Haruki Murakami - 1Q84

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  • Dankeschön - ja, eigentlich war es wirklich irgendwie als Urlaubseinstimmung gedacht. :smile: Wobei ich es so oder so gelesen hätte, weil ich schon vor über einem Jahr auf den Murakami-Geschmack bekommen bin. Das war jetzt mein 5. Buch von ihm.


    Zuerst einmal möchte ich mich dem Tipp von Schokomaus anschließen - wenn ihr mit dem Gedanken spielt, das Buch zu lesen, macht einen Bogen um diverse Inhaltsangaben im Netz. Wer Haruki Murakami bereits kennt, ahnt sowieso ungefähr, was auf ihn zukommt, und wer noch nichts von ihm gelesen hat, sollte sich wirklich lieber allgemeine Infos zu Stil & Themen des Autors ergoogeln. Von den konkreten Meinungen zu 1Q84 spoilern manche schon sehr!


    Ich möchte deshalb auch gar nicht zu detailliert auf die Handlung eingehen. Wie Schokomaus schon geschrieben hat, werden abwechselnd zwei Stränge erzählt: der eine dreht sich um Tengo, hauptberuflich Mathematiklehrer, hobbymäßig Schriftsteller. Tengo wird über seinen Verleger, Herrn Komatsu, mit der siebzehnjährigen Fukaeri bekannt gemacht. Fukaeri ist ein äußerst seltsames Mädchen, das jedoch eine beeindruckende Geschichte geschaffen hat. Herr Komatsu möchte, dass der talentierte Tengo diese Geschichte in eine stilistisch ansprechende Form bringt, sodass sie sich veröffentlichen und vermarkten lässt.


    Die Protagonistin des anderen Handlungsstranges ist Aomame, hauptberuflich sowas wie Stretchingtrainerin, nebenberuflich ... ok, das will ich wirklich nicht verraten, auch wenn es sich schon relativ früh aufklärt. :breitgrins:


    Wie man es von dem Autor bereits kennt, ist eines der Hauptthemen des Buches das Auflösen der Grenze zwischen Realität und Fiktion. Im Unterschied zu anderen Werken, die ich bereits von ihm gelesen habe, habe ich mich hier aber weniger gefragt, was nun wahr und was imaginär ist, sondern eher, was es überhaupt für eine Rolle spielt, welches die echte und welches die künstliche Welt ist.


    Es war nicht so, dass mich 1Q84 von Anfang an völlig aus den Socken gehauen hätte, aber ich fand es von Beginn weg interessant, und der Autor (und seine Übersetzerin Ursula Gräfe) haben einen so gefälligen Stil, dass sie den Leser ganz locker bei der Stange halten.
    Im Laufe der ein, zwei Wochen, die ich an diesem Buch gelesen habe, bin ich dann immer tiefer in die Geschichte eingetaucht und habe mich mehr und mehr damit identifiziert. Das ging sogar soweit, dass ich einmal beim Gang quer über eine nächtliche Dachterasse inne gehalten habe, weil ich für einen Sekundenbruchteil so erstaunt war, dass da nur ein Mond am Himmel stand! :boff:


    1Q84 ist das komplexeste mir bekannte Murakami-Werk. Es ist extrem durchdacht und funktioniert auf mehreren Ebenen - eigentlich sehr gelungen ... allerdings ist damit auch ein persönlicher Kritikpunkt von mir verbunden: mir wirkt es fast zu perfekt konstruiert, mit Metaphern allzu überfrachtet. Sandhofer hat über Ecos Der Name der Rose sinngemäß einmal gesagt, man sieht die Punkte, wo der Autor seinen Zirkel angesetzt hat. Der Vergleich fiel mir beim Lesen von 1Q84 wieder ein.
    Ein raffinierter Schachzug sind jedoch ein paar Kunstgriffe, mit denen der Autor sich in maskierter Weise selbst analysiert und so seinen (professionellen Literatur-)Kritikern teilweise von vornherein den Wind aus den Segeln nimmt! :zunge:


    Die von Schokomaus angesprochene Schwermütigkeit hängt mit der unfassbaren Einsamkeit der meisten Figuren in diesem Roman zusammen. Der Autor zeichnet sehr feinfühlig ein Bild davon, wie man speziell in einer Stadt wie Tokio ganz alleine dastehen kann, auch wenn man oberflächlich betrachtet mit vielen Menschen Kontakt hat.


    Mit der Rattenvergabe tue ich mich schwer - ich habe schon Bücher von Murakami gelesen, die mich schneller und heftiger in ihren Bann gezogen haben, allerdings spüre ich jetzt schon, dass dieses hier noch länger in mir arbeiten wird. Und nach kurzem Setzenlassen gab es bisher eigentlich noch kein Murakami-Buch, bei dem ich mir nicht vorstellen könnte, es noch öfter zu lesen. Ich vesuche es mal mit


    4ratten


    Ach ja, weil ihr die Optik des Buches angesprochen habt, á la "macht sich bestimmt gut im Regal" - das schon, aber ich kann euch sagen, man erregt in den Öffis zwangsläufig Aufmerksamkeit, wenn man diesen silbrigen Ziegelstein mit dem fetten hellgrünen [size=11pt]MURAKAMI[/size]-Schriftzug auf dem Schnitt in Händen hält. :redface:

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    Einmal editiert, zuletzt von Bluebell ()

  • Danke für die tolle Rezi Bluebell! Das Buch kommt auf meine Murakami-Wunschliste! Aber definitiv :breitgrins:

    //Grösser ist doof//

  • So, jetzt habe ich mich definitv für dieses Buch entschieden. Danke für deine Rezi und die (nicht zu vielen :zwinker: ) Infos, Bluebell :smile:

  • Freut mich, wenn's geschmeckt hat! :breitgrins:

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  • Das ist eine schöne Rezension!


    Es ist extrem durchdacht und funktioniert auf mehreren Ebenen - eigentlich sehr gelungen ... allerdings ist damit auch ein persönlicher Kritikpunkt von mir verbunden: mir wirkt es fast zu perfekt konstruiert, mit Metaphern allzu überfrachtet. Sandhofer hat über Ecos Der Name der Rose sinngemäß einmal gesagt, man sieht die Punkte, wo der Autor seinen Zirkel angesetzt hat. Der Vergleich fiel mir beim Lesen von 1Q84 wieder ein.


    Oh je. Da kann ich leider nicht folgen. Kannst Du hier eine genauere Beschreibung geben, oder ein Beispiel anhand des Buches nennen, das mir den Zirkel-Satz verdeutlicht (geht wahrscheinlich nicht ohne Spoiler)? Das wäre nett. :smile:


    Zitat

    Mit der Rattenvergabe tue ich mich schwer - ich habe schon Bücher von Murakami gelesen, die mich schneller und heftiger in ihren Bann gezogen haben, allerdings spüre ich jetzt schon, dass dieses hier noch länger in mir arbeiten wird.


    Ja, das ist bei mir auch so. Es gibt nur ganz wenige Bücher, die ich gelesen habe, die das können. Ich denke immerzu an die Geschichte, und weil sie bei mir noch so lange nachklingt, fiel mir die Rezension auch schwer, weil ich keinen Eindruck so richtig greifen kann.


    Schön, dass wir hier bald noch einige andere Meinungen hören können. :zwinker:

    "Verzicht bedeutet für Frauen die kurze Pause zwischen zwei Wünschen."

    ~ Mario Adorf


  • Oh je. Da kann ich leider nicht folgen. Kannst Du hier eine genauere Beschreibung geben, oder ein Beispiel anhand des Buches nennen, das mir den Zirkel-Satz verdeutlicht (geht wahrscheinlich nicht ohne Spoiler)? Das wäre nett. :smile:


    Hab mich gerade an einer spoilerfreien Erklärung versucht, aber die blieb so schwammig, dass sie recht sinnlos war … also probiere ich es lieber doch mit zwei Beispielen. Ganz einfach zu formulieren ist es aber trotzdem nicht:




    Ich weiß, ich bin da etwas schwierig … wenn eine Metapher oder sonst ein Sachverhalt allzu subtil dargestellt ist, besteht die Gefahr, dass er mir gar nicht auffällt - aber wenn ich etwas sehr klar bemerke, wirkt es auf mich manchmal gleich wieder zu banal, oder zumindest überdeutlich (Marke Holzhammer). Da bleibt also nur ein relativ schmaler Grat … :redface:


    PS: Unter „Zirkeleinstiche“ fallen für mich eigentlich auch die Stellen, die ich so interpretiert habe, dass sich der Autor selbst analysiert – leider kann ich gerade nicht im Buch nachschlagen, aber ich meine damit:



    Vielleicht finde ich die Seitenzahlen am Abend noch. Jedenfalls, auch wenn ich die Art, wie der Autor solche Kunstgriffe anwendet, gelungen finde, „stört“ es mich doch ein wenig zu merken, dass er es tut. (Naja, "stören" ist auch schon wieder übertrieben ... :rollen: )

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    Einmal editiert, zuletzt von Bluebell ()

  • Oha. Für Metaphern und Symbolik bin ich wohl zu blöd, denn ich habe das gar nicht bemerkt. :redface:


    Oder ich kenne eben noch nicht genug Murakamis.


    Aber ich verstehe jetzt, was Du meinst, danke für die Beispiele. Ich denke, ich werde sowieso mit ganz anderen Augen an den nächsten Roman von ihm herangehen, nachdem ich diesen dicken Ziegelstein gelesen habe. :zwinker:

    "Verzicht bedeutet für Frauen die kurze Pause zwischen zwei Wünschen."

    ~ Mario Adorf


  • Ich denke, ich werde sowieso mit ganz anderen Augen an den nächsten Roman von ihm herangehen, nachdem ich diesen dicken Ziegelstein gelesen habe. :zwinker:


    Als Kontrastprogramm könntest du als nächstes das dünne After Dark lesen ... manche Leser meinen, dünne Bücher kann er nicht so gut schreiben wie dicke, aber mich hat's begeistert! (Kannte damals aber auch noch kein dickes von ihm.)

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  • Ich habe das Buch auch auf meiner Einkaufsliste zu stehen.
    Nun schreibt ihr ja, dass es noch weitere Teile davon geben wird und deswegen würde ich gern Folgendes wissen: Ist denn dieses Buch abgeschlossen? Also, ich meine, dass mir zwar klar ist, dass gewisse "Fragen offen bleiben", aber wie sieht es mit der Geschichte an sich aus?
    Oder einfach gefragt :breitgrins: : Ist das Buch denn so abgeschlossen wie die einzelnen Harry-Potter-Bücher? Oder gibt es am Ende einen Cliffhanger, bei dem man sich super ärgert, weil man nicht sofort weiterlesen kann?
    Von euren Antworten hängt ab, WANN ich mir das Buch zulege. ;)

  • Oder einfach gefragt :breitgrins: : Ist das Buch denn so abgeschlossen wie die einzelnen Harry-Potter-Bücher? Oder gibt es am Ende einen Cliffhanger, bei dem man sich super ärgert, weil man nicht sofort weiterlesen kann?


    Letzteres. Das Ende ist so ziemlich der fieseste Cliffhanger, der einem Leser zugemutet werden kann. Also, wenn Du wirklich direkt weiterlesen willst, weil Du Dich bei derart offenen Enden ärgerst, warte, bis der Folgeband erscheint. :zwinker:


    @ Bluebell: Danke, ich werde es damit mal probieren. :winken:

    "Verzicht bedeutet für Frauen die kurze Pause zwischen zwei Wünschen."

    ~ Mario Adorf

  • Huiii... gut das ihr das noch einmal angesprochen habt. Dann werde ich jetzt nämlich auch lieber noch warten bis die weiteren Teile draußen sind. Ist ja nicht so das ich neugierig bin, aber in Ungewissheit leben ... :spinnen:

  • Letzteres. Das Ende ist so ziemlich der fieseste Cliffhanger, der einem Leser zugemutet werden kann. Also, wenn Du wirklich direkt weiterlesen willst, weil Du Dich bei derart offenen Enden ärgerst, warte, bis der Folgeband erscheint. :zwinker:


    Super, danke für deine Antwort. :)
    Dann muss ich mich wohl noch etwas gedulden - und mich mit den anderen Büchern/CDs/DVDs ablenken, die ich noch auf meiner Einkaufsliste hab. :breitgrins:

  • Verdammt, ich dachte, wir hätten Euch! :breitgrins:
    Und wir armen Schweine wussten gar nicht, dass es noch einen weiteren Teil gibt und sind somit den gemeinen Nachwirkungen des Cliffhangers ausgeliefert! :heul:

    "Verzicht bedeutet für Frauen die kurze Pause zwischen zwei Wünschen."

    ~ Mario Adorf


  • Verdammt, ich dachte, wir hätten Euch! :breitgrins:


    Ihr habt uns ja, aber gebt uns noch Zeit, ein kleines bischen nur.... etwas mehr Zeit... lalalalalalaaaaaa....


    Ja, die Nachwirkungen eines Cliffhangers können grausam sein :trost:

  • Hannah & Tasha: Also, ich bin ja eigentlich auch so, dass ich nach einem Cliffhanger am Ende wie unter Strom stehe - aber aus irgendeinem Grund habe ich bei dem von 1Q84 nicht sonderlich gelitten. Es ist zwar schon ein offener Schluss und man merkt, dass die Geschichte noch weitergehen wird, aber für mich war der Effekt wirklich nicht so schlimm, dass ich nicht wüsste, wie ich die Wartezeit überstehen soll ... meine Gedanken haben sich nach dem Zuklappen eigentlich gar nicht soo sehr auf die letzten paar Seiten fixiert, sondern sind relativ schnell zu einer ganzen Reihe von anderen Dingen zurückgekehrt, die sich im Laufe des Buches zugetragen haben …


    Also ich verstehe die Reaktion von Schokomaus schon, aber ich wollte euch nur noch mal mit der Meldung verunsichern, dass es nicht zwangsläufig so kommen muss! :teufel:

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  • Hallo, habe das BUch auch mit Begeisterung gelesen - wie fast alle anderen Bücher von Haruki Murakami. Ich wußte schon während des Lesens, daß es noch einen dritten Teil geben wird (auf Englisch kommt er im Herbst heraus, glaube ich), daher wußte ich, daß es kein endgültiges Ende ist.
    Aber ich kann nur zur Vorsicht raten: Wenn ihr euch die Spannung des Cliffhangers bis zur Lektüre des letzten Bandes aufheben wollt, recherchiert nicht zu viel. Habe eine ganz tolle Kritik zu den Bänden 1+2 gefunden, leider gab es schon einige Spoiler Band 3 betreffend, die nicht angekündigt waren.


    Aber naja, eigentlich bin ich auch ganz froh schon gewisse Dinge zu wissen :zunge:

    Ein Buch ist ein Freund, der deine Fähigkeiten aufdeckt; <br />es ist ein Licht in der Finsternis und ein Vergnügen in der Einsamkeit;<br />es gibt, und es nimmt nicht.<br />&lt;b&gt;Mosche Ibn Esra &lt;/b&gt;<br /><br />:leserin: &lt;b&gt;Der An

  • Spätestens jetzt will ich dieses Buch auch lesen, nach den ganzen interessanten Kommentaren in diesem Thread. Ich mag Murakami schon lange und habe schon einige seiner Bücher gelesen.
    Allerdings schreckt mich der Preis noch ziemlich ab und selbst die englischen Teilausgaben scheinen nicht günstiger zu sein, oder habe ich da falsch geschaut?

  • Hallo, Murakami-Fans!


    Dieses Buch habe ich noch nicht gelesen - ja, preisbedingt subbt es nicht einmal bei mir. Drum guckte ich eben im Bibliothekskatalog nach (die haben's nur auf Japanisch und Chinesisch :sauer: ), wo mir bei der japanischen Originalausgabe zweierlei Sachen auffielen:


    Erstens, dass das Buch ja nicht "IQ84" wie Intelligenzquotient heißt (das hatte ich bisher immer gelesen), sondern "1Q84", also "Eins Q".


    Zweitens wurde der japanische Titel in lateinischer Umschrift als "Ichi kyu? hachi yon" angegeben. Meine japanischen Sprachkenntnisse sind zwar minimal, aber die Zahlen von 1 bis 10 kenne ich, und weiß daher, dass "kyū" die 9 ist. Also heißt das Buch eigentlich/auch - "1984" à la George Orwell. Ergibt das für euch, die ihr das Buch kennt, irgendeinen Sinn?

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo Saltanah,


    angelockt durch den regen Austausch hier, habe ich mich etwas genauer mit dem Buch befasst. Daher weiß ich, dass die Geschichte 1984 spielt. Als die Dame dann, durch welche Umstände auch immer, sich in einem Paralleluniversum wiederfindet, beschließt sie die Jahreszahl für diese Welt abzuändern. Aus der Neun wird ein Q und somit aus der Jahreszahl 1984 die Welt 1Q84.
    Irgendwie muss man die Welten ja auseinanderhalten. :zwinker:


    yanni :winken:



    P.S. Der Preis kann sich echt sehen lassen. Aber ich kann warten. :breitgrins:

  • Ganz genau gesagt steht das "Q" für "Question Mark"; so dreht Aomame sich ihre neue Welt zurecht. :winken:


    EDIT: Tatsächlich, die einzelnen Ausgaben in englisch sind ja hammermäßig teuer!! :boah:

    "Verzicht bedeutet für Frauen die kurze Pause zwischen zwei Wünschen."

    ~ Mario Adorf

    Einmal editiert, zuletzt von Schokomaus ()