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Band 1 der drei Meister-Li-Romane, die auch in dem Sammelband Die Geheimnisse von Meister Li erschienen sind.
Inhalt
Im Dorf Ku-Fu sterben die Seidenraupen an einer Seuche und die Kinder erliegen einer wundersamen Krankheit, die anscheinend gelernt hat zu zählen. Nummer Zehn der Ochse wird nach Peking geschickt um einen weisen Mann zu holen, der die Kinder retten kann. Zurück kommt er mit Li Kao, der zwar mit einem "kleinen Charakterfehler" behaftet ist, aber schnell den Grund für die Krankheit und die Lösung für das Problem findet: nur die Große Wurzel der Macht, eine ganz besondere Ginseng-Wurzel, kann den Kindern helfen. Auf ihrer Suche nach dieser Wurzel bestehen die beiden märchenhafte Abenteuer und müssen feststellen, dass ganz andere Mächte im Spiel sind als anfangs angenommen, denn sie sind einem göttlichen Geheimnis auf der Spur.
Meine Meinung
Dieses Buch war ein Glücksgriff. Hughart beschwört eine faszinierende, asiatisch inspirierte Welt herauf und lässt liebenswerte Helden in einer märchenhaften Quest gegen hassenswerte Bösewichte antreten. Er verwebt Mythologie, Fakten und Fiktion zu einem China, "das es so nie gegeben hat", das ich ihm aber ohne weiteres abnehme.
Erzählt werden die Ereignisse von Nummer Zehn der Ochse, eigentlich Lu Yu, der als zehnter Sohn mit außerordentlicher Kraft gesegnet ist und so zu seinem Beinamen kam. Er begleitet Meister Li, den weisen Gelehrten mit dem ungewöhnlichen Lebenslauf und dem Hang zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Zusammen begegnen sie einer bunten Palette von Figuren, vom Gaunerpärchen über Geistererscheinungen hin zu verzweifelten Alchemisten. Obwohl die Protagonisten anfangs nur Archetypen zu sein scheinen, offenbaren sie im Lauf der Geschichte weitere, überraschende Facetten. Hinsichtlich der Kürze des Buches und des Fokus auf die Handlung meiner Meinung nach eine durchaus ausreichende Entwicklung.
Die Handlung selbst lebt von der bereits angesprochenen Mischung und den bis zuletzt überraschende Wendungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Hughart die Geschichte(n) inspiriert von überlieferten Märchen und Legenden geschrieben und mit dem Hintergedanken umgesetzt hat, dass in solchen Geschichten immer ein Körnchen Wahrheit steckt. Neben der Mythologie werden auch tatsächlich überlieferte Gebräuche eingearbeitet und teils überspitzt dargestellt, z.B. wenn es um Hofetikette oder die Teezeremonie geht.
Es wird größtenteils temporeich erzählt, Hughart nimmt sich aber auch Zeit für Abstecher und berichtet etwa kurz vom Schicksal einer Nebenfigur. Dafür wird dann eine wochenlange Reise in einem Satz abgehandelt. Finde ich sehr sympathisch. Und trotz der vielen Abstecher und der verschlungenen Reiseroute behält man immer das Ziel der Reise im Blick und kann einem roten Faden folgen, am Ende fallen alle Puzzleteile an ihren Platz. Und auch wenn Meister Zufall das ein oder andere Mal zuschlägt gibt es dafür eine plausible Erklärung.
Das alles würzt Hughart mit ausreichend trockenem Humor, Herzschmerz und Blut, hinzu kommen ein Schuß Münchhausen und eine Prise Sherlock Holmes. Apropos Blut - blutrünstig geht es manchmal zu, jedoch hatte ich nie das Gefühl, das sinnlose Abschlachten sei zu viel des Guten gewesen. Selbst Meister Lis Hang zum Wein ist mir nicht negativ aufgestoßen, obwohl der Griff zur Flasche eigentlich ständig erfolgt.
Man merkt einfach, dass Hughart sich mit der asiatischen (speziell chinesischen) Kultur auseinandergesetzt hat und auch Herzblut in die Geschichte geflossen ist, es ist nicht bloß eine asiatisch angehauchte Erzählung, die mit Klischees spielt. Sein Interesse für China begann mit seiner Stationierung in Korea und er hatte während der zehn Jahre, die er insgesamt in Asien gelebt hat, bestimmt ausreichend Gelegenheit sich mit der Kultur auseinanderzusetzten.
In der englischen Wikipedia kann man sich übrigens ausgiebig von einem Link zum nächsten hangeln, wenn man z.B. beim Artikel zu Barry Hughart selbst beginnt - am besten erst nach der Lektüre. Unter anderem stößt man dann auf das mythologische Vorbild der Geschichte, im Spoiler folgt eine kurzgefasste Übersetzung:
Der Jadekaiser hat eine Tochter, Zhinu (wörtlich: Weberin), welche die bunten Wolken in den Himmel webt. Täglich steigt sie mit Hilfe einer magischen Robe auf die Erde hinab um dort in einem Fluß zu baden. Dabei wird sie eines Tages von einem Hirten beobachtet, der sich in sie verliebt, ihre Robe stiehlt und sie entführt. Der Jadekaiser ist sehr erbost darüber, kann aber nichts unternehmen, da Zhinu sich inzwischen in den Hirten verliebt und diesen geheiratet hat. Doch bald überfällt sie Heimweh, und als sie zufällig in einer Truhe ihre magische Robe findet bricht sie auf in den Himmel. Sofort erschafft der Jadekaiser den Silbernen Strom, die Milchstraße, welchen die Prinzessin nicht überschreiten kann. Doch bald hat er Mitleid mit den Liebenden und erlaubt ihnen, sich am siebten Tag des siebten Monats auf einer Brücke über dem Strom zu treffen.
In einer anderen Version ist Zhinu die Magd der Himmelskönigin, die sich in den Sterblichen verliebt und ihre Aufgabe vernachlässigt. Die erboste Königin holt sie zurück und, als der Hirte zu seiner Frau gelangen will, kratzt mit einer Haarnadel die Milchstraße in den Himmel um die beiden dauerhaft zu trennen. Doch die Elstern haben so viel Mitleid mit den Liebenden, dass sie einmal im Jahr eine Brücke über den Strom bauen.
Die Geschichte bezieht sich auf eine Sternenkonstellation, Vega und Altair, die östlich und westlich der Milchstraße liegen. Zum genannten Datum erscheint die Milchstraße blasser, so das die beiden Sterne nicht mehr durch sie getrennt sind.
Ich kann guten Gewissens vergeben.
Viele Grüße
Breña