühmten Dichters Randolph Henry Ash – ein sensationeller Fund und die große Chance für den perspektivlosen Forscher. Mit der Hilfe seiner Kollegin Maud Bailey versucht er, Ashs Geheimnis zu enthüllen. Bei der Jagd nach beweiskräftigen Dokumenten stürzen sich Roland und Maud in eine leidenschaftliche Affäre – und verstricken sich immer tiefer in ein Netz aus ominösen Intrigen und gefährlichen Verwicklungen: Denn sie sind nicht allein auf der Suche nach der geheimnisvollen Adressatin …


    Eigene Meinung:


    Dieses Buch ist mit Sicherheit gut geschrieben in einem gehaltvollen Stil und gut aufeinander abgestimmten Sätzen, aber …


    Es liegt höchstwahrscheinlich an mir persönlich, aber ich habe mich durch dieses Buch gequält. Schon lange habe ich nicht mehr so lange für ein Buch gebraucht und hätte ich es nicht für den SLW gelesen, dann hätte ich es schon längst abgebrochen. Es ist übrigens das erste Buch, welches mir, obwohl von Valentine empfohlen, gar nicht gefiel.


    Die Protagonisten langweilten mich, ich konnte weder zu Roland und Maude noch zu Christabel und Henry Ash eine Beziehung aufbauen.
    Für die historische Beziehung waren mir die beiden Dichter zu uninteressant. Es wäre vielleicht anders gewesen, hätte die Autorin bekannte Dichter genommen, aber dann wiederum hätte sie natürlich nicht solch eine Geschichte schreiben können. Die Rahmenhandlung von Maude und Roland empfand ich ebenfalls als nicht ansprechend. Keiner der beiden war mir sympathisch. Sie waren mir auch nicht unsympathisch. Sie waren mir egal, allesamt. Das habe ich selten bei einem Buch und ich weiß nicht, warum es bei diesem so war, von dem doch die meisten Menschen begeistert sind.
    Die endlosen Gedichtsauszüge, stellenweise über mehrere Seiten habe ich irgendwann, obwohl sie zum Inhalt des Romans beitragen, nur noch quergelesen, da ich sie als extrem ermüdend und nichtssagend empfand.
    Ich war erleichtert, als ich endlich das letzte Wort las und werde noch erleichterter sein, wenn diese Rezension fertig ist, denn mir fällt partout kein positiver Punkt bei diesem Buch ein.


    2ratten

  • Oh, schade, dass es Dir nicht gefallen hat. Aber manchmal springt einfach kein Funke über. Ich hatte damals auch ziemlich viel Zeit zum Lesen, das hat sicher geholfen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo,

    vor längerer Zeit habe ich das Buch gelesen und sogar in der Uni besprochen. Kürzlich las ich mir mal den Wikipediaeintrag dazu durch und dort steht, dass man im gesamten Buch immer wieder Verweise auf George Sand fände. Allerdings ist das die einzige Quelle, die ich dafür gefunden habe. Bei uns im Kurs wurde der Name gar nicht erwähnt.

    Ich habe mir dann die Biografie von George Sand durchgelesen (auch Wikipedia) und kann darin schon mal nichts finden, das mich an das Buch erinnert.


    Weiß jemand, welche Verweise das sind?


    George Sand scheint biografisch durch sehr viele Beziehungen und Affären mit Menschen beiderlei Geschlechts aufgefallen zu sein. Der einzige Hinweis, den ich mir vorstellen könnte, ist die Beziehung zwischen Christabel und Blanche, das fände ich aber für einen Hinweis auf Sand relativ dünn. So weit ich weiß, kam in dem Buch nichts mit diversen Beziehungen oder Affären vor, außer, dass die Freundin von Roland am Ende ein paar lockere Beziehungen hatte, also mehr als eine, aber das wurde meiner Erinnerung nach nicht so aufgebauscht.


    Findet da jemand Verweise auf George Sand oder hat sich jemand bei Wikipedia einen Scherz erlaubt?

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.