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"Warum finden, wenn man auch suchen kann."
Inhalt
Im Winter 1978/79 versinkt Norddeutschland im Schnee. In Vidtoft, einem kleinen Dorf an der deutsch-dänischen Grenze, bricht der Wirt des "Grenzkrugs" plötzlich zusammen. Paul Tamm wird ins Krankenhaus gebracht, zurück bleibt seine besorgte Familie. Besonders sein Ziehsohn Jannis leidet unter der Ungewissheit, so dass er sich in Erinnerungen flüchtet: wie er selbst nach dem Zweiten Weltkrieg als kleiner Junge in die Familie kam, wie die Gastwirtschaft gemeinsam wiederaufgebaut wurde und wie er mit Paul im Watt nach Spuren der versunkenen Stadt Rungholt suchte.
Meine Meinung
Abwechselnd werden die beiden Erzählstränge verfolgt, wobei Jannis' Erinnerungen den größeren Raum einnehmen. Die Rückblenden setzen mit Pauls Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft ein und beleuchten in erster Linie das Verhältnis der beiden zueinander, aber auch die Höhen und Tiefen der Familie. Paul steckt zuerst all seine Energie in den Wiederaufbau des Gasthofs, reißt die anderen Familienmitglieder durch seine Motivation mit und fügt dadurch auch die Familie wieder zusammen. Nach einer Weile zieht er sich aber mehr und mehr aus dem Betrieb zurück und wendet sich einer leidenschaftlichen Suche nach Rungholt zu. Mit Jannis unternimmt er Ausflüge ins Watt, lässt ihn an seinem Wissen teilhaben und diskutiert mit ihm seine Theorien; die Familie droht wieder zu zerbrechen. So wie Paul nach Überresten Rungholts sucht, ist Jannis auf der Suche nach seinen Wurzeln. Nie fragt er seinen Ziehvater direkt und erhält somit immer nur Fragmente seiner eigenen Geschichte.
Neben dieser doppelten Spurensuche nimmt das Geflecht von Beziehungen einen zentralen Platz ein, wobei nicht nur die Familie im "Grenzkrug" beleuchtet wird sondern auch die gesamte Dorfgemeinschaft, einschließlich der Flüchtlinge, die nach dem Krieg im Gasthof untergebracht werden. Und damit eng zusammenhängend gibt es natürlich auch zahlreiche kleinere und größere Konflikte, von persönlichen Abneigungen bis hin zum deutsch-dänischen Konflikt.
Die Verschränkung der beiden Erzählebenen erzeugt, auch wenn nicht wirklich viel passiert, einen Sog, der mich das Buch nur widerwillig aus der Hand legen ließ. Viele Fragen werden aufgeworfen, aber nicht alle beantwortet, was durchaus zum Reiz des Buches beiträgt. Im Gegenzug arbeitet Christophersen Details ein, die erst an späterer Stelle, meist durch die Rückblicke, eine Bedeutung erhalten.
Das Buch lebt eindeutig von der Sprache - nordisch-karg, schnörkellos, auf den Punkt. Christophersen charakterisiert seine Protagonisten oft durch deren Handlungen, die er umso genauer beschreibt. Besonders gefallen haben mir seine Landschaftbeschreibungen; die zahlreichen Farben des Himmels und des Meeres, die unterschiedlichen Beschaffenheiten des Watts, die verschiedenen Formen des Horizonts. Hinzu kommt der Schnee, der zwar nichts von seiner Bedrohlichkeit einbüßt, aber ebenso seine Schönheit entfalten kann. Von Farben und Formen bis hin zu Geräuschen hat Christophersen alles eingefangen, was den Norden ausmacht, eingeschneit oder nicht. Am liebsten wäre ich einfach ins Auto gesprungen und Richtung Norden gefahren, hätte vor meinem eigenen Fenster nicht gerade ein Schneesturm gewütet...
Zum Lesevergnügen hat sicherlich auch die Aufmachung des Buches beigetragen, der mareverlag hat hier eine (stil-)sichere Hand bewiesen. Abgesehen davon, dass ich das Cover großartig finde, wird auch im Inneren mit gedeckten Grau- und Blautönen gearbeitet. Nur eine Kleinigkeit, aber für mich trotzdem eine willkommene Abwechslung zum sonstigen Einerlei.
Dieses stille, aber stimmungsvolle Buch hat definitiv verdient!
Viele Grüße
Breña