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Inhalt
Schweigend sitzt Dolors in der Wohnung ihrer Tochter Leonor und strickt. Dabei möchte sie gar nicht schweigen, aber ein Schlaganfall hat ihr die Sprechfähigkeit genommen. Aber einen Vorteil hat ihre erzwungene Passivität: alle denken, Dolors kann so wenig hören wie sie sprechen kann. So bekommt die alte Dame einiges mit, was vielleicht besser verborgen geblieben wäre. Doch auch Dolors hat ihre dunklen Seiten, die sie nach und nach mit dem Leser teilt.
Meine Meinung
Ich stehe dem Buch etwas zwiegespalten gegenüber. Auf der einen Seite ist es natürlich aufregend, in einer scheinbar normalen Familie Mäuschen zu spielen, auf der anderen Seite haben mich manche Ansichten von Dolors etwas entsetzt.
Doch kommen wir zunächst zu den guten Seiten des Buches. Die Familie von Leonor (bestehend aus ihr selbst, ihrem Ehemann Jofre und den Kindern Marti und Sandra) nimmt die nach einem Schlaganfall stumme Großmutter Dolors auf. Aus deren Sicht werden die Vorgänge in der Fmilie erzählt, immer wieder unterbrochen durch ihre Erinnerungen an die Vergangenheit. Jedes Familienmitglied hat seine Geheimnisse, die man nach und nach erfährt. Man bekommt immer nur kleine Häppchen vorgeworfen, so dass man als Leser geradezu gezwungen wird, "noch ein bisschen weiter" zu lesen, wenn man mehr erfahren möchte.
Bei den Geheimnissen handelt es sich durchaus nicht (nur) um Lappalien, sondern größtenteils um ziemlich heftige Probleme. Ohne jetzt zuviel verraten zu wollen, kann ich wohl sagen, dass manche Geheimnisse sich im verbrecherischen Sektor bewegen und es sich nicht nur um "Gentleman-Delikte" handelt.
Hinzu kommt noch, dass in der Familie alle ein ziemlich gestörtes Verhältnis zueinander haben. Vater Jofre hält sich für unfehlbar und unterdrückt seine Frau Leonor, die sich das gefallen lässt. Sie lebt nach dem Motto: "Was ich nicht wissen will, existiert auch nicht" und geht allen Problemen aus dem Weg. Dass sie damit ihre Kinder, besonders die sensible Sandra, verletzt, bemerkt sie nicht.
Ich persönlich hatte ein eher lustiges Buch über die vielen kleinen Geheimnisse einer normalen Familie erwartet. Es geht aber um wirklich ernste Dinge, die teilweise nicht mehr zum Lachen sind. An sich gefällt mir das ganz gut, aber einige Bemerkungen oder Handlungen von Dolors fand ich extrem unangemessen und kaltherzig.
Achtung, echter Spoiler!
Als ihre Tochter Leonor ihr erzählt, dass ihr Chef sie seit Monaten auf der Arbeit vergewaltigt, hat sie kein Mitleid, sondern findet ihre Tochter einfach nur dumm. Meiner Meinung nach keine tolle Reaktion einer Mutter.
Als Dolors` eigener Mann seine Arbeit verliert und fortan als Hausmann tätig ist, hält sie es für sich und ihn das Beste, ihn umzubringen, da er niemandem mehr von Nutzen ist. ÄÄÄÄh, wie bitte?
Hinzu kommt noch, dass sie eigentlich alle Menschen, die nicht so sind wie sie, für dumm und anstrengend hält, allen voran ihre Tochter Leonor (okay, sie ist auch ziemlich verkorkst, aber vielleicht liegt das an der Erziehung?). An einigen Stellen konnte ich mich über Dolors` Verhalten einfach nur aufregen, ansonsten kam ich aber ganz gut mit ihr zurecht.
Insgesamt würde ich trotzdem vergeben, denn die Handlung an sich hat mir sehr gut gefallen, gerade weil sie ernster war als erwartet. Schön fand ich auch die Verknüpfung zwischen Gegenwart und Vergangenheit sowie das tolle Ende (damit meine ich den letzten Satz).