Johann Wolfgang Goethe - Faust I

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    Inhalt:
    Faust, der umfassend gebildete Universalgelehrte, befindet sich in einer tiefen Krise bei seiner Suche nach dem, »was die Welt im Innersten zusammenhält«. Eingesperrt in seine Gelehrtenstube drängt es ihn schließlich bis nahe an den Selbstmord. Nur die Osterglocken retten ihn. Beim berühmten Osterspaziergang wird ihm bewusst, dass er sich nach umfassendem Weltwissen gleichermaßen wie nach irdischer Weltlust sehnt. Da er sich aber von allen irdischen Lebenswerten abgeschnitten sieht, verflucht er das Leben. Hier nun wittert der Teufel in Gestalt des Mephisto seine Chance und bietet Faust einen Pakt an: Würde dieser auch nur einen Augenblick das Leben genießen und dabei verweilen wollen, wäre Fausts Seele auf immer verloren.


    Interessenten:
    Saltanah
    Annabas
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    mecedora
    Nachwuchsheldin
    [hr]
    Viel Spaß!

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo miteinander,


    will sonst keiner den Anfang machen? Dann bin ich so frei.


    Ich habe den Faust zuletzt in der Schule gelesen, und das ist inzwischen viele Jahre her. Wie viele das sind, verrate ich nicht. :zwinker:
    Seither habe ich das Stück vielleicht zweimal in der Gründgens-Quadflieg-Verfilmung gesehen; für einen Ausflug in den Harz habe ich Walpurgisnacht-Szene noch einmal gelesen (und Teile davon auf einer Klippe stehend deklamiert, ohne Publikum natürlich, sonst wäre ich vor Verlegenheit tot umgefallen), darüber hinaus gab es keinerlei weitere Berührungspunkte.


    Heute Abend habe ich die drei Prologe gelesen und es ist schon eigenartig – ich habe das Gefühl, dass mir jedes Wort bekannt ist und ich nach einmal Lesen schon auswendig zitieren könnte. Das kann ich natürlich nicht. Aber die Worte sind mir absolut geläufig. Ich habe viele Zitate erkannt (das geht vermutlich auch noch so weiter) und mir fällt auf, zu wie vielen Gelegenheiten aus dem Faust zitiert wird: in Werbung, Politik u. s. w. Es scheint, ein Faust-Zitat passt immer.


    Im ersten Prolog „Zueignung“ bin ich gleich über den Titel gestolpert. Zuerst las ich „Zuneigung“, dann konnte ich mich korrigieren, aber ich habe mich gefragt, wieso Zueignung? Soll ich darunter Annäherung verstehen oder ist es eine Aufforderung, mir den Text „zu eigen“ zu machen? Vermutlich Letzteres.


    Die Strophen der Zueignung strahlen eine schöne Melancholie aus, sie wirken auf mich sehr wehmütig und berührend.


    Gleich bei der ersten Verszeile „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten“ musste ich an meinen Vater denken, er gebrauchte sie oft und gerne bei ausufernden Familienfesten. Damals fand ich es nervig, heute in der Erinnerung kann ich es eher schätzen. Meine kommentierte Ausgabe sagt mir aber, dass mit „schwankend“ etwas anderes gemeint ist, nämlich „ungeformt“.


    Das „Vorspiel auf dem Theater“ erscheint mir wie eine Satire: Da ist der geschäftstüchtige Theaterdirektor, der sich sorgt, dass die Bude nicht voll wird oder den Zuschauern das Stück nicht gefällt. Dann kommt der Dichter, der am liebsten für die Ewigkeit und nicht für das Publikum schreiben will. Und dann ist da noch die „lustige Person“, die mir am ehesten aus dem Herzen spricht und sagt, dass die Leute eben unterhalten werden wollen. Das erinnert mich an einige Diskussionen hier im Forum.


    Den dritten Prolog „Prolog im Himmel“ hatte ich noch am allerbesten in Erinnerung. Hier beginnt also des Teufels Werk. :zwinker:


    Ich bin gespannt auf eure Gedanken!
    Ich lese übrigens die von Erich Trunz kommentierte Ausgabe - falls es jemanden interessiert.


    Grüße von Annabas :winken:

  • Hallo Annabas,
    hallo alle zusammen,


    ich war schon mal hier und habe mich wieder aus dem Staub gemacht, da noch niemand etwas geschrieben hatte. Dein Anfang, Annabas, ist wenigstens ein würdiger :zwinker:.


    Mein Einstieg in den Faust war nicht einfach, denn ich hatte bisher noch nie damit zu tun, und entsprechend schwer fällt es mir, schon etwas Gehaltvolles darüber zu schreiben. Im Lesen von Dramen bin ich eher ungeübt und erhoffe mir von der Leserunde Denkanstöße, die mir das Verstehen vereinfachen.


    Ich habe vorab erst die drei Prologe gelesen und festgestellt, dass ich mich erst einmal an die Sprache gewöhnen muss, auch wenn die Zitate sehr geläufig sind. Recht viel dazu sagen kann ich leider noch nicht.


    Eigentlich wollte ich in meiner Münchner Ausgabe lesen, aber da die Ausgabe des C. H. Beck Verlages einiges an Kommentaren und Erläuterungen bietet, habe ich mich für dieses Buch entschieden.


    Grüße
    Doris


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  • Dein Anfang, Annabas, ist wenigstens ein würdiger :zwinker:.


    Huch. :redface: Danke für die Blumen. :zwinker:


    Ich denke, es ist einfacher, etwas zu schreiben, wenn die Handlung beginnt - die Prologe wirken für sich etwas zusammenhanglos. Bis auf den "Prolog im Himmel", der ist die Einleitung und erklärt, warum Mephisto so hinter Fausts Seele her ist.


    Grüße von Annabas :winken:

  • Hallo zusammen!


    Auch ich habe heute abend angefangen und die drei Prologe gelesen.



    Ich habe den Faust zuletzt in der Schule gelesen,


    Ich auch, und ich scheue mich nicht, genaue Zahlen zu nennen: wenn ich richtig rechne, ist das 26-28 Jahre her. Ich habe den Faust auch mehrmals im Theater gesehen, damals.


    Und mir geht es ganz genauso wie dir, Annabas:


    ich habe das Gefühl, dass mir jedes Wort bekannt ist und ich nach einmal Lesen schon auswendig zitieren könnte. Das kann ich natürlich nicht. Aber die Worte sind mir absolut geläufig. Ich habe viele Zitate erkannt


    das kann ich zu 100% unterschreiben! (Viele Faust-Zitate begegnen einem immer wieder im Alltag.)


    Und ich erinnere mich auch weder daran, mit wieviel Begeisterung und Herzblut ich den Faust damals gelesen habe.


    Ich habe übrigens eine Ausgabe völlig ohne Kommentare, Reclam von 1974 (habe ich also damals auch schon gebraucht gekauft), aber ich habe damals reichlich unterstrichen und teils auch kurze Notizen hineingeschrieben. Meine sonstigen Aufzeichnungen aus Schulzeiten habe ich natürlich nicht mehr. Bei kniffligeren Interpretationen bin ich also auf euch angewiesen.


    Die Zueignung verstehe ich nicht aus Aufforderung, sondern schlicht als Widmung des Autors.


    Das Vorspiel auf dem Theater ist eine Art Metaebene: hier wird die Kunst von der Realität eingeholt. Man kann ein Stück eben nur aufführen, wenn es sich auch "rechnet", findet der Theaterdirektor. Heute so aktuell wie nie zuvor!! Dem Dichter geht es eher um die reine Kunst und nicht den Kommerz. Auch das ist zeitlos.


    Der Prolog im Himmel hat mir schon immer sehr gut gefallen. Hier wird auf den Punkt gebracht, worum es im folgenden gehen wird.
    Eindringlich dabei sind die Sichtweise Mephistos auf die Menschen: "Er nennt´s Vernunft und braucht´s allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein." Zynisch, aber treffend, und leider auch wieder zeitlos gültig...
    Und im Gegensatz dazu, und als Antwort darauf, Gottes Vertrauen in die Menschen - sozusagen eine Art Umkehrung von dem, was man gemeinhin als "Gottvertrauen" bezeichnet: "Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewußt."


    Soviel für heute, gute Nacht
    kaluma

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Hey,
    ich habe gestern auch die ersten drei Prologe gelesen :breitgrins:


    Meine bisherigen Erfahrungen mit Faust sind nur äußerst gering und zudem auch keine ernsthafte Lektüre... Mit Freunden haben wir mal den Faust an einem Abend/Nacht mit verteilten Rollen gelesen. Die ganze Aktion war sehr lustig, aber inhaltlich ist bei mir kaum etwas im Gedächtnis geblieben. Ich gehe also fast jungfräulich in diese Leserunde. :breitgrins:



    Im ersten Prolog „Zueignung“ bin ich gleich über den Titel gestolpert. Zuerst las ich „Zuneigung“, dann konnte ich mich korrigieren,


    Das ist mir auch passiert! Aber ich konnte meinen Fehler erst jetzt korrigieren. :redface: Ich habe mich zwar schon gefragt, was das wohl mit Zuneigung zu tun haben soll, aber ich habe es einfach mal hingenommen... Ich bin sowieso davon ausgegangen, dass mir wohl manche Sachen begegnen werden, die ich ohne Erklärung nicht verstehen werde...


    Vorspiel auf dem Theater
    Hier ist mir sehr der Unterschied zu moderneren Romanen aufgefallen. Heutzutage bekommt eigentlich jede Person einen Namen und eine kurze Beschreibung. Hier findet man jedoch nur einen Dichter, einen Theaterdirektor und eine lustige Person. Die Benennung lustige Person hat mir dabei besonders gut gefallen. :smile:


    ... Heute so aktuell wie nie zuvor!! Dem Dichter geht es eher um die reine Kunst und nicht den Kommerz. Auch das ist zeitlos.


    Diese Zeitlosigkeit fasziniert mich schon jetzt sehr und ich denke uns werden immer wieder Szenen unterkommen, bei denen wir denken werden, dass es genauso noch für heute gilt. Daher wird wahrscheinlich immer noch so oft aus Faust zitiert...


    Prolog im Himmel

    Zitat von Mephistopheles

    ... Und jeden Quark begräbt er seine Nase!


    Diese Stelle habe ich immer wieder gelesen! Ich bin mir mittlerweile sehr sicher, dass ich mich nicht verlesen habe und muss über diese Wortwahl lachen :breitgrins:


    Nun bin ich froh, dass die Geschichte selbst beginnt, denn aus den Anfängen konnte ich noch so gar nichts herausziehen. Gut, dass ich nicht mehr in der Schule bin und mir nun eine Interpretation ausdenken muss... :rollen: Totzdem werde ich heute noch mal kurz in meine Stadtbücherei wandern um mir eine Lektürhilfe zu besorgen. Ich befürchte, dass ich ohne völlig planlos sein werde!


    Viele Grüße
    foenig

  • Ich habe gestern ebenfalls die drei Prologe gelesen, leider in einer unkommentierten Ausgabe. Ich bin, was Faust angeht, nahezu "unbeleckt". Abgesehen von der Gründgensverfilmung, die ich 1979 oder 80 einmal im Kino gesehen habe, kenne ich nur ein paar Zitate. Allerdings keine aus den Prologen, was mich ziemlich überraschte. Ich dachte "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft", stamme aus dem Gespräch Gott-Mephisto ganz am Anfang.


    Zueignung verstehe ich auch als "Widmung", nur ist mir völlig unklar, wem Goethe denn nun das Drama gewidmet hat. Seiner Inspiration, der er seine Werke zu verdanken hat?
    Ich stelle mal wieder fest, dass ich gereimtes (bzw. Gedichte in jeder Form) einfach nicht lesen kann. Ich kann mich zwar an der Sprache, den Lauten ergötzen, aber den Inhalt verstehe ich - wenn überhaupt - erst nach mehrfachem Lesen. Und wenn's dann an irgendwelche poetischen Bilder geht...
    Ich hoffe auf einfacheres Lesen, wenn es richtige Dialoge gibt.


    Vorspiel auf dem Theater


    Man kann ein Stück eben nur aufführen, wenn es sich auch "rechnet", findet der Theaterdirektor. Heute so aktuell wie nie zuvor!! Dem Dichter geht es eher um die reine Kunst und nicht den Kommerz. Auch das ist zeitlos.


    Und beide haben sie recht.
    Am meisten gefällt mir die Aufforderung der lustigen Person an den Dichter, doch nicht für die Nach- sondern die Mitwelt zu schreiben. Die lustige Person holt den Dichter von seinem Piedestal herunter und sagt ihm "Mach' was, räsonniere nicht über das Dichten, sondern dichte!" (Glaube ich zumindest. Wie gesagt tue ich mich richtig schwer mit gereimtem Zeug.)


    Prolog im Himmel
    Wie schon im Film gefällt mir auch hier der Mephistopheles am besten. Die Erzengel bauchpinseln Gott, indem sie ihm erzählen, die gesamte Schöpfung sei so "herrlich wie am ersten Tag", was Mephistopheles ironisch verarbeitet zu einem "Der kleine Gott der Welt [der Mensch] (...) ist so wunderlich , als wie am ersten Tag", und setzt noch einmal eins drauf mit seiner Feststellung, dass ihm die Menschen so leid tun, dass er "sogar die armen selbst nicht plagen" mag. So recht abnehmen will ich ihm sein Mitgefühl allerdings nicht.
    Gott macht eine weniger sympathische Figur. Er lässt sich mal wieder mit einem Teufel auf eine Wette ein - um seiner Unterhaltung willen, will mir scheinen. Ich sehe ihn als einen gelangweilten Potentaten, der sich über den Widerspruch eines seiner Untergebenen freut, und das Fußvolk (die Menschen) zu seinem Amüsement gebraucht. Zwar kommt der Wettvorschlag von Mephistopheles, aber Gott hat ihn meiner Meinung nach dazu herausgefordert, indem er ihm den perfekten Faust vor die Nase hält. Gar nicht nett, finde ich.
    Jetzt verstehe ich auch, wieso wir (falls wir das tun) im Vaterunser "Und führe uns nicht in Versuchung" beten. Genau das tut Gott doch hier, sogar doppelt. Einmal versucht er Mephistopheles und über ihn den Faust.

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()


  • Er lässt sich mal wieder mit einem Teufel auf eine Wette ein ...


    Mephisto schlägt die Wette zwar vor, aber so viel ich weiß, geht Gott nicht darauf ein. Er schlägt sie aber auch nicht direkt aus. Das kann man jetzt so oder so interpretieren - als Gleichgültigkeit oder als festes Vertrauen auf Fausts Standhaftigkeit.


    Grüße von Annabas :winken:

  • Mephisto schlägt die Wette zwar vor, aber so viel ich weiß, geht Gott nicht darauf ein. Er schlägt sie aber auch nicht direkt aus. Das kann man jetzt so oder so interpretieren - als Gleichgültigkeit oder als festes Vertrauen auf Fausts Standhaftigkeit.


    Stimmt, er sagt nichts auf Mephistopheles' "Was wettet ihr?" Aber ich bleibe bei meiner Behauptung, dass er Mephistopheles bewusst auf Faust "angesetzt" hat.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Ich dachte "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft", stamme aus dem Gespräch Gott-Mephisto ganz am Anfang.


    Nein, das sagt Mephisto in der Studierstube, als er sich Faust zeigt (meine ich mich zu erinnern).



    Zueignung verstehe ich auch als "Widmung", nur ist mir völlig unklar, wem Goethe denn nun das Drama gewidmet hat. Seiner Inspiration, der er seine Werke zu verdanken hat?


    Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Nach meinem Gefühl müßten es die Quellen seiner Inspiration/Schaffenskraft sein. Entweder seine Vorfahren/Mitmenschen (die ihn zu dem gemacht haben, was er ist), oder die Musen, oder seine Lebenserfahrungen und Erkenntnisse, die sich in seinen Werken niederschlagen.


    Aber offenbar bin ich mit dieser Deutung gründlich auf dem Holzweg. Ich habe heute ein paar Bücher mit Kommentaren aus der Bücherei ausgeliehen, und demnach geht es in der Zueignung um die Wiederaufnahme seines Lebenswerkes.

    Dabei widersprechen sich die Kommentatoren teilweise auch: Zitate: "Der >Faust< beginnt mit einer nachdenklichen Widmung,..." (Andrea Komp: Lektüre-Durchblick: Faust I - Inhalt, Hintergrund, Interpretation), und: "Entgegen den Erwartungen, die der Titel erweckt, ist die im Jahre 1797 geschriebene, durch die klassische Stanzenform zu feierlicher Emphase erhobene Zueignung keine Widmung. ... macht er es [sein Werk] sich selbst neu zu eigen, ja das Werk mit seinen Gestalten eignet sich ihm zu." (Jochen Schmidt: Goethes Faust Erster und Zweiter Teil - Grundlagen, Werk, Wirkung).


    Ich hoffe mal, daß ich durch diese Sekundärliteratur nicht vollends verwirrt werde und werde da wohl besser nur im absoluten Notfall hineinschauen. Ich habe auch wenig Lust, Sekundärliteratur in -zigfachem Umfang des Faust zu lesen (das Buch von Jochen Schmidt hat über 300 Seiten... :rollen:).




    Vorspiel auf dem Theater


    Und beide haben sie recht.


    Stimmt - keine der beiden Sichtweisen funktioniert für sich alleine.



    Zwar kommt der Wettvorschlag von Mephistopheles, aber Gott hat ihn meiner Meinung nach dazu herausgefordert, indem er ihm den perfekten Faust vor die Nase hält. Gar nicht nett, finde ich.
    Jetzt verstehe ich auch, wieso wir (falls wir das tun) im Vaterunser "Und führe uns nicht in Versuchung" beten. Genau das tut Gott doch hier, sogar doppelt. Einmal versucht er Mephistopheles und über ihn den Faust.


    Herausgefordert haben ihn wohl eher die Erzengel mit ihrem Schöpfungslob. Gott sagt ja selbst, daß Faust nicht perfekt ist, sondern daß er ihn erst noch in die Klarheit führen will.
    Ich denke, Gott geht auf die Wette ein, weil er weiß, daß es sowieso nicht zu verhindern ist, daß eine solche Versuchung auf Faust zukommt. Und daß Faust sie wohl sogar braucht, um seinen richtigen Weg zu finden.


    Grüße
    kaluma

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Hallo miteinander,



    Ich hoffe mal, daß ich durch diese Sekundärliteratur nicht vollends verwirrt werde und werde da wohl besser nur im absoluten Notfall hineinschauen. Ich habe auch wenig Lust, Sekundärliteratur in -zigfachem Umfang des Faust zu lesen (das Buch von Jochen Schmidt hat über 300 Seiten... :rollen:).


    Ähnlich geht es mir mit meinen Kommentaren - ich überfliege sie nur grob.


    Inzwischen habe ich die Szene "Nacht" gelesen.


    Faust ist ein interessanter Charakter, übermäßig wissensdurstig, will den Dingen auf den Grund gehen und verzweifelt am eigenen Unvermögen "... und bin so klug als wie zuvor". Der Ausweg liegt auf der Hand: Magie! Dass dies ein gefährlicher Weg ist, ist Faust auch bewusst:
    "Die wenigen, die was davon erkannt,
    Die töricht gnug ihr volles Herz nicht wahrten,
    Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,
    Hat man von je gekreuzigt und verbrannt."


    Im Gegensatz zu Faust ist sein Bewunderer Wagner sehr von sich überzeugt: "Zwar weiß ich viel, doch möcht' ich alles wissen." Vermutlich fühlt er sich seinem Vorbild schon sehr nahe, ohne zu ahnen, wie viel er noch vor sich hat. Wobei ich denke, dass Wagner ein Mensch ist, der das gar nicht erfassen kann und will.


    Die Begegnung mit dem Geist hat Faust auf den Boden der Tatsachen zurück geworfen, er ist am Ende. Interessant finde ich die Idee, dass der Osternachtgottesdienst (mit dem symbolischen Durchgang vom Tod ins Leben) Faust daran hindert, das Gift zu trinken. Er ist sozusagen auch wieder ins Leben getreten: "Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder."


    Und jetzt freue ich mich auf den Osterspaziergang - gut, dass wir den Faust zu dieser Jahreszeit lesen, das passt wirklich prima.


    Grüße von Annabas :winken:


    EDIT: ich habe noch gar nichts zur Sprache geschrieben: ich finde sie wunderschön und manche Abschnitte muss ich laut lesen.

    Einmal editiert, zuletzt von Annabas ()

  • Schönen guten Abend ihr Lieben! :winken:


    Ich habe heute auch mal die drei Prologe gelesen. Leider muss ich gestehen, dass ich bisher noch nie etwas von Goethe gelesen habe, in der Schule wurde er nie durchgenommen... Sehr schade, wie ich jetzt finde! Zwar finde ich das Lesen etwas anstrengend, weil ich mich wahnisnnig konzentrieren muss, aber es macht mir sehr viel Spass. Bisher versuche ich mich an einer Ausgabe ohne Kommentare. Ich hoffe, wenn ich nicht mehr weiterkomme mit meinen Interpretationen, könnt ihr mir weiterhelfen :breitgrins:.


    Zueignung
    Spontan hätte ich gedacht, dass es sich hier um einen Rückblick auf das Leben(swerk) handelt.



    Aber offenbar bin ich mit dieser Deutung gründlich auf dem Holzweg. Ich habe heute ein paar Bücher mit Kommentaren aus der Bücherei ausgeliehen, und demnach geht es in der Zueignung um die Wiederaufnahme seines Lebenswerkes.


    Dass es sich um die Wiederaufnahme handelt, hätte ich nicht gedacht und auch beim zweiten Durchlesen konnte ich für mich keine eindeutigen Hinweise dafür entdecken.


    Vorspiel auf dem Theater
    Hier ging es mir wie vielen von euch. Während dem Lesen habe ich mir überlegt, wann genau Goethe das nochmals geschrieben hat, da diese Dialoge auch wunderbar in die heutige Zeit passen.


    Prolog im Himmel
    Hier, nehme ich an, erfährt man, worum es nachher in der Geschichte gehen wird. Ich bin gespannt welchen Weg Faust einschlagen wird. Es scheint Mephistopheles will sich aktiv einmischen und versuchen Faust vom rechten Weg abzubringen während der Herr hingegen einfach auf das Gute in ihm vetraut.

    :leserin: <br />Joyce Carol Oates - Du fehlst

  • Hallo zusammen,


    ich habe leider noch nicht mit dem Gedicht anfangen können, da ich mich noch immer durch den 1000-seitigen Kommentarband wühle. Im Gegensatz zu meinen Vorschreibern empfinde ich meine vom Deutschen Klassiker Verlag, von Albrecht Schöne hg. Ausgabe höchlichst interessant und aufschlussreich. So beginnt Schöne bspw. erläuternd mit der Intention Goethes, welcher ein Welt-Gedicht schreiben wollte (d.h. poetische Vorlagen aus der "Weltliteratur" verwendet hat und dadurch der "Welt(literatur)" mit seinem Gedicht wieder zurückgeben wollte, sichtbar z.B. an den 37 (!) unterschiedlichen Metren). Gerade habe ich die Überlieferungs- und Editionsgeschichte des Faust beendet, welche sich zu einem regelrechten Krimi entwickelt hat, da jeder Herausgeber wohlwollend meinte den Text in seiner Interpunktion und gelegentlich auch im Wortlaut - im angeblichen Sinne des Autors - "berichtigen" zu müssen und sich so im Laufe der Jahrzehnte tausende Abweichungen vom Originaltext angehäuft haben.


    Kurz und gut: Schöne hat einen beeindruckenden Kommentarband geliefert, welcher mich für Text, dessen Absichten, ja sogar für die (Gründe der) Interpunktion sensibilisiert haben und mich vor Ungeduld, die eigentliche Lektüre endlich beginnen und entdecken zu können, mit den Hufen scharren lässt.



    EDIT: ich habe noch gar nichts zur Sprache geschrieben: ich finde sie wunderschön und manche Abschnitte muss ich laut lesen.


    Goethes Dichtung vereint ein Bühnenwerk, ein Lesedrama und einen Vorlesetext - das "Laut lesen" liegt also in der gewünschten Absicht des Autors. Weiter auch: "Über weite Strecken hin nimmt die Faust-Dichtung geradezu Singspielcharakter an, ist als Oratorium angelegt, nähert sich der Oper." (Schöne, 19)


    (Hoffentlich kann Goethes Text mit dem beeindruckenden Kommentarband mithalten. :zwinker:)


    Liebe Grüße,
    bimo

  • (Hoffentlich kann Goethes Text mit dem beeindruckenden Kommentarband mithalten. :zwinker:)


    Liebe Grüße,
    bimo


    Ein Kommentar kann doch im Prinzip auch nur so gut sein wie das Kommentierte, würde ich sagen.


    Ich würde zumindest keinen 1000-seitigen Kommentar über Stephenie Meyer-Bücher lesen..


    Ich muss bisher sagen, dass mir von den Prologen das Vorspiel auf dem Theater am ausnehmend besten gefallen hat, die Sprache an sich ist wirklich schön und einfach während des Lesens angenehm mäandernde Poesie und oftmals wirken die Verse wie eine bloße Aneinanderreihung von Aphorismen. So angenehm, dass mir während des Lesens stellenweise schon beinahe der Kontext, sprich die Handlung, sozusagen abhanden gekommen sind und ich einfach nur eine Zeile nach der nächsten genossen habe.


  • ich habe leider noch nicht mit dem Gedicht anfangen können, da ich mich noch immer durch den 1000-seitigen Kommentarband wühle.


    :ohnmacht:



    Im Gegensatz zu meinen Vorschreibern empfinde ich meine vom Deutschen Klassiker Verlag, von Albrecht Schöne hg. Ausgabe höchlichst interessant und aufschlussreich. So beginnt Schöne bspw. erläuternd mit der Intention Goethes, ...


    Bewundernswert - ich kann solche Texte leider nicht lesen, weil ich sie nicht begreife, weil mir Literaturwissenschaft und Germanistik überhaupt nicht liegen und auch ein Gutteil Hintergrundwissen fehlt.



    EDIT: ich habe noch gar nichts zur Sprache geschrieben: ich finde sie wunderschön und manche Abschnitte muss ich laut lesen.


    Ja, die Sprache ist wunderschön und ich bewundere immer wieder Goethes sprachliche Genialität, wie er es schafft, mit so wenigen Worten so Treffendes auszudrücken.
    Deswegen ist die Lektüre zwar schön, man kann sie so richtig genießen, aber auch ein wenig anstrengend: man muß sich konzentrieren und auf jedes Wort achten, weil es eben "Dichtung" im wahrsten Sinne, also verdichteter Text ist.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Ich habe mittlerweile die Nacht-Szene gelesen und freue mich, dass die Geschichte nun richtig anfängt, auch wenn ich so lange Monologe nicht besonders mag.


    Ich kann Fausts Verhalten nicht ganz nachvollziehen. Zum einen erkennt er, dass er in den ganzen Wissenschaften, die er studiert hat, keine "Universalerkenntnis" finden kann, die er aber sucht. Selbst die Magie ist ihm dabei keine große Hilfe. Er fühlt sich eingesperrt in seinem Studierzimmer. Aber warum sieht er nur im Tod zunächst die Befreiung aus seinem selbst gemachten Gefängnis? Er könnte doch auch hinaus und die Welt erforschen. Warum ist das für ihn scheinbar keine Lösung?


    Überrascht war ich, dass Faust einfach so einen Todestrunk in seinem Zimmer stehen hat. Ob er schon früher den Freitod in Erwägung gezogen hat? Oder ist es einfach nur "schick" als Gelehrter seltsame Dinge zu besitzen?
    In einer Interpretation habe ich gelesen, dass es sich bei diesem Todestrunk eventuell um hochkonzentrierter Opiumsaft handeln könnte. Ob sich Faust davon vielleicht verdünnt als Droge abundzu was gönnte und deswegen sich diese Phiole in seinem Besitz befindet?


    Viele Grüße
    foenig

  • Hallo Ihr,


    nach längerer Abstinenz stolpere ich hier über die Faust-Leserunde und bin begeistert.
    Mit Faust kam ich erstmals während meiner Abendschule vor ungefähr zehn Jahren in Kontakt und fand in sofort phänomenal.


    Wenn ich darf und wenn es meine Zeit erlaubt, würde ich hier gerne zumindest mitlesen.


    Liebe Grüße


    gretchen :smile:

  • Ich möchte mich Gretchen anschliessen und werde bestimmt länger mitlesen. Habe nun grosse Lust, den Faust wieder aus dem Regal zu holen. Bin sehr auf eure Gedanken gespannt :winken:


    PS: Mephisto ist mein literarischer Liebingscharakter :smile:

    //Grösser ist doof//


  • Aber warum sieht er nur im Tod zunächst die Befreiung aus seinem selbst gemachten Gefängnis?


    Ich kann das schon nachvollziehen. In seinen Augen ist er mit allem, was er wollte, gescheitert.


    gretchen und Jari: je mehr desto besser, meine ich doch. :smile:


    Grüße von Annabas :winken:

  • Ich bin immer noch dabei, auch wenn ich mich nicht melde, was daran liegt, dass ich meine spärlichen Ideen nicht in Worte fassen kann. Inzwischen bin ich dazu übergegangen, halblaut zu lesen, wodurch die Worte ganz anders wirken - viel eindringlicher und schöner. Eure Kommentare bringen für mich mehr Licht ins Faustsche Dunkel als der Anhang meines Buches, der in seiner Fülle eher verwirrend ist. Einige Abschnitte verstehe ich ganz anders, nachdem ich sie mit euren Eindrücken im Hinterkopf noch einmal gelesen habe. :smile:


    Überrascht war ich, dass Faust einfach so einen Todestrunk in seinem Zimmer stehen hat. Ob er schon früher den Freitod in Erwägung gezogen hat? Oder ist es einfach nur "schick" als Gelehrter seltsame Dinge zu besitzen?
    In einer Interpretation habe ich gelesen, dass es sich bei diesem Todestrunk eventuell um hochkonzentrierter Opiumsaft handeln könnte. Ob sich Faust davon vielleicht verdünnt als Droge abundzu was gönnte und deswegen sich diese Phiole in seinem Besitz befindet?


    Da Faust unter anderem Medizin studiert und Pestkranke behandelt hat, könnte die Phiole ein Überbleibsel seiner Medikamente sein. Auch seine Todessehnsucht kann mit der Pest zusammenhängen. So viel Elend zu sehen und wenig dagegen unternehmen zu können, mag für einen empfindsamen Menschen schon schwer zu ertragen sein.

    Einmal editiert, zuletzt von Doris ()